Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2017, Az. III ZR 465/15

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 16605

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:260117UIIIZR465.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

Verkündet am:
[X.]/15
26. Januar 2017

P e l l o w s k i

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-

2

-

Der I[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2016 durch [X.]
[X.] und [X.], [X.] und Dr. Remmert
sowie die Richterin Dr. Arend

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] -
5. Zivilkammer -
vom 3.
Dezember 2015
aufge-hoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Parteien sind Eigentümer von benachbarten, leicht geneigten und untereinander gelegenen Hanggrundstücken.
Auf dem
der Klägerin
gehörenden oberen
Grundstück wurden in den Jahren 1957, 1967
sowie von 1970
bis 1972 verschiedene Gebäude errichtet.
Um zu verhindern, dass Niederschlagswasser auf sein Grundstück fließt, schüttete der Vater des [X.]
an der Grenze zum Grundstück der Klägerin
-
nach
Darstellung
des [X.]
in den Sechzi-gerjahren;
die Klägerin behauptet, es sei 1984 gewesen -
eine Erdanböschung
auf.
Diese
wurde
mehrfach, zuletzt im [X.], erhöht, wobei
der [X.]
die letzte Erhöhung nach Aufforderung der Klägerin wieder abtrug.
Im
Mai 2011 1
-

3

-

ließ sie den [X.] vergeblich zur Entfernung
der
gesamten
[X.]
auffordern.

Sie macht geltend, aufgrund des
aufgeschüttenen Erdhügels
habe Was-ser trotz eines von ihr errichteten
Wassersammlers zunehmend schlechter von ihrem Grundstück ablaufen können. Hierdurch
sei es
im Laufe der [X.] vermehrt und besonders heftig im Frühjahr 2011 zu einer
Überflutung
ihres Hofgrund-stücks gekommen. Die Ursache liege
allein
in dem an der Grundstücksgrenze
nach und nach aufgeschütteten Erdwall.
Der [X.] hält dem entgegen, der vorhandene [X.] sei zu hoch angebracht, die Oberflächenversiege-lung ihres Grundstücks verhindere ein Versickern des Wassers,
und
die vorge-nommene Bebauung habe
den
natürlichen
Ablauf des Wassers zum Nachteil seines Grundstücks verändert.

Das Amtsgericht hat die auf vollständige Beseitigung der [X.] gerichtete Klage
abgewiesen. Die hiergegen eingelegte
Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg
geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie
ihr Klagebegehren
weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie
hat auch in der Sache Erfolg und
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
sowie zur
Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht.

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3
4
-

4

-

I.

Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, die
Klägerin habe gegen den [X.] grundsätzlich einen
Beseitigungsanspruch
hinsicht-lich der auf seinem Grundstück errichteten [X.]
auf der Grundlage von § 1004
BGB in Verbindung mit
§ 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Allerdings
könne der [X.] dem
seinerseits
einen
Anspruch aus § 1004 BGB in Verbindung mit
§
37 Abs. 1 Satz 2 [X.]
entgegensetzen, weil die Klägerin durch die Bebauung ihres
Grundstücks mit [X.] die eigentliche Fließrichtung des natürlich abfließenden Wassers in Richtung auf sein
Grundstücks verändert habe. Ohne die Aufschüttung müsse mehr Wasser
des [X.] aufgenom-men werden
als dies nach den natürlichen Gegebenheiten vor der Bebauung der Fall gewesen sei. Zwar müsse es der Eigentümer eines tiefer gelegenen Nachbargrundstücks grundsätzlich hinnehmen, wenn sich bei bestimmungsge-mäßer
Grundstücksnutzung
durch Änderung der landwirtschaftlichen Nutzung
die Fließrichtung von
Niederschlagswasser verändere. Vorliegend
seien
die Grenzen dieser Pflicht
jedoch
erreicht und überschritten, weil es durch die ver-änderte Wasserführung zu einem Eindringen von Wasser in Baulichkeiten
des [X.]
kommen
könne. Der Eigentümer eines unterliegenden Grundstücks müsse seine Gebäude aber
den durch den Nachbarn geschaffenen Gegeben-heiten nicht anpassen. Der
[X.] habe
den Nachbarn vielmehr zur Beseiti-gung des geänderten Zuflusses auffordern und die entsprechenden Maßnah-men ergreifen können, um den veränderten Wasserzufluss auf
sein Grundstück zu verhindern.
Erst wenn auf dem Grundstück der Klägerin etwa ein Abfluss-graben errichtet worden sei, mit dem die Benachteiligungen für das
Grundstück des [X.] beseitigt würden, könne sie die Beseitigung der [X.] verlangen.
Der [X.] könne sich deshalb auf
ein Zurückbehaltungsrecht
be-rufen.
5
-

