Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2020, Az. IX ZB 45/19

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11511

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:180620BIXZB45.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 45/19
vom

18. Juni 2020

in dem Rechtsstreit

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richterinnen [X.], [X.], die Richter [X.] und Dr.
Schultz

am
18. Juni 2020

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.]
in [X.]
vom 17. Juli 2019 wird auf Kosten des [X.] verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 287.772,18

festgesetzt.

Gründe:

I.

Die vom Kläger unter dem Gesichtspunkt der
Steuerberaterhaftung er-hobene Klage hat das [X.] mit Urteil vom 7. Februar 2019 abgewiesen. Das Urteil ist
dem Kläger am 14. Februar 2019 zugestellt worden. Am 12. März 2019 hat er
durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten beim [X.] die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Berufungsverfahren be-antragt. Mit Verfügung vom
20. März 2019 hat der Vorsitzende des
Berufungs-gerichts
dem Kläger aufgegeben,
binnen drei Wochen
seine Angaben zur [X.]
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terstützung durch Familienangehörige und Freunde sowie seine Bemühungen um einen Arbeitsplatz zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Mit Schrift-satz
vom 11.
April 2019 haben
die damaligen Prozessbevollmächtigten eine ergänzende Erklärung des [X.]
zu den Akten gereicht. Mit Beschluss vom 27. Mai 2019, dem Kläger zugestellt am 3. Juni 2019, hat
das Oberlandesge-richt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Am 17. Juni 2019 hat der Kläger Berufung eingelegt, diese begründet und
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beru-fungs-
und Berufungsbegründungsfrist beantragt. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbe-schwerde.

II.

Die gemäß §
238 Abs.
2 Satz
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil kein Zulässigkeits-grund nach §
574 Abs.
2 ZPO vorliegt. Eine Entscheidung des [X.] ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache
noch
zur Fortbildung des Rechts noch
zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluss steht
im Einklang mit der Rechtsprechung des [X.] und verletzt den Kläger nicht in sei-nen Verfahrensgrundrechten.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Ausgehend von seinem binnen der Berufungsfrist eingereichten Prozesskostenhilfeantrag habe der Kläger 2
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nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen. Deshalb habe er die Berufungsfrist nicht schuldlos versäumt und könne ihm keine Wiederein-setzung in den vorigen Stand gewährt werden. Werde Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die nach ihren Angaben keine
Sozialhilfe beziehen,
müsse dargelegt und glaubhaft gemacht werden,
wie der Lebensunterhalt finanziert werde. Gleiches müsse dann gelten, wenn sich wie im Streitfall bei nicht vor-handenem Vermögen ein negativer Saldo bei Gegenüberstellung der monatli-chen Einkünfte und Ausgaben in nahezu vierstelliger Höhe ergebe. Denn in beiden Fällen liege eine Unvollständigkeit der Angaben auf der Hand. Der vor Ablauf der Berufungsfrist gehaltene Vortrag des [X.] zu den Einkommens-verhältnissen genüge den Anforderungen nicht. Es habe vielmehr klar auf der Hand gelegen, dass erklärungsbedürftig sei, wie der Kläger seinen Lebensun-terhalt bestreite. Ebenso sei ersichtlich gewesen, dass die pauschale Angabe von Unterstützungsleistungen durch Dritte nicht ausreiche.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis
stand.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist einer Prozess-partei, die vor Ablauf einer Rechtsmittel-
oder Rechtsmittelbegründungsfrist le-diglich Prozesskostenhilfe beantragt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung zu bewilligen, wenn sie [X.] nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels [X.] rechnen musste
(vgl. [X.], Beschluss vom 28. August 2018
-
VI ZB 44/17, NJW-RR 2018, 1270 Rn. 5 mwN; st. Rspr.). Das ist der Fall, wenn sich die Partei
bei objektiver Betrachtung für bedürftig halten und davon ausgehen darf, die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ord-nungsgemäß dargelegt zu haben. Hierfür ist erforderlich, dass dem Antrag in-nerhalb der Rechtsmittelfrist eine vollständig und wahrheitsgemäß ausgefüllte 5
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Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Formular nach § 117 Abs. 4 ZPO) nebst den insoweit notwendigen Belegen
beigefügt wird ([X.], Beschluss vom 25. April 2019 -
III ZB 104/18, BeckRS 2019, 11419
Rn.
6 mwN).

