Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. X R 7/11

10. Senat | REWIS RS 2013, 1008

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Gegenstand

Hinzuziehung der Ehefrau zum Einspruchsverfahren des Ehemannes im Fall der Zusammenveranlagung


Leitsatz

NV: Nimmt die Ehefrau ihren gegen den Einkommensteuerzusammenveranlagungsbescheid eingelegten Einspruch später zurück, ist ihre Hinzuziehung zum weiter laufenden Einspruchsverfahren des Ehemannes unabhängig davon rechtmäßig, ob im Zeitpunkt der Hinzuziehung ihr gegenüber bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Tatbestand

1

I. [X.]ie Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde im Streitjahr 1998 mit ihrem [X.]hemann ([X.]) zur [X.]inkommensteuer [X.]. Sie ist kirchensteuerpflichtig. In der [X.] abgegebenen gemeinsamen [X.]inkommensteuererklärung erklärte sie im Zusammenhang mit dem Objekt [X.] einen Überschuss der Werbungskosten über die [X.]innahmen im Rahmen ihrer [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

2

Im Zuge einer bei den [X.]heleuten durchgeführten Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Gewinn aus dem [X.]rwerb, der Bebauung sowie der Vermarktung des Objekts [X.] in Höhe von gut 2 Mio. [X.]M sei [X.] als Teil eines gewerblichen [X.] zuzurechnen. [X.]er Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ einen entsprechend geänderten [X.]inkommensteuerbescheid.

3

Gegen diesen Bescheid legte Steuerberater (S) unter Angabe der gemeinsamen Steuernummer und der Nennung beider Namen im Briefkopf für die [X.]heleute [X.]inspruch ein. [X.]rgänzend führte er aus, der [X.]inspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts [X.] als [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb. Auf die Aufforderung des [X.], den "für [X.]heleute ..." eingelegten [X.]inspruch zu begründen, zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zunächst an, "die [X.]heleute ... hätten sie mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen beauftragt" und begründeten kurz darauf den "[X.]inspruch vom 25.09.2003 der [X.]heleute ...". [X.]abei bestätigten sie noch einmal, mit der Wahrnehmung der rechtlichen Interessen "der [X.]heleute ..." beauftragt zu sein. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, die [X.]inkünfte im Zusammenhang mit dem Objekt [X.] habe die Klägerin erzielt und dabei die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten. [X.]as [X.] hielt in Abstimmung mit dem Außenprüfer zunächst an seiner gegenteiligen Auffassung fest. In einer späteren Stellungnahme führte es aus, zwar seien die im Zusammenhang mit dem Objekt [X.] erzielten [X.]inkünfte --wie erklärt-- der Klägerin zuzurechnen. Allerdings führe der Verkauf bei Würdigung aller Umstände gleichwohl zu einem gewerblichen Grundstückshandel. [X.]ine einkommensteuerliche Auswirkung der abweichenden Zurechnung der [X.]inkünfte ergebe sich nicht.

4

[X.]ie Prozessbevollmächtigten erklärten daraufhin im April 2007: "Namens und in Vollmacht von Frau nehmen wir den [X.]inspruch gegen den [X.]inkommensteuerbescheid 1998 vom 05.09.2003 zurück." [X.]as [X.]inspruchsverfahren des [X.] werde fortgeführt.

5

Nach Anhörung der [X.]heleute zog das [X.] die Klägerin mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 zum Rechtsbehelfsverfahren des [X.] hinzu. Seine [X.]ntscheidung stützte es auf § 174 Abs. 5 und § 360 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

6

Gegen die Hinzuziehung wandte sich die Klägerin mit der Begründung, diese sei rechtswidrig, da durch die Rücknahme ihres [X.]inspruchs die [X.]inkommensteuerfestsetzung 1998 ihr gegenüber bestandskräftig geworden und im Übrigen auch Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nach [X.]intritt der Festsetzungsverjährung sei eine Hinzuziehung nicht mehr zulässig. Ihr [X.]inspruch blieb erfolglos.

7

Zur Begründung ihrer Klage berief sich die Klägerin ergänzend darauf, sie sei am [X.]inspruchsverfahren ihres [X.]hemannes nie beteiligt gewesen, da sie selber keinen [X.]inspruch erhoben und auch den steuerlichen Berater nicht entsprechend beauftragt habe. [X.]ieser habe nur im Namen und in Vollmacht des [X.] gehandelt. [X.]ie "Rücknahme" ihres [X.]inspruchs habe sie nur vorsorglich erklärt, um klar zu stellen, dass sie nicht verfahrensrechtlich am [X.]inspruchsverfahren beteiligt gewesen sei.

