Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 7 W (pat) 74/14

7. Senat | REWIS RS 2015, 9514

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 198 28 154.4

wegen Akteneinsicht durch Übermittlung von Kopien

hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des [X.] am 18. Juni 2015 durch [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

1. Der Beschluss des [X.] - [X.] 54 - vom 18. Dezember 2013 ist unwirksam.

2. Der Beschluss des [X.] - [X.] 54 - vom 20. März 2014 wird aufgehoben. Dem Antrag auf Übersendung von Kopien aus der Akte des Patents 198 28 154.4, einschließlich von Kopien nichtamtlicher Druckschriften, wird stattgegeben.

3. Die Rückzahlung der für die gegen die Beschlüsse vom 18. Dezember 2013 und 13. März 2014 gerichteten Beschwerden gezahlten Beschwerdegebühren wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Am 8. Oktober 2013 stellte die Antragstellerin beim [X.] ([X.]) einen Antrag auf Einsicht in die Akten des Patents 198 28 154. Dabei wies sie vorsorglich darauf hin, dass dieser Antrag auf Einsicht in die vollständige Akte einschließlich der in der Akte vorhandenen Nicht-Patentdokumente gerichtet sei. § 31 [X.] sei eindeutig dahingehend auszulegen, dass die Akte, und nicht nur ein Teil der Akte, der freien Akteneinsicht unterliege. Dieses Recht dürfe durch vermeintliche oder tatsächliche Urheberrechtsprobleme nicht beschränkt werden.

2

Durch [X.]uss des [X.] - [X.] 54 - vom 18. Dezember 2013 wurde der Antrag auf Übersendung von Kopien nichtamtlicher Druckschriften zurückgewiesen. Der [X.]uss wurde elektronisch erstellt und war weder unterschrieben noch mit einer elektronischen Signatur versehen. Zur Begründung heißt es in dem [X.]uss, zum Umfang der Akteneinsicht im Rahmen von § 31 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.] gehöre auch, dass der Antragsteller Ausdrucke bzw. Kopien des Akteninhalts erhalte. Soweit der Akteninhalt urheberrechtlichen Schutz genieße, stehe dieses Schutzkriterium jedoch der Anfertigung von Kopien bzw. Ausdrucken in der Regel entgegen.

3

Keinen urheberrechtlichen Schutz genieße dabei die sogenannte Patentliteratur, d. h. amtliche Schriftstücke und Ausarbeitungen i. S. d. § 5 Abs. 1 [X.]; diese könnten ohne Beschränkung kopiert bzw. ausgedruckt werden. Urheberrechtlich geschützt sei dagegen im Regelfall die sogenannte [X.]. Dabei handele es sich um nichtamtliche Schriften oder sonstige Werke wissenschaftlich-technischen Inhalts (z. B. Auszüge aus Büchern, Artikel aus Fach- oder Publikumszeitschriften, Kongressvorträge), die § 2 [X.] unterfielen. Würden Kopien oder Ausdrucke von [X.] für Dritte angefertigt, stelle dies eine Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken dar, die nach § 15 Abs. 1 [X.] bzw. § 16 [X.] nicht zulässig sei. Das Anfertigen von Kopien und Ausdrucken der [X.] für Dritte sei auch nicht im Rahmen der Regelung des § 45 Abs. 1 [X.] möglich. Die Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 [X.] finde auf [X.] nur dann Anwendung, wenn der Anmelder oder ein anderer Verfahrensbeteiligter Kopien oder Ausdrucke im Rahmen des [X.] begehrten; dagegen sei sie, ebenso wie die Vorschrift des § 53 [X.], bei einer Akteneinsicht durch Dritte nicht anwendbar.

4

Daher sei es nicht möglich, [X.] im Rahmen der Akteneinsicht durch Dritte zu kopieren bzw. auszudrucken und dem Antragsteller zu überlassen. Gleiches gelte für eine Versendung in elektronischer Form sowie für eine Darstellung am Bildschirm. Die Antragstellerin bleibe darauf verwiesen, die [X.] in den bei der Akteneinsicht zur Verfügung gestellten Unterlagen einzusehen und sich die Literatur sodann (etwa im Wege der [X.]) selbst zu besorgen.

5

Gegen diesen (ersten) [X.]uss legte die Antragstellerin am 9. Januar 2014 Beschwerde ein, bei gleichzeitiger Zahlung einer Beschwerdegebühr in Höhe von 200,- €, deren Rückzahlung sie zudem beantragte.

6

Durch einen (zweiten) [X.]uss vom 13. März 2014 traf die [X.] 54 des [X.] die Feststellung, dass der [X.]uss vom 18. Dezember 2013 mangels Signatur bzw. Unterschrift nicht wirksam sei. Folglich gebe es für die am 9. Januar 2014 eingelegte Beschwerde keine Rechtsgrundlage. Die Rückzahlung der gezahlten Beschwerdegebühr wurde angeordnet.

