Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2021, Az. KVZ 87/20

Kartellsenat | REWIS RS 2021, 10495

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Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 2. Kartellsenats des [X.] vom 4. November 2020 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen des [X.] sowie der Betroffenen zu tragen hat.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffenen gaben im März 2018 ein umfassendes Transaktionsvorhaben öffentlich bekannt. Als Teil davon meldeten sie am 28. Januar 2019 beim [X.] den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung in Höhe von 16,67 % am stimmberechtigten Grundkapital der Betroffenen zu 2, der [X.], durch die Betroffene zu 1, die [X.], an. Hierüber unterrichtete das Amt noch am selben Tag die Beschwerdeführerin, die bereits vor der Anmeldung einen Beiladungsantrag gestellt hatte. Am 26. Februar 2019 teilte das Amt mit, es werde kein Hauptprüfverfahren einleiten und der Zusammenschluss könne vollzogen werden. Mit Bescheid vom 6. März 2019 lehnte es den Beiladungsantrag der Beschwerdeführerin ab.

2

Das Beschwerdegericht hat die gegen die Mitteilung des [X.]s vom 26. Februar 2019, hilfsweise auf dessen Verpflichtung zur Durchführung eines Hauptprüfverfahrens gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin verworfen. Mit der Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Weder ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] (§ 77 Abs. 2 GWB).

4

1. Das Beschwerdegericht hat die mit dem Hauptantrag verfolgte [X.] als unstatthaft angesehen. Selbst wenn die Mitteilung, nicht in ein Hauptprüfverfahren einzutreten, als Verfügung angesehen werden könnte, sei sie durch Dritte nicht anfechtbar, weil mit Verstreichen der Monatsfrist die Freigabefiktion eingreife, die ihrerseits keiner Anfechtung unterliege. Dies sei im Streitfall auch nicht deshalb anders, weil das [X.] unzulässigerweise ein faktisches oder "wildes" Hauptprüfverfahren durchgeführt hätte. Zum einen ließen die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf die Durchführung eines faktischen Hauptprüfverfahrens nicht zu und gäben auch zu weiterer Sachaufklärung keinen Anlass. Zum anderen könne auch ein irreguläres Verfahren des [X.] keine vom Gesetz nicht vorgesehene Anfechtungsmöglichkeit eröffnen. Ob, wie das [X.] erwogen habe, bei einer "krass manipulativen" Verfahrensweise etwas Anderes gelte, könne mangels Anhaltspunkten für Derartiges offenbleiben. Zudem fehle der [X.] das Rechtsschutzbedürfnis, weil das [X.] nach Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB nicht mehr untersagt werden und die Beschwerdeführerin folglich ihr Rechtsschutzziel nicht mehr erreichen könne. Auch die hilfsweise verfolgte [X.] sei mangels Beschwerdebefugnis unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe kein subjektives öffentliches Recht auf Eintritt des [X.] in ein Hauptprüfverfahren; zudem fehle ihr wie beim Hauptantrag und aus denselben Gründen das Rechtsschutzbedürfnis.

5

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt nicht dar, dass die Entscheidung des [X.] eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.

6

a) Die Entscheidung des [X.] wird von der Erwägung getragen, das [X.] dürfe ein angemeldetes [X.] nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB nur untersagen, wenn es den anmeldenden Unternehmen binnen eines Monats den Eintritt in ein Hauptprüfverfahren mitteile, und es sei die Mitteilung, nicht in ein solches Verfahren einzutreten, weder durch Dritte anfechtbar, noch könnte ein Dritter mit einer Anfechtung die dem [X.] nach Fristablauf verschlossene Durchführung eines Hauptprüfverfahrens erreichen; die Anfechtung der Mitteilung vom 26. Februar 2019 sei daher unstatthaft und auch mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Dass und inwiefern diese Begründung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwürfe, ist der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen.

