Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.02.2023, Az. 28 W (pat) 506/20

28. Senat | REWIS RS 2023, 2483

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2018 018 161.5

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2023 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters kraft Auftrags Dr. Poeppel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]

3

ist am 25. Juli 2018 zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 25, 28, 35, 36, 37, 41 und 44 angemeldet worden. Die Anmeldung wird beim [X.] unter der Nummer 30 2018 018 161.5 geführt.

4

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 hat die Markenstelle für Klasse 41 des [X.] durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen mangelnder Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1 und Abs. 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] teilweise für Waren und Dienstleistungen aller beanspruchten Klassen, unter anderem für die beanspruchten Dienstleistungen der

5

Klasse 36: Finanzwesen; Geldgeschäfte; Organisation der Finanzierung von Sport-, Kultur- und Unterhaltungsprojekten;

6

zurückgewiesen.

7

Zur Begründung der Teilzurückweisung hat sie ausgeführt, das Anmeldezeichen weise für die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen lediglich eine verständliche und sachbezogene Aussage ohne Herkunftshinweis auf. Das angemeldete Zeichen bestehe aus den einfachen und leicht verständlichen Begriffen „Urban“ und „Athletics“. „Urban“ bedeute „städtisch“ und „Athletics“ habe einen Sinngehalt von „Athletik, Sport, Leichtathletik“. Ähnliche schlagwortartige Wortfolgen wie beispielsweise „urban sport“ fänden bereits Verwendung. In seiner Gesamtheit werde der angesprochene Verkehr das Anmeldezeichen im Hinblick auf die versagten Waren und Dienstleistungen als inhalts- und themenbeschreibenden Sachhinweis dahingehend verstehen, dass diese im Zusammenhang mit dem Sport bzw. der Leichtathletik, die einen städtischen Bezug aufweisen, angeboten und erbracht würden. Im Hinblick auf die insgesamt versagten Dienstleistungen der Klasse 36 weise das Anmeldezeichen mit vorgenanntem Bedeutungsgehalt lediglich auf die Branche hin, für die diese angeboten würden, nämlich in Form von Finanzierung und Umsetzung von Projekten, die dem urbanen Sport bzw. der Leichtathletik in der [X.] gewidmet seien.

8

Gegen die teilweise Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er vertritt die Ansicht, das Anmeldezeichen sei hinreichend unterscheidungskräftig. Maßgebliche Verkehrskreise seien die Durchschnittsverbraucher. Die angemeldete Wortfolge „[X.]“ sei in der [X.] unbekannt. Selbst wenn man dem Anmeldezeichen einen Sinngehalt von „urbaner Leichtathletik“ zugrunde legen sollte, stelle sich die Frage, was darunter zu verstehen sei. Die [X.] „urbane Leichtathletik“ könne auf die Kunst abstellen, sich in der städtischen Welt zurechtzufinden und sei damit ein Schlagwort für eine Art Lebenskunst. Sie könne weiterhin als Oxymoron verstanden werden, da das Leben in der [X.] gerade nicht mit Begriffen wie „sportlich“ oder „gesund“ verbunden werde. Damit sei die angemeldete Wortfolge mehrdeutig und interpretationsfähig, was auf eine ausreichende Unterscheidungskraft hinweise. Unabhängig davon weise das Anmeldezeichen keinen hinreichenden Bezug zu den versagten Waren und Dienstleistungen auf. Es rufe allenfalls Assoziationen hervor und sei vor diesem Hintergrund nicht geeignet, offensichtliche und direkte Informationen zu ihrer Art oder Beschaffenheit zu vermitteln. Der Verkehr könne in dem Zeichen nicht sofort und ohne weiteres Nachdenken eine Beschreibung der versagten Waren und Dienstleistungen oder eines ihrer Merkmale wahrnehmen. Weiterhin existierten zahlreiche Voreintragungen mit den Markenbestandteilen „Urban“ und „Athletics“.

