6. Senat | REWIS RS 2010, 9472
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Private Fahrzeugnutzung als Arbeitslohn oder vGA
1. Die nachhaltige "vertragswidrige" private Nutzung eines betrieblichen PKW durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht stets als vGA zu beurteilen .
2. Unterbindet die Kapitalgesellschaft die unbefugte Nutzung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung (vGA oder Arbeitslohn) bedarf der wertenden Betrachtung im Einzelfall (Anschluss an BFH-Urteil vom 23. April 2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33) .
I. Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Lohnsteuerhaftungsbescheids wegen der Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer.
[X.]n der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) waren zunächst [X.] mit 45 %, seine Lebensgefährtin B mit 50 % sowie [X.] mit 5 % beteiligt. [X.]m 8. Juli 2004 erwarb [X.] den Geschäftsanteil des [X.]. [X.]lleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin sind [X.] und B.
Die Klägerin stellte [X.] während des Streitzeitraumes Januar 2003 bis Juli 2005 jeweils folgende PKW zur Verfügung:
Typ | BMW 750IL | BMW 745I | BMW 760Li |
Bruttolistenpreis |
105.000 € |
85.000 € |
150.800 € |
Zeitraum |
bis 09/2003 |
bis 06/2005 |
Juli 2005 |
In dem [X.]nstellungsvertrag mit [X.] ist vereinbart, dass dieser den PKW ausschließlich für geschäftliche Zwecke nutzen darf.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-[X.]ußenprüfung gelangte der Prüfer zu der [X.]uffassung, eine Privatnutzung durch [X.] sei nicht auszuschließen, da weder ein Fahrtenbuch geführt worden sei noch sonst eine Überwachung der Einhaltung des Nutzungsverbots stattgefunden habe. Zudem verfüge [X.] privat nur über ein Saab [X.]abrio mit Erstzulassung vom 30. [X.]pril 1991 und Saisonkennzeichen für [X.]pril bis Oktober.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) folgte der [X.]uffassung des Lohnsteuer-[X.]ußenprüfers, dass die Privatnutzung ab 2001 im Rahmen der 1 %-Regelung als [X.] zu versteuern sei, und erließ --nachdem sich die Klägerin mit der Übernahme der Lohnsteuer einverstanden erklärt hatte-- einen entsprechenden Haftungsbescheid über Lohnsteuer 32.631,88 €, Kirchensteuer 2.936,91 € und Solidaritätszuschlag 1.794,79 €.
Das Finanzgericht ([X.]) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Es beurteilte den Vorteil aus der [X.] nicht als Lohn, sondern als verdeckte Gewinnausschüttung (vG[X.]).
Mit der Revision rügt das F[X.] die Verletzung materiellen Rechts.
Das F[X.] beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 19. März 2009 11 K 83/07 aufzuheben.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das [X.] ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die vertragswidrige Privatnutzung eines betrieblichen PKW durch den Gesellschafter-Geschäftsführer stets als vGA und nicht als Arbeitslohn der Besteuerung zu unterwerfen ist.
1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) alle geldwerten Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Auch die unentgeltliche bzw. verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Lohnzufluss (Urteile des [X.] --BFH-- vom 4. April 2008 [X.], [X.], 17, [X.], 890; vom 6. November 2001 [X.], [X.], 142, [X.], 370; vom 7. November 2006 [X.], [X.], 256, [X.], 116; [X.]/04, [X.], 252, [X.], 269).
a) Sachlohn und damit ein lohnsteuerlich erheblicher Vorteil ist immer dann anzusetzen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer das betriebliche Fahrzeug nicht vertragswidrig privat nutzt, sondern sich auf eine im Anstellungsvertrag ausdrücklich zugelassene Nutzungsgestattung stützen kann (vgl. BFH-Urteile vom 23. Januar 2008 [X.], [X.], 276; vom 17. Juli 2008 [X.]/07, [X.], 417, und vom 23. April 2009 [X.], [X.], 33).
b) Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen den [X.] ohne entsprechende Gestattung der [X.], liegt eine vGA und kein Arbeitslohn vor. Die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen PKW hat keinen Lohncharakter. Denn ein Vorteil, den der Arbeitnehmer gegen den Willen des Arbeitgebers erlangt, wird nicht "für" eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt und zählt damit nicht zum Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG. Vielmehr ist die ohne Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung erfolgende oder darüber hinausgehende, aber auch die einem ausdrücklichen Verbot widersprechende Nutzung durch das Gesellschaftsverhältnis zumindest mit veranlasst (BFH-Urteil in [X.], 33).
c) Allerdings ist in einem solchen Fall der Nutzungsvorteil nicht stets als vGA zu beurteilen. Bei einer nachhaltigen "vertragswidrigen" privaten Nutzung eines betrieblichen PKW durch den anstellungsvertraglich gebundenen Gesellschafter-Geschäftsführer liegt der Schluss nahe, dass Nutzungsbeschränkung oder -verbot nicht ernstlich, sondern lediglich formal vereinbart sind, da üblicherweise der Arbeitgeber eine unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer nicht duldet. Unterbindet der Arbeitgeber (Kapitalgesellschaft) die unbefugte Nutzung durch den Arbeitnehmer (Gesellschafter-Geschäftsführer) nicht, kann dies sowohl durch das Beteiligungsverhältnis als auch durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sein. Die Zuordnung bedarf dann der wertenden Betrachtung aller Gesamtumstände des Einzelfalls, bei der immer auch zu berücksichtigen ist, dass die "vertragswidrige" Privatnutzung auf einer vom schriftlich Vereinbarten abweichenden, mündlich oder konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungsvereinbarung beruhen und damit im Arbeitsverhältnis wurzeln kann.
2. Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das [X.] hat im zweiten Rechtsgang zunächst --u.U. unter Zuhilfenahme des Anscheinsbeweises (BFH-Urteil vom 28. August 2008 VI R 52/07, [X.], 12, [X.], 280, m.w.N.; [X.] vom 13. April 2005 [X.]/04, [X.] 2005, 1300, und vom 27. Oktober 2005 [X.], [X.] 2006, [X.] zu untersuchen, ob der betriebliche PKW von [X.] genutzt worden ist, und sodann --falls eine private Nutzung festgestellt werden [X.] den Vorteil aus der Privatnutzung der betrieblichen PKW wertend dem Gesellschafts- oder, sofern A Arbeitnehmer der Klägerin [X.] von § 1 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) ist, dem Arbeitsverhältnis zuzuordnen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 33).
Meta
11.02.2010
Urteil
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. März 2009, Az: 11 K 83/07, Urteil
§ 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 8 Abs 1 EStG 2002
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.02.2010, Az. VI R 43/09 (REWIS RS 2010, 9472)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 9472
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung - Reichweite des Anscheinsbeweises bei einem familienangehörigen Arbeitnehmer
1 %-Regelung bei Überlassung mehrerer Kfz - Ermessensfehlerhafte Inhaftungnahme des Arbeitgebers
Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung - Reichweite des Anscheinsbeweises beim angestellten Gesellschafter-Geschäftsführer
Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung - Reichweite des Anscheinsbeweises beim Geschäftsführer eines Familienunternehmens
Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung - Reichweite des Anscheinsbeweises beim Alleingeschäftsführer einer GmbH - Einzelfallbezogene Beweiswürdigung
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