Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.10.2013, Az. III ZR 388/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1517

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 388/12
Verkündet am:

31. Oktober 2013

F r e i t a g

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 839 Fc

Der Träger einer Städtischen Klinik ist nicht verpflichtet, sämtliche Fenster ei-ner geschlossenen psychiatrischen Station der Klinik so auszustatten, dass sie auch unter Einsatz von Körperkraft nicht so geöffnet werden können, dass ein Patient hinaussteigen oder -springen kann.

[X.], Urteil vom 31. Oktober 2013 -
III ZR 388/12 -
OLG Naumburg

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober
2013 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.]
[X.], [X.], Tombrink
und
Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision des
[X.]
gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.]s Naumburg
vom 8. November 2012
wird zu-rückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen
mit Ausnahme der Kosten seines Streithelfers, die dieser selbst zu tragen hat.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die beklagte [X.] -
als Trägerin des Städtischen [X.] M.

-
Schmerzensgeld-
und Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung im Zusammenhang mit Verletzungen geltend, die er als Patient einer geschlossenen psychiatrischen Station des [X.] erlitten hat.

1
-

3

-

Der Kläger, der unter einer schizophrenen Psychose mit wahnhaften [X.] litt, war aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts -
Vormund-schaftsgericht
-
M.

vom 25. Oktober 2006 in der geschlossenen psy-chiatrischen Station des [X.] untergebracht. Am 11. November 2006 öff-nete er in seinem Patientenzimmer unter Beschädigung des Fensterrahmens gewaltsam ein Fenster und sprang unvermittelt in suizidaler Absicht aus dem vierten Stock in die Tiefe. Dabei erlitt er ein Polytrauma mit Frakturen an allen Extremitäten und an drei Lendenwirbelkörpern sowie ein traumatisches Hirn-ödem bei diffuser Hirnkontusion.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe das Fenster so ausstat-ten müssen, dass es von ihm nicht habe geöffnet werden können. Es gehöre zu den Mindestanforderungen an Fenster einer geschlossenen Station für Psychi-atrie, dass sie nicht so geöffnet werden könnten, dass ein Patient hinaussteigen oder herausspringen könne. Daran gemessen sei der verwendete Fenstertyp ungeeignet gewesen.

Die Beklagte hat vorgetragen, das Fenster sei durch einen
Sicherungs-knauf geschützt gewesen, der verhindert habe, dass das Fenster ganz habe geöffnet werden können. Es habe lediglich die Möglichkeit bestanden, das Fenster im oberen Bereich anzukippen. Eine Verpflichtung sicherzustellen, dass auch das gewaltsame Öffnen des Fensters vollkommen ausgeschlossen sei, bestehe nicht. Die Fenster hätten sich in einem mangelfreien Zustand [X.].

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-

4

-

Der Kläger verlangt Schmerzensgeld in Höhe von wenigstens 55.049,01

nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und die Feststellung der Verpflich-tung der Beklagten zum Ersatz aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 11. November 2006, soweit kein Anspruchs-übergang auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger oder sonstige Dritte vor-liegt. Das [X.] hat die Klage -
nach Beweisaufnahme
-
abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Klagebegeh-ren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat eine Amtspflichtverletzung der Beklagten ver-neint. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei von der Grundfeststellung des Sachverständigen Dr. H.

