Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 259/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 6333

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100718UVIZR259.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHO[X.]

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]/15

Verkündet am:

10. Juli 2018

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 823 Abs. 1 Aa, [X.], §§ 249 Ha, 253
Verlangt der Geschädigte für erlittene Körperverletzungen uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag nach dem Grundsatz der [X.] des Schmerzensgeldes alle diejenigen Schadensfolgen erfasst, die [X.] bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (st. Rspr.: vgl. zuletzt Senatsurteil vom 20. Januar 2015 -
VI [X.], VersR
2015, 772 Rn. 7 f. mwN).
[X.], Urteil vom 10. Juli 2018 -
VI [X.]/15 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2018
durch
den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin von [X.], [X.] und die Richterin Müller

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 8. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als
das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nebst Zinsen zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des [X.] -
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Erbin des im Laufe des Nichtzulas-sungsbeschwerdeverfahrens verstorbenen Beklagten
(künftig: der Beklagte)
auf Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.
Die zum Unfallzeitpunkt 39-jährige Klägerin stürzte am 14. [X.]ebruar 2012 wegen [X.] auf dem nicht geräumten und nicht gestreuten Gehweg vor dem Anwesen des Beklagten, wodurch sie sich einen
Außenknöchelbruch links 1
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3
-
vom Typ [X.] zuzog. Der Bruch wurde während eines stationären [X.] vom 20. [X.]ebruar bis 7. März 2012 operativ versorgt.
Die Klägerin hat den Beklagten wegen des Unfalls unter anderem auf Zahlung von Schmerzensgeld
(in Höhe von
mindestens

t-ausfall und Ersatz ihres [X.] in Anspruch genommen. Das [X.] hat der Klägerin -
soweit im Revisionsverfahren noch von Inte-resse -

und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Im Übri-gen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie unter anderem eine Verurteilung des Beklagten zur [X.] hat, zurückgewiesen.
Der erkennende Senat hat die Revision der Klägerin zugelassen, soweit das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nebst Zinsen zu-rückgewiesen hat. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr [X.] weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von dem
Be-klagten gemäß § 823 Abs.
1, §§ 249, 253
BGB die Zahlung eines Schmerzens-r-kannten Betrages beinhalte einen angemessenen Ausgleich für die von der 3
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4
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Klägerin bisher erlittenen immateriellen Schäden. Im Streitfall habe sich die Klägerin nach den [X.]eststellungen des [X.]s durch den Sturz einen Bruch des linken Außenknöchels
ohne Verletzung der Gelenksstrukturen im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenkes zugezogen (Typ [X.]), der im Rahmen eines etwa zweieinhalbwöchigen stationären [X.] operativ versorgt worden sei. Die Gebrauchsfähigkeit des linken [X.] sei deutlich eingeschränkt und die Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk links weitgehend aufgehoben. Das Gangbild stelle sich hinkend dar; in die Hocke zu gehen und sich [X.] vermöge die Klägerin weitge-hend nicht. Neben persistierenden Schmerzen, Schlafstörungen und der Bewe-gungseinschränkung habe das [X.] rechtsfehlerfrei auch die [X.] im Bereich der Knöchel und die Narbe berücksichtigt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei
mit 20
% zutreffend festgestellt. Auch wenn die Klägerin weiterhin unter den zuvor angeführten Beschwerden leide, könne derzeit nicht abschließend beurteilt werden und in die Schmerzensgeldbemessung einge-stellt werden, ob und wie
sich der zum [X.]punkt
der letzten mündlichen [X.] bestehende Zustand entwickeln werde. Der Sachverständige habe hierzu überzeugend erklärt, dass die Unfallfolgen in ihrer Dauer und Aus-prägung derzeit nicht abschließend
beurteilt werden könnten. Insbesondere die Schmerzsymptomatik sei
weiterer Abklärung zugänglich. Es kämen ursächlich hierfür sowohl unfallbedingt entstandene Knochenmarködeme als auch eine auf
dem Unfallgeschehen fußende psychosomatische Erkrankung
in Betracht. Je nach Ursache sei eine weitere Behandlung möglich, wenngleich damit nicht unterstellt werden könne, dass sich die Symptomatik in absehbarer [X.] [X.]. Die Klägerin habe sich den vorgeschlagenen weiteren Untersuchungen
(noch) nicht unterzogen.
Unter Berücksichtigung der festgestellten Bemes-sungsfaktoren und des Umstandes, dass die Klägerin in ihren [X.]reizeitmöglich-keiten durch einen Mehrbedarf an [X.] zur Erledigung der Hausarbeit einge--
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schränkt sei,

für angemessen. Bei der Bemessung seien dabei hinsichtlich der [X.] nur diejenigen Verletzungsfolgen berücksichtigt worden, die bis zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26. März 2015 tatsäch-lich eingetreten seien. Den in der Schmerzsymptomatik bereits angelegten, zeit-lich überschießenden immateriellen Schaden habe der Senat von der Schmer-zensgeldbemessung ausgenommen. Insoweit bestehe ein [X.]eststellungsinteres-se und -anspruch, den zutreffend bereits das [X.] ausgeurteilt habe. Der Höhe nach entspreche das zuerkannte Schmerzensgeld auch den in der Rechtsprechung für in etwa vergleichbare [X.]älle zugesprochenen Beträgen.

