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PDF anzeigen[X.]:[X.]:[X.]:2016:070616B4STR79.16.0
BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 79/16
vom
7. Juni
2016
in dem Sicherungsverfahren
gegen
-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am
7.
Juni
2016
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 2.
Oktober 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Gründe:
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen rich-tet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Der Unterbringungsanordnung liegen als von der Antragsschrift [X.] eine gefährliche Körperverletzung sowie Bedrohungen zugrunde. Die gefährliche Körperverletzung beging der Beschuldigte nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen am Morgen des 25.
Januar 2015 zum Nach-teil eines Bediensteten der [X.]
, auf den er bei der Ausgabe des
Frühstücks mit einer Porzellankaffeekanne einschlug. Drei der vom [X.] 1
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3
-
als Bedrohungen eingeordneten Taten beging er ebenfalls zum Nachteil von [X.], nachdem er im [X.] an die gefährliche Körperverlet-zung in einen
zur Versorgung eines nach dem Körperverletzungsgeschehen erlittenen Kiefer-e-e-
41) nimmt das [X.] bezüglich eines Vorfalls vom 27.
Januar 2015
gegenüber zwei Mitarbeiterinnen eines Justizvollzugs-krankenhauses an, in das der Beschuldigte verlegt worden war. Ihnen gegen-über drohte der Beschuldigte, er werde
Nach den weiteren Feststellungen der Strafkammer weist das [X.] für den Beschuldigten für den [X.]raum von 1999 bis zum 18.
Dezember 2014 insgesamt 23
Einträge auch wegen [X.] (2001, 2005, 2006, zweimal 2008, 2009, 2013), Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (2006, dreimal 2008) oder Bedrohung (2005, 2006) aus. In den Jahren 2011 bis März 2015 verbüßte er mehrere Freiheitsstrafen; 2009 war gegen ihn ferner
neben einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten
die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet [X.], die bis März 2011 auch vollzogen wurde. Das Vorliegen der Vorausset-zungen oder die Anwendung von §§
20, 21 StGB erwähnt das [X.] bei keiner dieser Taten bzw. Eintragungen. Zu der [X.] im Jahr 2009 teilt das Urteil lediglich mit, dass die Sachverständige einen Hang des [X.], alkoholische Getränke im Übermaß zu sich zu nehmen, und auch die weiteren Voraussetzungen des §
64 StGB bejaht habe. Aus dem Vollzug ssoziales Verhalten ... kaum er-träg3
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4
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Wahn-
und Verfolgungsideen festgestellt worden seien, die sich aber wieder
14
f.).
Ferner teilt das Urteil mit, dass ein Sachverständiger in einem
in einem anderen Strafverfahren gegen den Beschuldigten
erstatteten Gutachten im März 2015 zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es sich beim Beschuldigten
(UA S.
23), während ein anderer Sachverständiger im selben Monat beim [X.] eine paranoide Psychose sowie eine dissoziale Persönlichkeitsstö-rung festgestellt habe (UA S.
25). Die Strafkammer geht
dem in der [X.] erstatteten Sachverständigengutachten folgend
dagegen davon aus, dass der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie leide und gelit-ten habe, aufgrund derer zu den [X.] seine Einsichtsfähigkeit aufgehoben
e-insbesondere die strafrechtlichen Vorbelastungen zeigten (UA S.
37); paranoide n des Beschuldig-ten
(UA S.
37). Hinsichtlich der Unterbringung nach §
64 StGB sei anzuneh-schon das eigentlich bei dem Beschuldigten bestehende Problem verkannt
39).
2.
Die Unterbringungsanordnung hat keinen Bestand, da die Gefährlich-keitsprognose nicht tragfähig begründet ist.
a)
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB ist eine außerordentlich belastende
Maßnah-me, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen 4
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5
-
darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn eine Wahrschein-lichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Diese Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des
[X.], seines [X.] und der von ihm begangenen [X.](en) zu [X.] (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 1.
Oktober 2013
3
StR 311/13; vom 2.
September 2015
2
StR
239/15; vom 3.
Juni 2015
4
StR 167/15) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustandes drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt
(vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Juli 2013
2
BvR
2957/12 Rn.
27).
Neben der sorgfältigen Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen ist der Tatrichter auch verpflichtet, die wesentlichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen ([X.], Beschluss vom 1.
Oktober 2013
3
StR
311/13). Denn auf eine ausreichende Begründung zukünftiger Gefähr-lichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit kann nicht verzichtet werden, selbst wenn dessen Gesundheitszustand durch eine längerfristige Behandlung gebessert werden könnte, da nur die Belange der öffentlichen Sicherheit
nicht
aber die Bemühungen um die Gesundheit des Patienten
es rechtfertigen [X.], einen Menschen mit den Mitteln des Strafrechts auf unbestimmte [X.]
einer Freiheitsentziehung zu unterwerfen ([X.] aaO).
b)
An einer nachvollziehbaren Darlegung der zukünftigen krankheits-bedingten Gefährlichkeit des Beschuldigten mangelt es dem angefochtenen Urteil.
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8
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6
-
aa)
Auch wenn sich die Feststellung einer durch den Hang bereits indi-zierten
Gefährlichkeit bei §
66 StGB von der auf einem der in §
20 StGB aufge-führten Zustände beruhenden
Gefährlichkeit bei §
63 StGB unterscheidet, sind
nicht anders als bei §
66 StGB (vgl. dazu etwa [X.], Urteil vom 13.
März 2013
2
StR
392/12)
auch (und insbesondere)
für die im Rahmen des §
63 StGB anzustellende Gefährlichkeitsprognose etwaige Vortaten von besonderer Bedeutung (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2004
2
BvR
2029/01, NJW 2004, 739, 743; [X.] u.a.,
NStZ 2006, 537, 538, 541). So ist [X.] als ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten anzusehen, dass ein Täter trotz bestehenden Defekts über Jahre hinweg keine erheblichen Straftaten begangen hat (vgl. etwa [X.], Urteile vom 10.
