Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.12.2022, Az. 8 B 19/22

8. Senat | REWIS RS 2022, 10105

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Gegenstand

Anwendung des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags auf landesinterne Dienstherrenwechsel kraft Landesrecht


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 273 757,86 € festgesetzt.

Gründe

1

Mit Ablauf des 31. Dezember 2012 schieden zwei Gemeinden aus dem klagenden Amt aus und traten in eine Verwaltungsgemeinschaft mit der beklagten [X.] ein. Ein Beamter des [X.] wurde aus diesem Anlass zur Beklagten versetzt. § 5 Satz 1 des zwischen dem Kläger, der Beklagten und den beiden Gemeinden geschlossenen [X.] verwies darauf, dass nach § 24 Gemeindehaushaltsverordnung Doppik ([X.] Doppik) unter anderem Rückstellungen für Pensions- und Beihilfeverpflichtungen zu bilden seien. § 5 Satz 2 des Vertrages bezifferte die Summe der beiden für den versetzten Beamten gebildeten Rückstellungen mit 273 802,35 € und bestimmte, die Rückstellungen gingen von dem Kläger auf die Beklagte über. Im Januar 2014 verlangte die Beklagte von dem Kläger unter Hinweis auf die genannte Regelung des [X.] die Zahlung von 273 757,86 €. Der Kläger überwies den Betrag an die Beklagte. Im März 2014 verlangte er von der Beklagten dessen Rückzahlung, weil mittlerweile festgestellt worden sei, dass zwischen Mitgliedern der Versorgungsausgleichskasse der [X.] in [X.] ([X.]) bei [X.] keine Zahlungen zu leisten seien. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung unter Hinweis auf den [X.]. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des [X.] geändert und die Beklagte zur Zahlung des geforderten Betrages an den Kläger verpflichtet. Die Revision hat es nicht zugelassen.

2

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht.

3

Die Frage,

ob bei einem [X.] Dienstherrnwechsel zwischen Mitgliedern der Versorgungsausgleichskasse der [X.] in [X.] der bisherige und der neue Dienstherr angesichts der Möglichkeit der Übertragung der Abwicklung von Zahlungen gemäß § 8 Abs. 4 des [X.] auf die Versorgungsausgleichskasse das durch das Umlagesystem der Versorgungsausgleichskasse nicht geregelte Problem der unverändert weiterbestehenden Verpflichtung des neuen Dienstherrn zur Bildung von Pensionsrückstellungen im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit durch vertragliche Vereinbarung einer Zahlung des abgebenden Dienstherrn an den aufnehmenden Dienstherrn regeln können,

ist keine Rechtsfrage des revisiblen Rechts, soweit sie die vorinstanzliche Auslegung und entsprechende Anwendung des [X.] über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden [X.] - [X.] ([X.]) – vom 5. September 2010 ([X.]) zur Überprüfung stellt (1.). Im Übrigen wäre die Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich (2.).

4

1. Der Sache nach möchte die Beklagte geklärt wissen, ob eine Übertragung der Abwicklung von [X.] auf die [X.] gemäß § 8 Abs. 4 [X.] bei einem [X.] zwischen [X.]-Mitgliedern die vertragliche Vereinbarung von Abfindungszahlungen im Sinne des § 4 Abs. 1 [X.] ausschließt, oder ob eine solche Vereinbarung mangels abschließender, gegenteiliger Regelung im Staatsvertrag zulässig bleibt. Das Oberverwaltungsgericht hat diese Frage im Sinne der ersten Alternative beantwortet, allerdings nicht in Anwendung revisiblen Rechts.

5

a) Zum revisiblen Bundesrecht im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zählen nur Vorschriften, die kraft Normsetzungsbefehls des [X.] Geltung beanspruchen. Ergibt ihre Anwendbarkeit sich erst aus einem Normsetzungsbefehl des Landes, ist ihre Auslegung und Anwendung nicht revisibel (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. September 1992 - 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <80 f.>; Beschluss vom 24. März 1986 - 7 [X.] - [X.] 310 § 137 VwGO Nr. 132 S. 16). Dies trifft beispielsweise zu, wenn eine irrevisible landesrechtliche Norm eine bundesrechtliche Vorschrift für anwendbar erklärt und dadurch deren sachlichen Geltungsbereich auf den in Rede stehenden Sachverhalt erweitert (Neumann/Korbmacher, in: [X.]/[X.], VwGO, 5. Aufl. 2018, § 137 Rn. 76). Das ist hier durch § 2 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag über die Verteilung von Versorgungslasten bei bund- und länderübergreifenden [X.] (Versorgungslastenteilungsgesetz - [X.]) vom 3. Juni 2010 (GVOBl. Schl.-H. S. 493) geschehen. Die irrevisible landesgesetzliche Regelung ordnet eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des [X.] an. Damit erstreckt sie deren sachlichen Geltungsbereich, der länderübergreifende [X.] einschließlich [X.] zwischen [X.] umfasst, auf landesinterne [X.]. § 2 Satz 3 [X.] lässt diese - von ihm als Einbeziehung in den Staatsvertrag bezeichnete - Ausdehnung des Anwendungsbereichs ausdrücklich zu, schreibt sie aber nicht vor. Damit beruht die Anwendbarkeit der staatsvertraglichen Regelungen hier allein auf der landesrechtlichen Anordnung.