9

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 2. Februar 2021 ([X.]. 31 bis 35 d. A.), wonach die Beschwerde lediglich teilweise, nämlich voraussichtlich nur hinsichtlich der unter anderem noch beanspruchten Dienstleistungen „Finanzwesen; Geldgeschäfte“ Aussicht auf Erfolg haben könnte, hat der Anmelder mit Eingabe vom 4. Mai 2021 ([X.]. 57 d. A.) die Beschwerde teilweise zurückgenommen und erklärt, dass der Beschluss der Markenstelle des [X.] vom 10. Oktober 2023 nur mehr aufzuheben sei, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen „Geldgeschäfte und Finanzwesen“ zurückgewiesen worden sei.

Mit weiterem gerichtlichem Hinweis vom 11. Juni 2021 ([X.]. 70 bis 72 d. A.) hat der [X.] in neuer Besetzung unter Übersendung weiterer [X.] mit Hinweis vom 23. Juni 2022 ([X.]. 169 bis 213 d. A.) den Anmelder darauf hingewiesen, dass er seine im Hinweis vom 2. Februar 2021 geäußerte vorläufige Auffassung nicht mehr aufrechterhalte. Danach könne die Beschwerde auch hinsichtlich der nach der Teilrücknahme nur mehr beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Geldgeschäfte; Finanzwesen“ der Klasse 36 keinen Erfolg haben.

Mit Schriftsatz vom 31. August 2022 hat der Anmelder seine teilweise [X.] angefochten. Zur Begründung führte er aus, er habe die Beschwerde nur deswegen teilweise zurückgenommen, weil er vom Erfolg der Beschwerde im Übrigen, nämlich in Bezug auf die Dienstleistungen „Finanzwesen, Geldgeschäfte“ ausgegangen sei. Mit Hinweis vom 8. November 2022 ([X.]. 224 bis 227 d. A.) hat der [X.] den Anmelder darauf hingewiesen, dass die teilweise [X.] nicht anfechtbar sei und auch nicht widerrufen werden könne.

Nach mehrmaligen Terminverlegungsgesuchen des Anmelders, anschließender Rücknahme des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und erneutem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der [X.] mit Ladung vom 3. Januar 2023 nochmals einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2023 um 14:30 Uhr bestimmt und in der Ladung darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Die Ladung für den Termin am 15. Februar 2023 wurde den [X.] des Anmelders ausweislich des [X.] am 6. Januar 2023 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2023, der am gleichen Tag elektronisch um 17:17 Uhr beim [X.] eingegangen ist, beantragte Herr Rechtsanwalt A … aus der Kanzlei der [X.] eine erneute Terminverlegung, weil er den Termin am 15. Februar 2023 wegen „Symptome[n] einer starken Erkältung“ krankheitsbedingt nicht wahrnehmen könne und bat um schriftliche oder telefonische Bestätigung. Am 15. Februar 2023 um 10:35 Uhr teilte die Vorsitzende des erkennenden [X.]s den [X.] des Anmelders telefonisch mit, dass der Termin nur unter Vorlage eines ärztlichen Attests bis 14:30 Uhr verlegt werde. Ein ärztliches Attest ging nicht ein. Für den Anmelder ist – wie angekündigt – niemand zur mündlichen Verhandlung am 15. Februar 2023 erschienen.

Der Anmelder beantragt daher sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des [X.]s vom 16. Oktober 2019 im Umfang der Zurückweisung aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere hinsichtlich der zahlreichen [X.] auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2023 ([X.]. 263 bis 264 d. A.), Bezug genommen.

[X.].

Die gemäß §§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.

1. Beschwerdegegenständlich sind nur mehr die beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 36 „Geldgeschäfte; Finanzwesen“, da die teilweise [X.] vom 4. Mai 2021 im Umfang der übrigen versagten Waren und Dienstleistungen wirksam ist. Sie ist nicht anfechtbar und konnte auch nicht zurückgenommen werden.

a) Die teilweise Rücknahme der Beschwerde ist als Prozesshandlung nicht wegen [X.] anfechtbar (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, 13. Auflage, 2021, § 66 Rn. 87; [X.], Beschluss vom 19.09.2009, 33 W (pat) 78/07 – [X.]; [X.]/[X.], ZPO, 34. Auflage, 2022, vor § 128 ZPO Rn. 21).

b) Im Übrigen wäre die Anfechtung ohnehin nicht rechtzeitig erklärt. Um Wirkung zu entfalten, ist die Erklärung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern i. S. d.

