Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2020, Az. 3 StR 392/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1585

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Gegenstand

Teilweise Zerstörung eines Krankenhausgebäudes durch Brandlegung in einem Patientenzimmer


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. März 2019 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen wendet er sich mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO; denn die gebotene sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf nur der Schuldspruch wegen Brandstiftung mit Todesfolge:

2

1. Nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurde der Angeklagte stationär in einem Krankenhaus behandelt. Er teilte sich auf einer der Krankenstationen mit einem anderen Patienten ein Zimmer.

3

Am dritten Tag seines Aufenthalts tötete der Angeklagte den krankheitsbedingt bewegungsunfähig im Bett liegenden Mann, indem er ihm die Bettdecke über den Kopf zog, mit einer entzündlichen Flüssigkeit das Oberbett benetzte und dieses oder die Matratze mit einem Feuerzeug anzündete. Dreieinhalb Minuten nach dem Auslösen des [X.] stand das Bett bereits vollständig und gleichmäßig in Flammen; [X.] war stark verqualmt.

4

Nachdem Feuerwehrkräfte den Brand gelöscht hatten, war die Krankenstation für die Renovierungs- und Reinigungsarbeiten zwei Tage lang komplett gesperrt. Die Arbeiten waren aufgrund der vollständigen rauchbedingten Verschmutzung der Station erforderlich. Das Patientenzimmer und der angrenzende Raum waren zur [X.] - die siebeneinhalb Monate später stattfand - noch nicht wieder in Betrieb genommen worden. Durch [X.] und die Hitze des Feuers waren sämtliche Trockenbauwände, die Decke und die Fenster beschädigt und mussten ebenso wie die geplatzten Fliesen und die Duschtrennwand erneuert werden. Es entstanden Reinigungs- und Renovierungskosten in einer Gesamthöhe von 118.000 €.

5

Der Angeklagte erkannte bei [X.], dass durch die Hitzeentwicklung und erhebliche Rußbeaufschlagung die Krankenstation für eine nicht unbeträchtliche [X.] für ihre Zwecke unbenutzbar werden würde, und nahm dies billigend in Kauf.

6

2. Die vom [X.] vorgenommene Wertung, der Angeklagte sei auf der Grundlage dieser Feststellungen der Brandstiftung mit Todesfolge nach § 306c [X.]. § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig, erweist sich als zutreffend. Das Schwurgericht hat ohne einen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler angenommen, dass er das [X.] - als Unterfall der "Räumlichkeit" (s. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 306a Rn. 6 mwN, 25) - durch Brandlegung teilweise zerstörte, indem er die Krankenstation als "abgeschlossene Untereinheit des Krankenhauses für eine nicht nur unerhebliche [X.] unbrauchbar" machte ([X.] 37).

7

a) Ein Gebäude ist teilweise zerstört, wenn für eine nicht nur unerhebliche [X.] ein für das ganze Objekt zwecknötiger Teil oder dieses wenigstens für einzelne seiner wesentlichen Zweckbestimmungen unbrauchbar wird oder wenn einzelne seiner Bestandteile, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt oder eingerichtet sind, vernichtet werden (s. [X.], Beschluss vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17, juris Rn. 10 mwN). Das ist zum einen dann gegeben, wenn das Gebäude im Ganzen zumindest einzelne von mehreren seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen kann (vgl. [X.], Urteil vom 14. November 2013 - 3 StR 336/13, [X.], 404 Rn. 10). Zum anderen liegt eine teilweise Zerstörung auch dann vor, wenn ein wesentlicher, funktionell selbständiger Teil des Gebäudes nicht mehr bestimmungsgemäß nutzbar ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Oktober 2011 - 4 StR 344/11, [X.]St 57, 50 Rn. 7 f.; vom 5. September 2017 - 3 StR 362/17, juris Rn. 27).

8

Ob ein solcher Zerstörungserfolg eingetreten ist, muss das Tatgericht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der konkreten [X.] beurteilen. Es hat objektiv aus verständiger Sicht zu bewerten, ob die [X.]spanne der Nutzungseinschränkung oder -aufhebung für eine teilweise Zerstörung ausreicht. Der [X.]raum muss beträchtlich sein; wenige Stunden oder ein Tag reichen nicht aus (s. - zu § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB [Maßstab eines "verständigen [X.]"] - [X.], Beschluss vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17, juris Rn. 10; ferner [X.], Urteil vom 5. April 2018 - 3 StR 13/18, NJW 2019, 90 Rn. 18; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 306a Rn. 41, jeweils mwN).

9

b) Hiernach belegen die Feststellungen eine teilweise Zerstörung des [X.]s. Der Angeklagte vereitelte durch Brandlegung die Nutzung der Krankenstation, bei der es sich um einen wesentlichen, funktionell selbständigen Teil des Gebäudes handelte, für zwei volle Tage. Dieser [X.]raum ist in Anbetracht des Ausmaßes des [X.] und des Umfangs der hierdurch verursachten Schäden als erheblich zu beurteilen, zumal der Krankenhausbetrieb auf der Station auch in der Folgezeit eingeschränkt war. Ein teilweises Zerstören von Gewicht - wie hier - setzt nicht zwingend einen zwei Tage überdauernden [X.]raum der Nutzungsaufhebung voraus.

3. Infolgedessen braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob nur das [X.] - als Unterfall der "Räumlichkeit" - als Tatobjekt der schweren Brandstiftung im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen ist oder ob auch das Patientenzimmer selbst eine "Räumlichkeit" darstellt, die dem zeitweisen Aufenthalt von Menschen diente (vgl. auch die Fallbeispiele bei LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 306a Rn. 19). Eine Auslegung im letztgenannten Sinne, die im Ergebnis von derjenigen des "Gebäudes" oder der "anderen Räumlichkeit" mit der Zweckbestimmung des [X.] gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB (zum Kinderzimmer s. [X.], Beschluss vom 14. Juli 2009 - 3 [X.], [X.]R StGB § 306 Zerstörung 3; zum Patientenzimmer in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik - unter dem Gesichtspunkt einer solchen Zweckbestimmung - vgl. [X.], Beschluss vom 5. September 2017 - 3 StR 362/17, juris Rn. 7, 28; ferner [X.], Beschluss vom 26. November 2019 - 3 StR 501/19, juris) abweicht, hätte namentlich im Hinblick auf die verschiedenen [X.] in Betracht kommen können.

Schäfer     

        

Ri[X.] Dr. Tiemann
befindet sich im Urlaub und
ist deshalb gehindert zu
unterschreiben.

        

Berg   

                 

Schäfer

                 
        

Anstötz     

        

     Erbguth     

        

Meta

3 StR 392/19

21.01.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 29. März 2019, Az: 6 Ks 13/18

§ 306a Abs 1 Nr 3 StGB, § 306c StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.01.2020, Az. 3 StR 392/19 (REWIS RS 2020, 1585)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1585

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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