auszugehen, dass es verbindliche Sicherheits-standards für Fenster in geschlossenen
psychiatrischen Kliniken nicht gebe und auch nicht geben könne. Es vermöge sich der von der Berufung herangezoge-nen Entscheidung des [X.] [X.]s
vom 14. Februar 2003 ([X.], 267) nicht anzuschließen.
Diese laufe darauf hinaus, dass eine Pflichtwidrigkeit allein daraus herzuleiten sei, dass ein Durchbruch durch das Fenster rein tatsächlich gelinge. Es
sei
bei suizidgefährdeten Patienten aber nicht allein mit dem Springen aus dem Fenster, sondern auch mit anderen 5
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Verhaltensweisen zu rechnen. So könne sich bei undurchdringlicher Verglasung der Patient beim Durchbruchsversuch schwerwiegende Kopfverletzungen zu-ziehen. Es müsse daher eine Kompromisslösung gefunden werden. Vorliegend sei das Fenster so gesichert gewesen, dass es nur im oberen Teil [X.] gewesen sei und ein vollständiges Öffnen durch ein Sicherungsschloss verhin-dert worden sei. Der Kläger habe nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten das Fenster auch nicht geöffnet, sondern den Fensterflügel unter erheblicher Gewalteinwirkung herausgerissen, so dass der Holzrahmen teilwei-se zersplittert sei, das [X.] sich verbogen hätte und auch andere Teile deformiert worden wären. Ausgehend von der Überlegung, dass es eine vollständige Sicherheit vor einer Eigengefährdung eines Patienten auch in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung nicht gebe, seien weitere bauliche Sicherungsmaßnahmen nicht zu ergreifen gewesen, wenn der Durchbruch nur unter Anwendung erheblicher körperlicher Gewalt möglich gewesen wäre.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat zu
Recht
eine Amtspflichtverletzung der [X.] verneint. Die Beklagte war nicht verpflichtet, sämtliche
Fenster der ge-schlossenen psychiatrischen Station des
[X.] so auszustatten, dass es einem Patienten
auch unter Einsatz von erheblicher Körperkraft nicht möglich war, durch die Fensteröffnung
hinauszusteigen oder zu springen.

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6

-

1.
Die Revision weist zunächst zutreffend darauf hin, dass der Träger eines psychiatrischen Krankenhauses verpflichtet ist, die
aufgenommenen Patienten auch vor Selbstschädigungen zu bewahren, die ihnen durch Suizidversuche drohen können (Senat, Urteil vom 23. September 1993 -
III
ZR 107/92, NJW
1994, 794; [X.], Urteil vom 20. Juni 2000 -
VI
ZR 377/99, [X.], 3425; [X.]/[X.], [X.], §
823 Rn.
I 38 [2009] mwN; [X.]/[X.], [X.], 72.
Aufl., §
823 Rn.
149 mwN). Die Beklagte hat indes durch die Ausstattung des Fensters des Patientenzimmers, aus dem der Kläger gesprungen ist, diese ihr obliegende Schutzpflicht nicht verletzt.

2.
Die Revision erkennt ebenfalls, dass die vorgenannte Pflicht nur in
den Grenzen des Erforderlichen und des für das Krankenhauspersonal und den [X.] besteht (Senat, Urteil vom 23. September 1993 aaO S.
795; [X.]/[X.] aaO). Ein Suizid während des Aufenthalts in einem psychiatrischen Krankenhaus kann niemals mit absoluter Sicherheit vermieden werden, gleich, ob die Behandlung auf einer offenen oder einer geschlossenen Station durchgeführt wird. Eine lückenlose Sicherung, die jede noch so fernlie-gende Gefahrenquelle ausschalten könnte, erscheint nicht denkbar. Zudem sind stets die Erfordernisse der Medizin zu beachten, die nach moderner Auf-fassung gerade bei psychisch Kranken eine vertrauensvolle Beziehung und Zu-sammenarbeit zwischen Patient und Arzt sowie Krankenhauspersonal auch aus therapeutischen Gründen als angezeigt erscheinen lassen. Entwürdigende Überwachungs-
und Sicherungsmaßnahmen, soweit sie überhaupt zulässig sind, können eine Erfolg
versprechende Therapie gefährden. Das [X.] ist abzuwägen gegen Gesichtspunkte der Therapiegefährdung durch all-zu strikte Verwahrung (Senat aaO mwN; [X.], Urteil vom 20. Juni 2000 aaO; [X.], NJW-RR 2010, 1246, 1248; [X.]/[X.] aaO).

