Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.07.2010, Az. VI R 60/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 4352

STEUERRECHT BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen - Auslegung des Begriffs "inländischer Haushalt" - Keine Verdoppelung der Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei Ehegatten)


Leitsatz

Auch im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG ist die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei mehreren von den Ehepartnern tatsächlich genutzten Wohnungen auf den Höchstbetrag von 600 € begrenzt .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob ein Ehepaar für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in zwei Wohnungen des Ehepaares erbracht wurden, die Steuerermäßigung für [X.]andwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr (2006) geltenden Fassung (EStG) für jede Wohnung bis maximal 600 €, also insgesamt maximal 1.200 €, in Anspruch nehmen kann.

2

Die [X.]läger und [X.] ([X.]läger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Seit 1980 bewohnen sie Einfamilienhäuser in [X.] und [X.] Mit [X.]auptwohnsitz sind sie in [X.] gemeldet. Im Streitjahr ließen sie durch verschiedene [X.]andwerksbetriebe Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen an den beiden Wohnungen durchführen. Für das Einfamilienhaus in [X.] wurden Aufwendungen in [X.]öhe von 4.241,59 €, für das Einfamilienhaus in [X.] in [X.]öhe von 2.255,10 € nachgewiesen.

3

Die [X.]läger beantragten in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr eine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von [X.]andwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in [X.]öhe von 600 € für die Wohnung in [X.] und in [X.]öhe von 451,02 € für die Wohnung in [X.] Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) hat abweichend von der Einkommensteuererklärung der [X.]läger [X.]andwerkerleistungen nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG lediglich in [X.]öhe von 600 € zum Abzug zugelassen.

4

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene [X.]lage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) stützte sein Urteil im Wesentlichen darauf, dass die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG objektbezogen geregelt sei. Der [X.]öchstbetrag könne daher bei mehreren von den [X.]lägern unterhaltenen [X.]aushalten für jeden einzelnen dieser [X.]aushalte in Anspruch genommen werden. Nur bei dieser Auslegung sei gewährleistet, dass die [X.]läger nicht wegen ihrer Ehe benachteiligt würden, denn wären sie nicht verheiratet, könnte jeder der beiden für seinen [X.]aushalt die Steuerermäßigung in Anspruch nehmen. § 35a Abs. 3 EStG sei nicht einschlägig, da darin nur der Fall zweier Alleinstehender mit gemeinsamen [X.]aushalt geregelt sei, nicht jedoch der Fall von Steuerpflichtigen mit zwei [X.]aushalten.

5

Mit der Revision rügt das [X.] eine Verletzung materiellen Rechts.

6

Das [X.] beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die [X.]lage abzuweisen und den [X.]lägern die [X.]osten aufzuerlegen.

7

Die [X.]läger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorinstanz hat zu Unrecht für die Aufwendungen der Kläger eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG in [X.]öhe von insgesamt 1.051,02 € gewährt.

9

1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für die Inanspruchnahme von [X.]andwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen [X.]aushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme der nach dem [X.] der [X.] geförderten Maßnahmen, auf Antrag um 20 %, höchstens 600 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

a) § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG gilt nach seinem Wortlaut nur für die Inanspruchnahme von [X.]andwerkerleistungen, "die in einem inländischen [X.]aushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden". Der Begriff "[X.]aushalt", der auch in § 35a Abs. 1 Satz 1 EStG sowie § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG Verwendung findet, ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteile des [X.] --BF[X.]-- vom 1. Februar 2007 [X.], [X.], 526, [X.], 760, und [X.], [X.], 900) ist hierunter die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der [X.]aushalt entfaltet (von [X.], in: [X.][X.], EStG, § 9 Rz [X.]; BF[X.]-Urteil vom 14. Juni 2007 [X.], [X.], 229, [X.], 890; [X.] vom 25. Februar 2009 [X.], www.bundesfinanzhof.de).

Im Streitfall wurden die [X.]andwerkerleistungen in der Wohnung der Kläger in [X.] und in der Wohnung in K erbracht und damit unstreitig in einem inländischen [X.]aushalt. Durch die Bezugnahme auf den [X.]aushalt des Steuerpflichtigen wird aber nach Auffassung des erkennenden Senats nur der Ort bestimmt, an dem die jeweilige steuerbegünstigte Leistung zu erbringen ist. Entgegen der Auffassung des [X.] kann aus der Bezugnahme des Gesetzes auf einen "inländischen [X.]aushalt" nicht geschlossen werden, dass bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen die Steuerermäßigung auch mehrfach zu gewähren ist. Der Wortlaut der Vorschrift gibt dafür allein durch die Bezugnahme auf den Ort der Leistungen keinen Anhalt.

b) Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG "ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer ... auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 600 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen". Nach dem Wortlaut der Vorschrift wird die Steuerermäßigung damit der [X.]öhe nach begrenzt und zwar unabhängig davon, ob die steuerbegünstigten Leistungen in einer oder in mehreren Wohnungen erbracht worden sind. Für eine mehrfache Inanspruchnahme der Steuerermäßigung findet sich wiederum kein Anhalt im Gesetz.

