Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2023, Az. 5 StR 516/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 2633

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Gegenstand

Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung auf die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe vor der Maßregel; Dauer des Vorwegvollzugs


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Oktober 2022 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den [X.] von einem Jahr und vier Monaten der verhängten Freiheitsstrafe angeordnet. Die auf die Anordnung des [X.]s beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des [X.].

2

1. Das [X.] hat – sachverständig beraten – seiner Maßregelentscheidung zugrunde gelegt, dass der Angeklagte einen Hang zum [X.] im Übermaß habe und die Tat auch dazu diente, Geld für den [X.] zu erlangen, mithin auf den Hang zurückgehe. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, dass der Angeklagte auch zukünftig zur Finanzierung des [X.]s vergleichbare Taten begehen werde. Eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB hat es nur „unter Berücksichtigung der festgelegten Vollstreckungsreihenfolge“ angenommen. Zwar sei der Angeklagte grundsätzlich therapiebereit, lehne aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt „strikt“ ab, da er dann den begonnenen [X.] in der Justizvollzugsanstalt nicht fortsetzen könne. Um dennoch für den Angeklagten eine hinreichende Therapiemotivation zu schaffen, sei es erforderlich, den Abschluss des einjährigen Kurses abzuwarten, bevor die Maßregel vollstreckt werde. Deswegen habe es den [X.] „nicht strikt anhand der Berücksichtigung des [X.] gemäß § 67 Abs. 5 StGB festgelegt“, sondern auf der Grundlage der voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren berechnet, so dass der Angeklagte [X.] abschließen und gegebenenfalls auch an Nachprüfungen teilnehmen könne.

3

2. Auf die Revision des Angeklagten oblag dem Senat die Überprüfung des gesamten [X.]. Dieser konnte keinen Bestand haben.

4

a) Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels richtet sich dieses isoliert gegen die von § 67 Abs. 2 und 5 StGB abweichende Bestimmung des [X.]s, allein mit diesen Einwänden wird der Revisionsantrag abschließend gerechtfertigt. Dies lässt trotz des den Rechtsfolgenausspruch umfassenden Revisionsantrags den [X.] erkennen. Diese Rechtsmittelbeschränkung erweist sich insoweit allerdings auch eingedenk der dem [X.] gesetzlich eingeräumten prozessualen Gestaltungsmacht, die im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. April 2017 – 4 StR 547/16, [X.]St 62, 155, 160; vom 26. September 2019 – 5 [X.], [X.]St 64, 209, 214), als unwirksam.

5

Zwar ist eine Beschränkung der Revision auf die Anordnung des [X.]s grundsätzlich möglich (vgl. [X.], Urteil vom 12. März 2020 – 4 StR 537/19). Die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt aber voraus, dass der [X.] nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 10. August 2017 – 3 [X.]/17 mwN).

6

Dies ist hier nicht der Fall. Denn das [X.] hat die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht als Anordnungsvoraussetzung der Maßregel des § 64 StGB maßgeblich auf den entgegen § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 StGB verlängerten [X.] gestützt. Mit dem von der Revision begehrten Wegfall oder der Änderung der Dauer des [X.]s würde damit die Anordnung der Maßregel ihre Grundlage verlieren, so dass die Gefahr von inneren Widersprüchen in der Gesamtentscheidung besteht. Dies führt dazu, dass das Rechtsmittel auch die Anordnung der Maßregel erfasst.

7

b) Schon die Anordnung des [X.]s ist rechtsfehlerhaft. Der [X.] hat in seiner Antragsschrift insoweit ausgeführt:

Liegen – wie hier – keine Gründe vor, die [...] gegen eine Anordnung des [X.]s eines Teils der Strafe sprechen, so hat das Tatgericht bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe [...] keinen Beurteilungsspielraum mehr (vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Januar 2008 – 1 [X.], [X.], 142). Der Umstand, dass die gesetzliche Regelung des [X.]s eines Teils der Strafe dem Behandlungserfolg dient und daher zu Gunsten des Angeklagten wirkt (vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Februar 2022 – 3 StR 458/21, NStZ-RR 2022, 139, [140]), rechtfertigt keinen längeren [X.] als er sich bei Beachtung des § 67 Abs. 2 Satz [3] StGB ergibt und lässt auch die Beschwer des Angeklagten durch eine solche Anordnung nicht entfallen. Der vom [X.] beabsichtigte längere [X.], um dem Angeklagten in (Straf-) Haft einen Schulabschluss zu ermöglichen, mag nach Rechtskraft des Urteils durch eine Entscheidung nach § 67 Abs. 3 StGB zu erreichen sein.

8

Dem schließt sich der Senat an.

9

c) Die Aufhebung der Entscheidung über den [X.] führt zur Aufhebung auch der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Da die hinreichend konkrete Erfolgsaussicht maßgeblich mit den Entwicklungen während des [X.]s begründet worden ist, entzieht der Wegfall des [X.]s der Anordnungsvoraussetzung nach § 64 Satz 2 StGB die Grundlage.

3. Der Senat hebt den [X.] insgesamt auf, um dem neu zuständigen Tatgericht eine stimmige Beurteilung der Voraussetzungen der Anordnung der Maßregel zu ermöglichen.

[X.]     

  

Mosbacher     

  

Ri[X.] Köhler ist im Urlaub
und kann nicht unterschreiben
.

[X.]

  

Resch     

  

Werner     

  

Meta

5 StR 516/22

17.01.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dresden, 4. Oktober 2022, Az: 15 KLs 386 Js 39440/22

§ 67 Abs 2 S 3 StGB, § 67 Abs 5 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2023, Az. 5 StR 516/22 (REWIS RS 2023, 2633)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2633

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Referenzen
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Zitiert

4 StR 537/19

3 StR 458/21

3 StR 275/17

5 StR 206/19

4 StR 547/16

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