8

[X.]as Finanzgericht ([X.]) wies die auf Aufhebung der Hinzuziehung gerichtete Klage aus den in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1048 veröffentlichten Gründen ab. [X.]ie Hinzuziehung der Klägerin zum [X.]inspruchsverfahren des [X.] sei nach § 174 Abs. [X.] rechtmäßig.

9

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie ist der Ansicht, eine Hinzuziehung zum [X.]inspruchsverfahren des [X.] komme nicht in Betracht, weil ihr gegenüber zu diesem Zeitpunkt bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. [X.]a sie entgegen der Beurteilung durch das [X.] nicht am [X.]inspruchsverfahren gegen den [X.]inkommensteueränderungsbescheid 1998 beteiligt gewesen sei, liege auch kein Ausnahmefall vor. Letztlich sei bei [X.]en [X.]hegatten bereits der Anwendungsbereich des § 174 Abs. [X.] nicht eröffnet, weil der jeweils andere [X.]hegatte im Zusammenveranlagungsbescheid als Steuerschuldner benannt werde und daher nicht "[X.]ritter" sei.

[X.]ie Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil sowie den [X.] und die [X.]inspruchsentscheidung aufzuheben.

[X.]as [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. [X.]ie Revision ist unbegründet. [X.]as [X.] ist im [X.]rgebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Hinzuziehung der Klägerin zum [X.]inspruchsverfahren des [X.] durch das [X.] rechtmäßig ist. Wegen ihrer zunächst gegebenen [X.]tellung als [X.]inspruchsführerin ist sie hinsichtlich einer möglichen Folgeänderung zu ihren Lasten nicht schutzwürdig.

1. Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten [X.]achverhalts ein [X.]teuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs des [X.]teuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem [X.]achverhalt nachträglich durch [X.]rlass oder Änderung eines [X.]teuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden (§ 174 Abs. 4 [X.]ätze 1 und 2 [X.]). Werden die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres gezogen, ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich (§ 174 Abs. 4 [X.]atz 3 [X.]). [X.]ies gilt auch gegenüber [X.], wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften [X.]teuerbescheides geführt hat, beteiligt waren (§ 174 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.]). Ihre Hinzuziehung zu diesem Verfahren ist zulässig (§ 174 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.]).

2. [X.]ie Anordnung der Hinzuziehung durch das [X.] nach § 174 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] setzt danach voraus, dass ein [X.]teuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines [X.]achverhalts aufzuheben oder zu ändern ist und dass hieraus möglicherweise steuerrechtliche Folgerungen für einen [X.] durch [X.]rlass oder Änderung eines [X.]teuerbescheides gezogen werden können.

[X.]arüber hinaus setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 [X.]atz 3 [X.] dem [X.] gegenüber grundsätzlich voraus, dass dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist hinzugezogen oder beigeladen worden ist (vgl. z.B. [X.]ntscheidungen des [X.] --BFH-- vom 5. Mai 1993 [X.], BFH[X.] 171, 400, [X.] 1993, 817; vom 11. März 2002 IX B 116/01, [X.] 2002, 895). Hinzuziehung und Beiladung kommen nur dann nicht in Betracht, wenn die Interessen [X.]ritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (vgl. zur Beiladung [X.] vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, [X.] 2011, 404, m.w.N.).

Indes ist im Hinzuziehungsverfahren wie auch im Beiladungsverfahren noch nicht abschließend zu prüfen, ob die übrigen formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Änderung des [X.]teuerbescheides vorliegen; denn die Hinzuziehung darf die [X.]ntscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (zur Beiladung im [X.]-Verfahren vgl. [X.] vom 7. April 2003 III B 127/02, [X.] 2003, 887). [X.]ie Hinzuziehung dient vielmehr lediglich der frühzeitigen Beteiligung aller Betroffenen und damit der richtigen Besteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1997 III R 300/94, [X.] 1997, 659, m.w.N.). [X.]anach reicht es auch für eine Hinzuziehung gemäß § 174 Abs. 5 [X.]atz 2 [X.] aus, dass sich bei einem [X.]rfolg des [X.]inspruchs eine Folgeänderung i.[X.]. des § 174 Abs. 4 und 5 [X.] ergeben kann. Hingegen ist nicht zu prüfen, ob eine etwaige Folgeänderung Bestand hätte (vgl. [X.] vom 4. März 1998 V B 3/98, [X.] 1998, 1056).

3. Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat das [X.] die Hinzuziehung der Klägerin zu dem [X.]inspruchsverfahren des [X.] durch das [X.] im [X.]rgebnis zutreffend als rechtmäßig angesehen.

a) Bei der Vorschrift des § 174 Abs. 4 [X.]atz 1 [X.] handelt es sich um eine gegenüber den Tatbeständen der Absätze 1 bis 3 eigenständige Änderungsnorm, die nicht auf die Fälle der alternativen [X.]rfassung eines bestimmten [X.]achverhalts beschränkt ist (z.B. BFH-Urteil vom 24. November 1987 IX R 158/83, BFH[X.] 152, 203, [X.] 1988, 404). Auch eine rechtliche Abhängigkeit der "Folgeänderung" wird in § 174 Abs. 4 [X.]atz 1 [X.] nicht vorausgesetzt ([X.] vom 20. April 1989 V B 153/88, BFH[X.] 156, 389, [X.] 1989, 539). Nach dem Wortlaut des § 174 Abs. 4 und 5 [X.] genügt es vielmehr, dass ein und derselbe [X.]achverhalt sowohl bei dem [X.]teuerpflichtigen als auch bei dem [X.] erfasst und dabei irrig beurteilt worden ist. Nach einer Richtigstellung der rechtlichen Beurteilung zugunsten des einen [X.]teuerpflichtigen kann damit korrespondierend aus demselben einheitlichen Lebenssachverhalt die rechtliche Folgerung auch bei dem anderen [X.]teuerpflichtigen im Wege der Änderung seiner bestandskräftigen [X.]teuerfestsetzung gezogen werden (BFH-Urteil in BFH[X.] 152, 203, [X.] 1988, 404). [X.]ine Folgeänderung in diesem [X.]inn kommt z.B. in Betracht, wenn, wie im [X.]treitfall, die Frage streitig ist, wem (hier: der Klägerin oder [X.]) ein bestimmter Gegenstand (hier: das Objekt [X.]) und dementsprechend bestimmte [X.]inkünfte zuzurechnen sind (vgl. [X.] vom 2. August 1990 III B 52/89, [X.] 1991, 16, unter II.2.b).

b) Im derzeit ruhenden [X.]inspruchsverfahren des [X.] gingen dieser und das [X.] zuletzt übereinstimmend davon aus, das Objekt [X.] --und damit die [X.]inkünfte hieraus-- sei der Klägerin zuzurechnen. [X.]a der vom [X.] angesetzte Gewinn in Höhe von gut 2 Mio. [X.]M in dem --gegenüber der Klägerin formell bestandskräftigen-- [X.]inkommensteuerzusammenveranlagungsbescheid 1998 --wenn auch als gewerblicher Gewinn des [X.]-- erfasst ist, hätte die anderweitige Zurechnung der [X.]inkünfte zwar keine Auswirkungen auf die Höhe der [X.]inkommensteuer. [X.]ie hätte allerdings zum einen Auswirkung auf die allein von der Klägerin geschuldete Kirchensteuer als [X.]. Zum anderen müsste gegenüber der Klägerin erstmalig ein Gewerbesteuermessbetragsbescheid erlassen werden.

c) [X.]ie Klägerin ist auch [X.]ritte i.[X.]. des § 174 Abs. 5 [X.]. [X.]ies ergibt sich bereits daraus, dass die möglichen Folgen des [X.] nicht auf die [X.]inkommensteuer beschränkt sind, sondern sich die Zuordnung und Qualifikation der [X.]inkünfte aus dem Objekt [X.] auch auf andere [X.]teuerarten (hier: [X.] Kirchensteuer, Gewerbesteuer) auswirken kann.

aa) Für eine Hinzuziehung nach § 174 Abs. 5 [X.]atz 2 i.V.m. Abs. 4 [X.] reicht es aus, dass möglicherweise aus einem einheitlichen Lebensvorgang steuerrechtliche Folgen für (irgend-)eine [X.]teuer sowohl beim [X.]teuerpflichtigen als auch bei dem [X.] zu ziehen sind. [X.]in und derselbe [X.]achverhalt soll nach § 174 Abs. 4 und 5 [X.] bei beiden deckungsgleich --sei es mit denselben oder mit unterschiedlichen Rechtsfolgen-- beurteilt werden können (z.B. [X.] vom 2. [X.]ezember 1999 II B 17/99, [X.] 2000, 679; [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 174 Rz 56-58).

