Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.02.2011, Az. VI R 66/09

6. Senat | REWIS RS 2011, 9849

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Gegenstand

Fälligkeit einer Tantieme - Zeitpunkt des Zuflusses von Forderungen gegen die Kapitalgesellschaft bei einem alleinigen bzw. beherrschenden Gesellschafter


Leitsatz

Der Anspruch auf Tantiemen wird mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig, sofern nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit vertraglich vereinbart ist .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob einem beherrschenden [X.]esellschafter-[X.]eschäftsführer eine Tantieme zugeflossen ist, auf deren Auszahlung er zugunsten einer Pensionszusage verzichtet hat.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer [X.]mbH ein Transportunternehmen. [X.]eschäftsführer ist [X.], der zugleich alleiniger [X.]esellschafter der Klägerin ist. Im [X.]eschäftsführerdienstvertrag mit [X.] wurde vereinbart, dass dieser neben einem Festgehalt eine [X.]ewinnbeteiligung in Höhe von 50 % des Jahresüberschusses laut Steuerbilanz der Klägerin erhalten soll. Weiter wurde geregelt, dass diese [X.]ewinnbeteiligung innerhalb von drei Monaten nach Bilanzerstellung auszuzahlen ist.

3

Durch [X.]esellschafterbeschluss vom 12. August 2004 wurden die Bilanz und der Jahresabschluss der Klägerin zum 31. Dezember 2003 genehmigt. Für die Bilanz auf den 31. Dezember 2004 erfolgte die [X.]enehmigung des Abschlusses am 30. Juni 2005.

4

[X.] schloss mit der Klägerin am 16. September 2004 eine "Vereinbarung über [X.]ehaltsverzicht im Zusammenhang mit der Erteilung einer Pensionszusage". Die Abänderung des Anstellungsvertrages sollte mit Wirkung zum 1. November 2004 erfolgen. [X.] erklärte einen Verzicht auf seinen Tantiemeanspruch für das [X.] in Höhe von 59.000 € zum 1. November 2004. Zum Ausgleich dieses Verzichts erteilte die Klägerin eine Pensionszusage, deren Regelung einer gesonderten Vereinbarung vorbehalten blieb. [X.] konnte nach der Vereinbarung jedes Jahr neu entscheiden, ob und in welcher Höhe er auf [X.]ehalt/Bezüge verzichtet. Am 22. September 2005 erklärte [X.] den Verzicht auf den Tantiemeanspruch für das [X.] in Höhe von 40.000 € mit Wirkung zum 1. November 2005 zu [X.]unsten der am 18. Oktober 2004 erteilten Pensionszusage. Die Klägerin behandelte die Verzichtserklärungen und die entsprechende Pensionszusage als [X.]ehaltsumwandlung in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nach dem [X.]esetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung und führte keine Lohnsteuer ab.

5

Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Klägerin u.a. für nicht abgeführte Lohnsteuer auf die Tantiemen des [X.] für die Jahre 2003 und 2004 in Haftung. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.

6

Das Finanzgericht (F[X.]) wies die dagegen gerichtete Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 801 veröffentlichten [X.]ründen ab.

7

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil des F[X.] Nürnberg sowie die Einspruchsentscheidung vom 10. September 2008 aufzuheben und den Haftungsbescheid vom 23. Mai 2007 dahingehend zu ändern, dass die Haftungsbeträge für Lohnsteuer um 43.350 €, für Solidaritätszuschlag um 2.384,25 € sowie für Kirchensteuer um 3.468 € gemindert werden.

9

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zu Unrecht hat das [X.] einen Lohnzufluss bei [X.] im Hinblick auf die Tantiemen bereits zum Zeitpunkt des jeweiligen Beschlusses über den Jahresabschluss angenommen. Die tatsächlichen Feststellungen des [X.] ermöglichen allerdings keine abschließende Beurteilung, ob die Tantiemen [X.] in den Streitjahren zugeflossen sind.

