Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 2 C 45/10

2. Senat | REWIS RS 2012, 2798

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erschwerniszulage; Zulage für technische Luftfahrzeugführer im Erprobungs- und Güteprüfdienst


Leitsatz

Die Erschwernis, die gemäß § 47 BBesG durch eine Erschwerniszulage honoriert werden kann, muss im Zusammenhang mit der Dienstausübung stehen. Sie kann nicht allein in einer besonderen Qualifikation des Beamten oder der bisherigen Dauer der Wahrnehmung eines Dienstpostens liegen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Berufssoldat. Er wird im Güteprüfdienst des [X.] als [X.] verwendet. Im Jahre 1994 absolvierte er erfolgreich einen Lehrgang zum Erwerb der Testflugberechtigung der [X.] an der [X.] für Luftfahrtgerät der [X.].

2

Der Kläger begehrte erfolglos eine Zulage für technische Luftfahrzeugführer im Erprobungs- und Güteprüfdienst nach § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Erschwerniszulagenverordnung - [X.].

3

Der Verwaltungsgerichtshof stellte zur Begründung zum einen darauf ab, dass die Gewährung der Zulage nach § 23g Abs. 1 Satz 2 [X.] die Teilnahme an einem Lehrgang einer anerkannten Testpilotenschule erfordere. Der Begriff einer "anerkannten Testpilotenschule" setze das Bestehen einer Lehrinstitution voraus, der als Einrichtung jedenfalls insoweit eigenes Gewicht zukomme, dass sie als solche nach außen erkennbar in Erscheinung trete und ihre Zweckbestimmung, die Ausbildung von Testpiloten, dauerhaft und ohne größere Unterbrechungen erfülle. Die an der [X.] für Luftfahrtgerät der [X.] durchgeführten Lehrgänge erfüllten diese Anforderungen nicht. Zum anderen widerspreche die Regelung des § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] höherrangigem Recht, weil sie sich nicht im Rahmen der Verordnungsermächtigung des § 47 Satz 1 [X.] halte. Die insoweit erforderliche Erschwernis fehle, wenn bei sonst gleichen Voraussetzungen allein die mit der Ausbildung erworbene Qualifikation und - wie hier - insbesondere der Besuch von bestimmten Ausbildungsstätten für die Gewährung der Zulage entscheidend sei.

4

Hiergegen wendet sich die Revision des [X.], mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des [X.] vom 26. April 2010 und das Urteil des [X.] vom 28. März 2007 sowie den Bescheid der [X.] 61 vom 24. Juni 2004 in Gestalt des Beschwerdebescheids des [X.] vom 19. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem 1. Januar 2004 die Zulage für technische Luftfahrzeugführer im Erprobungs- und Güteprüfdienst nach § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Erschwerniszulagenverordnung zu gewähren.

6

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist mit der Maßgabe begründet, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Berufungsverfahren kann der [X.] nicht entscheiden, ob der Kläger einen Anspruch auf die geltend gemachte [X.] hat.

8

Rechtsgrundlage für die Zahlung der begehrten [X.] ist § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]nverordnung - [X.]. Danach erhalten Beamte und Soldaten als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfdienst, die im Besitz der erforderlichen Flugerlaubnis und Berechtigung sind, eine Zulage, wenn sie überwiegend als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfflugdienst mit abgeschlossener Ausbildung als Testpilot und nach langjähriger Tätigkeit als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfdienst auf mehreren Luftfahrzeugmustern verwendet werden. Nach § 23g Abs. 1 Satz 2 [X.] erfordert die abgeschlossene Ausbildung als Testpilot die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang einer anerkannten Testpilotenschule.

9

1. [X.] des § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts einer gesetzeskonformen, d.h. von der Ermächtigungsgrundlage des § 47 Satz 1 [X.] gedeckten Auslegung zugänglich. § 47 Satz 1 [X.] ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung die Gewährung von Zulagen zur Abgeltung besonderer, bei der Bewertung des Amtes oder bei der Regelung der Anwärterbezüge nicht berücksichtigter Erschwernisse ([X.]n) zu regeln.