II.
Das Berufungsurteil hält im Umfang der
Aufhebung revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Streitgegenstand ist im Streitfall ein (einheitlicher) Anspruch der Kläge-rin gegen den Beklagten auf Schmerzensgeld aus dem Schadensereignis vom 14. [X.]ebruar 2012. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet, die Höhe des der Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des [X.] zu bemessen (vgl. [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955
-
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 151 ff.; Senatsurteile vom 6. Dezember 1960
-
VI [X.], [X.], 164 f.; vom 20. März 2001 -
VI [X.], [X.], 876 und
vom 20. Januar 2015 -
VI [X.], [X.], 772).
Verlangt die
Klägerin für erlittene Körperverletzungen -
wie im Streitfall -
uneingeschränkt 5
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ein Schmerzensgeld, so werden durch den Klageantrag alle diejenigen Scha-densfolgen erfasst, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (st. Rspr.: vgl. Senatsurteile vom 11.
Juni 1963
-
VI [X.], [X.], 1048, 1049; vom 8. Juli 1980 -
VI
ZR 72/79, [X.], 975 f.; vom 24. Mai 1988 -
VI [X.], [X.], 929 f.; vom 7. [X.]eb-ruar 1995 -
VI [X.], [X.], 471, 472; vom 20. März 2001 -
VI [X.], [X.], 876; vom 20. Januar 2004 -
VI [X.], [X.], 1334;
vom 14. [X.]ebruar 2006 -
VI [X.], [X.], 1090 Rn. 7 und vom 20. Januar 2015 -
VI [X.], [X.], 772
Rn. 7 f., jeweils mwN). Ledig-lich solche Verletzungsfolgen, die zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht einge-treten waren und deren Eintritt objektiv nicht vorhersehbar war, mit denen also nicht oder nicht ernstlich gerechnet werden musste und die deshalb zwangsläu-fig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt bleiben müs-sen, werden von dem Klageantrag
nicht umfasst und können deshalb die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld
und Gegenstand eines [X.]eststellungsantrags
sein (vgl. Senatsurteil vom 14. [X.]ebruar 2006 -
VI [X.], [X.], 1090 Rn. 7 und
vom 20. Januar 2015 -
VI [X.], [X.], 772 Rn. 8).
2. Nach diesen Grundsätzen durfte sich das Berufungsgericht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht darauf beschränken,
hinsichtlich der Schmerzsymptomatik nur diejenigen Verletzungsfolgen zu berücksichtigen, die bis zum [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung am 26. März 2015
be-reits
tatsächlich eingetreten waren. Dies wäre allenfalls möglich gewesen, wenn die Klägerin eine entsprechende Teilklage erhoben hätte (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 2004 -
VI [X.], [X.], 1334, 1335). Dies ist jedoch nicht der [X.]all. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Klägerin sich bereits mit der Berufungsbegründung
ausdrücklich dagegen gewandt hat, dass schon 7
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das [X.] keine Dauerschäden schmerzensgelderhöhend berücksichtigt habe.
3. Das Berufungsgericht wird mithin zu klären haben, worauf die [X.] fortdauernden Beschwerden, insbesondere die Schmerzsymptomatik, be-ruhen und wie sie sich auf die Höhe des einheitlich zu bemessenen Schmer-zensgeldes auswirken. Der Sachverständige ist nach den [X.]eststellungen des Berufungsgerichts davon ausgegangen, dass
insbesondere die Schmerzsymp-tomatik weiterer Abklärung zugänglich sei. Es kämen ursächlich hierfür sowohl unfallbedingt entstandene Knochenmarködeme
als auch eine auf dem [X.] fußende psychosomatische Erkrankung in Betracht. Die Klägerin habe sich den vorgeschlagenen weiteren Untersuchungen (noch) nicht unter-zogen.
Dies wird nachzuholen sein.
Galke

[X.]
von [X.]

[X.]

Müller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.08.2014 -
3 O 524/12 -

O[X.], Entscheidung vom 08.04.2015 -
7 [X.]/14 -

8

Meta

VI ZR 259/15

10.07.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2018, Az. VI ZR 259/15 (REWIS RS 2018, 6333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6333

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VI ZR 259/15

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