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Normwiederholung einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Vorschrift für Übergangsfälle (Hessisches Sonderurlaubsgesetz)
L e i t s a t z
zum Beschluß des [X.] vom 15. Juli 1997
- 1 BvL 20/94 -
- 1 BvL 6/96 -
[X.]
- 1 BvL 20/94 -
- 1 BvL 6/96 -
ob § 8 Abs. 2 des [X.] über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit vom 28. März 1951 in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1994 (GVBl I S. 126), eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Sonderurlaub für Mitarbeiter in der Jugendarbeit vom 27. Juli 1993 (GVBl I S. 364), mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, |
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- [X.] und Vorlagebeschlüsse |
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a) |
des [X.] vom 22. Juni 1994 (14 Ca 8411/93) |
- 1 BvL 20/94 -,
b) |
des [X.] vom 20. Dezember 1995 (1 Ca 373/95) |
- 1 BvL 6/96 -
hat das [X.] - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten [X.],
[X.],
Kühling,
der Richterinnen [X.],
[X.]
und der Richter Hömig,
[X.]
am 15. Juli 1997 beschlossen:
Die Vorlagen betreffen die Verfassungsmäßigkeit einer Übergangsregelung im [X.] über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit in der Fassung vom 11. Februar 1994.
1. Das [X.] Gesetz über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 1994 ([X.]; künftig: [X.]gesetz) gewährt Arbeitnehmern für bestimmte ehrenamtliche Tätigkeiten in der Jugendarbeit einen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub von bis zu 12 Arbeitstagen im Jahr. Privaten Arbeitgebern wird das während eines [X.] gezahlte Arbeitsentgelt abzüglich der Sozialversicherungsbeiträge aus einem Ausgleichsfonds erstattet. Der Ausgleichsfonds wird durch eine Abgabe finanziert, die private Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen zu entrichten haben.
Eingeführt wurde der Ausgleichsfonds durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Sonderurlaub für Mitarbeiter in der Jugendarbeit vom 27. Juli 1993 ([X.]; künftig: Änderungsgesetz). Nach der früheren Rechtslage mußte der Arbeitgeber bezahlten Sonderurlaub ohne Ausgleich gewähren. Diese Regelung hat das [X.] im Februar 1992 für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG erklärt ([X.] 85, 226). Das Änderungsgesetz enthält die folgende Übergangsregelung (§ 8 Abs. 2 [X.]gesetz, eingefügt durch Art. 1 Nr. 7 des Änderungsgesetzes):
(2) Für Sonderurlaub nach § 1, der vor dem 31. Dezember 1993 gewährt wurde, haben die Arbeitgeber Entgeltfortzahlung nach dem [X.]gesetz in der bisherigen Fassung zu leisten.
Diese Bestimmung ist Gegenstand der Vorlagen.
2. a) Im Ausgangsverfahren zur Normenkontrollsache 1 BvL 20/94 forderte der Kläger Arbeitsentgelt für Sonderurlaub aus den Jahren 1992 und 1993. Das Arbeitsgericht setzte das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 GG aus, um die Entscheidung des [X.]s darüber einzuholen, ob § 8 Abs. 2 [X.]gesetz verfassungsmäßig ist. Von der Verfassungsmäßigkeit der Norm hänge die Entscheidung ab. Die übrigen Voraussetzungen für eine Entgeltzahlung lägen unstreitig vor. Die Belastung des Arbeitgebers mit den vollen Lohnkosten für die Zeit des [X.] verstoße nach der bereits genannten Entscheidung des [X.]s gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Diese Regelung hätte auch für Altfälle nicht aufrechterhalten werden dürfen.
b) Im Ausgangsverfahren zur [X.] verklagte die Arbeitgeberin einen früheren Arbeitnehmer auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt, das sie ihm in den Jahren von 1983 bis 1991 während mehrerer Sonderurlaube unter dem Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit des [X.]gesetzes gezahlt hatte.
Das Arbeitsgericht setzte das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG zur Einholung der Entscheidung des [X.]s aus, ob § 8 Abs. 2 [X.]gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Klage wäre begründet, wenn diese Norm ungültig wäre und die Arbeitgeberin damit [X.] gezahlt hätte. Wäre die Norm dagegen gültig, hätte die Arbeitgeberin mit Rechtsgrund gezahlt. Die Rückzahlungsverpflichtung sei weder verjährt noch nach dem einschlägigen Tarifvertrag verfallen. Auch § 814 BGB stehe der Rückforderung nicht entgegen, weil die Arbeitgeberin unter Vorbehalt geleistet habe. Auf § 818 Abs. 3 BGB habe sich der Arbeitnehmer nicht berufen.
