Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 9230

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:150518UVIZR233.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

15. Mai 2018

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
ZPO §§ 284, 286 (A); [X.] §§ 6b, 28
a) Die permanente und anlasslose Aufzeichnung des [X.] ist mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des [X.] nicht vereinbar.
b)
Die Verwertung von sogenannten [X.], die ein [X.] vom Unfallgeschehen gefertigt hat, als Beweismittel im Un-fallhaftpflichtprozess ist dennoch zulässig.
[X.], Urteil vom 15. Mai 2018 -
VI [X.] -
LG [X.]

AG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
10. April 2018 durch den Vorsitzenden [X.],
[X.], die Richterinnen von [X.] und [X.] und [X.] Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 5.
Mai 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das vorbezeichnete Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die [X.] restliche Schadensersatzansprü-che aus einem Verkehrsunfall vom
11.
September 2014 in [X.] geltend. Der Kläger befuhr am Nachmittag mit seinem Pkw [X.] die [X.], um nach links in die Jakobstraße
einzubiegen. Die [X.] weist in
diesem Bereich eine Linksabbieger-
und rechts von dieser eine weitere Spur auf, die als Links-
und
Rechtsabbiegerspur gekennzeichnet ist.
Der Kläger ordnete sich in die Linksabbiegerspur ein. Auch der [X.] zu
1 befuhr mit seinem bei der [X.] zu
2
haftpflichtversicherten Pkw [X.] die [X.] und befand sich zunächst hinter dem Fahrzeug des [X.]. Er ordnete sich in die rechte Spur ein.
Beide Fahrzeuge bogen dann 1
-

3

-

von
der [X.] nach links in die fünfspurige Jakobstraße
ein.
Im Bereich der Jakobstraße
kam es zu einem seitlichen Anstoß der beiden Fahr-zeuge,
vorne rechts am Pkw des [X.] und hinten links am Pkw des [X.] zu 1. Die [X.]en streiten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat. Die [X.] zu
2 zahlte vorgerichtlich auf
den vom Kläger geltend gemachten Schaden einen Betrag in Höhe von 1.076,62

Der Kläger behauptet, der [X.] zu 1 habe sich in seine Fahrspur ge-drängt, um so auf die linke Fahrspur der Jakobstraße
zu gelangen. Der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Die [X.] behaupten, der Kläger sei beim Abbiegen in die Fahrspur des [X.] zu 1 gefahren und dabei gegen dessen Fahrzeug gestoßen. Die [X.]
sind der Auffassung, der Kläger könne nicht mehr als die bereits vorgerichtlich gezahlte Summe auf der Be-rechnungsgrundlage einer Quote von 50 % des Schadens beanspruchen.
Ausgehend von einem Gesamtschaden des [X.] in Höhe von 2.740,44

Hälfte, also von 1.370,22

bereits geleisteten Zahlung einen weiteren Betrag
in Höhe von 293,60

r-kannt. Der Kläger habe für seine Behauptung, der [X.] sei beim Abbiegen in seine Fahrspur hineingefahren, keinen Beweis erbringen können. Die Zeugin [X.], Beifahrerin des [X.], habe nicht präzise angeben
können, wo sich das Fahrzeug des [X.] zum Zeitpunkt der Kollision genau befunden habe. Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass aus technischer Sicht die Schilderungen beider [X.]en zum Unfallhergang prinzi-piell möglich seien. Dem Angebot des [X.], eine von ihm mit einer im [X.] installierten Videokamera, einer sogenannten Dashcam, gefertigte Vi-deoaufnahme zu verwerten, sei nicht nachzukommen. Die von jedem Fahrzeug 2
3
-

4

-

ausgehende Betriebsgefahr sei mit 50% in Ansatz zu bringen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf vollständigen [X.] seines Schadens weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein weiterge-hender
Anspruch gemäß §
7 Abs.
1, §
17 [X.], §
115 [X.] nicht zu. Zutreffend habe das Amtsgericht davon abgesehen, die von der Dashcam aufgezeichnete Videoaufnahme als Beweismittel heranzuziehen. Die Aufzeichnung sei unter Verstoß gegen §
6b [X.] (im Folgenden: [X.])
[X.] gekommen. Bei [X.] handle es sich um Einrichtungen zur Videoüber-wachung öffentlich
zugänglicher Räume im Sinne von §
6b Abs.
1 [X.]. Die Vorschrift erfasse nicht nur ortsfest installierte Kameras. Die Videoüberwachung sei nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konk-ret festgelegte Zwecke erforderlich sei und keine Anhaltspunkte bestünden, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwögen.
Die im Fahrzeug des
[X.] installierte Kamera nehme Aufzeichnungen ohne konkreten Anlass vor, nicht nur für den Fall eines Unfalls. Bei solch anlassloser Aufzeichnung zur Beweissicherung fehle es bereits an einem konkret festgelegten Zweck. Dies unterscheide die vom Kläger
eingesetzte Kamera von solchen, die das [X.] nur bei bestimmten typischerweise auf einen Unfall hinwei-senden Bewegungen aufnähmen. Die dauerhafte Aufzeichnung der Fahrt über vier Stunden sei zudem nicht zur Beweissicherung erforderlich. An der [X.] sei zu erkennen, dass nicht lediglich 30 Sekunden lange Sequenzen gefilmt 4
-

5

-

würden, die Aufnahme selbst sei 40 Sekunden lang und Teil einer davor be-gonnenen Aufzeichnung.
Aus dem Verstoß gegen §
6b Abs.
1 Nr.
3 [X.] folge nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot. Vielmehr sei jeweils im Einzelfall unter Abwä-gung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, ob ein rechtswidrig er-langtes Beweismittel verwertet werden dürfe. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasse auch Kfz-Kennzeichen als personenbezogene [X.]. Die Aufzeichnung verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.] zu
1. Allerdings zähle die Teilnahme am Straßenverkehr lediglich zur [X.]. Eingriffe in diesen Bereich könnten eher als intensivere Eingriffe gerechtfertigt sein. Auf Seiten des [X.] sei das Rechtsstaatsprinzip zu be-rücksichtigen, zu
dem das Interesse an einer effektiven Zivilrechtspflege zähle. Diesem Interesse komme jedoch nicht von vornherein ein überwiegendes Ge-wicht zu, vielmehr müssten weitere Gesichtspunkte hinzutreten, die das [X.] an der Beweiserhebung trotz der Rechtsverletzung schutzbedürftig er-scheinen ließen. Dies sei bei einer Notwehrsituation oder in einer notwehrähnli-chen Lage des [X.] denkbar. Eine permanente, verdachtslose Video-überwachung könne allenfalls dann zulässig sein, wenn schwerwiegenden Be-einträchtigungen, etwa Angriffen auf die Person, nicht anders zumutbar begeg-net werden könne.
Nach diesem
Maßstab
rechtfertigten die zugunsten des [X.] sprechenden Umstände kein überwiegendes Interesse an der [X.]. Die Aufzeichnung beinhalte die großflächige Beobachtung von öffentli-chen Straßen und stelle schon deshalb einen schwerwiegenden Eingriff dar, weil innerhalb kurzer Zeit viele Personen
in
ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen würden. Auch auf dem in der Akte befindlichen kurzen Ausschnitt seien [X.] zu erkennen, die an
dem Unfallgeschehen nicht beteiligt und auch nicht darüber informiert seien, dass ihre Teilnahme am Straßenverkehr in der Video-aufzeichnung festgehalten werde. Dass die Aufnahme gelöscht werde, wenn 5
-

6

-

sich nichts Besonderes ereigne, sei nicht erheblich, weil diese Beurteilung allein dem Kläger überlassen bleibe, ohne dass die abgebildeten Verkehrsteilnehmer hierauf Einfluss nehmen könnten. Gegen die Verwertbarkeit der Aufzeichnung spreche, dass sie nicht anlassbezogen und permanent erfolge, ohne dass eine automatische Löschung oder Überschreibung innerhalb eines kurzen Zeitraums vorgesehen sei. Bei einem erheblichen Sach-
oder gar Personenschaden möge die Abwägung zwischen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem Interesse an der Aufklärung der Verursachung zugunsten der [X.] der Aufnahme ausfallen. Ein solch erheblicher Schaden werde aber nicht geltend gemacht.

