Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.08.2013, Az. 10 AZR 539/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 3170

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Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2012 - 15 Sa 1286/11 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin hat die Unwirksamkeit einer Versetzung geltend gemacht.

2

Die Beklagte ist ein Luftverkehrsunternehmen mit Sitz in [X.], das neben [X.] und Copiloten ca. 100 Flugbegleiter beschäftigt.

3

Die 1965 geborene Klägerin steht als Flugbegleiterin in den Diensten der [X.]. Sie war zuletzt bei einem monatlichen Bruttogehalt von rund 1.700,00 Euro von [X.] aus tätig.

4

In dem Arbeitsvertrag der Klägerin vom 21. Januar 1989 heißt es ua.:

        

„§ 1 TÄTIGKEITSBEREICH

        

… Dem [X.] steht es frei, nach den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen den Einsatz des Mitarbeiters festzulegen. Hierbei kann der regelmäßige Einsatzort auch außerhalb des Hauptsitzes des [X.] liegen, auch im Ausland.“

5

Am Ende des Vertrags ist als „Einsatzort … [X.]“ bestimmt. Zuletzt war die Klägerin in [X.] eingesetzt.

6

Die Betriebsvereinbarung Nr. 1 für das Bordpersonal der [X.] vom 15. September 1993 (im Folgenden: [X.]) ist seinerzeit von der Arbeitgeberin und einer informell eingerichteten „Bordvertretung“ geschlossen worden. § 3 Abs. 8 der [X.] lautet:

        

„Der Mitarbeiter kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten je nach betrieblichen Erfordernissen an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der [X.] liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Dies gilt auch bei vorübergehendem oder aushilfsweisem Einsatz in Zusammenhang mit dem Flug- und Verkehrsbetrieb.“

7

[X.] erklärte sich die Klägerin mit der Geltung der [X.] einverstanden.

8

Der Manteltarifvertrag Nr. 2 für die Beschäftigten des [X.] der [X.] Luftverkehrs AG vom 15. März 2006 (im Folgenden: [X.]), den die Beklagte anwendet, enthält in § 4 Abs. 6 ua. die nachfolgenden Regelungen:

        

„a)     

Der Beschäftigte kann unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten, je nach den betrieblichen Erfordernissen, an einen anderen Einsatzort versetzt werden und mit anderen im Rahmen der Geschäftstätigkeit des Flugbetriebes der [X.] liegenden Aufgaben im In- und Ausland betraut werden. Bei Schwangerschaft ist [X.] berechtigt, die Beschäftigte für eine Diensttätigkeit am Boden einzusetzen, sofern auch die Zustimmung des örtlich zuständigen [X.] vorliegt. Hierbei sind die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes zu beachten.

        

b)    

Alle Beschäftigten, die zum 01.04.2004 an einen neuen dienstlichen Einsatzort versetzt worden sind, erhalten auf Antrag die Möglichkeit, auf eigene Kosten zu ihrem ehemaligen dienstlichen Einsatzort oder an eine [X.] zurückzukehren. Für diese einmalige Rückkehrmöglichkeit gilt eine Ausschlussfrist bis zum 30.06.2006. Der Rückkehrantrag muss innerhalb dieser Ausschlussfrist schriftlich bei der [X.] eingegangen sein. [X.] wird eine Vorlaufzeit zur Umsetzung des Rückkehrantrages von 3 Monaten nach Antragstellung eingeräumt, und zwar zum Monatsersten des nach Ablauf dieses 3-Monatszeitraums folgenden Kalendermonats.

                 

Die Rückkehrmöglichkeit gemäß b) Satz 1 gilt nicht für die Beschäftigten, denen ein unbefristeter Arbeitsvertrag an einem [X.] angeboten wurde.“

9

Unter dem 24. Januar 2011 schlossen die Arbeitgeberin und die bei ihr auf der Basis des Tarifvertrags Personalvertretung Nr. 1 vom 19. März/7. April 2008 gebildete Personalvertretung für die Kabinenmitarbeiter (im Folgenden: PV Kabine) einen Interessenausgleich sowie einen Sozialplan. Aus Ziff. 2 des Interessenausgleichs ergibt sich, dass von den dienstlichen Einsatzorten [X.], [X.], [X.]/[X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] aus keine Einsätze von Mitarbeitern mehr erfolgen und daher die diesen Einsatzorten zugeordneten Arbeitsplätze gestrichen werden. Nach Ziff. 1 des Interessenausgleichs wird der Einsatz der Mitarbeiter ausschließlich ab [X.] oder [X.] erfolgen. Die Versetzungen sollen zum 1. Juni bzw. 1. August 2011 durchgeführt werden. In Härtefällen können Arbeitnehmer bis zum 31. März 2014 an ihren bisherigen Einsatzorten bleiben (Ziff. 3 Buchst. e des Interessenausgleichs). Im Sozialplan vom 24. Januar 2011 sind unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Kompensationszahlungen an von Versetzungen betroffene Arbeitnehmer vorgesehen.

