Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2011, Az. IV ZB 6/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6579

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB
6/10
vom

18. Mai 2011

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 18. Mai 2011

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zi-vilsenats des [X.] vom 22.
April 2010 wird auf Kosten des [X.] als unzulässig verwor-fen.

Gegenstandswert: 37.400

Gründe:

[X.] Der Kläger wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus einer notariellen Urkunde mit dem Begehren, diese für unzulässig zu erklären. Das [X.] hat diesem Begehren mit Urteil vom 23.
Dezember 2009 lediglich in Höhe ei-nes Teilbetrages von 6.000

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 28.
Dezember 2009 zugestellt worden. Nach rechtzeitiger [X.] hat er mit Schriftsatz vom 25.
Februar 2010 die Berufung begrün-det. Dieser Schriftsatz ging erst am 2.
März 2010 beim Oberlandesge-1
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richt ein. Mit Schriftsatz vom 19.
März 2010
hat er wegen der Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung ausgeführt:

Der Schriftsatz habe zunächst am 26.
Februar 2010, einem [X.], um 11.44
Uhr per Fax an das [X.] übermittelt werden sollen. Nachdem eine Verbindung (wegen einer unbemerkt falsch ge-wählten Nummer) nicht zustande gekommen sei, habe die Auszubildende ihn gefragt, ob weitere Faxversuche unternommen werden sollten oder ein Versand mit der normalen Post ausreichend sei. Wegen des erst am Montag, den 1.
März 2010 eintretenden Fristablaufs habe er entschie-den, dass ein Postversand ausreichen müsse. Der Postversand sei in seiner Kanzlei so organisiert, dass zur Zustellung von Briefsendungen die W.

GmbH genutzt werde, die mit gleichen Zustellzeiten wie die [X.] arbeite und die zuzustellenden Postsendungen durch Mitarbeiter in der Kanzlei abhole, und zwar [X.] jeweils um 13.00
Uhr. Die Versendung sei dann am 26.
Februar 2010 mittags um 13.00
Uhr mit einem Großumschlag erfolgt. Er habe von einer Zustellung am Samstag, spätestens aber am Montag ausgehen können und mit einer um zwei Werktage verspäteten Zustellung nicht zu rechnen brauchen.

Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass
der Schriftsatz spätes-tens bis um 13.00
Uhr mit den anderen Postsendungen verpackt, die [X.] gezählt und abholfertig bereitgestellt werden mussten, wobei häufig der [X.] bereits vor 13.00
Uhr in der Kanzlei eintreffe. Die ab-zuholenden [X.] würden in eine vom Zustelldienst bereit gestellte grüne Box gelegt. Das sei auch an diesem Tag geschehen; die Sendun-gen seien kurze [X.] später gegen 13.00
Uhr abgeholt worden, darunter 3
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insgesamt fünf größere Umschläge, dabei auch derjenige mit der [X.]. Er habe noch registriert, dass der Abholbote gekom-men war. Dass das besagte Schreiben bei den abgeholten [X.]n mit dabei war, habe er nicht persönlich überprüft. Jedoch würden nicht mehr rechtzeitig zum Versand
gelangte [X.] auf einem gesonder-ten Tisch zur Abholung am nächsten Werktag in einer weiteren grünen Box bereit gelegt, und diese sei, kurz bevor er die Kanzlei gegen 14.00
Uhr verlassen habe, vollständig leer gewesen.

Eine gesonderte Glaubhaftmachung
dieses Vortrags ist nicht er-folgt.

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 22.
April 2010 die [X.] als unzulässig verworfen und in den Gründen des Beschlusses zugleich den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen.
Hiergegen rich-tet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des [X.].

I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO fehlt.
Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht. Die angefoch-tene Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des [X.] und erweist sich im Ergebnis als richtig.