bb) Im Übrigen ist das [X.] auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Umstand der Zusammenveranlagung der [X.]hegatten einer Hinzuziehung der Klägerin zu dem [X.]inspruchsverfahren des [X.] nicht entgegensteht. § 26b des [X.]inkommensteuergesetzes in der im [X.]treitjahr geltenden Fassung ([X.][X.]tG) bestimmt, dass bei der Zusammenveranlagung von [X.]hegatten die [X.]inkünfte, die die [X.]hegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den [X.]hegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die [X.]hegatten sodann gemeinsam als [X.]teuerpflichtige behandelt werden. Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die [X.]hegatten Gesamtschuldner der [X.]inkommensteuer (§ 44 Abs. 1 [X.]). Für den Fall, dass mehrere [X.]teuerpflichtige eine [X.]teuer als Gesamtschuldner schulden, ermöglicht das Gesetz gemäß § 155 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.], den [X.]rlass zusammengefasster [X.]teuerbescheide. [X.]in in der Form des § 155 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.] ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Verwaltungsakte, die ein unterschiedliches (verfahrens-)recht-liches [X.]chicksal haben können (BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFH[X.] 146, 358, [X.] 1986, 545). [X.] sind die zusammenveranlagten [X.]hegatten zwei [X.]teuerschuldner ([X.]/Rüsken, a.a.[X.], § 155 Rz 45), folglich auch [X.]ritte im Hinblick auf § 174 Abs. 5 [X.].

d) Anders als die Klägerin meint, war ihre Hinzuziehung im Zeitpunkt des Bescheids am 10. Oktober 2007 noch möglich.

aa) Grundsätzlich ist der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 [X.]atz 3 [X.] unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften [X.]teuerbescheids gezogen werden.

Gegenüber einem [X.] sieht die Rechtsprechung die darin liegende Zurückdrängung des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zugunsten der [X.] in [X.]inengung des reinen Gesetzeswortlauts grundsätzlich nur dann als gerechtfertigt an, wenn dieser vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die gegen ihn gerichteten steuerlichen Ansprüche hinzugezogen oder beigeladen wird (ständige Rechtsprechung, vgl. grundlegend [X.]enatsurteil in BFH[X.] 171, 400, [X.] 1993, 817). [X.]em liegt die Überlegung zugrunde, dass der [X.]ritte, der nicht durch eigene verfahrensrechtliche Initiativen auf eine Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids hinwirkt und typischerweise deshalb auch keine Kenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Korrektur hat, mit Ablauf der ihn betreffenden Festsetzungsfrist endgültig auf die Bestandskraft der ihm gegenüber erfolgten oder ggf. unterbliebenen Besteuerung vertrauen darf.

Wird der [X.]ritte aber förmlich an dem vom bisherigen [X.]teuerschuldner betriebenen Verfahren beteiligt, kann er dieses durch eigene Verfahrenserklärungen beeinflussen. In diesem Fall ist eine [X.]urchbrechung der Bestandskraft auch ihm gegenüber außerhalb der allgemeinen Festsetzungsverjährung gerechtfertigt.

[X.]ine schützenswerte Vertrauensposition ist dementsprechend ebenfalls nicht gegeben, wenn der [X.]ritte bereits i.[X.]. des § 174 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften [X.]teuerbescheids geführt hat, beteiligt war (vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 20/93, BFH[X.] 173, 184, [X.] 1994, 327). [X.]ies ist nicht nur dann der Fall, wenn er [X.] des § 359 [X.] oder § 57 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) war, sondern auch dann, wenn er durch eigene verfahrensrechtliche Initiative auf die Aufhebung oder Änderung des Bescheides hingewirkt hat, z.B. indem er den entsprechenden Aufhebungs- oder Änderungsantrag gestellt hatte (BFH-Urteil vom 8. Februar 1995 I R 127/93, BFH[X.] 177, 332, [X.] 1995, 764).