5

-

[X.]

Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revi-sion nicht stand.

1.
Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach die
Kläge-rin einen
Anspruch
aus
§ 1004 BGB in Verbindung mit
§ 37 Abs. 1 Satz 1 [X.]
geltend machen könne, trifft auf der Grundlage der
bisherigen Feststellungen nicht zu.

a) § 37 [X.], nach dessen Absatz 1 Satz 1 der natürliche Ablauf wild abfließenden Wassers auf ein tiefer liegendes Grundstück nicht zum Nachteil eines höher gelegenen Grundstücks behindert werden darf,
ist mit dem hier maßgeblichen Inhalt
am 1. März 2010 in [X.] getreten
(Art. 24 Abs. 2 des [X.] zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009, [X.]. I
S. 2585)
und betrifft nur solche Fallgestaltungen, in denen die tatbestandliche Ablaufbe-hinderung
nach diesem [X.]punkt vorgenommen worden
ist. Eine rückwirkende Anwendbarkeit
dieser Bestimmung ist nicht anzunehmen. Übergangsvorschrif-ten
sind insoweit nicht vorhanden. Auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12275 [X.], 84) ist keine vom [X.]punkt des Inkrafttretens des Gesetzes abweichende Regelung einer
rückwirkenden Geltung der Norm zu entnehmen
(vgl. auch [X.]/[X.], § 37 [X.] Rn. 3 [Stand: 1. April 2016]).
Es ist deshalb
maßgeblich auf den [X.]punkt der Errichtung des [X.] abzustellen.
Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin ist aber die fragli-che Erdanböschung spätestens
im Jahr 1984 errichtet worden. Auch wenn nach ihrer Darstellung des Öfteren eine Aufschüttung, letztmals 2009, vorge-nommen worden ist, lagen
sämtliche Handlungen
vor Inkrafttreten
des §
37
[X.].
6
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8
-

6

-

b)
Ein Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der fraglichen
[X.] kann danach nur auf die zuvor
geltenden landesrechtlichen Vorschriften, hier Art. 63 Abs. 1 [X.] in der Fassung vom 26. Juli 1962 (GVBl. S. 143), der
bis zur Einführung des § 37 [X.] keine inhaltliche Änderung erfahren hat,
gestützt werden. Nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 2 [X.] a.F. durfte der Eigentümer eines Grundstücks den natürlichen Lauf wild abfließenden Wassers zu den tiefer lie-genden Grundstücken nicht so verändern, dass belästigende Nachteile für die höher liegenden Grundstücke entstehen. Sinngemäß ergibt sich ein entspre-chendes Verbot bereits aus der Vorgängernorm des Art. 17 [X.] 1907
(GVBl. 1907 S. 157
f). Dabei stellt das Oberflächenwasser, dessen Aufstauung auf ihrem
Grundstück die Klägerin verhindert wissen will, als Niederschlags-wasser wild abfließendes Wasser im Sinne dieser Vorschriften dar (vgl. [X.], [X.], Art. 63 Rn. 3
[Stand Januar 2009]).