Dezember 2014
2
StR
170/14, [X.], 72, 73; vom 8.
Oktober 2015
4
StR 86/15 jeweils mwN). Andererseits kann sogar lange zurückliegenden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zukommen, wenn sie in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und deren Ursache nicht in anderen, nicht krankheitsbedingten [X.] zu finden ist (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 2011
4
StR
267/11). [X.] sind insofern insbesondere die individuell bedeutsamen Bedingungsfak-toren für die bisherige Delinquenz, deren Fortbestand, ihre fehlende [X.] durch protektive Umstände und das Gewicht dieser Faktoren in zukünftigen Risikosituationen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
Oktober 2009
5
StR
296/09, NJW 2010, 245).
Ausgehend hiervon hätte es näherer Darlegungen bei
der Gefährlich-keitsprognose dazu bedurft, ob und inwiefern die früher abgeurteilten Taten in Zusammenhang mit der nunmehr festgestellten Erkrankung des Beschuldigten stehen (vgl.
auch [X.], Beschluss vom 15.
Juli 2015
4
StR
277/15; [X.] u.a.,
NStZ 2006, 537, 541, 543; sowie [X.], Beschluss vom 12.
Dezember 9
10
-
7
-
2013
2
BvR
1690/13). Hierfür reicht nicht aus, dass der Sachverständige
und ihm folgend die Strafkammer
n-hang zwischen den Vortaten und der Erkrankung des Beschuldigten ist damit (noch) nicht
wie erforderlich: sicher
festgestellt (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 2011
4
StR
267/11).
bb)
Bleiben die früheren Taten außer Betracht, ist die Gefährlichkeits-prognose indes nicht
hinreichend nachvollziehbar.
Insbesondere kann allein mit der im Allgemeinen erhöhten Kriminalitäts-belastung schizophren Erkrankter die Gefahrenprognose nicht begründet wer-den ([X.], Urteil vom 11.
August 2011
4
StR
267/11; vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 17.
Februar 2016
2
StR
545/15). Maßgeblich sind
stattdessen die konkrete Krankheits-
und Kriminalitätsentwicklung ([X.], Beschluss vom 17.
Februar 2016
2
StR
545/15) sowie die auf die Person des Beschuldigten und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine indivi-duelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Delikten jenseits der [X.]en belegen können ([X.], Urteil vom 11.
August 2011
4
StR
267/11; zu situativen Risikofaktoren auch [X.], Beschluss vom 17.
Februar
2016
2
StR
545/15).
Zur mit der Erkrankung des Beschuldigten in Verbindung stehenden [X.] fehlen
wie ausgeführt
tragfähige Feststellungen. So-weit der Beschuldigte nach den [X.]en mehrmals in einen hochgradigen und nicht oder kaum mehr kontrollierbaren Erregungszustand geraten ist, ist es zu Tätlichkeiten nicht gekommen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 3.
Juni 2015
4
StR
167/15). Auch waren die von ihm ausgesprochenen Bedrohungen nach 11
12
13
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8
-
den Feststellungen nicht geeignet, zu einer schweren Störung des Rechtsfrie-dens zu führen (vgl. hierzu etwa [X.], Urteil vom 29.
September 2015
1
StR 287/15, NJW 2016, 341, 342;
Beschluss vom 18.
Juli 2013
4
StR
168/13, NJW 2013, 3383, 3385: nahe liegende Gefahr der Verwirklichung).
Die Krankheitsgeschichte des Beschuldigten ist vom [X.]
über die Unterbringung nach §
64 StGB hinaus
nur insoweit dargestellt worden, als ein Sachverständiger trotz einer dissozialen Persönlichkeitsstörung noch die
ein weiterer Sachverständiger
ebenfalls im März 2015
dagegen eine paranoide Psychose und eine dissoziale Persön-lichkeitsstörung angenommen hat, während der (dritte) in der Hauptverhand-lung angehörte Sachverständige (nur) eine paranoide Psychose diagnostiziert hat. Angaben dazu, wann die Krankheit erstmals aufgefallen ist und wie sich die Symptomatik im Verlauf der [X.] entwickelt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Februar 2016
2
StR
545/15),
fehlen. Da das Urteil abgesehen von dem Hinweis, dass sich [X.] hätten (UA S.
39), zudem eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den früheren Gutachten ebenso vermissen lässt wie eine nähere Darstellung und Auseinandersetzung mit dem in Zusammenhang mit der Anordnung der Maß-
14
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9
-
regel nach §
64 StGB erstatteten Gutachten, ermöglicht das Urteil dem Senat nicht, die Entscheidung
wie erforderlich
nachzuvollziehen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Quentin
Meta
07.06.2016
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2016, Az. 4 StR 79/16 (REWIS RS 2016, 10457)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 10457
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
1 StR 63/17 (Bundesgerichtshof)
4 StR 11/17 (Bundesgerichtshof)
1 StR 445/16 (Bundesgerichtshof)
3 StR 99/12 (Bundesgerichtshof)
4 StR 79/16 (Bundesgerichtshof)
Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Begründung der zukünftigen Gefährlichkeit des Täters; Bedeutung früher …