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt die vom Klä-ger vorgelegte Videoaufzeichnung keinem Beweisverwertungsverbot.
1. Im Ergebnis zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon aus-gegangen, dass
die streitgegenständliche Videoaufzeichnung nach den gelten-den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist.
Die Aufzeichnung verstößt gegen § 4 Abs. 1 [X.], da sie ohne Einwilligung der
Betroffenen er-folgt ist und nicht auf §
6b Abs. 1 [X.] oder §
28 Abs. 1 [X.] gestützt wer-den kann.
a) Es ist in Literatur und Rechtsprechung streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Aufzeichnungen mit einer Dashcam daten-schutzrechtlich zulässig sind.
6
7
8
-

7

-

aa) Erwogen wird, ob die Erhebung der Daten bereits durch §
1 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz
2 [X.] vom Schutz des [X.] ausgenommen ist, weil sie für einen rein persönlichen Zweck erfolge (vgl. [X.], [X.], 926, 927; so für die Gewinnung von Beweismitteln für private Zwecke im Gegensatz zu gewerb-lichen Zwecken [X.], Automatisiertes Fahren, [X.] und die Speicherung beweisrelevanter Daten, 2017, [X.]; Klann, [X.], 188; ablehnend [X.]/
Nugel, NJW 2014, 1622, 1625, da die [X.] überwiegend gerade zu Be-weiszwecken betrieben würden;
ebenso Atzert/[X.], [X.] 2014, 136, 137; vgl. auch [X.], [X.], 496 Rn. 29; [X.], [X.] 2014, 687, 689). Für eine Privilegierung als persönliche oder familiäre Tätigkeit spreche, dass der
Erfassungsbereich in der Regel nicht die persönliche Wahrnehmungs-sphäre des Verwenders überschreite. Die Ausnahme der persönlichen Tätigkeit könne deshalb derjenige in Anspruch nehmen, der seine Fahrt aus rein persön-lichen Zwecken, insbesondere Erinnerungszwecken aufzeichnen wolle (Fuchs, [X.], 212, 215). Nach anderer Auffassung ist dieser Ansicht durch die Ent-scheidung des [X.] in der Rechtssache Ryne

(Urteil vom 11. Dezember 2014 -
C-212/13, [X.], 77) die Grundlage entzogen. Soweit sich eine
Videoüberwachung wie in diesem Fall auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstrecke und dadurch den Bereich der rein privaten Sphäre verlasse, könne sie nicht als ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit betrachtet werden (vgl. [X.], [X.], 953, 958; [X.],
[X.], 157, 160; [X.], [X.], 171, 176; [X.], aaO,
[X.], wonach sich die Entscheidung nur auf festinstallierte Kameras beziehe).
bb) Überwiegend wird die Vereinbarkeit von [X.] mit §
6b [X.]
als
fraglich und nur unter besonderen Voraussetzungen als ge-geben erachtet.
Nach
§
6b Abs. 1 [X.]
ist die Beobachtung öffentlich zugäng-licher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrneh-9
10
-

8

-

mung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konk-ret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen (§
6b Abs. 1 [X.]). Nach §
6b Abs. 3 [X.] ist die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks er-forderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(1) In Frage gestellt wird das Merkmal der Beobachtung

6b Abs. 1 [X.]), da es eine gewisse Dauerhaftigkeit voraussetze, die
bei Aufnahmen durch mobile Geräte mit rasch wechselnden Aufnahmesituationen im Straßen-verkehr verneint werden könne (vgl. [X.], [X.], 926, 927; [X.], [X.], 114, 117; ausdrücklich bejahend dagegen [X.], [X.], 171, 177; [X.], [X.] 2014, 687, 690).
(2) Der Auffassung, §
6b [X.] sei auf ortsungebundene Aufnahmen gar nicht anwendbar, weil der Wortlaut von Absatz 1 ("Einrichtung")
auf eine [X.] ortsgebundene Installation hindeute, der Hinweispflicht nach Absatz 2 nur bei stationären Kameras zu genügen
und dies auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sei (vgl. u.a. [X.], Automatisiertes Fahren, [X.] und die Speicherung beweisrelevanter Daten, 2017 S. 67 ff.
mit zahlreichen Nachwei-sen; [X.]. 14/4329 S. 38;
[X.]. 14/5793 S. 62;
[X.]/Schomerus/
[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12.
Aufl., § 6b Rn. 12; Klann, [X.], 188, 189, [X.], 451, 452
und
Atzert/[X.], [X.] 2014, 136,
137
f.; [X.], Urteil vom 20.
Februar 2017 -
1
O 104/16, BeckRS 2017, 119419; [X.], [X.], Nr.
9, 11; [X.], [X.], 400 Rn.
16; [X.], [X.], 977; [X.], [X.], 240; [X.], [X.], 2280 Rn.
12; [X.], [X.], 35, 38), wird entgegengehalten, dass sich dem Wortlaut der Vorschrift gerade keine Beschränkung auf stationä-11
12
-

9

-

re Beobachtungen entnehmen lasse
(vgl. [X.], [X.], 620, 621; [X.] [X.], 953, 958; [X.] in Plath, [X.], 2. Aufl. §
6b Rn. 12; [X.] in [X.], [X.], 8. Aufl., § 6b Rn. 37; [X.] Datenschutzrecht/[X.], [X.], [X.]., 1.
November 2017, §
6b Rn.
25; [X.]/[X.] in [X.]/
[X.], [X.]/[X.], §
6b [X.]
Rn.
4; [X.], [X.], 171, 177; [X.], [X.], 109, 115; vgl. auch [X.], [X.], 496
f.; [X.], [X.] 2014, 687, 689 f.; vgl. [X.], [X.], 2280 Rn.
12 mwN; [X.], [X.], 1336, 1338).
(3) Streitig ist auch das Verständnis
des Merkmals
der Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkrete festgelegte Zwecke

6b Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 [X.]), wenn die Aufnahmen zur Beschaffung von Beweismitteln dienen sollen.
Diese bestünden in der
Sicherstellung der vorrangigen Interessen am effizienten Individualrechtsschutz und an einer funktionsfähigen Rechtspflege (vgl. [X.], [X.], 114, 117; ähnlich [X.]/Nugel, NJW 2014, 1622, 1626; [X.], [X.], 953, 959; vgl. auch [X.], [X.] 2014, 687, 690;
LG München
I, [X.], 36, 37; [X.], [X.], 35, 38; [X.], [X.], 3597 Rn.
61
f.). Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Beschaffung von Beweismitteln für den hypothetischen Fall eines Un-falls nicht um einen vorab festgelegten konkreten Zweck für den Betrieb der Dashcam, sondern um eine nur
abstrakte Zweckbestimmung, die nicht ausrei-che (vgl. [X.],
[X.], 551; [X.]/[X.], [X.], 514, 516).
(4) Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sei der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung höher zu bewerten als der Schutz des Eigentums (vgl. [X.], SVR 2015, 171, 173; so im Ergebnis auch [X.], [X.], 504, 505). Eine unzulässige Videoüberwachung werde nicht dadurch zulässig, dass nachträglich ein zulässiger Zweck festgelegt werde (vgl. [X.],
aaO). Das Recht der Verkehrsteilnehmer, sich in der Öffentlichkeit 13
14
-

10

-

aufzuhalten, ohne ungewollt und anlasslos zum Objekt einer Videoüberwa-chung zu werden, überwiege das Interesse eines einzelnen Autofahrers, für den Fall eines Unfalls über eine Videoaufnahme als Beweismittel zu verfügen (vgl. [X.], aaO,
S.
174). Eine regelmäßige
Überwachung des Straßenraumes zur Abwehr theoretisch möglicher Beeinträchtigungen des Eigentums am Pkw sei ein unverhältnismäßiges Mittel ([X.]/[X.], [X.], 291, 294 f.).
Nach differenzierterer Auffassung soll jedenfalls die Verwendung von [X.] im anlasslosen Daueraufzeichnungsbetrieb gegen §
6b [X.] ver-stoßen (vgl. [X.], [X.], 13, 14; [X.], [X.], 551; [X.], [X.],
953, 961;
[X.], [X.], 109, 115;
[X.] [X.], 171, 178 f.; [X.], [X.], 496, 497; so auch im Ergebnis [X.],
[X.], 393, 395). Der Betrieb einer Dashcam könne allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlicher und anlassbezogener [X.]n als von der Gesetzesgrundlage des § 6b [X.] gedeckt anerkannt wer-den. Vertreten wird, die Berechtigung für das Filmen setze grundsätzlich erst mit dem Entstehen einer konkreten Verdachtslage ein (vgl. [X.], [X.], 953,
960). Weitergehend wird angenommen, dass Aufnahmen unmittelbar vor, während und kurz nach dem Unfallgeschehen mit Blick auf die Verhältnismä-ßigkeitsprüfung
in der Regel als erforderlich anzusehen seien.
Das [X.] der datenschutzrechtlichen Beurteilung liege bei den Aufnahmen ohne Un-fallgeschehen. Zwar sei das [X.] der Daten ohne Unfallgesche-hen in seiner Erheblichkeit umstritten, denn es dürfte sich überwiegend um In-formationen aus der Sozialsphäre handeln, Namen von Passanten seien kaum ermittelbar und ein Fahrzeug lasse sich nur dem Halter, nicht dem Fahrer zu-ordnen. Die Ergiebigkeit einer Datenauswertung ohne Unfallereignis sei somit gering. Dem stehe entgegen, dass die Betroffenen niemals wüssten, ob der Betreiber der Kamera gerade dauerhaft aufzeichne oder nicht. Solange also der 15
-