§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugeben. Insoweit beträgt die gewöhnlich in [X.] zuerkannte Überlegungs- und Erklärungsfrist zwei Wochen im Sinne einer Obergrenze (vgl. [X.], 324; [X.], NJW-RR 1990, 523; [X.], [X.], 37). Diese Obergrenze ist mit der Anfechtung vom 31. August 2022 deutlich überschritten. Denn vom Zugang der teilweisen Rücknahme der Beschwerde und des Hinweises des [X.]s, wonach die Beschwerde voraussichtlich auch hinsichtlich der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Geldgeschäfte; Finanzwesen“ keine Aussicht auf Erfolg habe, haben die Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders mit der Zustellung des gerichtlichen Hinweises vom 11. Juni 2021 ausweislich des [X.] bereits am 14. Juni 2021 Kenntnis genommen. Der Anmelder muss sich die Kenntnis seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen lassen, § 166 Abs. 1 BGB. Die Anfechtung wurde erst über ein Jahr später, mithin nicht unverzüglich, erklärt.

c) Weiterhin liegt auch kein Anfechtungsgrund vor. Die Verfahrensbevollmächtigten des Anmelders haben sich nach ihrem Vortrag weder über den Inhalt der Rücknahmeerklärung geirrt (§ 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB), noch ist ihnen durch Verschreiben oder auf andere Weise ein Erklärungsirrtum unterlaufen (§ 119 Abs. 1 Alt.2 BGB). Auch ein Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) liegt nicht vor. Es könnte sich allenfalls um einen Irrtum bei den Beweggründen oder Erwartungen handeln. Dieser stellt jedoch einen unbeachtlichen Motivirrtum dar (vgl. MüKoBGB/Armbrüster, 9. Auflage 2021, § 119 BGB Rn. 108; [X.]/[X.], BGB, 82. Auflage 2023, § 119 Rn. 29).

d) Ein Widerruf der teilweise erklärten [X.] kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 15.09.2009, 33 W (pat) 78/07 – [X.]), so dass auch eine entsprechende Auslegung bzw. Umdeutung der Erklärung des Anmelders nicht zu dem von ihm gewünschten Ergebnis der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens mit den von der Markenstelle versagten Waren und Dienstleistungen führt. Die [X.], die mit ihrem Eingang eine unmittelbar prozessuale Rechtswirkung entfaltet, nämlich zur teilweisen Beendigung des Verfahrens führt, ist als sogenannte Bewirkungshandlung grundsätzlich unwiderruflich (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.], vor § 128 ZPO Rn. 18). Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn Gründe für eine Restitutionsklage im Sinne des § 580 ZPO gegeben sind (vgl. [X.]/[X.], a. a. [X.] vor § 128 ZPO Rn. 24), wobei die Voraussetzungen hierfür offensichtlich nicht vorliegen.

2. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens [X.] als Marke steht in Bezug auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 36 „Geldgeschäfte; Finanzwesen“ das absolute Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Die Markenstelle hat dem Anmeldezeichen insoweit zu Recht die Eintragung versagt (§ 37 Abs. 1 und Abs. 5 [X.]).

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS [X.]]; [X.], 228 Rn. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]; [X.] 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? [X.], [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. [X.] – #darferdas? [X.]; a. a. [X.] – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.] Rn. 15 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.], 872 Rn. 13 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] 2013, 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – [X.] 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 – grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] 2012, 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – [X.] economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] 2020, 411 Rn. 10 – #darferdas? [X.]; [X.], 934 Rn. 12 – [X.]; [X.], 872 Rn. 21 – [X.]; [X.], 569 Rn. 26 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – [X.] economy; [X.], 640 Rn. 13 – hey!; [X.], 952 Rn. 10 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] 2018, 932 Rn. 8 – #darferdas?; a. a. [X.] – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – [X.]).

b) Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen genügt das angemeldete Wortzeichen [X.] in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Geldgeschäfte; Finanzwesen“ den Anforderungen an die erforderliche Unterscheidungskraft nicht.

aa) Zu den von den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen angesprochenen relevanten inländischen Verkehrskreisen gehören die allgemeinen Verkehrskreise der Verbraucher sowie Fachverkehrskreise in Form von Unternehmen, die Finanzdienstleistungen und Geldgeschäfte von externen Anbietern nachfragen.

bb) Das angemeldete Zeichen [X.] besteht aus den Begriffen „Urban“ und „Athletics“.

