Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2019, Az. IX ZR 8/19

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 1012

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[X.]:[X.]:[X.]:2019:281119B[X.]8.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 8/19
vom

28. November 2019

in dem Rechtsstreit

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richterinnen
Lohmann,
[X.],
die Richter
Dr.
Schoppmeyer und Röhl

am 28. November 2019

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 10.
Dezember 2018 zugelassen.

Auf die Revision des Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesge-richtshof, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert des Revisionsverfahrens wird auf 100.000

setzt.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt als Verwalter in dem auf Antrag eines Finanzamtes vom 1.

September 2009 am 15.
September 2010 eröffneten [X.] über das Vermögen von Frau S.

R.

(fortan: Schuldnerin) von dem 1
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beklagten Land die Rückzahlung
eines
am 4.
August 2008 von der Schuldnerin gezahlten
Betrages in Höhe von
100.000

venzanfechtung. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die mündliche Verhandlung geschlossen und Termin zur Verkün-dung einer Entscheidung bestimmt. Mit Beschluss vom 22.
Oktober 2018 hat es den [X.] verlegt, den Parteien Hinweise erteilt,
wonach die Kenntnis des Beklagten von einem Benachteiligungsvorsatz nicht ersichtlich sei,
ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben sowie angekündigt, dass anschließend geprüft werde, ob die Verhandlung wiederzueröffnen sei. Nach schriftlichen Stellungnahmen beider Parteien hat das Berufungsgericht der [X.] im Wesentlichen
stattgegeben. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Beklagte die Zulassung der Revision und mit dieser die Wiederherstellung des landge-richtlichen Urteils.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch
des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG in entscheidungser-heblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne gemäß §
143 Abs.
1 [X.] die Rückgewähr der Zahlung der Schuldnerin vom 4.
August 2008 in Höhe von 100.000

133 Abs.
1 [X.] anfechtbar. Die Überweisung sei gläubigerbenachteiligend gewesen und mit Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin erfolgt. Von einem solchen sei regel-2
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mäßig auszugehen, wenn der Schuldner seine (drohende) Zahlungsunfähigkeit kenne. Der Schuldnerin sei bei der Zahlung am 4.
August 2008 bewusst gewe-sen, dass ihr
die
Zahlungsunfähigkeit drohe. Der Beklagte habe Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt. Die Kenntnis des Beklagten sei gemäß §
133 Abs.
1 Satz
2 [X.] zu vermuten und schon nach dem unstrei-tigen Sachverhalt nicht zu entkräften. Der Beklagte
habe
gewusst, dass die Zahlungsunfähigkeit
der Schuldnerin
drohe und deren
Handlung die Gläubiger benachteilige. Aufgrund einer Gesamtwürdigung, insbesondere aufgrund der Inkongruenz der Sicherheitsleistung, sei die Kenntnis des Beklagten vom Be-nachteiligungsvorsatz festzustellen.

2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, das tat-sächliche und rechtliche Vorbringen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.], Beschluss vom 27.
März 2003

V
ZR 291/02, [X.]Z 154, 288, 300; vom 18.
Juli 2019

IX
ZR 276/17, juris Rn.
5). Dieser Verpflichtung ist das Berufungsgericht in einem entscheidungserheblichen Punkt nicht nachgekommen.

a) Erteilt das Gericht einen rechtlichen Hinweis in einer entscheidungser-heblichen Frage, so darf es diese Frage im Urteil nicht abweichend von seiner geäußerten Rechtsauffassung
entscheiden, ohne die Verfahrensbeteiligten zu-vor auf die Änderung der rechtlichen Beurteilung hingewiesen und ihnen [X.] zur Stellungnahme gegeben zu haben ([X.], Beschluss vom 29.
April 2014

VI
ZR 530/12, NJW 2014, 2796 Rn.
5; vom 11.
Mai 2017

V
ZR 235/16, juris Rn.
6).
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5
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5