11

-

Verkehrsteilnehmer selbst die Möglichkeit habe, manuell die Aufnahme [X.] zu speichern und einzusehen, bestehe für andere Verkehrsteilnehmer ein
permanenter [X.]. Durch die Schwierigkeit entsprechender Hinweise auf die Beobachtung bekomme das Ganze sogar den Charakter einer heimlichen Videoüberwachung. Die Zusammenführung der immensen Daten-mengen stelle ein bisher unterschätztes Risiko dar (vgl. [X.]/Nugel, NJW 2014, 1622, 1626
f.). Die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Speicherung der Daten könne aber durch geeignete technische Maßnahmen deutlich beeinflusst werden. Je kurzfristiger die Daten -
anlassbezogen
-
gespeichert würden ([X.]), desto weniger intensiv sei der Eingriff.
Auch die Zugriffsmöglich-keit
spiele eine erhebliche Rolle, denn je eingeschränkter diese gestaltet werde, desto eher könne die Speicherung zulässig sein ("[X.]"; vgl. [X.], [X.], 171, 179; [X.]/Nugel, NJW 2014, 1622, 1627; Nugel, [X.]
4/2016 Anm. 2; [X.], [X.], 109, 115; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 547, 551 f.).
Nach anderer Auffassung fällt
die Abwägung auch im Fall einer möglichst wenig in die Rechte der anderen Verkehrsteilnehmer eingreifenden Kamera
stets zugunsten der anderen betroffenen Verkehrsteilnehmer aus,
denn es wäre eine private
dauerhafte und flächendeckende Überwachung sämtlicher Ver-kehrsteilnehmer
denkbar (vgl. [X.], [X.], 620, 623, vgl. zu möglichen Fol-gen auch [X.], [X.], 64, 65
ff.).
[X.]) Bei Unanwendbarkeit von § 6b [X.] sei die Rechtmäßigkeit an §
28 [X.] zu messen
(Atzert/[X.], [X.] 2014, 136, 138; Klann, [X.], 451, 453; für dessen
analoge Anwendung [X.] [X.], 400, 401).
16
17
-

12

-

b) Der [X.] folgt einer differenzierten Lösung, die der vom [X.] unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des Datenschutzes durch Technikgestaltung (vgl. §
9 [X.], zukünftig Art. 25 DS-GVO) Rechnung trägt.
Die Videoaufzeichnung mittels einer Dashcam, auch während der Fahrt, unterliegt dem Regelungsregime des [X.]es. Es kann offenbleiben, ob sie an § 6b Abs. 1
Satz
1
Nr. 3 [X.] oder § 28 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu messen ist
(vgl. Haustein, [X.], 43, 50), da die Vorausset-zungen der genannten Erlaubnistatbestände jeweils nicht erfüllt sind; jedenfalls eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des [X.] ist zur Wahrnehmung seiner Interessen im Sinne beider Normen nicht erforderlich und deshalb gemäß §
4 Abs. 1 [X.] nicht zulässig.
aa) Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 [X.] gilt dieses Gesetz für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen ver-arbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automati-sierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben. Automatisierte Verar-beitung wird in § 3 Abs. 2 [X.] als Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung per-sonenbezogener Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen bezeich-net. [X.] Stellen sind gemäß §
2 Abs. 4 Satz 1 [X.] auch natürli-che Personen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die Aufnahmen der Dashcam
im Streitfall enthalten personenbezogene Daten im Sinn des §
3 Abs.
1 [X.], also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. Die vom Kläger
gespeicherten Aufnahmen sind als Einzelangaben über sachliche Ver-18
19
20
21
-

13

-

hältnisse anzusehen, da sie Aufschluss darüber geben, dass es an einem be-stimmten Ort zu einer Kollision des Kraftfahrzeugs, dessen Halter der [X.]
zu 1 ist, und des klägerischen Kraftfahrzeugs gekommen ist. Diese sachlichen Verhältnisse sind solche des [X.] zu
1, denn er war Halter des [X.] und über das aufgenommene Kennzeichen über eine Halteranfrage zu ermitteln.
Für die Bestimmbarkeit genügt eine indirekte Identifizierbarkeit (vgl. [X.]surteil vom 16.
Mai 2017 -
VI
ZR 135/13, [X.], 955 Rn.
24
ff.; [X.], [X.], 3579; [X.], [X.], 35, 38; [X.] Datenschutz-recht/Schild, 1.
Februar 2018, §
3 [X.] Rn.
19; BVerwG, [X.], 906, 907).
Gemäß §
1 Abs.
2 Nr.
3 [X.] findet das [X.] auch für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch nicht-öffentliche Stellen Anwendung, soweit diese Stellen die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen erheben und die Tätigkeit nicht aus-schließlich für persönliche oder familiäre Zwecke erfolgt. Da diese [X.] auszulegen ist
(vgl. zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/[X.] und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr in § 1 [X.] [X.]. 14/4329 S. 31), ist mit der Ent-scheidung des [X.] in der Sache Ryne

([X.], 77
Rn.
33) geklärt, dass eine Videoüberwachung, die sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verar-beitet, nicht als eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit angese-hen werden kann. Nach dieser Entscheidung stellt eine Überwachung mittels einer Videoaufzeichnung auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung zudem eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten dar (vgl. [X.],
aaO,
Rn.
25).
22
-

14

-

bb) Der [X.] braucht im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob sich eine Befugnis zur mobilen Videoaufzeichnung mittels Dashcam aus § 6b Abs. 1 [X.] oder aus § 28 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ergeben kann.
Beide Erlaubnissätze kommen grundsätzlich in Betracht. Bei den [X.], die vom Kläger befahren wurden, handelt es sich um öffentlich zugängli-che Räume
im Sinne von §
6b [X.]. Die Dashcam stellt eine optisch-elektronische Einrichtung dar. Vieles spricht dafür, dass §
6b [X.] nicht nur die Videoüberwachung mit ortsfesten Kameras regelt
(vgl. die Darstellung unter II 1 a; für diese Auffassung [X.], [X.], 2280 Rn. 12
mwN; [X.], [X.], 1336, 1338; [X.] Datenschutzrecht/[X.], [X.], 1.
November 2017, §
6b Rn.
25; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.], §
6b
Rn.
4; [X.] in [X.], [X.], § 6b, 8.
Aufl., Rn.
36
ff.; [X.] in Plath, [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
6b Rn.
12; dagegen [X.], [X.], 400; Atzert/[X.], [X.] 2014, 136; [X.]/Schomerus/[X.]/[X.]/
[X.], [X.], 12.
Aufl., §
6b [X.] Rn.
12).
Dies kann jedoch offen bleiben. Bestimmt sich die Zulässigkeit nicht nach §
6b [X.], ist § 28
Abs. 1 Nr. 1 [X.] heranzuziehen (Atzert/[X.], [X.] 2014, 136, 138; Klann, [X.], 451, 453; [X.] [X.], 400, 401). Bei der Aufzeichnung zur Siche-rung von Beweismitteln für den Fall eines Verkehrsunfalls handelt es sich um eigene Geschäftszwecke im Sinne dieser Norm. Denn darunter werden alle Zwecke einer nicht-öffentlichen Stelle verstanden, die sich nicht ausschließlich im persönlichen oder familiären Bereich im Sinne des §
1 Abs. 2 Nr. 3 [X.] bewegen (vgl. [X.] Datenschutzrecht/Bäcker,
Stand 1.
Februar
2018, § 4 [X.] Rn. 41; [X.] Datenschutzrecht/Wolff,
Stand 1.
August 2015, § 28 [X.] Rn. 10; Klann, [X.], 451, 453; [X.], [X.], 324 Rn. 27; [X.],
[X.] 2004, 245 Rn. 46
f.; [X.], [X.], 77 Rn. 33).
23
24
-

