Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2023, Az. VI R 33/20

6. Senat | REWIS RS 2023, 5672

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Gegenstand

Keine Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung


Leitsatz

Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15.06.2020 - 11 K 2024/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt im Streitjahr (2017) aufgrund des Ablebens ihrer Mutter --auch ohne ihre Erbin geworden zu sein-- gemäß § 23 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ein Sterbegeld in Höhe von brutto 6.550,20 €.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin das erhaltene Sterbegeld nicht, machte jedoch die Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung geltend.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) setzte das Sterbegeld nach Abzug des [X.] sowie des [X.] als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit an und berücksichtigte die geltend gemachten Beerdigungskosten erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren änderte das [X.] nach vorherigem Hinweis auf eine mögliche Verböserung den Einkommensteuerbescheid dahingehend, dass es die geltend gemachten Beerdigungskosten wegen einer Anrechnung des diese Kosten übersteigenden Sterbegelds nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuließ, und wies den Einspruch als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der daraufhin erhobenen Klage teilweise statt. Es erkannte die Beerdigungskosten lediglich gekürzt um den Versorgungsfreibetrag als außergewöhnliche Belastung an.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Es beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

8

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

9

Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass das einkommensteuerpflichtige Sterbegeld der Klägerin nicht auf ihre als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten anzurechnen ist.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung nach Abs. 3 übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.

a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]), die Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger aus sittlichen Gründen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen übernimmt, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen, soweit die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind ([X.]-Urteil vom 19.10.1990 - III R 93/87, [X.]E 162, 326, [X.] 1991, 140 und Senatsbeschluss vom 21.02.2018 - VI R 11/16, [X.]E 260, 507, [X.] 2018, 469, Rz 46).

b) Diese Vorteilsanrechnung gründet auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Denn der [X.] des § 33 EStG erfordert die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige ist im Ergebnis lediglich um die Differenz von außergewöhnlichem Aufwand und (steuerfreier) Ersatzleistung belastet. Nur insoweit trägt er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich und nur insoweit ist seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert (Senatsbeschlüsse vom 14.04.2011 - VI R 8/10, [X.]E 233, 241, [X.] 2011, 701 und vom 21.02.2018 - VI R 11/16, [X.]E 260, 507, [X.] 2018, 469, Rz 55). Da die Vorteilsanrechnung der Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung dient (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.04.2011 - VI R 8/10, [X.]E 233, 241, [X.] 2011, 701, Rz 14 und vom 21.02.2018 - VI R 11/16, [X.]E 260, 507, [X.] 2018, 469, Rz 56), führen einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen (vgl. Senatsurteil vom 14.03.1975 - VI R 63/73, [X.]E 115, 357, [X.] 1975, 632 und [X.]-Urteil vom 23.11.2016 - X R 13/14, Rz 17; [X.] in [X.], EStG, § 33 Rz B 18; [X.]/[X.]/[X.], § 33 EStG Rz 70 und 72; [X.] in Korn, § 33 EStG Rz 22.1; [X.]/[X.], EStG, 42. Aufl., § 33 Rz 17; [X.] in [X.]/[X.], § 33 EStG Rz 37; a.A. KKB/[X.], § 33 EStG, 8. Aufl., Rz 32; Kanzler in [X.]/[X.]/[X.], § 33 EStG Rz 42; [X.] in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 33 Rz 13).

2. Das [X.] hat nach diesen Maßstäben die als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Beerdigungskosten zu Recht nicht um das Sterbegeld gekürzt.

a) Das von der Klägerin bezogene Sterbegeld ist ein steuerpflichtiger Versorgungsbezug im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.

b) Die vom [X.] begehrte Kürzung der Beerdigungskosten zumindest in Höhe des [X.] des steuerpflichtigen Sterbegelds (Einnahmen gemindert um die darauf entfallende Steuer) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Werden außergewöhnliche Belastungen --wie vorliegend-- aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar. Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte in einem solchen Fall eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 33/20

15.06.2023

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 15. Juni 2020, Az: 11 K 2024/18 E, Urteil

§ 33 Abs 1 EStG 2009, § 33 Abs 2 S 1 EStG 2009, § 23 Abs 3 TV-L, § 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009, § 19 Abs 2 EStG 2009, EStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 15.06.2023, Az. VI R 33/20 (REWIS RS 2023, 5672)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5672

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