Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2012, Az. 3 StR 108/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 7382

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 108/12
vom
11. April 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
u.a.

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2
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Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 11.
April 2012 gemäß §
349 Abs.
4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14.
November 2011 mit den [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Neben-klägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an ei-ne andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefoh-lenen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuel-lem Missbrauch von Schutzbefohlenen in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs
Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die [X.] des Angeklagten, die das Verfahren beanstandet und die Sachrüge erhebt. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Auf die Sachrüge kommt es daher nicht an.

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1. Die Beanstandung der Revision, die -
unverändert zugelassene -
An-klageschrift sei nicht ausreichend konkretisiert, so dass es an einer [X.] fehle, ist allerdings aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet.

2. Hingegen ist die Rüge der Verletzung von §
252 StPO zulässig und begründet. Insoweit hat der [X.] im Wesentlichen ausgeführt:

"1.
Die Geschädigte

R.

, Tochter des Angeklagten, hat in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §
52 StPO Gebrauch gemacht. Die Kammer hat in der Folge zunächst Frau [X.] S.

, die die Geschädigte richterlich vernommen [X.], als Zeugin gehört. Nach deren Entlassung wurde sodann die von der Zeugin Sch.

aufgenommene Niederschrift über
die richterliche Vernehmung verlesen ([X.] f.; [X.]. 315 Bd. II
d.A.). Der Wortlaut der verlesenen Vernehmungsniederschrift wird im Urteil umfassend wiedergegeben ([X.] bis 29). Im Rahmen der Beweiswürdigung führt die [X.] aus, dass die Angaben der Geschädigten bei ihrer richterlichen Vernehmung durch die Zeugenvernehmung der Richterin 'und durch ergänzende Verlesung des Vernehmungsproto-kolls'
eingeführt und von der Kammer zur Grundlage ihrer Würdigung gemacht worden sind ([X.] f.).

2.
Mit der Verlesung und Verwertung der Vernehmungsniederschrift hat die [X.] gegen §
252 StPO verstoßen. Gemäß dieser Vorschrift darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernom-menen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem [X.] Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Nach ständiger Rechtsprechung lässt §
252 StPO zwar die Vernehmung der richterlichen [X.] als Zeuge zu. Im Rahmen dieser Beweisaufnahme darf das richterliche Vernehmungsprotokoll als Vor-halt genutzt werden. Zulässiges Beweismittel ist aber immer nur die auf die Erinnerung gegründete Aussage des richterlichen Zeugen, nicht dagegen das Protokoll (vgl. [X.]St 10, 77; [X.] StV 1996, 522; NJW 2008, 1010). Vorliegend wird der Gesetzesverstoß sowohl durch 2
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4
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den Gang der Hauptverhandlung, in der die Niederschrift erst nach der Entlassung der richterlichen Zeugin verlesen wurde, wie durch die umfangreiche wörtliche Wiedergabe im Urteil wie auch durch die Be-nennung als 'ergänzendes'
Beweismittel im Rahmen der Beweiswür-digung belegt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht. Die Angaben der Zeugin

R.

bei der richterlichen Vernehmung waren die einzige [X.] für die Feststellung des konkreten Verlaufs der abgeurteilten Taten. Bei der Beweiswürdigung hat die [X.] sich [X.] auf die 'möglichst wortgetreue Wiedergabe der Formulierungen der Geschädigten'
in der von der Zeugin Sch.

aufgenommenen Vernehmungsniederschrift gestützt ([X.]), um die Glaubhaftigkeit der Angaben der Geschädigten zu bewerten (vgl. [X.] ff.). Soweit die Zeugin

R.

sich außerhalb des Ermittlungsverfahrens gegenüber anderen Personen zu den Missbrauchsvorwürfen geäußert hat, geschah
dies immer nur in pauschaler Weise ([X.] bis 12, 47, 50 f.), so dass sich hieraus die im Urteil festgestellten detaillierten Tatumstände nicht ergeben konnten. Der Geltendmachung der Rüge steht nicht entgegen, dass die Verteidigung in der Hauptverhandlung der Verlesung nicht widersprochen oder einen Beschluss gemäß §
238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat (vgl. [X.] in [X.] § 252 Rdnr. 32 m.w.N.)."

Dem schließt sich der Senat an.

4
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5
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Ergänzend weist er darauf hin, dass die schriftlichen Urteilsgründe
nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu dokumentieren. Sie sollen (lediglich) das Ergebnis der Hauptverhandlung wie-dergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermög-lichen (st. Rspr.; vgl. schon [X.], Beschluss vom 4.
September 1997 -
1 StR 487/97, [X.], 51).

Schäfer von [X.]Hubert

Mayer

Menges
5

Meta

3 StR 108/12

11.04.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2012, Az. 3 StR 108/12 (REWIS RS 2012, 7382)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7382

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