Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2016, Az. 1 StR 480/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 3345

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:261016B1STR480.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 480/16

vom
26. Oktober
2016
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des [X.]s
am 26. Oktober
2016
gemäß §
349 Abs.

2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. April 2016 mit den dazugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen [X.] ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.]
hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen,
in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht gerin-ger Menge,
zu einer Gesamtstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit das [X.] von einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegrün-det nach § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen konsumierte der Angeklagte seit seinem 14.
Lebensjahr Betäubungsmittel, seit dem 17. Lebensjahr steigerte sich der [X.] deutlich. Die letzten drei bis vier Jahre vor seiner Festnahme konsu-mierte der Angeklagte durchgängig Tetrahydrocannabinol, er war in diesem Zeitraum nur eine Woche abstinent. Zuletzt
nahm er
täglich vier bis fünf Gramm Haschisch. Zusätzlich konsumierte er regelmäßig Amphetamin, im Durchschnitt etwa drei Gramm wöchentlich, um die Nebenwirkungen des Cannabiskonsums zu bekämpfen. Ab und zu nahm er auch LSD und Pilze. Zwei-
bis dreihundert Gramm des bei der Festnahme vorhandenen [X.] waren zum [X.] bestimmt. Die Taten dienten auch der Finanzierung seines [X.]s. Nach seiner Festnahme litt der Angeklagte an Schlafstörun-gen und Schweißausbrüchen. Der Angeklagte, der noch keine Entwöhnungs-behandlung durchlaufen hat, ist [X.].
Das sachverständig beratene [X.] hat auf dieser Grundlage bei dem Angeklagten einen schädlichen Gebrauch, nicht aber eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln, insbesondere von Haschisch und Amphetamin, [X.]. An

so das [X.]

komme die Unter-bringung in einer Entziehungsanstalt nicht in Betracht, da der Angeklagte kei-nen Hang aufweise. Er führe ein sozial vergleichsweise geordnetes Leben, we-der Gesundheit, Arbeits-
oder Leistungsfähigkeit noch sein Planungsvermögen seien beeinträchtigt gewesen. Eine vegetative Entzugssymptomatik sei bei [X.] in der Regel nicht gegeben.
2. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Es lässt besorgen, dass das [X.] ein zu enges Verständnis von einem Hang im Sinne des § 64 StGB zugrunde gelegt hat; zudem bleibt die Prüfung, ob ein solcher Hang vor-liegt, lückenhaft.
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a) Dem Umstand, dass durch den [X.] bereits die Ar-beits-
und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt
sind, kommt für das [X.] eines Hanges zwar eine wichtige indizielle Wirkung zu, das hier [X.]e Fehlen dieser Beeinträchtigungen schließt indes die Bejahung eines Hanges nicht aus
([X.], Beschlüsse vom 19. April 2016

3 StR 566/15 und vom 3.
Februar 2016

1 StR 646/15, [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsur-wirkung
20). Ausreichend ist es bereits, wenn der
Betroffene aufgrund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder
gefährlich erscheint, was ins-besondere bei sogenannter Beschaffungskriminalität zu bejahen ist ([X.], Ur-teil vom 10. November 2004

2 [X.], [X.], 210; Beschlüsse vom 20.
Dezember
2011

3
StR
421/11, [X.], 204; vom 12.
April 2012

5
StR
87/12, [X.], 271; vom 21.
August 2012

4
StR
311/12, [X.] 2013, 34
und vom 18. September 2013

1 [X.], [X.]R StGB § 64 Satz
1 Hang 1).
Dies nimmt das [X.] nicht in den Blick. Soweit es auf das erhaltene Planungsvermögen im Tatzeitraum abstellt, steht dies ebenso wie die Fähigkeit zur Begehung der Taten nicht ohne Weiteres der Annahme einer eingewurzelten, auf psychischer Disposition beruhenden oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung, immer wieder Rauschmittel im Über-maß zu sich zu nehmen, entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. April 2016

3 StR
566/15).
b) Wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend [X.] hat, bleiben daneben maßgebliche Faktoren unerörtert. So sind weder die lange [X.]dauer, noch die erheblichen von dem Angeklagten täglich aufgenommenen Rauschgiftmengen

der Sachverständige ging von einem

und das fast komplette Fehlen von [X.] in den letzten Jahren berücksichtigt. Auch die Zielrichtung des seit Anfang 2015 von dem Angeklagten zusätzlich betriebenen 5
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regelmäßigen [X.]s von Amphetamin, nämlich zur Bekämpfung der uner-wünschten Nebenwirkungen des Cannabiskonsums, hat das [X.] nicht gewürdigt.
3. Da das Vorliegen der übrigen Unterbringungsvoraussetzungen nicht von vornherein ausscheidet, muss über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt deshalb

wiederum unter Hinzuzie-hung eines Sachverständigen (§ 246a StPO)

neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs.
2 Satz 3 StPO).
Raum [X.] Cirener

Mosbacher Bär
7

Meta

1 StR 480/16

26.10.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.10.2016, Az. 1 StR 480/16 (REWIS RS 2016, 3345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 3345

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 566/15

1 StR 646/15

1 StR 382/13

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