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Nach diesen Grundsätzen
ist eine Pflicht zur Ausstattung nicht nur eini-ger bestimmter, sondern sämtlicher
Räume einer geschlossenen psychiatri-schen Station mit Fenstern, die auch unter Einsatz von Körperkraft von einem Patienten nicht dazu benutzt werden können,
hinauszusteigen oder zu sprin-gen, nur dann zu bejahen, wenn auch diese Maßnahme zum Schutz der Patien-ten vor Selbstschädigungen erforderlich ist. Letzteres ist indes zu verneinen:

a) Nicht alle Patienten einer geschlossenen psychiatrischen Station sind suizidgefährdet. Vielmehr werden
dort, wie der Sachverständige Dr. H.

in dem von der Revision in Bezug genommenen
Gutachten vom 26. Januar 2011 (S.
17
ff)
bestätigt
hat, auch Patienten untergebracht, bei denen aufgrund des Krankheitsbildes und des Therapieverlaufs eine Eigengefährdung nach menschlichem und fachlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann. Sie können in normalen Patientenzimmern untergebracht werden, die einer beson-deren Sicherung gegen selbstgefährdende Maßnahmen nicht bedürfen. In die-sen [X.]n dürfen, wie der Sachverständige ebenfalls bestätigt hat (Gutach-ten S. 20 f; [X.] vom 10. Mai 2011, S. 3),
durchaus Fenster installiert sein, die geöffnet oder gekippt werden können.
Soweit die Revision
meint, aus dem Gutachten des Sachverständigen ergebe sich, dass auch [X.] in Räumen, in denen Patienten ohne akutes Gefährdungspotential unterge-bracht seien, so beschaffen sein müssten, dass sie nicht ohne weiteres von einem Patienten in den für brachiale Gewaltanwendung anfälligen gekippten oder anderweitig geöffneten Zustand gebracht werden könnten, missversteht sie die Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat, worauf die Revisions-erwiderung zu Recht hinweist,
in seinem [X.] vom 10. Mai 2011 (S. 3) klargestellt, seine (von der Revision herangezogene)
Äußerung gel-te nur für Fenster, die eine Kippstellung nicht erlaubten. Für Fenster, die geöff-net beziehungsweise gekippt werden könnten, treffe dies nicht zu.
Er stimme 12
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dem Text des Schriftsatzes des Beklagtenvertreters vom 4. April 2011 ([X.]) ausdrücklich zu. In dieser Textpassage wird festgestellt, dass die Verwendung eines "überhaupt nicht zu öffnenden"
Fensters unter psychiatrisch-fachmedizi-nischen Gründen nicht erforderlich sei. Es gelte vielmehr, dass Fenster wie das hier streitgegenständliche jedenfalls auf normalen Patientenzimmern auch bei geschlossenen Stationen regelmäßig zum Einsatz kämen.

b) Eine Ausstattung auch der normalen
Patientenzimmer mit nicht zu öffnenden Fenstern
der von der Revision geforderten Art wäre nur dann zum Schutz von -
dort nicht unterzubringenden
-
suizidgefährdeten Patienten erfor-derlich, wenn nicht durch andere Maßnahmen verhindert werden könnte, dass auch sie in
die betreffenden [X.] gelangen
können.
Dies
ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr kann grundsätzlich auch
durch bauliche Maßnahmen oder das personelle Sicherheitskonzept der Station (Überwachung und Begleitung der suizidgefährdeten Patienten) ausgeschlossen werden, dass suizidgefährdete Patienten in [X.] mit (teilweise) zu öffnenden Fenstern gelangen
(zur perso-nellen Überwachung vgl. [X.]
aaO). Im Mittelpunkt der in Bezug auf eigengefährdete Patienten bestehenden Schutzpflicht steht daher vorlie-gend nicht die Frage der Ausstattung des Fensters des Patientenzimmers, aus dem der Kläger gesprungen ist, sondern -
wie auch der Sachverständige bestä-tigt hat (Gutachten vom 26. Januar 2011, S.
19)
-
die Frage, in welchen Räu-men welche Patienten unter welchen Bedingungen behandelt und beobachtet werden. Insofern sind etwa an die Ausstattung eines Schutz-
und Beruhigungs-raums, in dem typischer Weise auch und gerade hochgradig erregte suizidge-fährdete Patienten untergebracht werden, andere Anforderungen zu stellen als an normale Patientenzimmer, in denen nicht suizidgefährdete Patienten [X.] werden und zu denen suizidgefährdete Patienten keinen Zugang ha-ben
(zur Ausstattung eines Beruhigungsraums eine Landeskrankenhauses mit 14
-

