Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2023, Az. 4 StR 33/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 5156

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Oktober 2022 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte statt des [X.] begangenen – vorsätzlichen Besitzes von in § 2 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen (letzter Punkt des Schuldspruchs, Fälle [X.]) der Urteilsgründe) des [X.] begangenen – vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „Herstellen[s] von und Überlassen[s] der tatsächlichen Gewalt über zwei Kriegswaffen an einen anderen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 KrWaffKontrG, wobei er gewerblich handelte“, in Tateinheit mit „Überlassen der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe an einen anderen ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 1 KrWaffKontrG, wobei er gewerblich handelte, vorsätzliche[m] Besitz von fünf halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von [X.] nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1, Besitz von Munition ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1“ und mit „vorsätzliche[m] Besitz von in § 2 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen“ zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zu einer Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] jedenfalls unbegründet. Ergänzend bemerkt der [X.], dass der Rüge der Erfolg auch insoweit versagt bleibt, als mit ihr geltend gemacht wird, dass die Verhandlungsdolmetscherin nicht ordnungsgemäß als Sachverständige belehrt worden sei. Ein Verstoß gegen § 72, § 57 StPO begründet die Revision nicht, weil § 57 StPO nur eine Ordnungsvorschrift ist, die allein dem Schutz des Zeugen beziehungsweise des Sachverständigen, nicht den Belangen des Angeklagten dient ([X.], Urteil vom 7. Juli 1997 – 5 StR 17/97, [X.], 158, 159).

3

2. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht vollständig stand. Das [X.] hat im Hinblick auf die am 9. Dezember 2021 in der Wohnung des Angeklagten gefundenen Waffen (Repetiergewehr „Gewehr 88“ des Herstellers [X.] und Maschinengewehr „[X.]“ des Herstellers [X.]) unzutreffend jeweils eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 51 Abs. 1 [X.] („vorsätzlicher Besitz von in § 2 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1 genannten zwei Schusswaffen“) angenommen.

4

a) Wie das [X.] ausweislich der Urteilsgründe selbst erkannt hat, gehört das Gewehr des Herstellers [X.] nicht zu den von § 51 Abs. 1 [X.] erfassten Schusswaffen, denn es ist als Repetiergewehr weder ein Vollautomat im Sinne der Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1 noch ist festgestellt, dass es sich um eine Vorderschaftrepetierflinte mit den in der Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.2 genannten Eigenschaften handelt. Der Angeklagte hat nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen insoweit aber den Tatbestand des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 a) [X.]. 2 [X.] verwirklicht.

5

aa) Der Umgang mit dem Gewehr – einer Repetierwaffe im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.3 zum [X.] – unterliegt gemäß § 2 Abs. 2 [X.] i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 der Erlaubnispflicht. Eine Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 a) oder b) [X.], die gegenüber den Tatbeständen des § 52 Abs. 3 Nr. 2 [X.] vorrangig wäre (§ 52 Abs. 3 Nr. 2 [X.] [X.]), scheidet aus, da weder ein Erwerb des Gewehrs durch den Angeklagten zum Zwecke der Überlassung an einen Nichtberechtigten festgestellt ist noch es sich um eine halbautomatische Kurzwaffe handelt.

6

bb) Der Besitz war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 2 Abs. 4 [X.] i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 2b. erlaubnisfrei. Denn das Gewehr war zwar aufgrund einer technischen Veränderung schussunfähig, aber keine im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 unbrauchbar gemachte Schusswaffe ([X.]). Dem Zusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, dass die vorausgesetzte behördliche Bescheinigung nicht ausgestellt war und die überdies erforderliche Kennzeichnung des Gewehrs fehlte. Zudem waren auch die materiellen Anforderungen an eine [X.]machung, wie sie sich aus der Durchführungsverordnung ([X.]) 2018/337 (Anhang 1, Tabelle [X.], Nr. 5.6 - 5.8) ergeben, nicht gegeben, da – wie im Urteil ausdrücklich festgestellt ist – jedenfalls der Verschluss nicht in der vorgeschriebenen Weise bearbeitet war.

7

cc) Dem Angeklagten stand ferner keine nach § 25c Abs. 1 Satz 1 AWaffV fortbestehende Berechtigung zum Besitz zu. Die Urteilsgründe verhalten sich zwar nicht dazu, ob das Gewehr bereits vor einem der in § 25c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 AWaffV genannten Zeitpunkte unbrauchbar gemacht worden war. Dies kann indes auch dahinstehen, denn die Anforderungen an eine [X.]machung wären nach keiner der von § 25c Abs. 1 AWaffV in Bezug genommenen Vorschriften erfüllt. Sowohl § 7 der [X.] zum Waffengesetz vom 24. Mai 1976 als auch Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.4 zum [X.] i.d.[X.] vom 11. Oktober 2002 und die Durchführungsverordnung ([X.]) 2015/2403 setzten voraus, dass – anders als hier festgestellt – der Verschluss bearbeitet und dauerhaft funktionsunfähig gemacht wird.