aa)
Für die Annahme der
tatbestandlichen Voraussetzungen eines sich aus dieser
als Schutzgesetz anzusehenden
Vorschrift
in Verbindung mit § 1004 BGB ergebenden Anspruchs (vgl. zu anderen landesrechtlichen Regelungen: Senatsurteile vom 21. [X.]uar 1980 -
III ZR 185/78, NJW 1980, 2580, 2581 und vom 18. April 1991 -
III ZR 1/90, [X.], 183, 185 f; [X.], Urteil vom 12.
Juni 2015 -
V [X.], NJW-RR 2016, 24) reichen die bislang getroffe-nen Feststellungen
der Vorinstanzen
nicht aus.
Zwar stellt die errichtete An-böschung
auf dem Grundstück des [X.]
eine Veränderung beziehungs-weise
Behinderung des natürlichen Abflusses von Niederschlagswasser
vom Grundstück der Klägerin dar, die von Art. 63 [X.] a.F. gerade verhindert werden soll.
Davon ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.
G.

in seinem Gutachten auszugehen. Indessen ist nicht festgestellt, dass
dadurch ein nach dieser Bestimmung weiter erforderlicher belästigender 9
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7

-

Nachteil
für die
Klägerin
entstanden ist.
Sie hat zwar vorgetragen, es seien ver-schiedentlich, und besonders heftig im Frühjahr 2011, Überschwemmungen
ihres Grundstücks vorgekommen. Inwieweit darin jedoch ein belästigender Nachteil im Sinne des Art.
63 [X.] a.F. zu sehen ist, lässt sich daraus nicht entnehmen.

bb) Der Nachteilsbegriff
ist
nicht rein subjektiv im Sinne eines bloßen "[X.]"
zu verstehen. Er ist vielmehr objektiviert grundstücksbezogen auszulegen;
die Nutzbarkeit des Grundstücks muss gegenüber dem bisherigen Zustand eingeschränkt und es muss eine Belästigung für den [X.] entstanden sein, die
von einigem Gewicht und
spürbar
ist. Nur dro-hende Nachteile
reichen
nicht aus, sie müssen tatsächlich eintreten oder doch mit Sicherheit zu erwarten sein
(vgl. [X.], aaO, Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. Rn. 116).

cc) Nach
dem Gutachten
des vom Amtsgericht bestellten Sachverständi-gen
ist ein solcher spürbarer Nachteil
nicht ausreichend ersichtlich. Der
Gutach-ter
hat ausgeführt, das nördlich des Wohngebäudes der Klägerin entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehende Nebengebäude und auch weitere Gebäude verhinderten,
dass die insoweit größeren Wassermengen so wie [X.] abströmen könnten; sie stauten sich in der nunmehr entstandenen [X.] (Mulde); ohne den fraglichen Erdwall würden geringere Teilwas-sermengen auf das Grundstück des [X.] abfließen. Insoweit ist deshalb zu klären, in welchem Umfang im Vergleich das Ansammeln
von Wasser auf dem Klägergrundstück
auf
die fragliche
[X.] zurückzuführen ist und ob sich daraus ein maßgeblich belästigender Nachteil für die Klägerin ergibt.

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12
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8

-

2.
Soweit
das Berufungsgericht einen Beseitigungsanspruch der Klägerin bejaht, zugleich aber
angenommen hat, der [X.] könne dem
einen eigenen Anspruch aus § 1004 iVm
§ 37 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegenhalten
und ein
Zu-rückbehaltungsrecht geltend machen, kann dem nach den bislang getroffenen Feststellungen ebenfalls nicht gefolgt werden.