Bei derartigen, aus mehreren Bestandteilen kombinierten Zeichen ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] [X.], 943, 944 - [X.].2; [X.], 229, 230 - BioID).

Das Adjektiv „urban“ bedeutet „städtisch, gebildet, weltmännisch“ (vgl. [X.]) und hat auch im [X.] einen entsprechenden Sinngehalt im Sinne von „städtisch, kommunal“ (vgl. https://dict.leo.org/englisch-deutsch/urban). Das Substantiv „Athletics“ stellt die [X.] Bezeichnung für „Athletik, Leichtathletik, Sport“ dar (https://dict.leo.org/englisch-deutsch/Athletics) und wird aufgrund der im [X.] ähnlichen Schreibweise „Athletik“ auch von den angesprochenen Verkehrskreisen verstanden. Insgesamt weist das sprachüblich gebildete Anmeldezeichen in seiner Gesamtheit einen Bedeutungsgehalt im Sinne von „städtischer/kommunaler ([X.] bzw. „städtischer/kommunaler Sport“ auf.

cc) In Verbindung mit den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Finanzwesen; Geldgeschäfte“ stellt das Anmeldezeichen mit vorgenanntem Sinngehalt entgegen der vom Anmelder vertretenen Auffassung zumindest einen engen beschreibenden Bezug zu diesen her.

(1) Bei den beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen in der Klasse 36 „Finanzwesen; Geldgeschäfte“ handelt es sich um weite Oberbegriffe. Einer Eintragung als Marke für mit einem weiten Oberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen stehen [X.] aber schon dann entgegen, wenn sie hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegen ([X.] 2015, 1012 [X.]. 44 – Nivea-[X.]au; GRUR 2002, 262, 262 – [X.]).. Die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Finanzwesen; Geldgeschäfte“ können zum einen die – von der Rücknahme der Beschwerde umfasste Dienstleistung „[X.]“ - beinhalten (vgl. einheitliche Klassifikationsdatenbank „[X.]“ des [X.], der sich auch das [X.] angeschlossen hat). Zum anderen fällt auch das finanzielle Sponsoring, das ebenfalls in der Klasse 36 der [X.] Klassifikation enthalten ist (vgl. erläuternde Anmerkungen zur [X.] Klassifikation vom 1. Januar 2021, Seite 40, entsprechenden [X.] mit Hinweis vom 11. Juni 2021 übermittelt), unter die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen „Finanzwesen; Geldgeschäfte“.

(2) Der urbane Sport war für die Kommunalpolitik und Sportvereine bereits zum Anmeldezeitpunkt, dem 25. Juli 2018, ein wichtiges Anliegen (vgl. [X.] 1 zum gerichtlichen Hinweis vom 23. Juni 2022, [X.]. 169/179 d. A.):

-  Artikel „Netzwerk Urbaner Sport in [X.]“, im [X.] veröffentlicht am 19. Juli 2017;

-  Buch „Die Eroberung urbaner Bewegungsräume„ - [X.] für Kinder und Jugendliche, 2015;

- Artikel „Slackline, Jugger, Parkour, Bouldern und Bootcamp“ vom 30. August 2015 (Vorstellung von fünf „urbanen Disziplinen“ wobei die Athleten als „Urban Athletes“ bezeichnet werden);

-  Artikel „[X.] für alle Nationen“ auf lokalkompass.de vom 6. Mai 2018, in dem zugleich auf die dafür benötigten Fördermittel hingewiesen wird;

- Artikel „Sport und Bewegung“ der [X.] Stuttgart (aus dem [X.]) über Projekte und Maßnahmen betreffend den „kommunalen Sport“.