Eine andere Betrachtung ist auch im Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten nicht geboten. Da im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anders vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann --z.B. für die Anwendung des § 35a EStG-- gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden (BF[X.]-Urteil vom 3. August 2005 [X.], BF[X.]E 211, 128, [X.], 121, m.w.N.), wird zusammen veranlagten Ehegatten die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG nach dem insoweit klaren Wortlaut der Vorschrift nur einmal gewährt.

c) Weder das Ziel der Regelung des § 35a EStG noch der systematische Zusammenhang der Vorschrift führen nach Auffassung des erkennenden Senats zu einer anderen Auslegung.

aa) Das Ziel der gesetzlichen Regelung, die Schwarzarbeit in den Privathaushalten zu bekämpfen (vgl. BTDrucks 15/91, 19), zwingt nicht dazu, die Steuerermäßigung ohne betragsmäßige Begrenzung für jede Wohnung eines Steuerpflichtigen zu gewähren. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, bei steuerlichen [X.] diese ohne jede Beschränkung auszugestalten. Aus der weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Steuergesetzgebers folgt, dass es grundsätzlich in dessen Ermessen steht, ob und ggf. in welcher Form und in welchem Umfang steuerliche Erleichterungen gewährt werden sollen (vgl. z.B. BF[X.]-Urteil vom 29. Januar 2009 [X.], BF[X.]E 224, 261, [X.], 411, m.w.N.).

bb) Der systematische Zusammenhang des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG mit den Regelungen in § 26a Abs. 2 Satz 4 und § 35a Abs. 3 EStG bestätigt nach Auffassung des erkennenden Senats dieses Auslegungsergebnis. Da im Falle der Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26b EStG die Steuerermäßigung --unabhängig von der Zahl der tatsächlich genutzten [X.] nur einmal gewährt wird, regelt § 26a Abs. 2 Satz 4 EStG flankierend, dass im Fall der getrennten Veranlagung von Ehegatten eine Aufteilung der Steuerermäßigung zu erfolgen hat. § 35a Abs. 3 EStG sieht das gleiche Ergebnis für Alleinstehende vor, die gemeinsam in einem [X.]aushalt leben. Beide Regelungen wären nicht erforderlich, wenn man der Auffassung des [X.] folgen würde und einem Steuerpflichtigen --im Streitfall den zusammen veranlagten [X.] den [X.]öchstbetrag von 600 € für jede tatsächlich genutzte Wohnung gewähren würde.

2. Eine Verdoppelung bzw. Vervielfältigung der Steuerermäßigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei Ehegatten ist nicht geboten. Insbesondere ist keine Benachteiligung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch die Begrenzung der Steuerermäßigung auf 600 € auch bei mehreren tatsächlich genutzten Wohnungen zu beklagen. Denn auch Alleinstehende, die gemeinsam in zwei Wohnungen wirtschaften, können die [X.]öchstbeträge des § 35a EStG ebenfalls nur einmal in Anspruch nehmen (§ 35a Abs. 3 EStG). Damit ist allein die gemeinsame Wirtschaftsführung am Ort oder den Orten der Leistungserbringung i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG, nicht aber der Familienstand entscheidend.

3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid des [X.] war abzuweisen.

Meta

VI R 60/09

29.07.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 21. Juli 2009, Az: 11 K 44/08, Urteil

§ 26a Abs 2 S 4 EStG 2002, § 26b EStG 2002, § 35a Abs 2 S 2 EStG 2002, § 35a Abs 3 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.07.2010, Az. VI R 60/09 (REWIS RS 2010, 4352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4352

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 4/09 (Bundesfinanzhof)

Abgrenzung haushaltsnahe Dienstleistung zu Handwerkerleistung - Keine Unterscheidung nach einfachen und qualifizierten Handwerkerleistungen ab dem …


VI R 61/10 (Bundesfinanzhof)

Erd- und Pflanzarbeiten im Garten als Handwerkerleistung


4 K 172/15 (FG Nürnberg)

Versorgung, Leistungen, Beschwerde, Revision, Nichtzulassung, Dienstleistungen, Einspruch, Beamte, Einkommensteuerbescheid, Betreuung, Einkommensteuer, Einspruchsverfahren, Fachmann, Arbeitsleistung, Die …


4 K 172/15 (FG Nürnberg)

Einspruchsverfahren


4 K 16/17 (FG Nürnberg)

Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.