7

Am 20. März 2014 erließ die [X.] 54 des [X.] einen (dritten) [X.]uss, wodurch der Antrag auf Übersendung von Kopien nichtamtlicher Druckschriften aus der [X.] 28 154.4 wiederum - aus denselben Gründen wie in dem ersten [X.]uss vom 18. Dezember 2013 - zurückgewiesen wurde.

8

Am 4. April 2014 legte die Antragstellerin - bei gleichzeitiger Zahlung zweier weiterer Beschwerdegebühren - Beschwerde sowohl gegen den [X.]uss vom 13. März 2014 als auch gegen den [X.]uss vom 20. März 2014 ein. Sie beantragt sinngemäß,

9

- die Unwirksamkeit des [X.]usses vom 18. Dezember 2013 festzustellen;

- die [X.]üsse vom 13. März 2014 und vom 20. März 2014 aufzuheben;

- anzuordnen, dass vollständige Einsicht in die Akte des [X.] 198 28 154 durch Übersendung von Kopien aller [X.], einschließlich der in der Akte vorhandenen Nicht-Patentdokumente, zu gewähren ist;

- die Rückzahlung der für die Beschwerden gegen die [X.]üsse vom 13. März 2014 und vom 20. März 2014 gezahlten Gebühren anzuordnen.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, das [X.] sei zu der Feststellung, die in dem [X.]uss vom 13. März 2014 getroffen wurde, nicht berechtigt gewesen. Bei der Entscheidung vom 18. Dezember 2013 habe es sich um einen beschwerdefähigen [X.]uss gehandelt, weshalb die [X.] innerhalb eines Monats hätte entweder abhelfen oder die Beschwerde dem [X.] vorlegen müssen.

Der [X.]uss vom 20. März 2014 sei unzutreffend, weil das Urheberrecht der freien Akteneinsicht, die nach der Praxis durch Bereitstellung von Kopien gewährt werde, nicht entgegenstehe. Vielmehr sei das Anfertigen von Kopien und das Ausdrucken von [X.] für Dritte im Rahmen von § 45 [X.] zulässig. Bei dem [X.] handele es sich um ein eigenständiges Nebenverfahren und somit um ein Verfahren nach § 45 [X.]. Davon abgesehen seien viele Fachzeitschriften, aber auch Firmenkataloge sowie Doktor- und Diplomarbeiten über öffentliche Bibliotheken nicht ohne weiteres erhältlich, und ihre Beschaffung sei mit erheblichen Kosten verbunden. So wie jede Bibliothek durch entsprechende Abgaben Kopien zur Verfügung stellen könne, müsse das auch eine Behörde wie das [X.] ermöglichen.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerin sind zulässig und begründet.

1. Der [X.]uss der [X.] 54 des [X.] vom 18. Dezember 2013 ist unwirksam, weil er dem [X.] nicht genügt.

Ein im schriftlichen Verfahren ergangener [X.]uss einer [X.] ist von den an der Entscheidung mitwirkenden [X.] zu unterschreiben oder - sofern der [X.]uss im Rahmen der elektronischen Aktenführung erstellt worden ist - gemäß § 5 Abs. 2 [X.] (i. d. F. bis 9. Januar 2014, jetzt § 5 Abs. 3 [X.]) mit deren elektronischer Signatur zu versehen (vgl. [X.]/

2. Die [X.] war zu der genannten Feststellung jedoch nicht berechtigt, weshalb der [X.]uss vom 13. März 2014 wirkungslos ist.

Nach Einlegung der Beschwerde gegen den [X.]uss vom 18. Dezember 2013 hätte die [X.] über die (Un-) Wirksamkeit des angefochtenen [X.]usses nur im Rahmen einer Abhilfe entscheiden dürfen, d. h. wenn die Beschwerde in der Sache für begründet erachtet worden wäre. Wird einer Beschwerde nicht abgeholfen, so ist sie ohne sachliche Stellungnahme dem Patentgericht vorzulegen (§ 73 Abs. 3 Satz 3 [X.]). Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde nach Meinung des [X.] nicht statthaft oder aus anderem Grund unzulässig ist (vgl. [X.] 2009, 521, 522 - Gehäusestruktur). Die gleichwohl getroffene Feststellungsentscheidung des [X.] durch [X.]uss vom 13. März 2014 ist wirkungslos, ohne dass es insoweit einer Aufhebung bedarf (vgl. [X.] 1999, 574, 576 - Mehrfachsteuersystem, juris [X.]. 22; B[X.], [X.]. v. 29. Juli 2010, 11 W (pat) 30/09 - Heiz- oder Kühlplatte).