(3) Die Sportförderung, Sportfinanzierung sowie die Förderung von (kommunalen) Sportstätten war bereits zum Anmeldezeitpunkt des in Frage stehenden Zeichens ein wichtiger Bestandteil der Politik und umgekehrt war und ist für (kommunale) Sportvereine die [X.] oder ihres Betätigungsfeldes von Bedeutung (vgl. [X.] 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 23. Juni 2022, [X.]. 180/211 d.  A.):

- Veröffentlichung „Sportfinanzierung – Spannungen zwischen Markt und Staat' des [X.] Wirtschafts Instituts aus dem Jahr 2009;

- Dokumentation des Wissenschaftlichen Dienstes des [X.] Bundestages „Programme zur Finanzierung des Sportstättenbaus auf [X.]“ vom 29. Mai 2018;

- Leitlinien für die Sportförderung der [X.] Köln;

- Auszug aus dem Leitfaden „Sportförderung durch die [X.]“ des [X.] Olympischen Sportbundes;

- Artikel „Finanzierung des Sportstättenbaus – möglichst viele Möglichkeiten nutzen“ vom 10. Juni 2012.

(4) Das finanzielle Sponsoring ist gerade bei Sportveranstaltungen weit verbreitet (vgl. „Leitfaden für Sportsponsoring der Handelskammer [X.], Dezember 2018, [X.] mit Hinweis vom 11. Juni 2021 übermittelt). Wie im Hinweis des [X.]s vom 2. Februar 2021 unter Nennung von Beispielen ausgeführt, gibt es zudem bereits zahlreiche auf das finanzielle Sponsoring im Sportbereich spezialisierte Agenturen. Das Sponsoring finanzieller Art kann zum einen das Einwerben solcher Unterstützungen zum Gegenstand haben, aber auch deren nachfolgende Verwendung. So können im Vorfeld stattfindende Spenden- und Sponsoringaktionen die Durchführung von sportlichen Veranstaltungen erst ermöglichen. Das finanzielle Sponsoring oder die [X.] kann sich – wie die Recherche des [X.]s zeigt - inhaltlich und gegenständlich auf urbanen/städtischen Sport beziehen, so dass die in Frage stehende Bezeichnung eine Bestimmungsangabe des finanziellen Sponsorings bzw. der [X.] für eine derartige Aktivität darstellt.

dd) Die angemeldete Bezeichnung [X.] verfügt entgegen der Ansicht des Anmelders nicht über eine schutzbegründende Interpretationsbedürftigkeit und Mehrdeutigkeit. Die vom Anmelder genannte Interpretations-und Verständnismöglichkeit des Anmeldezeichens für eine Art Lebenskunst erscheint lebensfremd und kann dem Zeichen im Hinblick auf die noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen nicht zugrunde gelegt werden. Im Übrigen führte selbst eine Mehrdeutigkeit nicht zur Schutzfähigkeit.  Denn ein Zeichen ist schon dann nicht unterscheidungskräftig, wenn es jedenfalls mit einer Bedeutung die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibt, unabhängig davon, ob es noch andere (nicht beschreibende) Bedeutungen hat (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Thiering, a. a. [X.], § 8 Rn. 190 mit zahlreichen weiteren Rechtsprechungsnachweisen).

ee) Auch das vom Anmelder genannte Stilmittel eines Oxymorons verleiht dem Anmeldezeichen keine schutzbegründende Originalität. Der [X.] vermag zum einen in der angemeldeten Wortfolge keine sich widersprechenden Begriffe zu erkennen, da Sport überall, mithin auch in der [X.] ausgeübt werden kann. Dies dokumentieren z. B. mehrere hundert im [X.]branchenbuch eingetragene Sportvereine in [X.]. Zum anderen war urbaner Sport bereits vor dem Anmeldetag des in Frage stehenden Zeichens umfangreich in den Medien präsent (vgl. die Recherche unter cc) (2) und (3)).

ff) Die vom Anmelder angeführten Voreintragungen rechtfertigen mangels Vergleichbarkeit keine andere Beurteilung.

Die Wortmarke „[X.]“ (300 29 022) ist am 19. Juli 2000 und damit ca. 18 Jahre vor der Anmeldung der vorliegenden Wortfolge eingetragen worden. Abgesehen davon, dass sich in diesem Zeitraum das Verkehrsverständnis geändert haben dürfte, dürfte die Aussage „Wurzeln/Wurzelwerk Leichtathletik/Sport“ keine Sachaussage hinsichtlich der in Klasse 25 registrierten Bekleidungswaren vermitteln.