15

-

Beide Erlaubnissätze verlangen
die Erforderlichkeit der Datenerhebung im Sinne eines zumutbaren mildesten Mittels (vgl. [X.], [X.], 571, 576);
denn
es ist technisch möglich, die dauerhafte Aufzeichnung zu vermeiden
und lediglich eine kurzzeitige anlassbezogene Speicherung im Zusammenhang mit einem Unfallgeschehen vorzunehmen (vgl. zu den technischen Möglich-keiten
Verwaltungsgerichtshof Wien, Urteil vom 12.
September 2016 -
Ro 2015/04/0011-7, MuR
2016, 261; [X.], [X.], 61, 66
f.). Dass die
vorhandenen technischen Möglichkeiten, die Persönlichkeitsrechte Dritter zu schützen
("Privacy by design"), hier nicht genutzt wurden, führt
dazu, dass die schutzwürdigen Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer mit ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Streitfall die genannten Interessen des [X.] überwiegen (vgl. zur Interpretation von §
3a [X.] -
Datenvermeidung und Datensparsamkeit -
als Ausprägung des Übermaßverbotes [X.] in [X.], [X.], 8.
Aufl., § 3a Rn. 19; [X.], [X.], 953, 960; Bretthauer, Intel-ligente Videoüberwachung, 2017, S. 128
ff.
mwN; [X.]. 14/4329 S. 33).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
nimmt die im Fahrzeug des [X.] installierte Kamera regelmäßig über einen Zeitraum von ca. vier
Stunden ohne konkreten Anlass auf, nicht
nur für den Fall eines Unfalls. Die vorgelegte 40 Sekunden lange Aufnahme ist
Teil einer davor begonnenen Auf-zeichnung. Durch eine solche permanente Aufzeichnung wird regelmäßig eine Vielzahl von Personen in kurzer Zeit in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. Es wird festgehalten, wann ein Betroffener sich an einem bestimmten Ort, mit welchem Verkehrsmittel, ggf. in welcher Begleitung oder in welcher Ver-fassung aufhält. Eine weite Verbreitung dieser Aufzeichnungsmöglichkeiten durch [X.] im
Straßenverkehr könnte bei entsprechender technischer Gestaltung bis hin zur Erstellung von Bewegungsprofilen zahlreicher Verkehrs-teilnehmer ausgebaut werden und den Aufenthalt in der Öffentlichkeit unter ei-25
26
-

16

-

nen dauernden [X.] stellen, insbesondere durch die Speiche-rung, Zusammenführung und bleibende Verfügbarkeit der Aufnahmen.
Diese Daten werden aber für eine [X.] größtenteils
nicht benötigt. Im Hinblick auf die angesprochenen technischen Möglichkeiten der Beschränkung des Eingriffs in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Verkehrsteil-nehmer durch kurzzeitige, anlassbezogene Aufzeichnungen, die erst bei [X.] oder starker Verzögerung des Fahrzeugs
durch einen Bewegungssensor ausgelöst werden, ggf. durch Verpixelung von Personen, automatisiertes und dem Eingriff des Verwenders entzogenes Löschen
(vgl. Bretthauer, Intelligente Videoüberwachung, 2017, [X.] ff.)
kommt eine Güterabwägung zu Gunsten des [X.] überhaupt nur in Betracht, wenn seine Kamera solche
(Daten)Schutzmechanismen aufweist. Welche Voraussetzungen zu erfüllen wären, muss
hier nicht entschieden werden
und ist im Einzelfall von den [X.] tatrichterlich festzustellenden Umständen abhängig
(vgl.
Beispiele für eine Technikgestaltung bei [X.], [X.], 61, 66; für die zukünftige Rechtslage Art. 25 Abs.
2 DS-GVO
"Datenschutz durch Technikgestaltung"; dazu [X.], [X.], 407, 409; [X.]/[X.], [X.], 514, 516).
Da hier
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
derartige technisch
mögli-che
Einschränkungen zur Verkürzung der [X.] und Verknüp-fung der Speicherung mit einem konkreten [X.] nicht gegeben waren, ist eine weitere Prüfung nicht erforderlich und für den Streitfall von einer Unzulässigkeit der Aufnahmen auszugehen.
2. Die Revision beanstandet dennoch
zu Recht, dass das Berufungsge-richt die als Beweismittel vorgelegte Videoaufzeichnung nicht gem. §
371 Abs.
1 ZPO in Augenschein genommen hat.
27
-

17

-

a) Die Verwertung unzulässig erlangter Beweismittel ist in der [X.]ordnung nicht ausdrücklich geregelt; diese
kennt selbst für rechtswidrig erlangte Informationen oder Beweismittel kein -
ausdrückliches
-
prozessuales Verwendungs-
oder
Verwertungsverbot. Auch in der [X.] (nachfolgend [X.]) sind keine entsprechenden Regeln ent-halten. Art. 6 [X.] garantiert nur allgemein das Recht auf ein faires Verfahren (vgl. [X.]/Laumen/[X.], Handbuch der Beweislast, 3. Aufl.; S. 104; [X.], NJW-RR 2018, 294, 298 mwN).
Die Bestimmungen des Bundesdaten-schutzgesetzes konkretisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder Beweismittel im Zivilprozess vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften (vgl. [X.], 370 Rn.
22).
Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot ([X.], NJW 2011, 2417 Rn.
45; NJW 2011, 2783 Rn.
12 jew.
mwN). Ob ein Eingriff in das allge-meine Persönlichkeitsrecht des [X.]s durch die Verwertung von [X.] gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeits-recht, hier in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestim-mung,
auf der einen und den
für die Verwertung sprechenden rechtlich ge-schützten Interessen
auf der anderen Seite ([X.]E 106, 28, 49). Das [X.] -
insbesondere das u.a. in Art.
20 Abs.
3 GG verankerte Rechtsstaats-prinzip
-
misst dem Erfordernis einer wirksamen Rechtspflege eine besondere Bedeutung bei. Im Zivilprozess, in dem über Recht und Rechtspositionen der [X.]en innerhalb eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses gestritten wird, sind die Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das [X.] nach einer materiell richtigen Entscheidung wichtige Belange des [X.]. Um die Wahrheit zu ermitteln, sind die Gerichte deshalb grundsätzlich 28
29
-

18

-

gehalten, von den [X.]en angebotene Beweismittel zu berücksichtigen, wenn und soweit eine Tatsachenbehauptung erheblich und beweisbedürftig ist. Dies gebieten auch der in §
286 ZPO niedergelegte Grundsatz der freien Beweis-würdigung sowie das grundrechtsähnliche Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art.
103 Abs.
1 GG
(vgl. [X.]E 106, 28, 49). Aus ihnen folgt die grundsätzli-che Verpflichtung der Gerichte, den von den [X.]en vorgetragenen Sachver-halt und die von ihnen angebotenen Beweise zu berücksichtigen.
Zur Frage der Verwertbarkeit von Zeugenaussagen im Zivilverfahren, die auf dem rechtswidrigen Mithören von Telefongesprächen Dritter beruhen, hat das [X.] entschieden, dass allein das allgemeine [X.] an einer funktionstüchtigen Straf-
und
Zivilrechtspflege nicht ausreicht, um im Rahmen der Abwägung stets von einem gleichen oder gar höheren Ge-wicht ausgehen zu können, als es dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu-kommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist. Im Zivilprozess kann es Situationen geben, in denen dem Interesse an der Beweiserhebung -
über das stets bestehende "schlichte" [X.] hinaus
-
besondere Bedeutung für die [X.] einer [X.] zukommt. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung werde dies etwa in Fällen angenommen, in denen sich der [X.] in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage befinde. Demgegenüber reiche allein das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, nicht aus (vgl. [X.]E 106, 28, 50; 117, 202, 241; vgl. auch [X.], 370 Rn.
24).
Nach der damit in Einklang stehenden Rechtsprechung des [X.] sind rechtswidrig geschaffene oder erlangte Beweismittel im [X.] nicht schlechthin unverwertbar. Über die Frage der Verwertbarkeit ist viel-30
31
-

19

-

mehr in derartigen Fällen aufgrund einer Interessen-
und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu
entscheiden (vgl. [X.]surteile vom 10.
Dezember 2002 -
VI
ZR 378/01, [X.], 1123
zur Zeugenvernehmung der Verhörsperson im Zivilprozess nach
unterlassener Beschuldigtenbelehrung im Strafprozess; vom 3.
Juni 1997 -
VI
ZR 133/96, [X.], 1422
zur [X.] einer ohne Wissen des [X.] gefertigten Tonaufzeichnung; vom 24.
November 1981 -
VI
[X.], [X.], 191, 192
zur Verwertung einer heimlich angefertigten Tonbandaufnahme; [X.], Urteil vom 27.
Januar 1994
-
I
ZR 326/91, NJW 1994, 2289, 2292; vom 18.
Februar 2003 -
XI ZR 165/02, [X.], 1727
zur Vernehmung eines
Zeugen zu einem heimlich über eine Mithöreinrichtung belauschten Telefonat; vgl. auch [X.], Urteil vom 12.
Januar 2005 -
XII
ZR 227/03, [X.]Z 162, 1, 6 zur Verwertbarkeit einer heimlich einge-holten DNA-Analyse; Beschluss vom 15.
Mai 2013 -
XII
ZB 107/08, [X.], 1387 Rn. 16 zur Erstellung eines umfassenden personenbezogenen [X.] mittels eines GPS-Geräts; Urteil vom 17.
Februar 2010 -
VIII
ZR 70/07, [X.], 125
Rn.
28
zur Vernehmung eines Zeugen zu einem ohne Einwilligung des Gesprächspartners mitgehörten Telefonat).
Allein das allge-meine Interesse an einer funktionstüchtigen Rechtspflege und das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reichen nicht, um im Rahmen der Abwägung von einem höheren Gewicht ausgehen zu können, als es dem Recht am gesprochenen Wort zukommt. Vielmehr müssen weitere Aspekte hinzutreten, die ergeben, dass das Interesse an der Beweiserhebung trotz der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schutzbedürftig ist (vgl. [X.]surteile
vom 13. Oktober 1987 -
VI [X.], [X.], 379; vom 20. Mai 1958
-
VI
ZR 104/57, NJW 1958, 1344, 1345; vom 24. November 1981 -
VI [X.], NJW 1982, 277; [X.], Urteil vom 18. Februar 2003 -
XI
ZR 165/02, [X.], 1727, 1728; vom 12. Januar 2005 -
XII
ZR 227/03, [X.]Z 162, 1, 6; vom 17.
Februar 2010 -
VIII ZR 70/07, [X.], 125
Rn. 28; dies verallge--

