Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2020, Az. 5 StR 175/20

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1460

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Gegenstand

Beweiswürdigung in Strafsachen: Verwertbarkeit visueller Eindrücke des Gesamtverhaltens von Angeklagten und Zeugen


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 4. Juni 2019 werden als unbegründet verworfen, diejenige des Angeklagten M.  mit der Maßgabe, dass das Urteil dahin ergänzt wird, dass die in [X.] erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils anhand der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat zu den erhobenen Verfahrensrügen:

1. Die Bedenken der Revision des Angeklagten S.     gegen die Verwertung des von einer Privatperson spontan aufgenommenen Tatvideos wegen angeblicher Verstöße gegen Jugend- und Datenschutzrecht, Urheber- und allgemeines Persönlichkeitsrecht teilt der Senat nicht. Selbst wenn – was indes vorliegend fernliegt – die Aufnahmen von einem Privaten rechtswidrig erfolgt wären, stünde dies ihrer Verwertbarkeit im vorliegenden Strafverfahren wegen Mordes nicht entgegen (vgl. zum Ausnahmecharakter von [X.] und der gebotenen Abwägung nur [X.], Urteil vom 3. Mai 2018 – 3 StR 390/17, [X.], 227; [X.] 130, 1; zur Verwertbarkeit von [X.] im Zivilprozess auch [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 – [X.], [X.]Z 218, 348; jeweils mwN).

2. Die [X.], das Gericht habe gegen § 261 [X.] und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen, indem es das äußere Erscheinungsbild der nach § 55 [X.] die Aussage verweigernden Zeugen verwertet hat, ohne die Angeklagten darauf hinzuweisen, sind jedenfalls unbegründet.

Das Tatgericht darf und muss bei der Überzeugungsbildung nach § 261 [X.] alles verwerten, was Gegenstand der Hauptverhandlung ist. Hierzu gehören auch äußere Erscheinung, Mimik, Gestik, Auftreten und Sprachverhalten von Angeklagten, Zeugen und Mitangeklagten (vgl. KK-[X.]/[X.], 8. Aufl. 2019, § 261 Rn. 39 f.; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 261 Rn. 7; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 261 Rn. 16, 89, jeweils mwN). Dies gilt gleichermaßen, wenn ein Angeklagter oder Zeuge die Aussage oder das Zeugnis berechtigt verweigert (vgl. [X.], Urteil vom 8. Juli 1964 – 2 StR 238/64, [X.] 1965, 108 für § 52 [X.]; [X.], aaO Rn. 16; aufgrund unzutreffender redaktioneller Leitsatzbildung missverständlich rezipiert dagegen [X.], Beschluss vom 24. Juni 1993 – 5 [X.] in [X.], 458). Ein solcher Vorgang ist, soweit sich die wahrgenommenen Umstände offen darbieten, kein Teil einer verfahrensrechtlichen Inaugenscheinnahme (vgl. [X.], Urteil vom 28. November 1973 – 3 [X.]; [X.], aaO Rn. 40; vgl. auch [X.], Urteil vom 8. Juli 1964 – 2 StR 238/64, aaO; abweichend [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 86 Rn. 14 mwN für den Fall der Einlassungs- oder Aussageverweigerung; anders bei Zuhörern, vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 1995 – 3 StR 545/94, [X.], 609).

Verwertet das Gericht solche für jeden Verfahrensbeteiligten sichtbaren visuellen Eindrücke nach § 261 [X.], muss es die Verfahrensbeteiligten nicht ausdrücklich darauf hinweisen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 1. August 2018 – 5 [X.], [X.], 297, 300). Denn das Tatgericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sich zum Inhalt oder Ergebnis von Beweiserhebungen ausdrücklich zu erklären (vgl. [X.], Beschluss vom 3. September 1997 – 5 [X.], [X.]St 43, 212).

[X.]     

      

Berger     

      

[X.]

      

Resch     

      

von Häfen     

      

Meta

5 StR 175/20

18.08.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Leipzig, 4. Juni 2019, Az: 100 Js 40760/16 - 1 Ks

§ 55 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2020, Az. 5 StR 175/20 (REWIS RS 2020, 1460)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1460

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5 StR 217/21

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