Letzteres gilt auch für die Wortmarken „[X.]“ (30 2018 205 631), „[X.]“ (30 2016 105 369) und „[X.]“ (30 2011 052 143) und „[X.]“ (30 2014 058 562) für die jeweils geschützten Waren bzw. Dienstleistungen.

Die farbigen Wort-/Bildmarken AbbildungAbbildung

Die am 6. Dezember 2001 erfolgte Registrierung der Wortmarke „[X.] [X.]“ (396 37 617) liegt wiederum 17 Jahre zurück. Zudem dürfte zumindest die Bedeutung „outfitters“, die nicht zum [X.]n Grundwortschatz gehört, den angesprochenen Verkehrskreisen damals noch nicht vergleichbar geläufig gewesen sein.

Im Übrigen kann sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen ([X.] [X.], 667, 668 Rn. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und [X.]). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das [X.] vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.

3. Da es dem angemeldeten Wortzeichen im beschwerdegegenständlichen Umfang an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob seiner Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an seiner freien Verwendbarkeit entgegensteht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

4. Der [X.] konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15. Februar 2023 entscheiden. Eine Terminverlegung war mangels Glaubhaftmachung von erheblichen Gründen nicht veranlasst, § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO.

Gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt oder aufgehoben werden. Die Vorschrift dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag zu ermöglichen, so dass ihre Verletzung den Anspruch auf rechtliches Gehör berührt. Dieser Anspruch schließt das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen Verfahrensbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung in der mündlichen Verhandlung infolge einer kurzfristigen, überraschenden Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten mit daraus folgender Unzumutbarkeit des Erscheinens oder des Verhandelns kann daher einen erheblichen Grund im Sinne der vorgenannten Vorschrift für eine Terminverlegung darstellen.Wird eine Verlegung eines Termins begehrt, muss der Grund der Verhinderung angegeben und gem. § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen des/der Vorsitzenden glaubhaft gemacht werden. Bei wiederholtem [X.] können an die Glaubhaftmachung erhöhte Anforderungen gestellt werden (vgl. [X.] NJW 2009, 687 – [X.] vom 25.11.2008).

Diese Voraussetzungen haben die [X.] des Anmelders nicht erfüllt. Erhebliche Gründe für eine Terminverlegung im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO waren für den [X.] zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht ersichtlich. Der Anforderung der Vorlage eines Attestes für die kurzfristige Absage der mündlichen Verhandlung durch den Verfahrensbevollmächtigten gingen mehrere Fristverlängerungsanträge und - auch widersprüchliche - Anträge auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung voraus.

Für die Verlegung des Termins vom 15. Februar 2023 reichte es daher nicht aus, dass Herr Rechtsanwalt A … am späten Nachmittag des Vortages der anberaumten mündlichen Verhandlung schriftsätzlich – ohne weitere Glaubhaftmachung – mitgeteilt hat, er sei an der Wahrnehmung des Termins krankheitsbedingt verhindert. Vielmehr hätte dargelegt werden müssen, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und/oder ggf. der Reisefähigkeit entgegenstehen. Wenn eine Terminverlegung am späten Nachmittag des Vortages der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet wird, muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und glaubhaft gemacht sein, dass der [X.] ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. Vor diesem Hintergrund hat die Vorsitzende des [X.]s in der Kanzlei der [X.] des Anmelders am Vormittag des Verhandlungstermins auf die Vorlage eines ärztlichen Attests hingewiesen, was bis zum Verhandlungsbeginn um 14:30 Uhr möglich gewesen wäre. Jedenfalls haben die Verfahrensbevollmächtigten hierzu keine Hindernisgründe genannt. Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ([X.]. 263/264 d. A.) ergibt sich, dass dem Verfahrensbevollmächtigten vor Beginn der mündlichen Verhandlung auch bekannt war, dass eine erneute Verlegung nicht in Betracht komme.

Meta

28 W (pat) 506/20

15.02.2023

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 15.02.2023, Az. 28 W (pat) 506/20 (REWIS RS 2023, 2483)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2483

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