Das durch einen rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründete schutzwürdige Vertrauen endet im Grundsatz erst mit Zugang des die beantragte Prozesskostenhilfe ablehnen-den Beschlusses (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Februar 2008 -
XII [X.],
[X.], 871 Rn. 12; vom 26. Mai 2008 -
II ZB 19/07, NJW-RR 2008, 1306 Rn. 12). Anders kann der Fall liegen, wenn das Gericht den Antragsteller vor der Entscheidung über
den Antrag darauf hinweist, dass die bisher gemachten Angaben nicht ausreichen,
und ihm die
Vervollständigung aufgibt. Hier darf der Antragsteller nur dann weiterhin auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ver-trauen, wenn er die gerichtliche Auflage
ordnungsgemäß erfüllt (vgl. [X.], [X.] vom 13. Februar 2008, aaO; vom 26. Mai 2008, aaO; vgl. auch [X.], Beschluss vom 13. Januar 2010
-
XII [X.], NJW-RR 2010, 424 Rn. 5; vom 28. August 2018, aaO).

b) Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger jedenfalls nicht mehr auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vertrauen, nachdem er die Auflage
des
Berufungsgerichts gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom 20. März 2019 mit Erklärung vom 11. April 2019 beantwortet hatte. Der erst am 17. Juni 2019 ge-stellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte deshalb die Frist des §
234 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht wahren.

aa) Wird Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die nach ihren An-gaben keine Sozialhilfe beziehen, muss dargelegt und glaubhaft gemacht wer-7
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den, wie der Lebensunterhalt finanziert wird ([X.], Beschluss vom 16. Novem-ber 2017 -
IX [X.] 21/17, [X.], 98 Rn.
7; vom 27. November 2018 -
X [X.] 1/17, [X.], 547 Rn.
5; BSG, Beschluss vom 18. Juni 2019 -
B 8 SO 12/19 B, juris Rn.
4). Auch freiwillige Zuwendungen Dritter sind nach der um-fassenden Definition des § 115 ZPO grundsätzlich dem Einkommen hinzuzu-rechnen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang gewährt werden. Bei freiwilligen Leistungen Dritter müssen eidesstattliche Versicherungen der [X.] über Umfang und Grund der Hilfeleistung vorgelegt werden ([X.], [X.] vom 16.
November 2017, aaO). Diese Grundsätze gelten gleicherma-ßen, wenn im Prozesskostenhilfeverfahren geltend gemacht wird, für den Le-bensunterhalt Zuwendungen von wechselnden Personen in unterschiedlicher Höhe zu erhalten ([X.], Beschluss vom 27. November 2018, aaO).

[X.]) Diesen Anforderungen
hat der
anwaltlich vertretene
Kläger auch nicht genügt, nachdem ihm der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Vervoll-ständigung seiner Angaben aufgegeben und auf die zugrundliegende Recht-sprechung des [X.] hingewiesen hatte.

Mit seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen [X.] vom 5.
März 2019 hatte
der Kläger
angegeben, dass er seinen Lebensun-terhalt (auch) durch Zuwendungen seines familiären und persönlichen Umfelds bestreite. Nähere Angaben zum Grund, der Art und dem Umfang der [X.] hatte der Kläger ebenso wenig gemacht, wie Angaben zu den [X.]. Lediglich aus dem Zusammenhang ließ sich erschließen, dass ein
Großteil der Kosten für den vom Kläger als Eigentümer genutzten Wohnraum durch Zuwendungen gedeckt wird. Vor diesem Hintergrund hat das Berufungs-gericht mit Recht nähere Angaben
zu den Zuwendungen
für erforderlich gehal-ten. Dem ist der Kläger mit seiner ergänzenden Erklärung nicht gerecht gewor-10
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den. Lediglich im Blick auf die
Wohnkosten hat er ergänzende Angaben [X.]. Danach wird der durch eigene Einkünfte nicht gedeckte Teil der Kosten vornehmlich durch seine Lebensgefährtin und,
wenn deren Mittel nicht reichen,
durch seine Mutter, die Eltern der Lebensgefährtin oder Freunde übernommen. Nähere Angaben dazu, wer konkret welche Kosten übernommen hat, fehlen ebenso wie
die vom Berufungsgericht mit Recht eingeforderte
Glaubhaftma-chung. Überdies fehlt es
an Angaben dazu, durch welche Zuwendungen der Kläger seinen sonstigen Lebensunterhalt und den seiner minderjährigen [X.] bestreitet, der er eigenen Angaben zufolge Bar-
oder Naturalunterhalt ge-währt.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß §
577 Abs.
6 Satz
3 ZPO abgesehen.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Schultz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.02.2019 -
8 O 42/14 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom [X.] -
15 U 70/19 -

12

Meta

IX ZB 45/19

18.06.2020

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.06.2020, Az. IX ZB 45/19 (REWIS RS 2020, 11511)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11511

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 44/17

III ZB 104/18

XII ZB 108/09

IX ZA 21/17

X ZA 1/17

IX ZB 45/19

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