Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2015, Az. III R 54/13

3. Senat | REWIS RS 2015, 12587

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Gegenstand

(Kindergeld: Beginn der Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG )


Leitsatz

Die Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG beginnt mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes, auch wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2013  8 K 8130/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Mutter eines im Juli 1991 geborenen [X.], für den sie von der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) Kindergeld bezog. Seit Oktober 2008 übte der [X.] eine Ausbildung zum Gärtner aus. Das Ausbildungsverhältnis wurde vom Ausbildungsbetrieb zum 30. April 2009 gekündigt.

2

Unmittelbar im [X.] an die Kündigung meldete sich der [X.] bei der [X.]. Er bat um zeitnahe Musterung und einen Termin beim Wehrdienstberater. Nachdem er zunächst als nicht wehrdienstfähig gemustert wurde, erhob er Widerspruch und wurde im Juli 2009 zum 1. Oktober 2009 zum Grundwehrdienst und einem anschließenden freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst von 14 Monaten einberufen.

3

Die Familienkasse lehnte die Festsetzung von Kindergeld für die Monate August und September 2009 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde im September 2009 zurückgewiesen, die anschließend erhobene Klage blieb erfolglos.

4

Das Finanzgericht ([X.]) führte im angefochtenen Urteil aus, der [X.] der Klägerin könne weder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für das [X.] geltenden Fassung (EStG) noch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] berücksichtigt werden. In den [X.] gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG seien auch Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres einzurechnen, so dass dieser Zeitraum im Streitfall abgelaufen gewesen sei. Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] setze eine ernsthafte Suche nach einem Ausbildungsplatz voraus, woran es im Streitfall fehle.

5

Das Urteil des [X.] wurde der Klägerin am 28. Mai 2013 zugestellt. Am 25. Juni 2013 beantragte sie Prozesskostenhilfe (PKH) für das Revisionsverfahren unter Beiordnung ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten, die mit Senatsbeschluss vom 24. September 2013 III S 21/13 (PKH), der Klägerin zugestellt am 21. Oktober 2013, bewilligt wurde.

6

Mit der am 28. Oktober 2013 eingelegten und begründeten Revision verfolgt die Klägerin ihr Ziel weiter. Sie macht geltend, dass ihr [X.] im August und September 2009 sowohl gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zu berücksichtigen sei, wie sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes ergebe, als auch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.].

7

Die Klägerin beantragt, die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung, die Einspruchsentscheidung und das angefochtene Urteil aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für ihren [X.] Kindergeld für die Monate August und September 2009 festzusetzen.

8

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Zur Begründung führt sie aus, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG solle nur "Zwangspausen" auf dem Weg zum Abschluss der Ausbildung erfassen. Um eine solche Zwangspause handele es sich bei typisierender Betrachtung nicht mehr, wenn die Unterbrechung mehr als vier Monate dauere, unabhängig davon, ob das Kind bei Beginn der Unterbrechung das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist zulässig, aber unbegründet und ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

1. Die Revision ist zulässig.

Die Klägerin hat zwar zunächst sowohl die Frist zur Einlegung der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) als auch die Frist zur Begründung der Revision (§ 120 Abs. 2 Satz 1 [X.]O) versäumt. Nach ordnungsgemäßer Einlegung und Begründung der Revision ist der Klägerin insofern aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 [X.]O). Die Fristversäumnis war unverschuldet, da die Klägerin wegen Mittellosigkeit nicht zur fristgerechten Einlegung und Begründung durch einen postulationsfähigen Vertreter in der Lage war und innerhalb der Revisionsfrist einen ordnungsgemäßen und vollständigen Antrag auf PKH gestellt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Mai 2005 III B 55/05, [X.] 2005, 1616). Nach Bewilligung der PKH hat die Klägerin die Revision fristgerecht (§ 56 Abs. 2 Satz 1 [X.]O) eingelegt und begründet.

2. Die Revision ist unbegründet.

[X.], das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG berücksichtigt, wenn es sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG liegt.

a) Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der [X.] der Klägerin nicht wegen einer Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zu berücksichtigen ist. Bei Überschreiten der Übergangszeit kommt eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 15. Juli 2003 VIII R 78/99, [X.], 90, [X.] 2003, 841, unter [X.]; Senatsurteile vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, [X.], 137, [X.] 2012, 678, Rz 15, und III R 41/07, [X.], 144, [X.] 2012, 681, Rz 21). Die Übergangszeit beginnt mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes, auch wenn das Kind zu diesem [X.]punkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

aa) Dies legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe (a.[X.]/[X.], EStG, 34. Aufl., § 32 Rz 30). § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG enthält weder ausdrücklich noch dem Sinn nach eine Beschränkung auf Übergangszeiten nach Vollendung des 18. Lebensjahres. Die Norm setzt zwar voraus, dass die Übergangszeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres andauert, schließt aber gerade nicht aus, dass sie bereits davor begonnen hat. Sie geht von einer einheitlichen Übergangszeit aus und enthält keine Hinweise auf eine Aufteilung in eine [X.] vor und eine [X.] nach Vollendung des 18. Lebensjahres.

bb) Es entspricht auch dem Zweck der Regelung, die [X.] vor Vollendung des 18. Lebensjahres zur Übergangszeit zu zählen. Die Gesetzessystematik steht dem nicht entgegen (a.[X.]/ [X.], a.a.O.).

(1) Die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG stellt gegenüber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG eine vereinfachende Auffangvorschrift dar. Bei einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von nicht mehr als vier Monaten geht der Gesetzgeber typisierend davon aus, dass ein Kind gehindert ist, seine Ausbildung zu einem früheren [X.]punkt fortzusetzen (Senatsurteil vom 27. Januar 2011 III R 57/10, [X.] 2011, 1316, Rz 12). Für die Möglichkeit zur Neuorientierung bzw. Fortsetzung der Ausbildung ist es regelmäßig unerheblich, ob das Kind bei Abschluss des der Übergangszeit unmittelbar vorausgehenden Ausbildungsabschnittes oder Dienstes das 18. Lebensjahr schon vollendet hat oder demnächst vollenden wird.

(2) Die Beschränkung der Übergangszeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG wird gerechtfertigt durch die typisierende Annahme, dass volljährige gesunde Kinder, die längere Übergangszeiten zu überbrücken haben, während dieser [X.] eine Erwerbstätigkeit (ggf. Aushilfstätigkeit) aufnehmen und sich gegenüber ihren Eltern nicht mehr in einer Unterhaltssituation befinden (Senatsurteile in [X.], 137, [X.] 2012, 678, Rz 29, und in [X.], 144, [X.] 2012, 681, Rz 33). Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres werden Kinder auch in Übergangszeiten unabhängig von § 32 Abs. 4 EStG schon gemäß § 32 Abs. 3 EStG berücksichtigt. Von Kindern, die während der Übergangszeit das 18. Lebensjahr vollenden, kann nach Ablauf der Übergangszeit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in gleicher Weise erwartet werden wie von einem von Anfang an volljährigen Kind.

b) Der [X.] der Klägerin ist auch nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist dafür erforderlich, dass das Kind sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 68/10, [X.], 421, [X.] 2012, 686, Rz 20, m.w.N.). Ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz innerhalb der [X.] ist nach den Feststellungen des [X.] zu verneinen.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 54/13

16.04.2015

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 7. Mai 2013, Az: 8 K 8130/12, Urteil

§ 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst b EStG 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2015, Az. III R 54/13 (REWIS RS 2015, 12587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12587

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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