1. Der Erlass eines Haftungsbescheides gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes (ESt[X.]) setzt u.a. voraus, dass ein Arbeitgeber seine Pflicht zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer (§ 38 ESt[X.]) verletzt hat. Im vorliegenden Fall kann der [X.] nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin verpflichtet war, in 2004 bzw. 2005 für die Tantiemen des [X.] für die Jahre 2003 und 2004 Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Zwar gehören Tantiemen zum lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ESt[X.]). Allerdings entsteht die Lohnsteuer für sonstige Bezüge, wozu Tantiemen gehören, erst mit Zufluss beim Arbeitnehmer (§§ 38 Abs. 2 Satz 1, 38a Abs. 1 Satz 3 ESt[X.]). [X.] sind die Tantiemen vorliegend jedenfalls nicht bereits im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse über den Jahresabschluss zugeflossen.

a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein (z.B. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 1. Februar 2007 [X.], [X.] 2007, 896, m.w.N.). Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs oder der Möglichkeit, den Leistungserfolg herbeizuführen ([X.]-Urteil vom 10. Dezember 1985 VIII R 15/83, [X.], 538, [X.] 1986, 342). In der Regel fließen [X.]eldbeträge dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.

b) Der [X.] geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei beherrschenden [X.]esellschafter-[X.]eschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder [X.]utschrift bereits früher vorliegen kann. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden [X.]esellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen "seine" Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu, denn ein beherrschender [X.]esellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist ([X.]-Urteil vom 8. Mai 2007 VIII 13/06, [X.] 2007, 2249, m.w.N.; [X.]-Beschluss vom 15. Juni 2004 [X.]/00, [X.] 2004, 1419). Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur [X.]ehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden [X.]esellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben ([X.]-Urteil vom 11. Februar 1965 [X.], [X.]E 82, 440, [X.]I 1965, 407). Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit Feststellung des Jahresabschlusses ([X.]-Urteil vom 14. März 2006 [X.], [X.] 2006, 1711), sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbaren ([X.], Urteil vom 27. November 1992  19 U 89/92, [X.]mbH-Rundschau --[X.]mbHR-- 1993, 157, 158; [X.]/[X.], [X.]mbH[X.] § 35 Rz 220; [X.], Der [X.]eschäftsführer der [X.]mbH, 2. Aufl. 1994, [X.]; [X.], Rechte und Pflichten des [X.]eschäftsführers einer [X.]mbH und einer [X.]mbH & Co., 14. Aufl., S. 28).

c) Nach diesen [X.]rundsätzen hat das [X.] zu Unrecht einen Zufluss der Tantiemen bereits zu den Zeitpunkten der Beschlüsse über den Jahresabschluss angenommen. Insoweit fehlen tatsächliche Feststellungen darüber, ob sich die Tantiemeverpflichtungen der Klägerin in deren Bilanzen zum 31. Dezember 2003 bzw. 31. Dezember 2004 gewinnmindernd ausgewirkt haben. Dies wäre etwa der Fall, wenn Rückstellungen gebildet worden sind. Erst wenn eine solche [X.]ewinnminderung bei der Klägerin festgestellt wird, wäre die Zuflussfiktion für den beherrschenden [X.]esellschafter-[X.]eschäftsführer anzuwenden. Unabhängig davon ist das [X.] aber unzutreffend von einer Fälligkeit der Tantiemen zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Jahresüberschuss ausgegangen. Denn vorliegend waren die Tantiemeforderungen des [X.] jeweils erst drei Monate nach der Feststellung des Jahresüberschusses fällig. Dies folgt aus dem Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und [X.]. Diese vom [X.]rundfall abweichende Fälligkeitsvereinbarung ist zivilrechtlich wirksam. Die zivilrechtlichen Regelungen in einem Anstellungsvertrag zwischen einem beherrschenden [X.]esellschafter-[X.]eschäftsführer und "seiner" Kapitalgesellschaft sind grundsätzlich auch im Steuerrecht beachtlich (vgl. für den Zufluss von [X.]ewinnanteilen bei abweichender Satzungsregelung [X.]-Urteil vom 17. November 1998 VIII R 24/98, [X.]E 187, 292, [X.] 1999, 223; Urteil des [X.] Stuttgart vom 7. November 1996  8 [X.], [X.]mbHR 1997, 857).