7

b) Die von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob die Beschwerde gegen eine "Entscheidung" des [X.]s statthaft sei, die ein ungesetzliches, faktisches Hauptprüfverfahren ("Prä-Hauptprüfverfahren") abschließe und somit keine Entscheidung im Sinne von Absatz 1 oder Absatz 2 des § 40 GWB sei, stellte sich selbst dann nicht, wenn man sie dahin verstände, dass die Nichtzulassungsbeschwerde die Frage für klärungsbedürftig hält, ob die ein "faktisches Hauptprüfverfahren" abschließende Mitteilung, nicht in ein Hauptprüfverfahren einzutreten, als oder wie eine Freigabeentscheidung anfechtbar ist. Aus den Feststellungen des [X.] ergibt sich nicht, dass das [X.] ein "faktisches Hauptprüfverfahren" durchgeführt und mit einer (Freigabe-)Entscheidung vom 26. Februar 2019 abgeschlossen hat.

8

Der Prüfung der Zulassungsgründe sind die Feststellungen des [X.] zugrunde zu legen. Inwiefern diese Feststellungen - entgegen der Auffassung des [X.] - den von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht näher definierten Tatbestand eines "faktischen Hauptprüfverfahrens" ausfüllen sollen und die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das Beschwerdegericht hiervon in zulassungsrelevanter Weise abweichen soll, ist der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu entnehmen. Ihre eigene Sachdarstellung ist schon revisions- und rechtsbeschwerderechtlich unerheblich; erst recht kann sich aus ihr kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde ergeben.

9

Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet, das Beschwerdegericht habe entgegen dem Amtsermittlungsgrundsatz keine Feststellungen zum Verfahren des [X.] getroffen, ergibt sich daraus kein Grund zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Mängel des Verfahrens können als solche nur unter den Voraussetzungen des § 77 Abs. 4 GWB mit der (zulassungsfreien) Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden.

3. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 GWB) liegt nicht vor.

a) Der [X.] hat zwar bislang nicht entschieden, ob und gegebenenfalls auf welche Weise für den Fall, dass die Freigabe ein subjektives öffentliches Recht eines Dritten verletzt, ausnahmsweise eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Juni 2005 - [X.], [X.]/[X.] 1571, 1572 - Ampere). Diese Frage bedarf jedoch auch im Streitfall keiner Klärung, da das Beschwerdegericht die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts verneint und festgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin durch den unterlassenen Eintritt des [X.]s in ein Hauptprüfverfahren allenfalls in ihren wirtschaftlichen Interessen berührt ist. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Verletzung eines subjektiven Rechts nicht aus einer Verletzung der Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Fusionskontrollverfahren, insbesondere über die Beiladung gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB, hergeleitet werden. Denn sie stützt sich hierfür wiederum auf die Annahme, das [X.] habe schon vor der Anmeldung des [X.]s faktisch ein Hauptprüfverfahren durchgeführt. Dies hat das Beschwerdegericht jedoch gerade nicht festgestellt (o. Rn. 7).

b) Keinen Anlass zur Fortbildung des Rechts gibt ferner die Frage, ob die im Fusionskontrollrecht der [X.] bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter auf das [X.] Recht zu übertragen sind. Aus dem [X.]srecht ergeben sich keine Vorgaben für die Behandlung von Zusammenschlüssen ohne gemeinschaftsweite Bedeutung im nationalen Fusionskontrollrecht (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2021 - [X.] 34/20, [X.] 2021, 350 Rn. 40 - [X.]/[X.]). Der Gesetzgeber konnte sich daher im Zuge der [X.] gegen die Anfechtbarkeit einer im Vorprüfverfahren durch formlose Mitteilung des [X.]s erteilten Freigabe entscheiden ([X.], Beschluss vom 13. November 2007 - [X.], juris Rn. 5; Begründung des [X.], BT-Drucks. 13/9720, [X.]). Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen [X.] bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

III. [X.] beruht auf § 71 Satz 2 GWB.

Meier-Beck     

  

Kirchhoff     

  

[X.]

  

Tolkmitt     

  

Rombach     

  

Meta

KVZ 87/20

21.09.2021

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 4. November 2020, Az: VI-2 Kart 1/20 (V), Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2021, Az. KVZ 87/20 (REWIS RS 2021, 10495)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10495

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