a)
Rechtsfehlerfrei ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts, die Klä-gerin sei als Eigentümerin des oben liegenden Grundstücks passivlegitimiert. Beruht die Beeinträchtigung eines Grundstücks auf dem gefahrenträchtigen Zustand des Nachbargrundstückes (hier des so genannten [X.]), so ist es nicht erforderlich, dass dessen Eigentümer diesen Zustand durch [X.] oder pflichtwidriges Unterlassen geschaffen hat. Ausreichend ist vielmehr, dass der das Eigentum beeinträchtigende Zustand durch den maßgebenden Willen des Eigentümers aufrecht erhalten wird, von dessen Grundstück die Be-einträchtigung ausgeht, und damit die Beseitigung von dessen Willen abhängt (vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2000 -
V [X.], NJW-RR 2001, 232 sub [X.] 2. a
mwN).

b) Allerdings ist für einen derartigen Anspruch
des [X.] wiederum zu berücksichtigen, dass die von ihm
als Behinderung des natürlichen Ablaufs wild abfließenden Wassers zu seinem Nachteil geltend gemachte Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin in den Jahren 1957,
1967 sowie von 1970 bis 1972
und damit vor
Inkrafttreten des § 37 [X.]
zum 1. März 2010
vorgenom-men worden ist. Ein Anspruch
kann sich deshalb nur
aus Art. 63 [X.]
Abs. 1 Nr. 1 a.F. in Verbindung mit
§ 1004 BGB ergeben.
Hierfür sind die bislang ge-troffenen Feststellungen jedoch nicht ausreichend.

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-

aa)
Im Hinblick auf den [X.]ablauf ist bei der Beurteilung der maßgebli-chen Anspruchsvoraussetzungen insbesondere
zu berücksichtigen, dass durch die vorgenommene Bebauung auf dem Grundstück
der Klägerin der natürliche Ablauf
wild abfließenden Wassers
verändert worden ist, wie dies der Sachver-ständige Prof. Dr. G.

deutlich gemacht hat. Bei dieser Sachlage sind des-halb in erster Linie Feststellungen dazu erforderlich, von welchem natürlichen Abflusszustand auszugehen ist. Dieser ist nach den Rechtsverhältnissen zu beurteilen, die im [X.]punkt der Geltendmachung von Abwehransprüchen des Nachbarn bestehen
([X.], aaO, Rn. 4). Da insbesondere Bebauungen die na-türliche Geländebeschaffenheit verändern können, ist im Rahmen des Art. 63 [X.] a.F. nicht allein auf den im engen Sinn natürlichen Ursprungszustand, sondern auch darauf abzustellen, ob der vorhandene Zustand in seiner [X.] rechtmäßig besteht
([X.] aaO; [X.]/[X.], aaO
Rn. 115)
und damit zugleich den Zustand des
natürlichen
Gefälles
mitbestimmt. Dies setzt jedoch eine durch die Bebauung erfolgte rechtmäßige Beschränkung der Nach-barrechte aus Art. 63 [X.] a.F. oder einen Sachverhalt
voraus, der sonst deren
Verlust bewirkt
oder die Ausübung
der Rechte
hindert, etwa unter dem Aspekt der Verwirkung
([X.] aaO). Im Falle eines zeitlich lang zurückliegenden Eingriffs in die natürlichen Verhältnisse kann der daraus folgende Zustand selbst im Rechtssinne zum natürlichen Zustand werden, wenn dieser Eingriff mit Zustimmung des Betroffenen erfolgt ist oder er ihn für einen längeren [X.]-raum unwidersprochen hingenommen hat (vgl. [X.] aaO; Heiland, Praxis der Kommunalverwaltung, [X.] BW § 81
[Stand Januar 2005]; [X.]/Finkenbeiner, [X.] für [X.], § 81 Rn. 2
[Stammlfg. [X.]. 1968];
[X.]/[X.]/[X.], Praxishandbuch
Nachbarrecht, 2. Aufl. Rn. 281
[auch zu § 37 [X.]: [X.] in Wellmann/Queitsch/[X.], [X.], 1. Aufl., § 37
Rn. 2]).