1. Das [X.] in den vorigen Stand dient in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das 5
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rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten
es die Verfahrens-grundrechte auf Gewährung wirkungsvollen
Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den [X.] eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren. [X.] dürfen bei der Auslegung
der Vorschriften über die [X.] die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannt werden (Se-natsbeschluss vom
12.
Januar 2011 -
IV ZB 14/10, juris Rn.
5 m.w.N.).

2. Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht in ent-scheidungserheblicher Weise verstoßen.

a) Zutreffend geht es davon aus, dass eine [X.] zur Begründung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist die den [X.] rechtfertigenden Tatsachen nicht nur angeben, sondern darüber hin-aus auch glaubhaft machen muss (§
236 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2 ZPO). Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der von ihr zitierten Rechtsprechung des [X.] zu den Anforderungen an die Schilderung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen ([X.], Beschlüsse vom 9.
Februar 2010 -
XI [X.], [X.], 508
Rn.
9 und vom 3.
Juli 2008 -
IX ZB 169/07, NJW 2008, 3501 Rn.
15 m.w.N.). Erforderlich sind danach die Angabe und die Glaubhaftmachung von Tatsachen, aus de-nen sich ergibt, dass weder die [X.] selbst noch ihren Prozessbevoll-mächtigten, dessen Verschulden sie sich im Rahmen der [X.] zurechnen lassen muss (§§
233, 85 Abs.
2 ZPO), ein Verschulden an der Fristversäumnis trifft.

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Schon an jeglicher Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsa-chen fehlte es hier. Sie war nicht deshalb entbehrlich, weil in dem Wie-dereinsetzungsantrag eine eigene Schilderung von Vorgängen durch
den Prozessbevollmächtigten des [X.] enthalten war. Zwar kann die Schilderung von Vorgängen durch einen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen in gleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonst durch ei-ne eidesstattliche Versicherung der Fall ist, wenn der Anwalt die Richtig-keit seiner Angaben unter Bezugnahme auf seine Standespflichten an-waltlich versichert ([X.], Urteil vom 2.
November 1988 -
IVb [X.], [X.], 373 unter 4 a; Beschluss vom 18.
Januar 1984 -
IVb [X.], [X.], 861 unter
a; [X.]/[X.], ZPO 28.
Aufl. §
294 Rn.
5; Musielak/[X.], ZPO 8.
Aufl. §
294 Rn.
4). Eine derartige beson-dere Versicherung lag aber nicht vor.

b) Es kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht gegen §
139 ZPO verstoßen hat, indem es vor seiner Entscheidung nicht auf die feh-lende Glaubhaftmachung hingewiesen und damit den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör verletzt hat. Denn es kann nicht davon aus-gegangen werden, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem [X.] Verstoß beruht. Wird von einer [X.] die Verletzung einer Hin-weispflicht geltend gemacht, so hat sie darzulegen, wie sie auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen hätte und wie sie weiter vorgegangen wäre ([X.], Urteil vom 16.
Oktober 2008 -
III ZR 253/07, [X.], 148 Rn.
10).

Hierzu macht der Kläger lediglich geltend, dass er dann schon vor Erlass der angefochtenen Entscheidung die im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 27.
April 2010 abgegebene eidesstattliche Versicherung 11
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vorgelegt hätte. Diese allein ist indes zur Glaubhaftmachung eines die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Sachverhalts nicht ausreichend.

aa) Zwar hat die Beschwerde darin Recht, dass eine [X.] grund-sätzlich darauf vertrauen darf, dass im [X.] werktags aufgege-bene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden ([X.], Beschluss vom 9.
Februar 2010 aaO Rn.
7).
Dies gilt auch für den vom Prozessbevollmächtigten des [X.] in Anspruch genommenen privaten Postdienstleister.

bb) Die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des [X.] ist indes von vornherein nicht geeignet glaubhaft zu ma-chen, dass alle anderen denkbaren Ursachen für die Versäumung der Frist als die eines verzögerten Postlaufs ausscheiden.