-

Das Berufungsgericht hat

nach Schluss der mündlichen Verhandlung

sinngemäß darauf hingewiesen, dass
nicht ersichtlich
sei, aus welchen An-haltspunkten eine Kenntnis des
Beklagten von der drohenden Zahlungsunfä-higkeit der
Schuldnerin hergeleitet werden könne. Nachdem sich beide Parteien schriftlich geäußert haben, hat das Berufungsgericht sein Urteil verkündet, dem der rechtliche Standpunkt zugrunde liegt, die unstreitigen Tatsachen erlaubten den Schluss auf eine Kenntnis des Beklagten von der drohenden [X.] der Schuldnerin und deren Benachteiligungsvorsatz. Damit hat das Berufungsgericht seine dem Hinweis zugrundeliegende Beurteilung geändert, wonach der festgestellte Sachverhalt nicht den Schluss auf die Kenntnis des Beklagten erlaube, und nunmehr einen solchen Schluss gezogen.

Auf seine geänderte Auffassung hätte das Berufungsgericht die Parteien vor
Erlass
einer darauf gestützten Entscheidung hinweisen müssen. Sodann hätte es ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem neuerlichen Hinweis ge-ben und dazu die mündliche Verhandlung wiedereröffnen müssen (§
156 Abs.
2 Nr.
1 ZPO). Das
hat das Berufungsgericht unterlassen, wie die Beschwerde mit Recht rügt.

b) Das angegriffene Urteil beruht auf diesen Verstößen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen, für den Beklagten günstigeren Entscheidung gekommen wäre, wenn es den gebotenen Hinweis erteilt und nochmals verhandelt
hätte.

Das Berufungsgericht hat die Sicherheitsleistung als inkongruent [X.]. Es ist

mit der Rechtsprechung des Senats

davon ausgegangen, dass eine inkongruente Deckung nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteili-6
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gungsvorsatz des Schuldners und für die Kenntnis des Gläubigers von diesem
Vorsatz bildet, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des Empfängers der Leistung [X.], an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln ([X.], Urteil vom 7.
November
2013

IX
ZR 248/12, [X.], 2233 Rn.
12). Beweisanzeichen wie eine Inkongruenz machen eine Gesamtwürdigung nicht entbehrlich und [X.] nicht schematisch im Sinne einer vom anderen Teil zu widerlegenden [X.] angewandt werden (vgl. [X.], Urteil vom 13.
August 2009

IX
ZR 159/06, [X.], 1943 Rn.
8; [X.]/Ganter/Weinland, [X.], 19.
Aufl., §
133 Rn.
75). Die subjektiven
Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung hat der Tatrichter gemäß §
286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls auf der [X.] und einer etwaigen Beweisauf-nahme zu prüfen. Ob ein bestimmter Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsein-stellung oder der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit hat, hängt davon ab,
welche konkreten Tatsachen dieser Gläubiger spätestens unmittelbar vor der jeweils angefochtenen Zahlung kannte ([X.], Beschluss vom 15.
September 2016

IX
ZR 152/15, [X.] 2017, 22 Rn.
2).

Der Beklagte hat dargelegt, welchen Vortrag er auf den gebotenen Hin-weis
zu
der
Frage, welche konkreten Tatsachen mit Bezug auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin der Beklagte spätestens unmittelbar vor der

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angefochtenen Zahlung kannte, gehalten hätte. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Berücksichtigung dieses Vortrags das Berufungsgericht zu einer ande-ren Entscheidung veranlasst hätte.

Kayser
Lohmann
[X.]

Schoppmeyer
Röhl

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.04.2016 -
9 O 1468/13 (1) -

O[X.], Entscheidung vom 10.12.2018 -
6 U 30/16 -

Meta

IX ZR 8/19

28.11.2019

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.11.2019, Az. IX ZR 8/19 (REWIS RS 2019, 1012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 1012

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IX ZR 8/19

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