16
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10

-

bb) Entgegen der Auffassung der Revision scheidet ein möglicher An-spruch des [X.] nach
Art.
63 Abs. 1 Nr. 1 [X.] a.F. in Verbindung mit
§ 1004 BGB
allerdings nicht schon deshalb aus
und ist ein ohne Weiteres nun-mehr rechtmäßig geschaffener veränderter natürlicher Abfluss anzunehmen, weil allein die Bebauung auf dem Grundstück
der Klägerin eine wirtschaftliche Nutzung darstellt, die nicht unter das Verbot des Art. 63 Abs. 1 Satz 1 [X.]
a.F.
fällt.

(1)
In
der
Rechtsprechung ist allerdings wiederholt entschieden worden, dass mittelbare Änderungen der Stärke oder Richtung des [X.], die aus einer üblichen landwirtschaftlichen Nutzung, besonders aus jährlich wechselnder Fruchtfolge, eintreten, auch dann keine unzulässige Veränderung darstellen, wenn die einschlägige landesrechtliche Vorschrift diesbezüglich [X.] ausdrückliche Ausnahme vorsieht (vgl. [X.], Urteil vom 2. März 1984 -
V [X.], [X.]Z 90, 255, 264 sowie Senatsurteil vom 18. April 1991
-
III ZR 1/90, [X.], 183, 188, vgl. auch [X.], [X.] 1985, 293, 294). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich daraus indes jedenfalls für das [X.] Wasserrecht nicht, dass damit insbesondere auch jedwede
Be-bauung des Grundstücks nicht als eine Veränderung im Sinne des Art. 63 Abs.
1 [X.] a.F. anzusehen ist. Die genannten und von der
Revision
weiter
herangezogenen
Entscheidungen ([X.], [X.], 152; [X.], [X.], 1478 und OLG
Hamm, Urteil vom 5. März 2012 -
5 [X.], abgedruckt nur in juris,
Rn. 37 f) betrafen nur
die Regelung des
§ 115 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F., der eine Veränderung des [X.] in Folge veränderter wirtschaftlicher Nutzung des oben liegenden Grundstücks vom Verbot
des Eingriffs
in das ablaufende Wasser ausdrücklich ausnahm. Die
Entscheidung des Kammergerichts betraf
eine
entsprechende Regelung im 17
18
-

11

-

Berliner Wassergesetz
(vgl.
KG, Urteil vom 22. April 2004 -
25 [X.], juris,
Rn. 34 f).

(2)
Eine dem § 115 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F. gleichlautende
gesetz-liche Einschränkung sah
das [X.] Wassergesetz
in seinen
vor Inkrafttre-ten des § 37 [X.] geltenden Fassungen nicht vor. Auch die
Auslegung der in diesem Bundesland zuvor geltenden
Rechtslage führt nicht zu einem derartigen Befund
(vgl. [X.]ler in [X.]/[X.]ler, [X.],
Art. 63 Rn. 36 a.E. [Stand: Juni 1998]).

Der historische [X.] Gesetzgeber normierte in wesentlicher Über-einstimmung mit dem gemeinen Recht (Pözl,
Die [X.]n [X.] vom 28. Mai 1852, Art 34 und 35 vor [X.]. 1) bereits mit Art. 34 [X.] 1852 ein Verbot für den Grundstückseigentümer, dem sich auf seinem Grundstück sammelnden Wasser
eine belästigende andere Leitung als dem natürlichen Bodenablauf folgend zu geben. Gleichermaßen untersagte Art. 35 [X.] 1852 dem [X.], den Abfluss natürlich ablaufenden Wassers vom höher liegen-den Grundstück zu dessen Nachteil zu verhindern. Entsprechende Regelungen finden sich in Art. 17 Abs. 1 und 2 [X.] 1907; sie wurden
in Art. 63 [X.] 1962 übernommen und in weiteren Gesetzesfassungen bis zur Einführung des § 37 [X.] beibehalten.