20

-

meinernd [X.], Beschluss vom 15. Mai 2013 -
XII
ZB 107/08, [X.], 1387
Rn. 14).
b) Die Frage, ob der Inaugenscheinnahme einer unzulässigen Videoauf-zeichnung mittels einer Dashcam als Beweismittel zur Aufklärung eines Unfall-geschehens im Straßenverkehr ein Beweisverwertungsverbot entgegensteht, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.
aa) Die Auffassungen der Instanzgerichte sind uneinheitlich. Ausgehend von den obigen Grundsätzen werden die Interessen unterschiedlich gewichtet.
Die Überwachung müsse das einzig verbleibende Mittel darstellen. [X.], als heimlich bezeichenbare Aufzeichnungen des gesamten Verkehrsge-schehens stellten einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer dar. Wolle man der bloßen Möglichkeit, dass eine Beweisführung erforderlich werden könne, den Vorrang vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung einräumen, würde innerhalb kürzester Zeit jeder Bürger Kameras ohne jeden Anlass mit sich führen, um damit zur Doku-mentation und
zur Durchsetzung von möglichen Schadensersatzansprüchen jedermann zu filmen und zu überwachen (LG
Rottweil, Urteil vom 20.
Februar 2017 -
1
O 104/16, BeckRS 2017, 119419; so auch LG
Heilbronn, [X.], 393). Mit einer dauerhaften und flächendeckenden Überwachung des öffentli-chen Verkehrs würde
das Recht auf informationelle Selbstbestimmung völlig ausgehöhlt. Dem müsse durch ein Beweiserhebungsverbot Einhalt geboten werden, sofern es nicht um wesentlich bedeutendere Rechtsgüter als den
blo-ßen Eigentumsschutz gehe (LG
Memmingen, [X.], 240).
Die überwiegende Zahl der
(wenigen)
Entscheidungen lehnt dagegen im Ergebnis ein Beweisverwertungsverbot ab.
Als wesentliches Abwägungskriteri-um wird angesehen, dass nur die Verwertung der Videoaufzeichnung zu einem 32
33
34
-

21

-

materiell richtigen Ergebnis führe ([X.], [X.], 977). Dem persön-lichkeitsrechtlichen Interesse, das ohnehin in der Öffentlichkeit stattfindende
Verkehrsverhalten nicht, auch nicht für einen sehr kurzen Zeitraum,
zu doku-mentieren, sei kein hohes Gewicht beizumessen. Dagegen wiege das Interesse des
Unfallbeteiligten
an diesem Beweismittel für seine Rechtsverfolgung
schwer, insbesondere wenn
ihm
keine Zeugen für das Fahrverhalten des Un-fallgegners
zur Verfügung stünden. Bei einem Verwertungsverbot
könne ein Unfallbeteiligter
den wahrheitswidrigen Sachvortrag des Unfallgegners
nicht widerlegen. Ob
bei der Güterabwägung zur Verwertung im Zivilprozess über-haupt das allgemeine Interesse Dritter einzustellen sei, nicht dem Risiko ausge-setzt zu werden, ohne Anlass aufgezeichnet zu werden, sei zweifelhaft. Die Be-denken gegen die Verwertbarkeit der Aufzeichnungen
beträfen vor allem solche Teile der Aufzeichnung, die gar nicht verwertet werden sollten. Das [X.]recht habe aber nicht die Aufgabe, sonstiges Verhalten von Prozessbetei-ligten, welches nicht die Beschaffung des konkret
zu verwertenden Beweises selbst -
hier also das Filmen und Speichern der unmittelbaren Unfallsituation
-
darstelle, zu sanktionieren. Selbst wenn man die Interessen unfallbeteiligter Dritter miteinbeziehe, sei
es angesichts der sehr geringen und eher theoreti-schen Betroffenheit unbeteiligter Dritter bei der Interessenabwägung im Rah-men der zivilprozessualen Verwertbarkeit von [X.] nicht zu rechtfertigen, einer
andernfalls in Beweisnot befindlichen [X.] den Rück-griff auf dieses Beweismittel mit dem Argument einer abstrakten Überwa-chungsbefürchtung Dritter zu verwehren ([X.], [X.], 3597 Rn.
48, 58). Es könne nicht Aufgabe der [X.] sein, öffentlich-rechtliche Verbote durch Beweisverwertungsverbote zu flankieren, nur um keinen Anreiz für die Verwendung von [X.] zu setzen ([X.], Urteil vom 9.
November 2016 -
52
C 132/16, BeckRS 2016, 119257).
-

22

-

Ein überwiegendes Interesse an der Zulassung des Beweismittels wird auch angenommen, wenn der Aufzeichnung lediglich das Fahrverhalten des [X.] zu entnehmen ist ([X.], [X.], Nr.
9, 11), oder sie lediglich Fahrzeug und Kennzeichen, jedoch keine Personen oder Ge-sichter erkennen lasse und die Kamera nur einen sehr begrenzten Verkehrsbe-reich über den begrenzten Zeitraum von knapp zwei Minuten erfasse ([X.], [X.], 534, 535).
Der Fahrer eines Autos müsse zwingend damit rech-nen, dass seine Fahrweise von anderen beobachtet werde. Eine systematische Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer zur Erstellung von Bewegungsprofilen finde nicht statt, denn die Filmaufnahmen würden, soweit es nicht zu einem [X.], immer wieder überschrieben. ([X.], [X.], 792, 793).
Durch eine
anlassbezogene Aufzeichnung werde den berechtigten Interessen Dritter per se Rechnung getragen. Durch ein Fehlverhalten eines Verkehrsteil-nehmers im Straßenverkehr werde das schutzwürdige Interesse einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern berührt. Spätestens bei der Verletzung des
Körpers bestehe auch bei diesen ein erhebliches Interesse an der Darlegung des tat-sächlichen Ablaufs, die
durch eine entsprechende Aufzeichnung erfolgen könne (vgl. [X.], [X.] 2016, 1195, 1199).
Die Verwertbarkeit wird auch dann angenommen, wenn
durch eine
technische Gestaltung -
dauerhafte Spei-cherung von nur 30 Sekunden, anlassbezogene Speicherung,
regelmäßiges schnelles Überschreiben der sonstigen Aufnahmen
-
gewährleistet werde, dass der Eingriff in die Grundrechte der Aufgezeichneten möglichst mild ausfalle ([X.], [X.], 239, 240; ähnlich LG München
I, [X.], 36, 37).
bb)
Die Frage, ob Videoaufnahmen einer Dashcam im Zivilprozess ei-nem Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist
auch
in der Literatur umstritten. Weder allgemeine Gesichtspunkte einer funktionierenden Zivilrechtspflege noch das Fehlen
objektiver
Beweismittel genügten für eine Beweisverwertung, wenn nicht weitere Aspekte
mit dem
Gewicht einer notwehrähnlichen Lage hinzuträ-35
36
-

