Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2011, Az. 3 StR 344/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2547

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 344/11
vom
11. Oktober 2011
in dem Sicherungsverfahren
gegen

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 11. Oktober 2011
gemäß §
349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 31. Mai 2011 mit den [X.].
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat im zweiten Durchgang wiederum die Unterbringung des Beschuldigten
in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hierge-gen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Nach den Feststellungen öffnete der Beschuldigte in drei Fällen die Hose der infolge einer frühkindlichen Hirnschädigung unter einer mittelgradigen Intelligenzminderung leidenden Zeugin

D.

und führte jeweils einen Finger in deren Scheide ein. Die Geschädigte war aufgrund ihrer geistigen [X.] sowie ihrer Persönlichkeitsstruktur unfähig, den von ihr abgelehnten sexuellen Übergriffen Widerstand
entgegenzusetzen. Dies wusste der Beschul-digte, der die Frau aus gemeinsamer Arbeit kannte. Wegen eines bei einem 1
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Verkehrsunfall erlittenen Frontalhirnsyndroms, das tief greifende Veränderun-gen in der Äußerung der Affekte, Bedürfnisse und Impulse bewirkt hatte, war der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Taten nicht in der Lage, sein Verhalten entsprechend seiner erhalten gebliebenen Unrechtseinsicht zu steuern.
Das [X.] ist auf der Grundlage dieser Feststellungen davon aus-gegangen, der Beschuldigte habe im Zustand der Schuldunfähigkeit in drei Fäl-len eine widerstandsunfähige Person sexuell missbraucht. Zur Frage der [X.] der Geschädigten hat es zwei [X.] erholt, denen es sich angeschlossen hat. Es hat die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil von ihm in vergleichbaren Reizsituationen gleichartige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Wegen der Unberechenbarkeit des Beschuldigten erscheine eine von seinem Einverständnis abhängige Kontrolle durch die Ehefrau nicht ausreichend, um den Schutz der Allgemeinheit auch ohne Vollstreckung der Maßregel zu gewährleisten.
2.
Gegen die angeordnete Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil die Ausführungen zu den Anlasstaten Rechtsfehler aufweisen.
a)
Die Beweiswürdigung zu der für den objektiven Tatbestand des sexu-ellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen entscheidenden Feststel-lung, die Geschädigte sei bei den sexuellen Übergriffen widerstandsunfähig im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewesen, ist lückenhaft. Das [X.] hat bei der Prüfung, ob die Angaben der Geschädigten glaubhaft sind, u.a. ausgeführt, ihre erstmals im Hauptverhandlungstermin getätigte Aussage, sie sei tatsächlich mit dem Beschuldigten hinter ein Gebüsch gegangen und habe dies nicht -
wie zuvor konstant angegeben -
verweigert, sei mit den Schamge-3
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fühlen der Zeugin zu erklären. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, von welcher der beiden Alternativen das [X.] ausgegangen ist. Die Sachverhaltsfeststellungen verhalten sich hierzu nicht. Sollte sich die [X.] jedoch tatsächlich mit Erfolg geweigert haben, mit dem Beschuldigten [X.] ein Gebüsch zu gehen, würde dies für ihre erhalten gebliebene Fähigkeit sprechen, einen zur Abwehr der sexuellen Handlungen ausreichenden [X.] bilden, äußern oder durchsetzen zu können. Mit dieser sich auf-drängenden Frage hat sich das [X.] nicht befasst.
b)
Die Beweiswürdigung belegt darüber hinaus nicht die Feststellung, der Beschuldigte habe erkannt, dass die Geschädigte aufgrund ihrer geistigen [X.] und ihrer Persönlichkeitsstruktur in der für sie ungewohnten Situation unfähig gewesen sei, die sexuellen Handlungen abzuwehren oder diesen Wi-derstand entgegen zu setzen. Allein der Umstand, dass der Beschuldigte die Zeugin aus gemeinsamer Arbeit kannte, belegt dies nicht. Nähere beweiswür-digende Erwägungen zu diesem Punkt fehlen.
c)
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Der [X.] hat sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
Für das neue Verfahren weist der [X.] auf folgendes hin:
Sollte der Beschuldigte die etwaige [X.] der [X.]n allein aufgrund seiner psychischen Verfassung infolge des Frontalhirn-syndroms verkannt haben, stünde dies der Annahme nicht entgegen, er habe im Sinne des § 63 StGB rechtswidrig eine Tat nach § 179 StGB begangen
(Fischer, StGB, 58. Aufl.,
§ 63 Rn. 3 mwN).
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Bei der Prüfung der Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemein-heit
(§ 63 StGB) und der Frage, ob die Unterbringung des Beschuldigten in ei-nem psychiatrischen Krankenhaus gegebenenfalls zur Bewährung ausgesetzt werden kann, wird nicht unbeachtet bleiben dürfen, dass seit der letzten [X.] nunmehr [X.] sind und der Beschuldigte -
jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen -
in der Zwischenzeit nicht mit strafrechtlich relevantem Verhalten aufgefallen ist.
[X.]von [X.]Schäfer

Mayer Menges
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Meta

3 StR 344/11

11.10.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2011, Az. 3 StR 344/11 (REWIS RS 2011, 2547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2547

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