Eine derartige Erschwernis liegt vor, wenn die Erschwernis nicht schon durch die Einstufung des Amtes - einschließlich der Gewährung einer Amtszulage - bewertet oder durch die Gewährung einer Stellenzulage honoriert wird. Erschwernisse müssen auf die Aufgaben des Dienstpostens zurückzuführen sein und zu den Normalanforderungen der Laufbahn und des Amtes hinzukommen. Die Aufgaben und Arbeitsbedingungen des Beamten oder Soldaten müssen dadurch geprägt sein, dass er in seiner Tätigkeit fortlaufend, wenn auch nicht ständig, besonderen, durch die Besoldung nicht abgegoltenen Erschwernissen ausgesetzt ist. Dauererschwernisse gleichbleibender Art stellen dagegen keine Erschwernis im Sinne des § 47 Satz 1 [X.] dar; sie können ggf. durch eine Stellenzulage im Sinne des § 42 [X.] abgegolten werden (BVerwG, Urteile vom 20. April 1983 - BVerwG 6 C 113.80 - [X.] 235 § 47 [X.] Nr. 2, vom 30. September 1987 - BVerwG 6 C 52.86 - [X.] 240 § 47 [X.] Nr. 5, vom 30. September 1987 - BVerwG 6 [X.] - juris und vom 3. Januar 1990 - BVerwG 6 C 11.87 - [X.] 240 § 47 [X.] Nr. 6). Eine Erschwernis im Sinne von § 47 Satz 1 [X.] kann sich aus physischen oder psychischen Belastungen sowie aus erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität ergeben. Sie kann auch materieller Art sein, z.B. wenn die Dienstleistung zusätzliche Aufwendungen für Ernährung oder Kleidung erfordert ([X.], in: [X.]/Summer, [X.], § 47 Rn. 7).

Der Verordnungsgeber hat einen verhältnismäßig weiten Spielraum bei der Einschätzung, welche besonderen aufgabenbezogenen Anforderungen er als Erschwernis anerkennt und wie hoch er die Zulage bemisst (stRspr; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - [X.]E 103, 310 <320> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - [X.]E 110, 353 <364 f.>; BVerwG, Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - [X.] 240 § 40 [X.] Nr. 33 Rn. 22 m.w.N., Beschluss vom 3. Juni 2011 - BVerwG 2 [X.] - [X.] 240 § 47 [X.] Nr. 12). Seine Einschätzung verstößt nur dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Auswahl der Differenzierungsmerkmale oder deren Gewichtung sich als erkennbar sachwidrig erweist. Differenzierungen, die an den Schwerpunkt, d.h. den hauptsächlichen Aufgabenbereich dienstlicher Tätigkeiten anknüpfen, sind regelmäßig mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn die Anknüpfung an dieses Merkmal vom Zweck der Zulageregelung gedeckt ist und die Gewichtung nicht erkennbar sachwidrig ist (vgl. [X.], [X.] vom 19. Dezember 2008 - 2 BvR 380/08 - NVwZ 2009, 447; BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 2011 a.a.O.).

2. § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist gesetzeskonform dahin auszulegen, dass die zulagenberechtigende Tätigkeit eine dauerhafte Verwendung auf einem Dienstposten im Erprobungs- oder Güteprüfdienst als Luftfahrzeugführer erfordert, auf dem regelmäßig mehrere Luftfahrzeugmuster beflogen werden. "Mehrere Luftfahrzeugmuster" im Sinne des § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] meint eine Mehrzahl von Mustern, zumindest aber drei Muster.

Die gesetzeskonforme Auslegung folgt den Regeln, die für die verfassungskonforme Auslegung gelten. Eine Regelung in einer Verordnung überschreitet deshalb nur dann die Grenzen ihrer Ermächtigungsgrundlage, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Ermächtigungsgrundlage sowie anderem höherrangigem Recht zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Vorschriften und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen jeweils eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem höherrangigen Recht in Einklang steht. Ist eine einschränkende, gesetzeskonforme Auslegung möglich, dann kommt es nicht darauf an, ob dem subjektiven Willen des Verordnungsgebers die weitergehende, dem höherrangigen Recht nicht entsprechende Auslegung eher entsprochen hätte. Die gesetzeskonforme Auslegung findet ihre Grenzen dort, wo sie zum Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Verordnungsgebers in Widerspruch treten würde (vgl. zur verfassungskonformen Auslegung [X.], Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 [X.] - [X.]E 93, 37 <81> m.w.N., stRspr).