23

-

ten (vgl. [X.], [X.], 620, 624; [X.], [X.], 15, 19 ff.; vgl. auch [X.]/[X.], NJW 2014, 2074, 2078). Eine notwehrähnliche Lage sei aber gegeben, wenn der [X.] im Prozess im Vertrauen auf das Vorliegen eines Verwertungsverbotes wider besseres Wissen einen unrichtigen Sachver-halt vortrage und damit möglicherweise einen
versuchten Prozessbetrug bege-he (vgl. Laumen, [X.], 813).
Die Verwertung von [X.] sei in aller Regel rechtswidrig, die bloß abstrakte Gefahr rechtswidrigen Verhal-tens anderer Verkehrsteilnehmer könne nicht ausreichen (so im Ergebnis auch Beschluss der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Be-reich, [X.] vom 25./26. Februar 2014). Der anlasslose,
gegen §
6b [X.] verstoßende Betrieb von [X.] sei ein rechtswidriger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der übrigen Verkehrsteilnehmer, solche Aufzeichnun-gen seien unverwertbar (vgl. [X.], [X.], 551, 556; so im Ergebnis auch [X.], [X.], 109, 116; [X.], [X.], 619, 625 f., ähnlich [X.], [X.], 953, 963). Die Kriterien des Bundesarbeitsgerichts
zur Be-weisverwertung von Videoaufzeichnungen -
ein bestehender Verdacht strafba-rer Handlungen, die fehlende Möglichkeit zur effektiven Kontrolle der [X.] durch Vorgesetzte, das Fehlen eines milderen Mittels und ein räumlich abgrenzbar erfasster Bereich
(vgl. nur [X.], 69 Rn. 22 mwN)
-
könnten hierher
übertragen werden (vgl. [X.], [X.], 407, 408
f.; [X.] in Festschrift [X.], 2018, 573, 583).
Nach anderer Auffassung ist eine Verwertung von [X.] zur Aufklärung eines Unfallgeschehens im Zivilprozess unbedenklich möglich (vgl. Kaiser, [X.], 2790, 2791; Klann, [X.], 188, 191; [X.], 451, 455; Atzert/[X.], [X.] 2014, 136, 140; [X.], ZPO, 7. Aufl., §
286 Rn. 27; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., §
286 Rn.
15c). Soweit aufgenommene Personen überhaupt identifizierbar seien, werde deren Verhalten im Straßen-verkehr durch eine präventive Aufzeichnung der Verkehrssituation nicht [X.]
-

24

-

flusst. Ein [X.] bestehe nicht. Ein gesteigertes Beweisinteresse werde durch eine Beweisnot begründet, wie sie typischerweise mit Unfallsituati-onen ohne Möglichkeit des Zugriffs auf neutrale Zeugen verbunden sei (vgl. [X.], [X.], 926, 928; [X.], [X.], 803, 807). Auf die daten-schutzrechtliche Beurteilung
komme es nicht an
(vgl. [X.] ZPO/[X.], Stand 1.
März 2018, §
284 Rn.
22.2).
Bei unbeteiligten Personen, die als Pas-santen oder Teilnehmer am fließenden Verkehr mit auf das Bild gerieten, fehle es schon an einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Es handele sich nur
um eine technikbedingte Miterfassung ohne Erkenntnisgewinn, der wegen der Anonymität der betreffenden Personen keine Eingriffsqualität zukomme. Dem Interesse des [X.]s an der Nichtoffenbarung seines [X.] bzw. seiner Regelverletzung könne kein hoher Stellenwert beigemessen werden. Die Verwendung der Videoaufzeichnungen von Verkehrsvorgängen berühre nicht den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung. Schon die Verpflichtung zum Führen eines amtlichen Kennzeichens zeige, dass eine Iden-tifizierung von Regelverletzern möglich sein solle. Der
[X.] könne den Unfallhergang oftmals nicht anders beweisen, bei Fahrerflucht nicht einmal den Haftpflichtigen ermitteln. Der Beweiswert von Zeugenaussagen sei
angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions-
und Solidarisierungstendenzen gering. [X.] Gutachten setzten ver-lässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehle. Ein solcher Beweisnotstand
gehe über das schlichte Beweisinteresse hinaus.
Es sei
mit einer rechtsstaatlichen Prozessleitung nicht vereinbar, dem [X.] die Verwertung einer vorhandenen Video-Aufzeichnung zu versagen, mit der er die Unwahrheit der gegnerischen Unfalldarstellung oder die Identität des geflo-henen Unfallgegners
belegen könne. Für die Verwertung der Aufnahme spre-che das öffentliche Interesse an einer wirksamen, auf die Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit gerichteten Rechtspflege (vgl. [X.], [X.], -

25

-

114, 116
f.). Das
Datenschutzrecht oder die
Persönlichkeitsrechte Dritter könn-ten für das Straf-
und Bußgeldrecht sowie den zivilrechtlichen Rechtsschutz der [X.] eine Rolle spielen, nicht aber für die vorzunehmende Interessenabwä-gung ([X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl.,
§ 286 Rn. 15c; [X.] in Festschrift [X.], 2018, 573, 584).
Nach anderen Auffassungen, die das Konzept der
"[X.]" aus dem Datenschutzrecht fruchtbar machen wollen,
können [X.] unter Berücksichtigung technischer Möglichkeiten, die das Gewicht der drohenden Grundrechtseingriffe reduzieren, im Zivilprozess verwertbar sein. Die Videoaufnahme eines Verkehrsunfalls sei das
wirksamste Mittel zur Aufklä-rung des Sachverhalts. Zur Aufklärung sei in der Regel nur eine überschaubare Zeitspanne vor der Kollision notwendig.
Eine technische Lösung sei eine durch-gehende Aufzeichnung einer Fahrt, bei der im Rahmen einer Ringspeicherung innerhalb von
bestimmten Zeitabständen die alten gespeicherten Aufnahmen gelöscht würden;
nur bei bestimmten Befehlen, wie beispielsweise dem
Auslösen eines "emergency buttons" oder dem Eingreifen des genannten "[X.]" erfolge die Speicherung
einer kurzen Sequenz, die nicht wieder überschrieben werde (vgl. [X.]/Nugel, NJW 2014, 1622, 1623
f.; vgl. Froitz-heim, [X.], 109, 116). Hier überwiege in der Regel das Interesse der an-deren Unfallbeteiligten an der Aufklärung des Unfallgeschehens zum Schutze zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche den kurzfristigen Eingriff in das all-gemeine Persönlichkeitsrecht der Gegenseite (vgl. [X.]/Nugel,
aaO,
S.
1627; ähnlich [X.], [X.], 13, 16;
[X.]/[X.], [X.], 514, 516;
Nugel, [X.] 4/2016 Anm.
2; jurisPK-Straßenverkehrsrecht/[X.], Einlei-tung -
Grundlagen des Straßenverkehrsrechts Rn. 97
[Stand 17.
August 2016];
Beck-OGK/[X.], 1.
März 2018, [X.] § 7 Rn. 254.1;
für eine Beschränkung der Videosequenz auf sehr kurze Intervalle auch Foerste in Musielak/[X.], ZPO, 15.
Aufl., §
286 Rn.
7; ähnlich auch [X.], [X.], 171, 183; 38
-

26

-

Laumen in [X.]/Gehrlein, ZPO, 9.
Aufl., §
284 Rn. 32; vgl. auch die Empfeh-lung des
Arbeitskreises
des 54. Deutschen Verkehrsgerichtstags, dargestellt u.a. von
Born, [X.], 114, 117).
c) Der [X.] folgt unter Berücksichtigung der
dargelegten
vom Bundes-verfassungsgericht und [X.] entwickelten Grundsätze einer ver-mittelnden Lösung, die eine Güterabwägung im Einzelfall fordert
und hier zu einem Überwiegen der Interessen des [X.] führt. Die erforderliche Abwä-gung kann der erkennende [X.] selbst vornehmen, weil die hierfür maßgebli-chen Gesichtspunkte feststehen (vgl. nur
[X.]surteil
vom 10.
Dezember 2002
-
VI
ZR 378/01, [X.]Z 153, 165, 170).
Auf der einen Seite stehen das Interesse des [X.] an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, sein im Grundgesetz veranker-ter Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG
in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer ma-teriell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf
der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.]s aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.
1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informatio-nelle Selbstbestimmung und ggf. als
Recht am eigenen Bild, sofern er auf der Aufnahme für Dritte erkennbar ist (vgl. [X.]surteil vom 13. Oktober 2015
-
VI
[X.], [X.]Z 207, 163 Rn. 31; [X.], Urteil vom 1. Dezember 1999

-
I [X.], [X.], 2201, 2202).
aa) Eine Videoüberwachung mit Aufzeichnungsfunktion kann
in das all-gemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht auf
informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Dieses Recht umfasst die [X.], grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher
Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, und daher 39
40
41
-