Denn weder der Umstand, dass die Auszubildende oder ein ande-rer Mitarbeiter der Kanzlei die Berufungsbegründung rechtzeitig postfer-tig gemacht und in die [X.] gelegt hat, noch dass gerade diese Sendung vor der Abholung dort gelegen hat, war Gegenstand eigener Wahrnehmung des Prozessbevollmächtigten. Es ist nicht völlig fern lie-gend, dass angesichts der knappen [X.] bis zur Abholung der Post die Berufungsbegründung nicht mehr rechtzeitig versandfertig gemacht [X.] war, zumal nach den eigenen Angaben des Prozessbevollmächtigten im Wiedereinsetzungsantrag der Abholbote häufig auch schon vor 13.00
Uhr erschien. Die entscheidende Tatsache, dass gerade die [X.] noch an diesem Tage an den [X.] des [X.] übergeben worden ist, wird von den
eidesstattlich als richtig versi-cherten Wahrnehmungen des Prozessbevollmächtigten nicht gedeckt.

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Es kommt hinzu, dass auch jeglicher Vortrag zur Organisation der Ausgangskontrolle bei fristgebundenen Schriftsätzen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten fehlt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des [X.], dass eine Frist im [X.] erst gestri-chen werden darf, wenn der fristwahrende Schriftsatz zumindest in einer Weise versandfertig gemacht worden ist, dass er noch am gleichen Tage zur Post oder zum Gericht gelangt. Ist das geschehen, so ist die Frist unverzüglich zu streichen ([X.], Beschluss vom 22.
April 2009 -
XII ZB 167/08, [X.], 964 Rn.
15). Durch eine solche Organisation wäre sichergestellt, dass die Frist am Freitag nur dann gestrichen worden wä-re, wenn die Berufungsbegründung tatsächlich noch vor der Abholung in die fragliche [X.] gelegt
worden wäre. Wäre die Frist jedoch unge-strichen geblieben, so hätte dies am folgenden Montag, dem Tag des Fristablaufs entdeckt werden müssen, und es hätte noch für eine recht-zeitige Übermittlung der Berufungsbegründung Sorge getragen werden können.

Hier hätte zu einer wirksamen Ausgangskontrolle angesichts der zuvor gescheiterten
Übermittlung der Berufungsbegründung an das [X.] per Fax bei der nunmehr angeordneten alleinigen Versendung per Post zudem besondere Veranlassung bestanden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Eilbedürftigkeit der Sendung und die ansonsten drohende Frist-versäumnis
der mit der Übermittlung der Berufungsbegründung per Fax befassten Auszubildenden, über deren Ausbildungsstand nichts bekannt ist, vom Anwalt verdeutlicht
worden sind.

Es spricht deshalb alles dafür, dass bei ordnungsgemäß organi-sierter
Ausgangskontrolle weitere Angaben zu einer rechtzeitigen Über-gabe der Sendung an den Postzustelldienst möglich gewesen wären. Zu 17
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alledem verhalten sich der Vortrag und die nachgereichte [X.] des Prozessbevollmächtigten des [X.] nicht.

Unter diesen Umständen genügt auch die Tatsache, dass nach seinen Angaben die weitere, für die Abholung von Sendungen am nächs-ten Werktag vorgesehene [X.] leer gewesen ist, als er die Kanzlei verließ, nicht zur Glaubhaftmachung, dass die Berufungsbegründung be-reits am Freitag die Kanzlei verlassen hatte.

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c) Nach alledem kommt es auf die von der Beschwerde [X.] Rechtsfrage, ob im Wiedereinsetzungsverfahren eine lediglich feh-lende Glaubhaftmachung auch unabhängig von einem Verstoß der [X.] gemäß §
139 ZPO noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach-geholt werden kann, nicht an.

Dr. [X.][X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.12.2009 -
2 O 183/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom [X.] -
13 U 4/10 -

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Meta

IV ZB 6/10

18.05.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.05.2011, Az. IV ZB 6/10 (REWIS RS 2011, 6579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6579

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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