9

-

genügend sicheren Fenstern vgl. Senat, Beschluss vom 9. April
1987 -
III
ZR 171/86, [X.]R [X.] §
839 Dritter 8 -
mangelhafte Fenster in Heilanstalt; Stau-dinger/[X.] aaO; zur Ausstattung von Fenstern in einem Wachsaal vgl. BayObLG, [X.], 872).

c)
Die zugunsten des [X.] bestehende konkrete Schutzpflicht bestand damit nicht darin, sämtliche Räume der geschlossenen psychiatrischen Station mit nicht zu öffnenden Fenstern
auszustatten, sondern
-
seitens des Personals der Station
-
den Kläger bei erkannter oder erkennbarer Suizidabsicht nicht in einem normalen Patientenzimmer mit zu öffnenden oder kippbaren Fenstern unterzubringen
und ihm auch
keinen Zugang zu einem solchen [X.] zu er-möglichen.
Ohne konkrete Anhaltspunkte einer Selbstgefährdung bestand hin-gegen keine Pflicht zur Sicherung gegen einen -
unvorhersehbaren
-
Selbst-mordversuch (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 2000 aaO; [X.]/[X.] aaO mwN).
Vorliegend
ist nicht festgestellt, dass eine Suizidabsicht des [X.] für das Personal der psychiatrischen Station erkennbar war. Aus den im [X.] in Bezug genommenen Feststellungen des Schlussurteils des Land-gerichts vom 14. September 2011 ergibt sich im Gegenteil, dass der beim Klä-ger eingetretene raptusartige Zustand, der zu seinem Suizidversuch geführt hat, prinzipiell nicht vorhersehbar war
(S. 6 f
der Entscheidungsgründe). Diese Fest-stellungen werden von der Revision nicht angegriffen. Sie macht insbesondere
keine Pflichtverletzung des Personals der psychiatrischen Station (mehr) gel-tend, sondern eine in der mangelhaften Ausstattung der Stationsfenster liegen-de Pflichtverletzung der Beklagten. Letztere ist indes aus den vorgenannten Gründen zu verneinen.

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d) Die von der Revision angeführte Entscheidung des [X.] [X.]s Hamburg vom 14. Februar 2003 ([X.], 267) gibt keine Veranlassung zu einer anderen Sichtweise. Der dort zugrunde liegende Sachverhalt betraf den Suizidversuch eines Patienten, dessen akute Eigenge-fährdung dem Personal der geschlossenen psychiatrischen Abteilung bekannt
und der dennoch in einem [X.] untergebracht worden war, dessen Fenster in Kippstellung zu bringen war. Damit unterscheidet er sich in einem wesentli-chen
Punkt von dem vorliegenden Sachverhalt, der einen Patienten betrifft, dessen Suizidgefährdung nicht erkennbar war.

Auch das Hanseatische [X.] stellt in seinem
Urteil
vom 14.
Februar 2003 darauf ab, dass der dortige Kläger gerade wegen der [X.] akuten Selbstmordgefahr so unterzubringen war, dass er sich nicht durch den Sturz aus dem Fenster der Klinik gefährden konnte (aaO [X.]). Sofern allerdings die Begründung des [X.]s dahin zu verstehen sein sollte, dass es
generell zu den Mindestanforderungen einer geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses
gehöre,
sämtliche Fenster so zu sichern,
dass ein
Patient sie nicht ohne Werkzeug öffnen könne, könnte
der Senat dem nicht uneingeschränkt
folgen, sondern allenfalls und stets abhängig von den konkre-ten Umständen des Einzelfalls für solche Bereiche und [X.] einer [X.] psychiatrischen Station, in denen suizidgefährdete Patienten unterge-bracht sind oder die für sie ohne Überwachung und Begleitung zugänglich sind. Eine Pflicht zur Ausstattung auch der für suizidgefährdete Patienten nicht zu-gänglichen Bereiche und normalen Patientenzimmer mit nicht zu öffnenden Fenstern besteht hingegen aus den vorgenannten Gründen nicht.