[X.]ntscheidend ist letztlich der Zeitpunkt der erstmaligen Beteiligung des [X.] an dem Verfahren, das die angefochtenen fremden Bescheide zum Gegenstand hat. Um den Vertrauensschutz des [X.] zurückzudrängen, muss seine Beteiligung zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem ihm gegenüber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist (vgl. [X.] vom 17. Juli 2002 XI B 12/02, [X.] 2002, 1422). Ist dies der Fall, durchbricht § 174 Abs. 4 [X.]atz 3 [X.] auch eine zwischenzeitlich gegenüber dem [X.] eingetretene Festsetzungsverjährung. [X.]emzufolge ist seine Hinzuziehung oder Beiladung auch noch zu einem Zeitpunkt möglich, zu dem Festsetzungsverjährung bereits eingetreten ist. [X.]o muss das [X.] beispielsweise den [X.] auf Antrag des [X.] trotz zwischenzeitlicher Festsetzungsverjährung beiladen, wenn die Behörde den [X.] zuvor rechtzeitig zum Verfahren hinzugezogen hatte. Nichts anderes kann gelten, wenn sich der [X.]ritte zu unverjährter Zeit "selbst beteiligt" hatte, sich in der Folge dann aber freiwillig aus dem Verfahren zurückgezogen hat.

bb) Wie das [X.] im [X.]rgebnis zutreffend erkannt hat, war die Klägerin bereits vor ihrer Hinzuziehung als [X.]inspruchsführerin (§ 359 [X.]) an dem Verfahren i.[X.]. des § 174 Abs. 5 [X.]atz 1 [X.] beteiligt. [X.]amit konnte sie bis zur Rücknahme ihres [X.]inspruchs das gegen den Änderungsbescheid 1998 gerichtete Rechtsbehelfsverfahren beeinflussen.

(1) [X.]er erkennende [X.]enat hat keine Zweifel daran, dass der von [X.] eingelegte [X.]inspruch nicht nur [X.], sondern auch die Klägerin betraf. [X.]ies ergibt sich klar und eindeutig aus dem [X.]inspruchsschreiben sowie den folgenden [X.]chriftsätzen.

Legt ein [X.]teuerberater im Namen der von ihm vertretenen Adressaten (hier: [X.]heleute ...) gegen einen --wie den [X.] an mehrere [X.]teuerpflichtige gerichteten Bescheid und unter Übernahme der dortigen Bezeichnung [X.]inspruch ein, besteht regelmäßig kein Zweifel daran, dass der [X.]inspruch für sämtliche Adressaten erhoben wird, wenn sich nicht aus den Umständen oder einem ausdrücklichen Vorbehalt das Gegenteil ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 7. [X.]eptember 1995 III R 111/89, [X.] 1996, 521).

[X.]in solcher Ausnahmefall liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus dem kurzen Hinweis, der [X.]inspruch richte sich gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf des Objekts [X.] als [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb. [X.]ie im Änderungsbescheid zum Ausdruck gekommene Beurteilung des [X.]achverhalts durch das [X.] hatte nicht nur für [X.], sondern auch für die Klägerin Bedeutung. [X.]ie widersprach ihrer eigenen [X.]rklärung der [X.]inkünfte aus dem Objekt [X.] (Vermögensverwaltung und Überschuss der Werbungskosten über die [X.]innahmen) in gravierender Weise.

(2) [X.]ntgegen der Ansicht der Klägerin ist die Würdigung des [X.], [X.] sei bei der [X.]inlegung des [X.]inspruchs nicht als vollmachtloser Vertreter für sie aufgetreten, im [X.]rgebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den [X.]enat deshalb bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O), hat der [X.]enat keine Zweifel am Vorliegen einer echten Vollmacht.

[X.]ie Vollmachtserteilung kann durch einseitige, empfangsbedürftige [X.]rklärung gegenüber dem Bevollmächtigten oder gegenüber der Finanzbehörde geschehen. [X.]ie muss nicht schriftlich erfolgen, sondern kann in jeder Form erteilt werden, selbst mündlich oder durch schlüssiges Handeln; erforderlich ist ein Verhalten des Beteiligten, das von einem objektiven, mit allen konkreten Umständen vertrauten Beobachter als [X.]rklärung gewertet werden müsste, dass eine Verfahrensvollmacht erteilt werden soll (Rüsken in [X.], [X.] § 80 Rz 37).