27

-

grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. [X.]surteile
vom 13.
Januar 2015 -
VI
ZR 386/13, NJW 2015, 776 Rn.
9; vom 30. September 2014 -
VI [X.], [X.], 534 Rn. 15; vom 23.
September 2014 -
VI
ZR 358/13, [X.]Z 202, 242 Rn.
26; vom 5. No-vember 2013 -
VI ZR 304/12, [X.]Z 198, 346 Rn. 11; vom 29. April 2014
-
VI
ZR 137/13, NJW 2014, 2276 Rn. 6; vom 16.
März 2010 -
VI
ZR 176/09, [X.], 677 Rn.
11; vgl. [X.], NVwZ 2007, 688
ff.; NJW 2009, 3293
f.; [X.], 370 Rn.
23 f.). Auch wenn der Einzelne sich in die Öffentlichkeit begibt, schützt das Recht der informationellen Selbstbestimmung dessen [X.], dass die
damit verbundenen personenbezogenen
Informationen nicht im Zuge automatisierter Informationserhebung zur Speicherung mit der Möglichkeit der Weiterverwertung erfasst werden. So kommt es zu einem Eingriff in das Grundrecht, wenn ein erfasstes Kfz-Kennzeichen im Speicher festgehalten wird und ggf. Grundlage weiterer Maßnahmen werden kann (vgl. [X.]E 120, 378,
399).
Indem hier durch die vorgelegte Videoaufnahme das Fahrzeug des [X.] zu 1 mit dessen Kraftfahrzeugkennzeichen in und kurz nach der [X.] aufgenommen und diese Sequenz abgespeichert
worden ist, liegt nach diesen Maßstäben ein Eingriff in dessen Recht auf informationelle Selbst-bestimmung
vor. Es handelt
sich auch nicht um einen Fall, in dem Daten unge-zielt und allein technikbedingt zunächst miterfasst, dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn, anonym und spurlos wieder gelöscht werden, so dass aus diesem Grund die Eingriffsqualität verneint werden könnte (vgl. [X.]E 115, 320, 343; 120, 378, 399; NJW 2009, 3293 Rn.
16). Dieser Eingriff wird durch die Nutzung als Beweismittel fortgesetzt.
bb) Der
Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Be-lange des [X.] das Schutzinteresse der [X.] überwiegen.
42
43
-

28

-

In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen [X.] als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, [X.] u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutz-würdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die so-genannten
sensitiven Daten, die der Intim-
und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der [X.] von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial-
und [X.] gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, [X.] Herrschaft über "seine" Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der [X.]. In dieser stellt die Information, auch so-weit sie personenbezogen ist, einen Teil der [X.] Realität dar,
der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (vgl. [X.]surteil vom 23.
Juni 2009 -
VI
ZR 196/08, [X.]Z 181, 328 Rn.
31).
(1) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der [X.] zu
1 lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das [X.] ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in
den
er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenver-kehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteil-nehmer ausgesetzt (vgl. [X.], NJW 2011, 2783
Rn. 17; vgl. [X.], Urteil vom 27.
Januar 1994 -
I
ZR 326/91, NJW 1994, 2289, 2292
f.). Es wurden nur [X.] auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.
44
45
-

29

-

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
hat die Erstellung von Videoaufnahmen eines Mopedfahrers im Straßenverkehr und ihre Benut-zung als Beweismittel vor
Gericht nicht als Verletzung von Art. 8 [X.] einge-ordnet ([X.], NJW 2015, 1079).
(2) Rechnung zu tragen ist
zudem
der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des [X.] geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions-
und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten set-zen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt (vgl. dazu nur [X.], [X.], 114, 116; [X.], [X.], 15, 17).
Zu berücksichtigen
ist weiter,
dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des [X.] erlauben und grundsätzlich auch zu Gunsten des [X.]s sprechen und verwertet werden können (vgl. [X.], NJW-RR 2014, 413 ff.).
(3) Im Vergleich zu den
höchstrichterlichen Entscheidungen zu [X.] bei [X.] von Gesprächen bestehen maßgebliche Unterschiede im Tatsächlichen. Im Hinblick auf die [X.] als Rahmenrecht
hat
es eine andere grundrechtliche Dimension, in das Recht am gesprochenen Wort durch heimli-ches Belauschen einzugreifen,
als
eine Kollision im öffentlichen Straßenverkehr
aufzuzeichnen, die eine Identifizierung des Unfallgegners, zumindest des [X.] des beteiligten Fahrzeuges, und eine weitgehende Rekonstruktion seines Verhaltens im Verkehr
ermöglicht.
46
47
48
49
-

30

-

Das Recht am gesprochenen Wort gewährleistet die Selbstbestimmung über die eigene Darstellung der Person in der Kommunikation mit anderen (vgl. [X.]E 54, 148,
155). Der Schutz umfasst die Möglichkeit, sich in der [X.] nach eigener Einschätzung situationsangemessen zu verhalten und sich auf die jeweiligen Kommunikationspartner einzustellen. Zum Grundrecht gehört die Befugnis, selbst zu bestimmen, ob der Kommunikationsinhalt einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Personenkreis oder der [X.] zugänglich sein soll. Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich also auf die Auswahl der Personen, die Kenntnis vom Gesprächsinhalt erhalten sollen. Dieses Selbstbestimmungsrecht findet einen Ausdruck in der Befugnis des Menschen, selbst und allein zu entscheiden, ob sein Wort auf einen Tonträger aufgenommen und damit möglicherweise [X.] zugänglich werden soll, womit Wort und Stimme von dem [X.] losgelöst und in einer für Dritte verfügbaren Gestalt verselbstständigt werden. Das Grundgesetz schützt deshalb davor, dass Gespräche heimlich aufgenommen und ohne Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet werden. Das Grundrecht schützt jedoch nicht nur vor einer solchen "Verdinglichung"
des Wortes, sondern auch vor anderen Verletzungen des Rechts zu bestimmen, welcher Person der Kommunikationsinhalt zugänglich sein soll. Schutz besteht jedenfalls auch davor, dass ein Kommunikationspartner ohne Kenntnis des an-deren eine dritte Person als Zuhörer in das Gespräch mit einbezieht oder die unmittelbare Kommunikationsteilhabe durch den [X.] gestattet. Verhält ein Sprecher sich allerdings so, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühungen gehört werden können, hat er sich das Zuhören Dritter selbst zuzuschreiben. Er ist gegen deren Kommunikationsteilhabe nicht geschützt, wenn er etwa von ihm unerwünschte Hörer in seiner Nähe übersieht oder die Lautstärke seiner Äußerung falsch einschätzt. Entscheidend ist, ob der 50
-

31

-

Sprecher auf Grund der Rahmenbedingungen begründetermaßen erwarten darf, nicht von [X.] gehört zu werden (vgl. [X.]E 106, 28, 40).
Diese Unterscheidung erhellt, dass eine andere, geringere
Gewichtung des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfolgen muss, wenn es sich um die Kenntnisnahme von Verhalten handelt, das ohnehin
in der Öffent-lichkeit, hier auf öffentlichen Straßen stattfindet (vgl. [X.], NJW 2010, 2717
Rn. 14). Zwar findet hier eine "Verdinglichung" von Bildern statt
und
es besteht ein qualitativer
Unterschied zwischen menschlichem Beobachten und dauerhaf-ter
technischer Aufzeichnung.
Doch ist der Betroffene durch sein Wissen, in der Öffentlichkeit zu agieren, zumindest schon darauf vorbereitet, dass die Kenntnis von seinem Handeln einem von ihm nicht bestimmbaren Personenkreis ermög-licht wird, und kann sich darauf einrichten.
(4) Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte ande-rer Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer
oder anderer Kraftfahrer bzw. Insassen führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Denn ihrem Schutz ist vor allem durch die Regelungen des Datenschutzrechts selbst Rechnung zu tragen, die -
wie dargelegt
-
gerade nicht auf
ein Beweisverwertungsverbot abzielen. Zwar besteht durch permanent
und anlasslos
aufzeichnende Videokameras in zahlreichen Privatfahrzeugen für das
informationelle
Selbstbestimmungsrecht der übrigen Verkehrsteilnehmer ein Gefährdungspotential (vgl. [X.], NVwZ 2007, 688, 690; [X.], [X.],
15, 19), da durch
die bestehenden Möglichkeiten von
Gesichtserkennungssoftware, Weiterleitung und Zusammen-führung der Daten zahlreicher
Aufzeichnungsgeräte nicht auszuschließen ist, dass
letztlich Bewegungsprofile individueller Personen erstellt werden könnten.
Durch die Aufzeichnung des gewonnenen Bildmaterials werden die beobachte-ten Lebensvorgänge technisch fixiert und können in der Folge abgerufen, auf-bereitet und ausgewertet sowie mit anderen Daten verknüpft werden. So kann 51
52
-