Das Tatbestandsmerkmal "mit abgeschlossener Ausbildung als Testpilot" in § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist gesetzeskonform dahin auszulegen, dass der Beamte oder Soldat die erforderliche Qualifikation für seine in der Zulagennorm vorausgesetzte Verwendung als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfdienst auf mehreren Mustern besitzen muss. Daraus folgt, dass jede Einrichtung, die diese Qualifikation vermittelt, als anerkannte Testpilotschule im Sinne des § 23g Abs. 1 Satz 2 [X.] zu gelten hat. Aufgrund des tätigkeitsbezogenen Charakters der [X.] darf der Begriff der anerkannten Testpilotenschule nicht von den organisatorischen Strukturen der Einrichtung abhängig gemacht werden. Diese sind ohne Bedeutung für die Frage, ob die Dienstausübung mit einer Erschwernis im Sinne von § 47 Satz 1 [X.] verbunden ist.

Für das weitere Tatbestandsmerkmal "nach langjähriger Tätigkeit als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfdienst auf mehreren Luftfahrzeugmustern verwendet" im Sinne des § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist erforderlich und ausreichend, dass der Pilot aufgrund des Aufgabenbereichs seines Dienstpostens dauerhaft überwiegend auf mehreren Luftfahrzeugmustern verwendet wird. Auch dies folgt aus dem tätigkeitsbezogenen Charakter der [X.] sowie aus § 18 Abs. 1 [X.], wonach der Anspruch auf eine Zulage in festen Monatsbeträgen mit der tatsächlichen Aufnahme der zulageberechtigenden Tätigkeit entsteht. Im Übrigen führen Unterbrechungen der zulageberechtigenden Tätigkeit in den in § 19 Abs. 1 [X.] genannten Fällen, etwa von Erholungsurlaub oder Krankheit nicht zum Wegfall des Anspruchs auf die Zulage (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2011 - BVerwG 2 C 73.10 - [X.] 240 § 47 [X.] Nr. 13).

Dieser Bedeutungsgehalt des § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist auch systematisch im Verhältnis zu den anderen Zulagen für fliegendes Personal geboten. Die [X.] nach § 23g Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ergänzt die Stellenzulage nach den Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A und [X.] Nr. 6 in Verbindung mit der Anlage IX (vgl. dazu Urteile vom 12. Juni 1984 - BVerwG 6 C 94.83 - [X.] 235 § 42 [X.] Nr. 6 S. 17 und vom 28. Oktober 2010 - BVerwG 2 C 29.09 - [X.] 240.1 [X.] Nr. 33) und die [X.] nach § 23f [X.]. Die Fliegerzulage nach § 23f [X.] erhalten auch Beamte und Soldaten, die als Luftfahrzeugführer im Erprobungs- oder Güteprüfdienst verwendet werden; weitere Anforderungen hinsichtlich Art oder Umfang der konkreten Verwendung im Erprobungs- oder Güteprüfdienst stellt § 23f [X.] nicht. Diese Zulage wird insbesondere wegen der Erschwernisse durch die Besonderheiten des Arbeitsplatzes Flugzeug und durch die besonderen Gefahren der Tätigkeit, die einen extrem hohen Aufmerksamkeitsgrad erfordern, gewährt ([X.] 187/98 S. 22). Darüber hinausgehend honorieren die Zulagen nach § 23g Abs. 1 [X.] die extrem großen psychischen und physischen Belastungen während des Erprobungs- und Güteprüfdienstes, wobei die Höhe der Zulage davon abhängt, ob auch nicht mustergeprüfte Flugzeuge geflogen werden (vgl. [X.] 152/76 S. 31 f.).

Auf der Grundlage der Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht beurteilen, ob der Zulagenanspruch des [X.] begründet ist. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, wie der Kläger konkret verwendet wurde und wird, insbesondere dazu, ob er im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend und auf mehreren Luftfahrzeugmustern im Erprobungs- oder Güteprüfdienst verwendet worden ist und wird.

Meta

2 C 45/10

26.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 26. April 2010, Az: 14 B 08.2196, Urteil

§ 42 BBesG, § 47 BBesG, § 23g Abs 1 S 1 Nr 2 EZulV, § 23g Abs 1 S 2 EZulV, Art 3 Abs 1 GG, § 23f EZulV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 2 C 45/10 (REWIS RS 2012, 2798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2798

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 C 42/17 (Bundesverwaltungsgericht)


2 C 41/17 (Bundesverwaltungsgericht)


2 C 43/17 (Bundesverwaltungsgericht)

Erschwerniszulage für fliegendes Personal der Bundespolizei


14 BV 15.1473 (VGH München)

Erschwernisse für in Luftfahrzeugen der Bundespolizei tätige Systemoperatoren mit Wärmebildgeräten


14 BV 15.2738 (VGH München)

Gewährung einer Fliegerzulage


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvL 7/98

2 BvL 16/02

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.