Geben zusammenveranlagte [X.]hegatten (§ 26b [X.][X.]tG) eine gemeinsame, von jedem unterschriebene [X.]inkommensteuererklärung ab, die nach dem von beiden bekundeten Willen das Besteuerungsverfahren in Gang setzen soll, so liegt schon darin in der Regel die stillschweigende Vollmacht, dass jeder von ihnen auch die im Verlauf dieses Besteuerungsverfahrens und des sich ggf. daran anschließenden [X.] vorzunehmenden Handlungen mit Wirkung für den anderen [X.]hegatten vornehmen darf (BFH-Urteile vom 13. August 1970 IV 48/65, BFH[X.] 100, 171, [X.] 1970, 839; vom 9. November 1983 I R 200/79, nicht veröffentlicht; [X.]öhn in [X.]/[X.]/[X.]pitaler, § 80 [X.] Rz 84; [X.]/[X.]eeger, [X.][X.]tG, 32. Aufl., § 26b Rz 16; a.[X.]/[X.]ttlich, § 26b [X.][X.]tG Rz 44).

Ob dieser Rechtsprechung, nach der allein die Unterschrift der gemeinsamen [X.]inkommensteuererklärung die stillschweigende gegenseitige Bevollmächtigung für ein sich anschließendes [X.]inspruchsverfahren enthalten soll, zu folgen ist, bedarf im [X.]treitfall keiner [X.]ntscheidung. Vorliegend besteht aufgrund der von der Klägerin und [X.] jahrelang geübten Praxis, nach der grundsätzlich nur [X.] dem gemeinsamen [X.]teuerberater die für die Wahrung ihrer beider steuerlichen Interessen erforderlichen Aufträge erteilte, kein Zweifel, dass er aus [X.]icht der Klägerin hierzu von ihr --zumindest stillschweigend-- bevollmächtigt war. Infolgedessen konnte [X.][X.] beauftragen, (auch) für die Klägerin tätig zu werden.

Unstreitig hat [X.] nicht nur die gemeinsame [X.]inkommensteuerklärung der [X.]heleute für das [X.]treitjahr vorbereitet, sondern --wie von ihm selbst bestätigt-- auch darüber hinaus "die Interessenvertretung der [X.]heleute ... in steuerlichen Angelegenheiten" übernommen. In seinem [X.]chreiben vom 27. Januar 2010 räumt [X.] ein, grundsätzlich seien alle Aufträge in steuerlichen Angelegenheiten über [X.] gelaufen. Von einem Auftrags- und demzufolge Vollmachtsverhältnis zwischen [X.] und [X.] für die [X.]inspruchseinlegung betreffend den geänderten [X.]inkommensteuerbescheid 1998 geht deshalb auch die Klägerin aus.

[X.]er Umstand, dass der Kontakt zu [X.] --wie üblich-- hierbei allein über [X.] lief, bedeutet indes nicht, der Auftrag habe [X.] nicht auch zur [X.]inspruchseinlegung zugunsten der Klägerin bevollmächtigt.

[X.]ie [X.]inlegung des [X.]inspruchs unter Bezeichnung des [X.] und der Klägerin sowie der weitere Verlauf des [X.] bis zur Rücknahme des [X.]inspruchs der Klägerin durch die Prozessbevollmächtigten zeigen unmissverständlich, dass [X.] seinen Auftrag auch tatsächlich als "[X.]inspruch für die [X.]heleute" verstanden und dies in der Folge entsprechend gegenüber den Prozessbevollmächtigten kommuniziert hat.

Wären sich die [X.]heleute tatsächlich --wie die Klägerin nun glauben machen [X.] von Anfang an darüber einig gewesen, dass --aus welchen Gründen auch [X.] allein [X.] [X.]inspruch gegen den geänderten [X.]inkommensteuerbescheid einlegen sollte, ist nicht zu erklären, warum nicht eine umgehende Klarstellung erfolgte. [X.]enn auch das [X.] ging ersichtlich von einem [X.]inspruch "für [X.]heleute ..." aus. Wenn die Klägerin nun den [X.]indruck zu vermitteln versucht, zunächst der generell auch für sie als steuerlicher Berater tätige [X.] und im weiteren Verlauf ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten hätten über die [X.]auer von mehr als vier Jahren ein [X.]inspruchsverfahren für sie als vollmachtlose Vertreter geführt, erachtet der [X.]enat dies unter den gegebenen Umständen als unglaubhaft.

Meta

X R 7/11

20.11.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 18. November 2010, Az: 3 K 682/08 E, Urteil

§ 174 Abs 4 S 1 AO, § 174 Abs 4 S 2 AO, § 174 Abs 4 S 3 AO, § 174 Abs 5 S 2 AO, § 155 Abs 3 S 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, Az. X R 7/11 (REWIS RS 2013, 1008)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1008

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