Zudem war die Vereinbarung bezüglich der Fälligkeit der Tantieme fremdüblich. Die Fremdüblichkeit einer derartigen Vereinbarung bestimmt sich nach den [X.]rundsätzen über die verdeckte [X.]ewinnausschüttung. Danach ergibt sich hier keine Unbeachtlichkeit der vertraglichen Regelung. Denn die Vereinbarung zwischen [X.] und der Klägerin war arbeitsrechtlich und nicht gesellschaftsrechtlich veranlasst. Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ist u.a. dann anzunehmen, wenn die Tantiemevereinbarung zwar für die [X.]esellschaft günstig ist, aber ein fremder [X.]eschäftspartner in seinem eigenen Interesse die Vereinbarung nicht getroffen hätte ([X.]-Urteile vom 17. Mai 1995 [X.], [X.]E 178, 203, [X.] 1996, 204; vom 20. Oktober 2004 [X.], [X.] 2005, 723). Vorliegend hätte sich jedoch auch ein fremder [X.]eschäftsführer bei sonst gleichen Umständen auf die konkrete Tantiemevereinbarung eingelassen. Denn üblicherweise benötigte die [X.]esellschaft bei höheren Tantiemen Zeit, um die Liquidität für die Auszahlung herzustellen. Drei Monate sind dafür (noch) keine unangemessen lange Zeitspanne.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Der [X.] kann nicht entscheiden, ob die Tantiemen [X.] in den Streitjahren zugeflossen sind. Das [X.] hat keine Feststellungen zur Pensionsvereinbarung zwischen der Klägerin und [X.] vom 18. Oktober 2004 getroffen. Insbesondere fehlen Feststellungen zu den wechselseitigen Ansprüchen, zur Durchführungsart der Altersversorgung sowie zur steuerlichen Wirksamkeit der Pensionszusage im Hinblick auf eine mögliche gesellschaftsrechtliche Veranlassung. Des Weiteren hat das [X.] die [X.]ehaltsverzichtsvereinbarungen dahingehend zu würdigen, welche Bedeutung der Formulierung "mit Wirkung zum ..." zukommt. Eine Auslegung im Sinne einer aufschiebenden Befristung würde bei der Tantieme 2004 zum Zufluss bei Fälligkeit der Tantieme am 30. September 2005 führen. Desweiteren hat das [X.] zu würdigen, ob [X.] durch den jeweiligen Verzicht auf den Tantiemeanspruch "zum Ausgleich" bzw. "im [X.]egenzug" für die Pensionszusage jeweils über einen fälligen oder fällig werdenden Lohnanspruch (Lohnverwendungsabrede) verfügt hat ([X.]-Urteil vom 6. März 2008 [X.], [X.]E 220, 478, [X.] 2008, 530). In diesem Zusammenhang wird die Anwendung des Schreibens des [X.] vom 17. November 2004 [X.] -S 2222- 177/04, [X.] -S 2333- 269/04 (BStBl I 2004, 1065) --gegebenenfalls im Hinblick auf § 163 der [X.] zu prüfen sein.

Meta

VI R 66/09

03.02.2011

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 12. November 2009, Az: 4 K 1570/2008, Urteil

§ 19 EStG 2002, § 42d EStG 2002, § 38 EStG 2002, § 38a EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.02.2011, Az. VI R 66/09 (REWIS RS 2011, 9849)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9849

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 K 1419/14 (Finanzgericht Rheinland-Pfalz)


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B 10 EG 20/11 R

B 10 EG 8/11 R

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