8

b) Auf das Maschinengewehr des Herstellers [X.] als Kriegswaffe i.S.v. § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG i.V.m. Nr. 29 a) der Kriegswaffenliste ist das Waffengesetz nicht anwendbar (§ 57 Abs. 1 [X.]). Der [X.] kann aber den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen entnehmen, dass der Angeklagte den Tatbestand des § 22a Abs. 1 Nr. 6 a) KrWaffKontrG – Ausüben der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe – erfüllt hat.

9

aa) Insbesondere war das Maschinengewehr durch die an ihm vorgenommenen technischen Veränderungen nicht i.S.d. § 13a Satz 2 KrWaffKontrG unbrauchbar gemacht worden und hatte daher seine Eigenschaft als Kriegswaffe nicht verloren. [X.] gemacht ist eine Kriegswaffe nach dieser Vorschrift dann, wenn sie durch technische Veränderungen endgültig die Fähigkeit zum bestimmungsgemäßen Einsatz verloren hat und nicht mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen wieder funktionsfähig gemacht werden kann. Dabei richten sich die für die [X.]machung erforderlichen technischen Veränderungen gemäß § 13a Satz 3 KrWaffKontrG i.V.m. § 2 der Verordnung über die [X.]machung von Kriegswaffen und über den Umgang mit unbrauchbar gemachten Kriegswaffen nach der Art der Kriegswaffe. Nach der weiter heranzuziehenden Richtlinie des [X.] vom 21. April 1999 (Geschäftszeichen [X.] - 10 17 03) (vgl. Lampe/[X.] in Erbs/[X.], 245. EL Februar 2023, § 1 [X.] Rn. 2) verlieren Maschinengewehre der Nr. 29 a) der Kriegswaffenliste ihre Eigenschaft als Kriegswaffe nur dann, wenn unter anderem Verschluss und Patronenlager wie dort vorgesehen verändert sind. Diese Voraussetzungen sind nach den Urteilsfeststellungen nicht erfüllt, da der Drehverschluss und das Patronenlager unverändert waren.

bb) Im Übrigen stellt der unveränderte Verschluss des Maschinengewehrs auch für sich genommen eine Kriegswaffe gemäß § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG i.V.m. Nr. 35 der Kriegswaffenliste dar.

c) Der [X.] ändert den Schuldspruch demgemäß jeweils entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der insoweit geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

d) Der Strafausspruch bleibt unberührt. Der [X.] schließt mit Blick auf die Vielzahl der Rechtsverstöße des Angeklagten aus, dass das [X.] bei zutreffender Fassung des Schuldspruchs eine geringere Strafe verhängt hätte, zumal die Schuldspruchänderung lediglich hinsichtlich des Gewehrs „[X.]“ zu einer milderen rechtlichen Bewertung der Tat (Vergehenstatbestand des § 52 Abs. 3 [X.] statt Verbrechenstatbestand des § 51 Abs. 1 [X.]) führt.

3. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen gemäß § 473 Abs. 4 StPO teilweise zu entlasten.

Quentin     

  

Maatsch     

  

Ri[X.] Dr. Scheuß ist
wegen Urlaubs an der
Unterschriftsleistung gehindert.

  

  

  

  

Quentin

  

Dietsch     

  

Marks     

  

Meta

4 StR 33/23

05.07.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hagen (Westfalen), 12. Oktober 2022, Az: 46 KLs 7/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.07.2023, Az. 4 StR 33/23 (REWIS RS 2023, 5156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5156

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 102/22 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung einer Bandenabrede und Irrtum über Funktionalität von Waffe


1 StR 433/18 (Bundesgerichtshof)

Einstufung von in ihrer Funktion beeinträchtigter Waffen als Kriegswaffen


4 StR 523/20 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung u.a. wegen unerlaubten Waffenbesitzes: Notwendige Urteilsfeststellungen zur Funktionsfähigkeit der Waffen; strafmildernde Berücksichtigung der Einziehung …


AK 49/22 (Bundesgerichtshof)


W 9 K 16.1307 (VG Würzburg)

Waffenbesitzverbot - Sachgemäße Aufbewahrung von Waffen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.