Zwar sollte es nach dieser Regelung dem jeweiligen Eigentümer grund-sätzlich unbenommen bleiben, sein Grundstück unter Beachtung der Vorschrif-ten des öffentlichen und privaten Rechts zu bebauen.
Allerdings sollte ein damit verbundener Eingriff in den Wasserabfluss zum Nachbargrundstück nur erlaubt sein,
wenn der [X.] keine belästigenden Nachteile erlitt. [X.] musste eine durch Bebauung eingetretene Veränderung, die zu belästi-19
20
21
-

12

-

genden Nachteilen für das unterliegende Grundstück führte, nicht hingenom-men werden, da eine solche Maßnahme nicht mehr eine (ursprüngliche) ord-nungsgemäße Bewirtschaftung des oben liegenden

Grundstücks, sondern vielmehr eine Änderung der Nutzungsqualität darstellte. Es blieb dem [X.] überlassen, entweder für eine nicht belästigende Wasserführung zu sorgen oder die Bebauung zu unterlassen ([X.]ler, aaO; [X.]/[X.],
aaO
Rn. 115 mwN).
Maßgeblich sollte stets sein, dass nur ein solcher Eingriff, [X.] auch eine Bebauung, erlaubt war, der keine stärkere Belästigung auslöste als sie die Natur mit sich brachte (vgl. auch [X.]/[X.]ler, aaO, Rn. 23). [X.] lässt sich das
vor Einführung des § 37 [X.] geltende
Wasserrecht in
[X.] nicht dahin deuten, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Rege-lung
jegliche wirtschaftlichen Veränderungen auf dem jeweiligen Grundstück, insbesondere jedwede Bebauung,
vom [X.] ausgenommen sein sollten.
Eine andere Beurteilung
lässt sich auch nicht der von der Revision herangezogenen Entscheidung
zum [X.] Wassergesetz (§ 82 Abs. 1 -
[X.], Urteil vom
2. März 1984 -
V [X.], [X.]Z 90, 255, 265) ent-nehmen. Sie betraf ebenfalls nur
landwirtschaftliche
Veränderungen, nicht aber
eine Bebauung wie im vorliegenden Fall.

Das
Verbot, den Ablauf des wild abfließenden Wassers künstlich so zu verändern, dass tiefer liegende Grundstücke belästigt werden, soll allerdings den [X.] in seiner Dispositionsfreiheit nicht allzu sehr einschränken und in der wirtschaftlichen Ausnutzung seines Grundstücks Bewegungsfreiheiten belassen (vgl. Senatsurteile vom 22. November 1971 -
III ZR 211/68, BeckRS 1971, 31122898 unter [X.] 1.
und vom 18. April 1991 aaO, S.
191). Dem wird die vor Inkrafttreten des § 37 [X.] am 1. März 2010 geltende Rechtslage in Bay-ern jedoch
gerecht, da
sie unter dem
Aspekt des besonders ausgestalteten
nachbarschaftlichen
Gemeinschaftsverhältnisses, welches zur wechselseitigen 22
-

13

-

Rücksichtnahme verpflichtet
(vgl. schon zur identischen Rechtslage unter dem [X.]n Wassergesetz
1907: [X.]/[X.], [X.]s Wassergesetz, Art. 17 Rn. 18)
belästigende
Beeinträchtigungen
des Nachbarn
in den [X.] stellt. Es besteht deshalb
kein Anlass, das Eingriffsverbot des [X.]s nach Art. 63 [X.] a.F. eng
auszulegen und ihm jedwede Bebauung
oh-ne Berücksichtigung der Zumutbarkeit der dadurch entstehenden Belästigungen
des [X.]s zu gestatten
([X.], aaO Rn. 11).