6

b) Die vom Oberverwaltungsgericht angewendeten Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-[X.] sind auch nicht gemäß § 127 Nr. 2 [X.] m. § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG revisibel. Nach § 127 Nr. 2 [X.] kann die Revision gegen das Urteil eines Oberverwaltungsgerichts über eine Klage aus einem Beamtenverhältnis außer auf die Verletzung von Bundesrecht darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruht. Das Oberverwaltungsgericht hat vorliegend über keine Klage aus einem Beamtenverhältnis in Sinne dieser Vorschrift entschieden. Eine Klage aus dem Beamtenverhältnis liegt vor, wenn Gegenstand des Streits ein sich aus einem konkreten Beamtenverhältnis ergebendes Rechtsverhältnis eines Beamten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2018 - 2 C 14.17 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 148 Rn. 17, Beschluss vom 9. Juli 1965 - 8 [X.] - [X.] 230 § 127 [X.] Nr. 13 S. 21). Hier streiten die Beteiligten nicht um die Frage, ob sich aus dem Beamtenverhältnis des von dem Kläger zu der Beklagten versetzten Beamten Rechte oder Pflichten für diesen ergeben, sondern darüber, ob eine Pflicht des [X.] zur Zahlung von 273 802,35 € an die Beklagte aus dem zwischen beiden abgeschlossenen [X.] folgt.

7

Darüber hinaus haben die vom Oberverwaltungsgericht angewendeten Vorschriften des Versorgungslastenteilungs-[X.] keinen beamtenrechtlichen Inhalt. Nach § 127 Nr. 2 [X.] sind nur solche landesrechtlichen Vorschriften revisibel, die materiell dem Beamtenrecht zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 2020 - 5 B 6.20 - juris Rn. 7 und vom 5. Dezember 2019 - 2 [X.] - [X.] 230 § 127 [X.] Nr. 68 Rn. 23). Materiell beamtenrechtlicher Natur ist eine Regelung nicht bereits dann, wenn sie Auswirkungen auf Beamte entfaltet - selbst wenn diese zwangsläufig eintreten und die Norm regelmäßig sogar zwingend Beamte betrifft. [X.] ist eine Regelung vielmehr erst dann, wenn ihr Regelungsgegenstand in einem sachlichen Zusammenhang mit den Besonderheiten des Beamtenverhältnisses steht und sich auf einen beamtenrechtlichen Kontext bezieht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18.15 - [X.] 421.20 Hochschulpersonalrecht Nr. 58 Rn. 27). Einen solchen Kontext weisen die vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Vorschriften des [X.] nicht auf. Sie regeln nur, ob und inwieweit der abgebende und der aufnehmende Dienstherr bei einem [X.] Zahlungspflichten wegen der dem Beamten gegenüber bestehenden Ruhegehalts- und Beihilfeverpflichtungen vereinbaren können. Damit beziehen sie sich nicht auf Besonderheiten des Beamtenverhältnisses, sondern betreffen Fragen des öffentlichen Haushaltsrechts.

8

2. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage wäre im angestrebten Revisionsverfahren zudem nicht entscheidungserheblich. Das Oberverwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass das Umlagesystem der Versorgungsausgleichskasse nach dem Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse der [X.] in [X.] ([X.]G) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Dezember 1971 (GVOBl. Schl.-H. S. 182), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 2. Dezember 2021 (GVOBl. Schl.-H. S. 1349), das Problem der unverändert weiterbestehenden Verpflichtung des neuen Dienstherren zur Bildung von Pensionsrückstellungen nicht regele. Vielmehr hat es die von der Beklagten angenommene Regelungslücke in Anwendung irrevisiblen Rechts verneint. Dabei stützt es sich auf zwei entscheidungstragende Erwägungen, die jeweils nicht revisibles Recht betreffen und von der Beschwerde nicht mit wirksamen [X.] angegriffen werden.

9

Erstens geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass die in § 2 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 4 Abs. 1 [X.] normierte Pflicht des abgebenden Dienstherren, dem aufnehmenden Dienstherren eine Abfindung zu zahlen, mit der Übertragung der Abwicklung der Versorgung des Beamten auf die umlagefinanzierte [X.] als eine andere Stelle im Sinne des § 8 Abs. 4 [X.] entfällt, wenn abgebender und aufnehmender Dienstherr - wie hier - in den jeweils maßgeblichen Dienstzeiträumen der [X.] angehören und Umlagen an diese entrichten. In solchen Fällen gleiche die [X.] gemäß § 2 Abs. 1 [X.]G die Versorgungslasten beider Mitglieder aus und führe auch Abrechnungen nach dem [X.] zentral durch. Die [X.] gingen als haushaltsrechtliche Buchungs- und Bilanzposten auf den aufnehmenden Dienstherren über, ohne eine Ausgleichszahlungspflicht auszulösen.

Zweitens hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, dass § 2 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 3 [X.] in solchen Fällen keine vertragliche Vereinbarung einer Ausgleichs- oder Abfindungszahlung für übergehende Rückstellungen zulässt. Die Ermächtigung zur Vereinbarung abweichender Zahlungsregelungen sei wegen der Übertragung der Abwicklung auf die [X.] gemäß § 2 Abs. 3 [X.] i. V. m. § 8 Abs. 4 [X.] nicht anwendbar; außerdem decke sie nur Vereinbarungen zu Zahlungsmodalitäten und gestatte keine vertragliche Begründung originärer Zahlungspflichten. Damit hat das Oberverwaltungsgericht den nach § 2 Abs. 2 [X.] entsprechend anzuwendenden Regelungen des [X.] eine abschließende Regelung zulässiger Zahlungsabreden zum Versorgungslastenausgleich entnommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

8 B 19/22

09.12.2022

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 15. Dezember 2021, Az: 2 LB 3/21, Urteil

§ 137 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 127 Nr 2 BRRG, § 63 Abs 3 S 2 BeamtStG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.12.2022, Az. 8 B 19/22 (REWIS RS 2022, 10105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 10105

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