Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.09.2011, Az. 30 W (pat) 518/10

30. Senat | REWIS RS 2011, 2762

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "CARDIOLOGICUM HAMBURG (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 59 224.3

hat der 30. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 29. September 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker, der Richterin Winter und der Richterin Hartlieb

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung als Wort-/Bildmarke mit den Farben rot, dunkelblau angemeldet ist das Zeichen

Abbildung

2

für die Dienstleistungen „Werbung und Geschäftsführung, Wissenschaftliche Forschung, Ärztliche Versorgung, Gesundheitspflege“.

3

Die Markenstelle für Klasse 44 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 23. Februar 2010 gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen, weil dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Der Begriff „[X.]“ stelle die Suffix-Ableitung des Wortes „Cardiologie“ dar; das sei ein Teilgebiet der Medizin, das sich mit Herz-Kreislauferkrankungen befasse. Derartige Nomensuffixbildungen seien gerade in der Wissenschafts- und der [X.] ausgesprochen häufig insbesondere zur Bildung von Fachbegriffen für universitäre und außeruniversitäre (natur-)wissenschaftliche, technische und medizinische Einrichtungen, Institute, Lehrstühle, Studiengänge etc. „[X.]“ sei eine geografische Angabe, die in Verbindung mit dem Begriff „[X.]“ beschreibend auf den Standort einer herz- kreislaufmedizinischen [X.] hinweise. Die typografische Gestaltung und die Herzsymboldarstellung seien als werbeübliche Hervorhebungsmittel nicht geeignet, von der Sachaussage wegzuführen.

4

Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er hält mit näheren Ausführungen das angemeldete Zeichen für schutzfähig; er verweist dazu auf eine Wortneubildung, fehlenden lexikalischen Eintrag, fehlende eindeutige Bedeutung des Wortes „[X.]“ und meint, dass zumindest die grafische Gestaltung den Schutz begründe. Er verweist ferner auf Voreintragungen von Marken mit der Endung „-ikum/-icum“.

5

Der Anmelder beantragt sinngemäß,

6

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des [X.] vom 23. Februar 2010 aufzuheben.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die angemeldete Marke ist wegen fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen; die Markenstelle hat die Anmeldung damit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

9

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass die Marke im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise geeignet sein muss, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Produkte oder Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (st. Rspr.; [X.] GRUR 2008, 608 ff. - Rn. 66, 67 - [X.]; [X.], 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34 - [X.]; [X.], 935 - Rn. 8 - [X.]; [X.], 825, 826 - Rn. 13 - [X.]; [X.], 952 - Rn. 9 - [X.]; [X.], 850, 854 - Rn. 18 - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.]; [X.], 257 - Bürogebäude; [X.] GRUR 2003, 1050 - [X.]; [X.] GRUR 2001, 1153, 1154 - anti [X.]). Als beteiligte Verkehrskreise sind alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Die maßgeblichen Verkehrskreise definiert der [X.] als den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 [X.]; vgl. z. B. [X.] [X.], 411, 413 - Rn. 24 - Matratzen Concord/Hukla).

Keine Unterscheidungskraft kommt Bezeichnungen zu, die einen beschreibenden Begriffsinhalt aufweisen, der für die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als solcher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als [X.] versteht ([X.] GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 417, 418 - [X.]). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird ([X.] WRP 2010, 1504, 1506 - Rn. 23 - [X.]!; [X.], 949, 951 - Rn. 20 - My World; [X.], 411 - Rn. 9 - [X.]; [X.], 850, 854 - Rn. 19 - [X.]).

[X.] in der Farbe blau und [X.] in der Farbe rot sowie dem Bild eines grafisch gestalteten Herzens unter Verwendung der Farbe rot besteht, bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

[X.] ist abgeleitet von dem Wortbildungselement „Kardio-“ bzw. „Cardio-“ mit der Bedeutung „Herz“ (vgl. [X.], Das große Fremdwörterbuch, 4. Aufl. 2007, [X.]; [X.], Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007, S. 958); „Kardiologie“ ist die Lehre vom Herzen und Teilgebiet der Medizin, das sich mit der Funktion und den Erkrankungen des Herzens befasst, sowie auch die Bezeichnung für eine Fachabteilung eines Krankenhauses; ein „Kardiologe“ ist ein Facharzt und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Kardiologie (vgl. [X.] a. a. O. [X.]). Der Wortbestandteil „-ikum“ bzw. „-icum“ ist eine Endung sächlicher Substantive, die eine bestimmte Sache, einen Zeitabschnitt und Ähnliches bezeichnen (vgl. [X.] a. a. O. S. 600). Ein „Technikum“ ist eine technische Fachschule, ein „Praktikum“ ist eine außerhalb der (Hoch-)Schule abzuleistende praktische Tätigkeit in einer Organisation oder Institution. Im Bereich der Medizin werden mit dieser Endung häufig Heilmittel bezeichnet (Antibiotikum, Kardiakum, [X.], Therapeutikum); ein „[X.]“ ist ein Zusammenschluss von [X.] unterschiedlicher Fachgebiete zur Gesundheitsversorgung (vgl. [X.], Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl., S. 1004; 1365; 1737); daneben widmen sich derartige Zusammenschlüsse zu einem [X.] im Allgemeinen der Lehre und Forschung.