cc) Kann
danach
grundsätzlich allein die Bebauung als wirtschaftliche Nutzung
noch keine rechtmäßige Veränderung des [X.]
darstellen
und ist damit der (neue) natürliche
Wasserablauf
zu Lasten des [X.]s festgelegt, ließen sich im Streitfall die Grundsätze der Verwirkung heranziehen. Für die Beurteilung der insoweit erforderlichen Voraussetzungen bedarf es [X.] Feststellungen dazu, durch welche Bebauung jeweils eine Verände-rung des [X.] eingetreten ist und wann der Vater des [X.] be-gonnen hat, die [X.] als Ausdruck dafür, dass er mit der eingetretenen Veränderung nicht einverstanden ist, zu errichten
-
bereits in den Sechzigerjah-ren oder erst im Jahr 1984. Sollten die maßgeblichen Abflussveränderungen schon frühzeitig eingetreten sein und der [X.] beziehungsweise sein Vater dem
erst 1984 mit der Errichtung der [X.] entgegengetreten sein, ist
die Verwirkung eines ihm etwa zustehenden Anspruchs gegen die Klägerin in Betracht zu ziehen.

3.
Sofern ein Anspruch
des [X.]
anzunehmen sein
sollte und dieser nicht als verwirkt anzusehen ist, sind weiter
Feststellungen dazu zu treffen, ob durch die in Folge der Bebauung
veränderte Ablaufsituation überhaupt belästi-gende Nachteile
nach Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 [X.] a.F.
für das tiefer liegende Grundstück des [X.] eingetreten sind. Dazu ist erforderlich festzustellen, 23
24
-

14

-

zu welcher Veränderung des [X.] die Bebauung geführt hat und inwieweit dadurch
eine maßgebliche Benachteiligung des Grundstücks des [X.] eingetreten ist. Wie bereits dargestellt, hat der Sachverständige Prof. Dr. G.

hierzu lediglich allgemein ausgeführt, die Bebauung habe die Fließ-richtung verändert,
und (größere [X.] stauten sich auf dem Grundstück der Klägerin, während nur geringere Teilwassermengen ohne die [X.] auf das Grundstück des [X.] flössen. Zwar hat der [X.] den [X.] auf sein Grundstück geltend gemacht
und vorgetragen, Wasser könne auch in seine Scheune eindringen. Ob dies tatsächlich der Fall ist und in welchem Umfang eine solche Gefahr besteht, ist jedoch nicht ersicht-lich. Auch insoweit gilt, dass ein nur drohender Nachteil nicht ausreichend ist.

4.
Sollten sich nach weiteren Feststellungen die erforderlichen belästigen-den Nachteile im Sinne des § 63 [X.] Abs. 1 a.F. für beide Grundstücke
er-geben, wird das Berufungsgericht diese gegeneinander
abzuwägen und unter Berücksichtigung des grundsätzlich besseren Rechts des [X.], der Grundsätze der Zumutbarkeit und
der gegenseitigen nachbarschaftlichen Rück-sichtnahme zu gewichten
haben.
Dabei ist vor allem einzubeziehen, dass der [X.]
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durch die Anbringung einer Sperr-
oder Stauvorrichtung den Zufluss sämtlichen (wild) ablaufenden Was-sers vom Grundstück der Klägerin verhindern
darf.

5.
Sofern nach erneuter Würdigung
gegebenenfalls die Heranziehung der
Rechtsfolgen des § 274 Abs. 1 BGB
in Betracht kommen sollte, ist zu berück-sichtigen, dass
dann
eine Verurteilung
Zug-um-Zug
vorzunehmen
und gleich-zeitig die
Klage teilweise abzuweisen ist.

25
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-

15

-

I[X.]

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, ist der Senat an einer eigenen Entscheidung in der Sache gehindert, die Sache
ist deshalb
an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]

[X.]

[X.]

Remmert

Arend
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.12.2014 -
1 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.12.2015 -
5 S 717/15 -

27

Meta

III ZR 465/15

26.01.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2017, Az. III ZR 465/15 (REWIS RS 2017, 16605)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16605

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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