32

-

eine Vielzahl von Informationen über bestimmte identifizierbare Betroffene ge-wonnen werden, die sich im Extremfall zu Profilen des Verhaltens der [X.] Personen in dem überwachten Raum verdichten lassen (vgl. [X.] NVwZ 2007, 688, 690). Dem ist jedoch nicht durch Beweisverwertungsverbote im Zi-vilprozess zu begegnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit einer Beweisverwertung Anreize für die Nutzung von [X.]
setzen kann, doch ist ihr Gefahrenpotential nicht im Zivilprozess einzugrenzen oder (zusätzlich) zu sanktionieren (vgl. [X.]/[X.], [X.], 313, 318; [X.]/[X.], ZPO, 32.
Aufl., §
286 Rn.
15c; Kiethe, [X.] 2005, 965, 969; [X.] in [X.]/
Schütze, ZPO, 4.
Aufl., vor §
286 Rn.
22; [X.] in
Festschrift [X.], 2018, S.
573, 583; aA [X.]
in
Festschrift [X.], 1983, S.
477, 484), auch wenn sich der [X.] generalpräventiven Erwägungen nicht immer gänzlich ver-schlossen hat (vgl. [X.]surteile
vom 24.
November 1981 -
VI
[X.], NJW 1982, 277, 278; vom 19.
Juni 1970 -
VI
ZR 45/69, NJW 1970, 1848, 1849).
Deshalb ist es für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Be-deutung, dass der Teil der Aufzeichnung, der nicht im Prozess vorgelegt wor-den
oder für die [X.] nicht erheblich ist, möglicherweise zu Ein-griffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dritter Personen führt (aA
Froitz-heim, [X.], 109, 114 ff.).
(5) Einem
rechtsstaatswidrigen
planmäßigen
Unterlaufen des [X.]sverbotes (vgl. [X.] NJW 2011,
2783
Rn.
18)
steht entgegen, dass Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen gemäß §
43 Abs. 2 [X.] mit Geldbußen geahndet werden können und vorsätzliche Handlungen gegen Entgelt oder in Bereicherungs-
oder Schädigungsabsicht nach §
44 Abs.
1 [X.] mit Freiheitsstrafe bedroht sind. Im Übrigen kann die Aufsichts-behörde im Rahmen des §
38 Abs.
5 [X.] mit Maßnahmen zur Beseitigung von Datenschutzverstößen steuernd eingreifen.
Allerdings zeigen diese Rege-lungen bei einem Vergleich mit §
201 Abs. 1 Nr. 1 StGB
auch, dass die [X.]
-

33

-

ordnung dem Schutz dieser Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein geringeres Gewicht beimisst als dem Schutz des gesprochenen Wortes.
(6) Dem hier nicht so
schwer wiegenden
Eingriff in das Recht des Be-weisgegners steht
nicht nur ein "schlichtes" Beweisinteresse gegenüber. Wie der [X.] bereits ausgeführt hat, streiten nicht nur das grundrechtsähnliche Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs und das Rechtsstaatsprinzip für die Interessen
des Unfallgeschädigten. Jedes Beweisverwertungsverbot beein-trächtigt nicht nur die im Rahmen der Zivilprozessordnung grundsätzlich eröff-nete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege,
sondern auch durch Art.
14 Abs.
1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden [X.]en (vgl. [X.]surteil vom 10.
Dezember 2002
-
VI
ZR 378/01, [X.]Z 153, 165, 170
f.).
Es besteht auch ein individuelles Interesse der [X.] eines
Zivilprozes-ses an der Findung der materiellen Wahrheit
bis hin zur
Abwehr eines mögli-chen Prozessbetruges (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Mai 2013 -
XII
ZB 107/08, [X.], 1387 Rn.
24, dort offen gelassen; [X.] in [X.]/Schütze,
ZPO, 4.
Aufl., vor §
286 Rn.
31
f.; Laumen in [X.]/Gehrlein, ZPO, 9. Aufl., §
284 Rn. 27).
(7) Schließlich ist im Unfallhaftpflichtprozess
zu beachten, dass das Ge-setz
selbst den Beweisinteressen
des Unfallgeschädigten durch die Regelung des §
142 StGB, der auf §
22 des [X.] mit Kraftfahrzeu-gen ([X.]) vom 3. Mai 1909 zurückgeht ([X.]. vom 12. Mai 1909, S.
437 ff.; vgl. nur Zopfs, ZIS 2016, 426,
427),
ein besonderes Gewicht zugewiesen
hat. Danach muss ein Unfallbeteiligter die Feststellung seiner Person, seines [X.] und die Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die 54
55
56
-

34

-

Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglichen. Nach §
34 [X.] sind auf Verlangen der eigene Name und die eigene Anschrift anzugeben,
der [X.] und der Fahrzeugschein vorzuweisen sowie Angaben über die Haft-pflichtversicherung zu machen. §
142 StGB hat den Schutz von privaten [X.] zum Inhalt, nämlich das Interesse der Geschädigten und Unfallbeteiligten daran, das
Unfallgeschehen im Straßenverkehr auf mögliche Rechtsbeziehungen hin festzuhalten und einer unmittelbaren und alsbaldigen Aufklärung zuzuführen (vgl. [X.] in Kindhäuser/[X.]/Paeffgen, StGB, 5.
Aufl., §
142 Rn.
6 mwN; [X.], 3.
Aufl., §
142 Rn.
2, 3;
[X.]. 7/2434 S.
4
f.; [X.]. 7/3503 S.
3; vgl. auch zu §
142 StGB aF:
[X.]E 16, 191, 193 f.). Dass von einem Unfallbeteiligten über diese Angaben hinaus der Unfallhergang, das Kraftfahrzeugkennzeichen und ggf. am Unfallort auch seine Person in einer kurzen Sequenz festgehalten werden, be-lastet ihn nicht entscheidend
mehr als diese Regelung.
[X.])
Soweit (auch) ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild in Rede steht, führt das nicht zu einem abweichenden Abwägungsergebnis. Die Vorlage
der Videoaufnahme bei Gericht als Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess und ihre
Verwertung zu diesem Zweck
erfüllen grundsätzlich nicht den Tatbestand des "[X.]" im Sinne von § 22 KUG. Insoweit ist von einem planwidrigen [X.] eines Ausnahmetatbestandes auszugehen und eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion geboten (vgl. [X.], [X.], 36, 37; vgl. [X.]surteil vom 27. Februar 2018 -
VI [X.], zur [X.] vorgesehen, Umdruck Rn. 31; so im Ergebnis auch [X.], NJW 2015, 1079 Rn. 41; vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2017 -
XI [X.], [X.], 623 Rn. 65 ff.). Die Regelung geht auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen [X.] auf dem Totenbett, vgl. [X.], 170) und die daran anschließende rechtspolitische Diskussion (vgl. Verhandlungen des 27. [X.], 1904, 4. Band, S.
27 ff.) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich zwischen der [X.]
-

35

-

tung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allgemeinheit her-zustellen (vgl. Verhandlungen des [X.], 11. Legislaturperiode, [X.], [X.] 1905/1906, Nr. 30, S. 1526, 1540 f.; [X.], [X.], 446, 451). Sie soll also gerade nicht den hier vorliegenden Konflikt zwi-schen den Schutzgütern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des grund-rechtsähnlichen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs
gegenüber den Ge-richten
im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips lösen. Der vorliegende Sachver-halt wird vom Normzweck der Regelungen in §§ 22, 23 KUG nicht erfasst. [X.] wird der Abgebildete aber nicht schutzlos gestellt, denn in der Anfertigung, Vorlage
und Verwertung der Aufnahme
liegt ein Eingriff in das über den Bildnis-schutz des § 22 KUG hinausgehende Schutzgut des Rechts am eigenen Bild (vgl. [X.]surteil vom 13. Oktober 2015 -
VI [X.], [X.]Z 207, 163
Rn.
31), dessen Rechtswidrigkeit sich bei fehlender Einwilligung aus einer Gü-terabwägung
der
jeweiligen schutzwürdigen Interessen ergeben und einer Be-weisverwertung entgegen stehen kann.
Insoweit kann auf die vorstehenden Erwägungen Bezug genommen werden.

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist auf-zuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563
Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit die erforderlichen Feststellungen zur Schadensver-

58
-

36

-

ursachung unter Verwertung der Videoaufzeichnung -
ggf. mit
Ergänzung des Sachverständigengutachtens -
nachgeholt werden können.
Galke
Richter am [X.]
von [X.]

[X.] ist wegen Urlaubs ge-

hindert zu unterschreiben

Galke

Oehler

Klein

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 19.12.2016 -
104 C 630/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.05.2017 -
1 [X.]/17 -

Meta

VI ZR 233/17

15.05.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17 (REWIS RS 2018, 9230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9230

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 233/17 (Bundesgerichtshof)

Datenschutz: Zulässigkeit der Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mittels sog. Dashcams; Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Unfallhaftpflichtprozess


13 U 851/17 (OLG Nürnberg)

Verwertung von Aufzeichnungen einer „Dashcam" in einem Zivilprozess


13 U 851/17 (OLG Nürnberg)

Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall auf einer Autobahn


2 AZR 133/18 (Bundesarbeitsgericht)

Offene Videoüberwachung - Anhörung vor Verdachtskündigung - Beweisverwertungsverbot


8 AZR 421/17 (Bundesarbeitsgericht)

Offene Videoüberwachung - Beweisverwertungsverbot - Zulässigkeit der Datenerhebung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 233/17

VIII ZR 70/07

VI ZR 490/12

VI ZR 304/12

VI ZR 86/16

XI ZR 185/16

VI ZR 271/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.