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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 410/10 vom 23. November 2010 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 23. November 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil der aus-wärtigen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 19. Juli 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psy-chiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen wendet sich der Beschuldigte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 1. Nach den Feststellungen öffnete der Beschuldigte in drei Fällen die Hose der zu 100 % geistig behinderten Zeugin und führte jeweils einen Finger in deren Scheide ein. Die Geschädigte war aufgrund ihrer geistigen Behinde-rung unfähig, die von ihr abgelehnten sexuellen Übergriffe abzuwehren. Dies nutzte der Beschuldigte aus, der wusste, dass die Frau die sexuellen Handlun-gen nicht wollte und aufgrund ihrer Behinderung zum Widerstand außerstande war. Wegen eines bei einem Verkehrsunfall erlittenen Frontalhirnsyndroms, das tiefgreifende Veränderungen in der Äußerung der Affekte, Bedürfnisse und Im-pulse bewirkt hatte, war der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Taten nicht in der 2 - 3 - Lage, sein Verhalten entsprechend seiner erhalten gebliebenen [X.] zu steuern. Das [X.] ist auf der Grundlage dieser Feststellungen davon aus-gegangen, der Beschuldigte habe im Zustand der Schuldunfähigkeit in drei Fäl-len eine widerstandsunfähige Person sexuell missbraucht. Es hat seine Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet, weil von ihm in vergleichbaren Reizsituationen gleichartige Taten zu erwarten seien und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Wegen der Unberechenbarkeit des Beschuldigten erscheine eine von seinem Einverständnis abhängige Kontrolle durch die Ehefrau nicht ausreichend, um den Schutz der Allgemeinheit auch ohne Vollstreckung der Maßregel zu gewährleisten. 3 2. Gegen die angeordnete Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. 4 a) Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB setzt neben der positiven Feststellung einer auf einem länger andauern-den, nicht nur vorübergehenden geistigen Defekt beruhenden Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) voraus, dass die unterzubringende Person eine rechtswidrige Tat begangen hat, in der sich die geistige Störung manifestiert. Weiterhin muss die Gesamt-würdigung von Tat und Täter ergeben, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die [X.] gefährlich ist. 5 b) Das [X.] hat zwar rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Steue-rungsfähigkeit des Beschuldigten wegen einer krankhaften seelischen Störung bei den ihm zur Last liegenden Taten aufgehoben war. Die Beweiswürdigung 6 - 4 - belegt aber nicht die für den objektiven Tatbestand des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen entscheidende Feststellung, die Geschädigte sei bei den sexuellen Übergriffen widerstandsunfähig gewesen. [X.] im Sinne des § 179 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist, wer aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen keinen zur Abwehr ausreichenden Widerstandswillen bilden, äußern oder durchsetzen kann. Dabei genügt es, dass das Tatopfer nur vorübergehend widerstandsunfähig ist. Als Ursache einer solchen Unfähigkeit kommen nicht nur geistig-seelische Erkrankungen, sondern auch sonstige geistig-seelische Beeinträchtigungen in Betracht, die sich etwa aus einem Zusammentreffen einer besonderen Persönlichkeitsstruktur des Op-fers und seiner Beeinträchtigung durch die [X.] infolge Überraschung, Schreck oder Schock ergeben. Der Tatrichter hat - gegebenenfalls mit Hilfe ei-nes Sachverständigen - aufgrund einer Gesamtbetrachtung, in die auch das aktuelle Tatgeschehen einzubeziehen ist, die geistig-seelische Verfassung des Tatopfers und deren Auswirkungen auf das Opferverhalten zu prüfen und in den Urteilsgründen darzulegen ([X.], Urteil vom 15. März 1989 - 2 [X.], [X.]St 36, 145, 147). 7 Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die [X.] hat seine Überzeugung von der [X.]keit der Geschä-digten nicht begründet, so dass für den Senat nicht nachprüfbar ist, ob sie zu Recht von einer psychischen [X.]keit der Zeugin ausgegangen ist. Sie hat sich lediglich mit Hilfe eines aussagepsychologischen Sachverstän-digengutachtens von der Aussagetüchtigkeit der Geschädigten sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben überzeugt. Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht entnehmen, was Grundlage der Feststellung ist, die Geschädigte sei zu 100 % geistig behindert. Entscheidend kommt hinzu, dass die bloße [X.] - 5 - lung einer geistigen Behinderung allein die Annahme von [X.]-keit nicht belegt ([X.], Beschluss vom 21. April 2005 - 4 StR 89/05, [X.], 232; [X.], Beschluss vom 1. April 2003 - 4 [X.], [X.], 602; [X.], Beschluss vom 13. November 2002 - 4 StR 438/02, [X.]R StGB § 179 I [X.]keit 9; [X.], StGB, 57. Aufl., § 179 Rn. 9). Ein fachpsy-chiatrisches Gutachten zur Schwere der geistigen Behinderung und deren Auswirkungen auf die Widerstandsfähigkeit der Geschädigten zu den [X.] wurde ausweislich der Urteilsgründe nicht erstattet. Der persönliche Eindruck von der Geschädigten in der Hauptverhandlung lässt eine Aussage über deren Widerstandsfähigkeit gegen sexuelle Übergriffe schwerlich zu. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. [X.]von Lienen Sost-Scheible [X.]
Meta
23.11.2010
Bundesgerichtshof 3. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2010, Az. 3 StR 410/10 (REWIS RS 2010, 1166)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 1166
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