[X.] reiht sich in die obengenannten vergleichbar gebildeten Ableitungen mit dem Bestandteil „-ikum“ ein. Da die Bedeutung der [X.] nicht abstrakt-lexikalisch zu beurteilen, sondern stets im Zusammenhang mit den jeweils beanspruchten Dienstleistungen zu sehen ist (vgl. [X.] GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt), die im vorliegenden Fall den Bereich der Wissenschaft und Medizin betreffen oder betreffen können, liegt das Verständnis des Wortes [X.] im Sinn von „Einrichtung für die Erkennung/Behandlung von Herzerkrankungen“ auf der Hand. Es handelt sich dabei um eine beschreibende Sachangabe zu Art, Erbringungsstätte oder Bestimmung der so gekennzeichneten Dienstleistungen, die für die damit angesprochenen [X.] wie auch für die allgemeinen Verkehrskreise aufgrund der genannten, allgemein bekannten Verwendungsformen ohne Weiteres erkennbar ist.

Daraus, dass die Endung „-ikum“ bzw. „-icum“, wie oben ausgeführt, in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird, lässt sich entgegen der Auffassung des Anmelders keine schutzbegründende Mehrdeutigkeit ableiten. In rechtlicher Hinsicht ist es nicht erforderlich, dass der Verkehr die Bezeichnung in allen Bedeutungsmöglichkeiten als sachbezogenen Begriff wahrnimmt. Ein Zeichen ist nämlich bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn es auch nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. [X.] [X.] 2003, 450 - [X.]; [X.] [X.] 2004, 111, 115 - [X.]/[X.]). Auch auf die Frage der Neuheit einer Wortbildung kommt es entgegen der Auffassung des Anmelders nicht an; die Feststellung der Unterscheidungskraft einer Marke erfolgt im Wege einer Prognose unabhängig von einer Benutzung (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl. § 8 Rdn. 89 [X.]).

[X.] ist der Name der zweitgrößten Stadt [X.], in der zahlreiche Einrichtungen für die Gesundheitsversorgung angesiedelt sind und gibt einen Hinweis auf die geografische Herkunft der beanspruchten Dienstleistungen. Dass sich dort verschiedene Einrichtungen für die genannten Dienstleistungen ansiedeln können, erscheint angesichts der Größe und wirtschaftlichen Bedeutung dieser Stadt als möglich (vgl. [X.] GRUR 2003, 882 - Lichtenstein).

[X.] [X.] in ihrer Gesamtheit enthält keinen Aussagegehalt, der über die Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile hinausgeht (vgl. [X.] [X.], 229, Rdn. 29 - BioID). Im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44, die zum typischen Tätigkeitsgebiet einer kardiologischen Abteilung eines Krankenhauses gehören, bringt die beanspruchte Angabe [X.] [X.] zum Ausdruck, dass sie durch eine Klinikeinrichtung auf dem Fachgebiet der Kardiologie angeboten oder erbracht werden. Eine kardiologisch umfassende Betreuung erstreckt sich über den üblichen Diagnose- und Behandlungsbereich hinaus gerade bei Klinikzentren auch auf das Gebiet der wissenschaftlichen Forschung, wie auch beansprucht. Die Dienstleistungen der Klasse 35 können auf ein derartiges [X.] bezogen sein.

Diese Bezeichnung wird deshalb in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als Sachhinweis verstanden, nicht aber als betrieblicher Herkunftshinweis.

Entsprechende Feststellungen hat das [X.] zu vergleichbaren Wortbildungen „Pneumologikum Frankfurt“ ([X.]  30 W (pat) 14/10), „radiologicum“ ([X.].: 30 W (pat) 74/10) und „[X.]“ ([X.].: 30 W (pat) 28/10) getroffen; diese Entscheidungen sind auf der Homepage des Gerichts veröffentlicht.

[X.] sowie die zweizeilige Anordnung und die Verwendung der Farben rot und blau, die dem angemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft nicht zu vermitteln vermögen, da diese Darstellung nichts an dem sachbezogenen Informationsgehalt der ansonsten leicht verständlichen Bezeichnung ändert. Eine solche Art der grafischen Darstellung wird häufig als Gestaltungsmittel zu Werbezwecken eingesetzt und liegt mittlerweile im Rahmen des Üblichen. Die Schutzfähigkeit eines Zeichens kann damit nicht begründet werden. Ebenso wenig vermag hier die in der angemeldeten Marke enthaltene Grafik, die stilisiert ein Herz darstellt und damit ebenfalls beschreibenden Charakter hat, den Markenschutz zu begründen.

Die Schutzfähigkeit des Zeichens ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der vom Anmelder angeführten Voreintragungen, die u. a. ebenfalls Wörter mit der Endung „-icum/-ikum“ enthalten. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.] geht davon aus, dass die Schutzfähigkeit einer neu angemeldeten Marke bezogen auf den konkreten Einzelfall und ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu prüfen ist, die insoweit keinen Ermessensspielraum vorsehen; einer vorgängigen Amtspraxis kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu ([X.] GRUR 2008, 1093, 1095, Nr. 18 - [X.]; [X.] [X.] 2009, 478, 484, Rn. 57 - [X.]/[X.], jeweils [X.]; [X.] GRUR 2011, 230, - Rn. 10, 12 - SUPERgirl).

Auch die Erwägungen der Entscheidung des [X.]s 33 W (pat) 28/08 (veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts), mit der die Marke „[X.]“ für schutzfähig erachtet wurde, können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn anders als Herzerkrankungen, auf die im vorliegenden Fall mit dem Wort „[X.]“ Bezug genommen wird, ist „Genetik“ als Vererbungslehre keine Krankheit, die einer Behandlung in einer spezialisierten Einrichtung zugänglich ist.

Die Marke kann damit ihre Hauptfunktion, nämlich den Verkehrskreisen die [X.] der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen zu garantieren, nicht erfüllen. Die angemeldete Marke ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] von der Eintragung ausgeschlossen.

Meta

30 W (pat) 518/10

29.09.2011

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.09.2011, Az. 30 W (pat) 518/10 (REWIS RS 2011, 2762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2762

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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