3. Die Beschwerde gegen den [X.]uss vom 20. März 2014 ist begründet, weil das Patentamt die Übersendung von Kopien der [X.], bei denen es sich um sogenannte [X.], d. h. um nichtamtliche Druckschriften mit naturwissenschaftlich-technischem Inhalt handelt, zu Unrecht verweigert hat. Die Antragstellerin hat nach § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.]V, wonach auf Antrag die Einsicht durch Erteilung von Ablichtungen oder Ausdrucken der gesamten Akte oder Teilen davon gewährt wird, Anspruch auf Übersendung von Kopien auch dieser [X.] (vgl. den rechtskräftigen Senatsbeschluss vom 23. März 2015, 7 W (pat) 7/14 - Akteneinsicht in [X.], zur [X.] vorgesehen).

a) Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] steht die Einsicht in die Akten von Patenten jedermann frei. Ein solcher Fall grundsätzlich freier Einsicht liegt hier vor, da Einsicht in die Akte eines erteilten Patents begehrt wird. Die somit gegebene freie Einsicht, die als solche auch der angefochtene [X.]uss nicht in Frage stellt, wird nach der in der [X.]V zur Durchführung der Akteneinsicht erlassenen Bestimmung des § 22 Abs. 2 Satz 2 auf Antrag durch die Erteilung von Ablichtungen oder Ausdrucken der gesamten Akte oder von Teilen der Akten gewährt. Die Voraussetzungen dieser Form der freien Akteneinsicht liegen ebenfalls vor, denn die Antragstellerin hat einen entsprechenden Antrag gestellt.

b) Die Gewährung der Akteneinsicht in der Form des § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.]V ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil an [X.]n, die aus sogenannter [X.] bestehen, Urheberrechte Dritter bestehen können. Denn ein mit der patentamtlichen Herstellung und Übersendung von Kopien solcher [X.] möglicherweise verbundener Eingriff in das ausschließlich dem Urheber zustehende Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung nach §§ 16, 17 [X.] ist von der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 [X.] gedeckt. Danach ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde herzustellen oder herstellen zu lassen.

Auch ein [X.] nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] ist als ein Verfahren im Sinne des § 45 Abs. 1 [X.] anzusehen. Es liegt kein verwaltungsinterner Vorgang, sondern ein Gegenstand mit nach außen wirkendem Sachverhalt vor, nämlich ein gesetzlich geregeltes Verfahren bezüglich der Einsichtnahme in patentamtliche Akten - hier nach § 31 Abs. 1 Satz 2 [X.] -, das durch einen entsprechenden Antrag eingeleitet wird. Das Patentamt muss prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Akteneinsicht nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 [X.] gegeben sind, ggf. unter Beteiligung des Schutzrechtsinhabers, oder ob eventuell Vorschriften des Datenschutzes oder andere Rechtsvorschiften eine Akteneinsicht nach § 31 Abs. 3b [X.] ausschließen. Falls Akteneinsicht gewährt wird, muss diese organisiert werden, sei es durch Aushändigung der Akte zur unmittelbaren Einsichtnahme, sei es durch Übersendung von Kopien des Akteninhalts. Die nach § 22 Abs. 2 Satz 2 [X.]V erfolgende Herstellung und Übersendung von Ablichtungen bzw. Ausdrucken aus der [X.] an den die Einsicht begehrenden Antragsteller stellt sich so als die Vervielfältigung bzw. Verbreitung zur Verwendung in einem behördlichen Verfahren dar, nämlich einem [X.] (vgl. den rechtskräftigen Senatsbeschluss vom 23. März 2015, 7 W (pat) 7/14 - Akteneinsicht in [X.], zur [X.] vorgesehen; ebenso, im Zusammenhang mit Einsichtsbegehren nach dem [X.]: Schnabel, Geistiges Eigentum als Grenze der Informationsfreiheit, veröffentlicht in [X.] 2011, 626 ff., 630 unter III 3 b; [X.], Informationsfreiheit und Urheberrecht, [X.] 2013, 28 ff., 287 linke Spalte).

4. Soweit es die für die Beschwerden gegen die [X.]üsse vom 18. Dezember 2013 und 13. März 2014 gezahlten Beschwerdegebühren anbelangt, entspricht es der Billigkeit, die Rückzahlung anzuordnen (§ 80 Abs. 3 [X.]), da sich die Antragstellerin nur im [X.] gegen das verfahrensfehlerhafte Vorgehen der [X.] wenden konnte.

Dagegen erscheint die Rückzahlung der Beschwerdegebühr, die für die gegen den [X.]uss vom 20. März 2014 gerichtete Beschwerde gezahlt worden ist, nicht geboten. Die Beschwerde ist zwar erfolgreich, die [X.] hat aber bei Erlass dieses [X.]usses weder einen Verfahrensfehler begangen, noch hat sie falsches Recht angewendet. Vielmehr hat sie auf zutreffender Rechtsgrundlage eine auch in der Fachliteratur vertretene Auffassung herangezogen (vgl. [X.]/

5. Der hilfsweise beantragten mündlichen Verhandlung hat es nicht bedurft, da dem Begehren der Antragstellerin in der Hauptsache entsprochen worden ist (vgl. B[X.]E 13, 69, 71; B[X.] BlPMZ 2010, 374 - [X.]).

Meta

7 W (pat) 74/14

18.06.2015

Bundespatentgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.06.2015, Az. 7 W (pat) 74/14 (REWIS RS 2015, 9514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 9514

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