Die vorgelegte Norm sei nach der Entscheidung des [X.]s zur früheren Fassung des [X.]gesetzes verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe die verfassungswidrige Regelung für sämtliche Altfälle aufrechterhalten. Die Bedenken des [X.]s träfen aber auch für diese Fallgruppe zu. Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm sei nicht möglich.
Zu den Vorlagebeschlüssen hat die [X.] Stellung genommen. Sie teilt mit, nach dem Gesetzentwurf vom 9. Februar 1993 ([X.]. 13/3797) hätten wohl auch die Altfälle in die Fondslösung einbezogen werden können. Eine Begründung für die Übergangsregelung des § 8 Abs. 2 [X.]gesetz lasse sich den Materialien nicht entnehmen.
§ 8 Abs. 2 Sonderurlaubgesetz ist mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.
1. Diese Norm schreibt die Anwendbarkeit der früheren Regelung für alle Fälle vor, in denen Sonderurlaub vor dem 31. Dezember 1993 gewährt worden ist. Die frühere Regelung hat das [X.] jedoch in seiner Entscheidung vom 11. Februar 1992 für unvereinbar mit der Berufsfreiheit der Arbeitgeber erklärt ([X.] 85, 226 <234 ff.>). Das hindert den [X.]n Landesgesetzgeber zwar nicht daran, eine inhaltlich gleichlautende Bestimmung zu erlassen (vgl. [X.] 77, 84 <103 f.>). Es kann dabei aber die vom [X.] festgestellten Gründe der Verfassungswidrigkeit des ursprünglichen Gesetzes nicht übergehen. Eine Normwiederholung verlangt vielmehr ihrerseits besondere Gründe, die sich vor allem aus einer wesentlichen Änderung der für die verfassungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse oder der ihr zugrunde liegenden Anschauungen ergeben können. Fehlen solche Gründe, ist das [X.] nicht gehalten, die bereits entschiedenen verfassungsrechtlichen Fragen erneut zu erörtern.
2. Hier hat der Landesgesetzgeber die Frage, ob geänderte Verhältnisse die - auf zurückliegende Fälle beschränkte - Aufrechterhaltung der für verfassungswidrig erklärten Regelung rechtfertigen können, anscheinend nicht einmal erwogen. Jedenfalls läßt sich aus den Materialien kein Hinweis entnehmen, der darauf hindeutet. Im Gesetzentwurf war eine Übergangsregelung nicht vorgesehen. Der [X.] hat in seiner Stellungnahme dazu lediglich die Erwartung geäußert, daß auch für die Altfälle ein Erstattungsanspruch geschaffen werde ([X.] Bericht der 30. Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit vom 4. Mai 1993 - JGA/13/30 -). Die vorgelegte Norm ist erst während der parlamentarischen Beratungen in das [X.]gesetz eingefügt worden. Der entsprechende Änderungsantrag enthält keine Begründung ([X.]. 13/4447).
Auch in den Normenkontrollverfahren sind Gründe, die zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung der vorgelegten Regelung führen könnten, weder vorgebracht noch sonstwie erkennbar geworden. Der Umstand allein, daß ihre Anwendung sich auf die Fälle beschränkt, in denen Sonderurlaub vor dem 31. Dezember 1993 gewährt wurde, ist nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen oder abzuschwächen. Das gilt um so mehr, als das [X.] in seiner bereits mehrfach zitierten Entscheidung die Anwendung der Regelung ausdrücklich auch für die seinerzeit anhängigen Fälle ausgeschlossen hat ([X.] 85, 226 <238>).
Die Unvereinbarkeit der vorgelegten Norm mit Art. 12 Abs. 1 GG führt nicht zu ihrer Nichtigkeit. Der Landesgesetzgeber kann ihre Verfassungswidrigkeit auf verschiedene Weise beseitigen. Er kann etwa die Fondslösung auf die Altfälle erstrecken oder eine Erstattung aus der Landeskasse vorsehen.
[X.] | [X.] | Kühling | |||||||||
[X.] | [X.] | Hömig | |||||||||
[X.] |
Meta
15.07.1997
Sachgebiet: BvL
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 15.07.1997, Az. 1 BvL 20/94, 1 BvL 6/96 (REWIS RS 1997, 894)
Papierfundstellen: REWIS RS 1997, 894 BVerfGE 96, 260-264 REWIS RS 1997, 894
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