Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 4 StR 377/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 3871

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Gegenstand

Herstellen jugendpornografischer Schriften: Anfertigung von Screenrecords


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. April 2019 wird

a) das Verfahren auf Antrag des [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 1 der Urteilsgründe wegen versuchter Nötigung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in drei Fällen, sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Verschaffung des Besitzes an jugendpornografischen Schriften in 12 Fällen schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte trägt die Kosten und notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Revisionsverfahren. Im Übrigen wird von einer Auferlegung von Kosten und notwendigen Auslagen im Revisionsverfahren abgesehen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung, Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in drei Fällen, sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Verschaffung des Besitzes an jugendpornografischen Schriften in zwölf Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Auf seine Revision hat der [X.] das Verfahren im Fall [X.] 1 der Urteilsgründe eingestellt; im Übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

2

1. Soweit der Angeklagte im Fall [X.] 1 der Urteilsgründe wegen versuchter Nötigung verurteilt worden ist, hat der [X.] das Verfahren auf Antrag des [X.] nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, weil sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht kommt und eine Zurückverweisung zur Nachholung entsprechender Feststellungen aus prozessökonomischen Gründen nicht sinnvoll wäre. Die Verfahrenseinstellung zieht eine Änderung des Schuldspruchs nach sich.

3

2. Im Übrigen weist der Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:

4

a) Das [X.] hat dem Angeklagten in den Fällen [X.] bis 5 der Urteilsgründe, in denen er im Rahmen von [X.] freiwillig vorgenommene sexuelle Handlungen seiner jugendlichen Gesprächspartnerin durch heimliche Screenrecords aufnahm und speicherte, zu Recht nicht das Privileg des § 184c Abs. 4 StGB zugebilligt. Zwar neigt der [X.] dazu, in der Anfertigung der Screenrecords nicht - wie die [X.] meint - lediglich ein Sichverschaffen des Besitzes an einer jugendpornografischen Schrift im Sinne des § 184c Abs. 3 1. Alternative StGB zu sehen (zum Sichverschaffen von kinderpornografischen Bildern durch deren Anfertigung vgl. [X.], Urteil vom 6. April 2017 - 3 StR 548/16, [X.], 90), sondern insoweit ein Herstellen im Sinne des § 184c Abs. 1 Nr. 3 StGB anzunehmen, weil der Angeklagte die übertragenen Bilder in einer Weise in einem Datenspeicher fixiert hat, dass ihm dadurch deren (wiederholte) visuelle Reproduktion und Wahrnehmung ohne weiteres möglich wurde (vgl. BT-Drucks. 15/2466, [X.] zu § 201a Abs. 1 StGB; Schreibbauer, Das Pornografieverbot des § 184 StGB, 1999, [X.] zu § 184 Abs. 1 Nr. 8 StGB; [X.] in [X.].Komm. z. StGB, 3. Aufl., § 184 Rn. 68; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 184 Rn. 60). Dies hätte zwar zur Folge, dass § 184c Abs. 4 StGB unmittelbar anwendbar wäre, doch fehlt es an einer Einwilligung der Zeugin als dargestellter Person in den mit der Anfertigung der Screenrecords verbundenen Herstellungsprozess und der damit verbundenen bildlichen Perpetuierung ihrer zur einmaligen Betrachtung dargebotenen sexuellen Handlungen. Aus diesem Grund braucht der [X.] auch nicht zu entscheiden, ob § 184c Abs. 4 StGB, der seinem Wortlaut nach nur den Hersteller einer jugendpornografischen Schrift und dessen sich daran anschließenden Besitz an dem selbst hergestellten Produkt zu privilegieren vermag (vgl. BT-Drucks. 16/9646, [X.], [X.] in [X.], 4. Aufl., § 184c Rn. 11; [X.] in [X.].Komm. z. StGB, 3. Aufl., § 184c Rn. 20; [X.], Kinder- und Jugendpornografie im [X.], 2012, [X.]), in besonderen Fällen des Sichverschaffens von jugendpornografischen Schriften im Sinne des § 184c Abs. 3 1. Alternative StGB (analog) Anwendung finden kann (vgl. dazu BT-Drucks. 16/3439, [X.]; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 30. Aufl., § 184c Rn. 18; [X.], Kinder- und Jugendpornografie im [X.], 2012, [X.]) oder eine entsprechende teleologische Reduktion vorzunehmen ist (vgl. [X.] in [X.].Komm. z. StGB, 3. Aufl., § 184c Rn. 20).

5

b) Soweit der Angeklagte in den Fällen [X.] bis 14 der Urteilsgründe mit einem zweiten Mobiltelefon Aufnahmen mehrerer sich nach einer gewissen [X.] selbst löschender Videos gefertigt hat, die ihm von der 14-jährigen Zeugin [X.]auf seinen Wunsch über den Onlinedienst [X.] übermittelt worden waren und die die Zeugin bei der Vornahme von sexuellen Handlungen zeigten, kommt eine direkte oder analoge Anwendung des § 184c Abs. 4 StGB ebenfalls nicht in Betracht. Dabei kann es auch hier dahinstehen, ob in dem Abfilmen und in der damit verbundenen Anfertigung eines neuen, nicht von einer systembedingten Löschung betroffenen Datensatzes ein Herstellen im Sinne des § 184c Abs. 1 Nr. 3 StGB gesehen werden kann (zur Besitzverschaffung bei systembedingter Löschung vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 1 [X.], [X.], 95; siehe dazu auch [X.], Besitz an Daten, 2015, [X.]), denn es würde jedenfalls an einer Einwilligung der Zeugin als dargestellter Person in den ihr unbekannten Aufnahmevorgang fehlen.

6

3. Die verhängte Jugendstrafe kann trotz der Verfahrenseinstellung bestehen bleiben. Der [X.] vermag auszuschließen, dass die [X.] ohne eine Aburteilung der Tat unter [X.] 1 der Urteilsgründe auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte. Denn das [X.] hat sich sowohl bei der Annahme von schädlichen Neigungen, als auch bei der Bemessung der Jugendstrafe vornehmlich an bereits vor den ausgeurteilten Taten und in den gravierenden sexuellen Übergriffen zutage getretenen erheblichen [X.] des Angeklagten orientiert und den Gesamterziehungsbedarf entsprechend bestimmt.

Sost-Scheible     

       

Ri'nnen[X.] Roggenbuck und
Dr. [X.] sind im Urlaub
und daher gehindert
zu unterschreiben.

       

Quentin

       

       

Sost-Scheible

       

       

       

Feilcke     

       

       

       

Meta

4 StR 377/19

05.09.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 3. April 2019, Az: 6 KLs 1/19

§ 184c Abs 1 Nr 3 StGB, § 184c Abs 3 Alt 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.09.2019, Az. 4 StR 377/19 (REWIS RS 2019, 3871)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3871

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 362/20

Zitiert

3 StR 548/16

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