16
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-

11

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3.
Eine Amtspflichtverletzung der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass sie bei der Ausstattung der Räume der geschlossenen psychiatrischen Station des [X.] gegen verbindliche Vorschriften für Sicherheitsstandards oder auch nur allgemein anerkannte Sicherheitsstandards verstoßen hätte. Das Be-rufungsgericht hat das Bestehen derartiger Sicherheitsstandards -
entgegen der Auffassung der Revision ohne Verstoß gegen §
286 ZPO
-
nicht festgestellt.

Nach §
286 Abs.
1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des ge-samten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweis-aufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Be-hauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht
gemäß §
559 Abs.
2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungs-gericht die Voraussetzungen und die Grenzen des §
286 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozess-stoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze
und Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat, Urteile vom 19. Juni 2008 -
III
ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484 Rn.
22;
vom 5.
November 2009 -
III
ZR 6/09, NJW 2010, 1456 Rn.
8
und vom 10. November 2011 -
III
ZR 81/11, [X.], 2353 Rn.
16, jeweils mwN).
Nach diesem Maß-stab ist ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen
§
286 ZPO nicht festzustel-len:

a) Es ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass
-
wie auch die Revision nicht in Abrede stellt
-
verbindliche Richtlinien oder anderweitige [X.] über Sicherheitsstandards für Fenster in geschlossenen psychiatri-schen Kliniken nicht bestehen. Der Sachverständige Dr. H.

hat das Feh-18
19
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-

12

-

len solcher Vorschriften in seinem Gutachten vom 26. Januar 2011 (S. 20) und seinem [X.] vom 10. Mai 2011 (S. 2) ausdrücklich bestätigt.

b) Das Berufungsgericht hat auch nicht dadurch gegen §
286 Abs.
1 ZPO verstoßen, dass es dem Beweisantrag des [X.] in seinem Schriftsatz vom 9.
November 2011 ([X.]) nicht nachgekommen ist. Die Revisionserwiderung weist
zutreffend darauf hin, dass sich dem Vorbringen des [X.] in erster und zweiter Instanz ein hinreichend bestimmter Vortrag zu einem allgemein aner-kannten Sicherheitsstandard für (sämtliche) Fenster einer geschlossenen psy-chiatrischen Station nicht entnehmen lässt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 9.
November 2011 unter Beweisantritt lediglich vorgetragen, nach den Feststel-lungen des zunächst vom [X.] beauftragten Sachverständigen S.

sei das hier betroffene Fenster der geschlossenen Station (zur Sicherung) nicht üblich und auch nicht ausreichend. Daraus und insbesondere aus dem kontur-losen Begriff der fehlenden "Üblichkeit"
der Fenstersicherung ergibt sich indes
-
entgegen der Auffassung der Revision
-
nicht
mit der erforderlichen Bestimmt-heit, dass es zum Zeitpunkt des Vorfalls am 11. November 2006 für Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station einen allgemein
anerkannten, ge-gebenenfalls auch von der Beklagten zu beachtenden Sicherheitsstandard
gab
und -
bejahendenfalls
-
welche konkreten Anforderungen sich auf seiner [X.] ergaben. Die Angaben des [X.] in dem Schriftsatz vom 9.
November 2011 dazu, welche Sicherung der Sachverständige S.

"aus seiner Sicht"
für richtig oder möglich gehalten habe, sind insofern unergiebig. Gleiches gilt für die Ausführungen des [X.], welche Mindestanforderungen an Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station seiner Ansicht nach aus den
Entschei-dungen
des [X.] [X.]s vom 14.
Februar 2003 (aaO) und des [X.] vom 28. April 1980 (VersR 21
-

13

-

1980, 872) folgen. Ein allgemein anerkannter
Sicherheitsstandard ergibt sich auch hieraus nicht.

[X.]
[X.]
[X.]

Tombrink
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.09.2011 -
9 O 1041/08 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 08.11.2012 -
1 [X.] -

Meta

III ZR 388/12

31.10.2013

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.10.2013, Az. III ZR 388/12 (REWIS RS 2013, 1517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1517

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 388/12

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