Am 24. März 2011 übergab die Beklagte der PV Kabine das Unterrichtungsschreiben und bat um Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort nach [X.].

Mit Schreiben vom 1. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie zum 1. August 2011 von ihrem bisherigen dienstlichen Einsatzort an den neuen dienstlichen Einsatzort [X.] versetzt werde. Gegen diese arbeitgeberseitige Maßnahme wehrt sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die arbeitgeberseitige Maßnahme vom 1. April 2011 sei unwirksam. Es fehle bereits an einer rechtlichen Versetzungsgrundlage. Der Dienstort sei vertraglich vereinbart und könne nicht einseitig geändert werden. Die Versetzung entspreche zudem nicht billigem Ermessen. Sie sei nicht durch betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt und treffe die Klägerin in ihren persönlichen Belangen übermäßig hart. Die Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß über die Versetzung unterrichtet worden.

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Versetzung der [X.] vom 1. April 2011 unwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, die Versetzung sei nicht bereits nach dem Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Der [X.] den Arbeitsort nicht fest. Die Versetzung entspreche billigem Ermessen. Ihr liege die durch den Interessenausgleich festgeschriebene unternehmerische Entscheidung zugrunde, in Zukunft die Flugbegleiter nur noch von [X.] und [X.] aus einzusetzen, wo die Umläufe hauptsächlich begönnen. Ohne Versetzung müssten die nicht in [X.] oder [X.] stationierten Flugbegleiter - wie bisher schon in erheblichem Umfang - zu den Abflugorten gebracht werden, was unproduktive Kosten verursache. Diese Flugbegleiter stünden dann aufgrund der tarifvertraglichen Regelungen über die Flugdienstzeit nur noch mit geringeren Stundenzahlen zum Einsatz zur Verfügung. Durch die Verlagerung könne deshalb das Arbeitszeitpotenzial der Flugbegleiter besser genutzt werden. Die Versetzung halte einer Interessenabwägung stand, zumal die Klägerin mit anderen betroffenen Flugbegleiterinnen gemeinsam eine Wohnung am neuen Einsatzort anmieten und die sie treffenden Nachteile steuerlich geltend machen könne. Auch sehe der Sozialplan einen gewissen Ausgleich vor.

Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

A. Ob die Klage begründet ist, steht noch nicht fest. Die Beklagte war nach dem Arbeitsvertrag nicht daran gehindert, der Klägerin einen anderen als den ursprünglichen Arbeitsort zuzuweisen (zu I). Ob die Versetzung der auch im Streitfall erforderlichen [X.] standhält und nach Abwägung der beiderseitigen Interessen billigem Ermessen (§ 106 [X.]) entspricht, steht noch nicht fest. Die Auffassung des [X.], einer Abwägung der Belange des Arbeitnehmers mit denen des Arbeitgebers bedürfe es bei Vorliegen einer nicht missbräuchlichen Unternehmerentscheidung nicht, ist mit § 106 [X.] nicht vereinbar (zu II). Die - vom Standpunkt des [X.] allerdings folgerichtig - unterlassene [X.] kann der [X.] mangels entsprechender Feststellungen nicht selbst vornehmen. Sie wird vom [X.] nachzuholen sein. Deshalb musste der Rechtsstreit an das [X.] zurückverwiesen werden (zu III). Die Versetzung ist nicht wegen fehlerhafter Beteiligung der [X.] Kabine nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam (zu IV).

I. Das vertragliche Weisungsrecht der Beklagten umfasst die Befugnis, der Klägerin nach Maßgabe des § 106 [X.] einen anderen Einsatzort als den bisherigen zuzuweisen (vgl. für einen gleich gelagerten Fall: [X.] 26. September 2012 - 10 [X.] -).

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 305 ff. [X.] beruht, ist zunächst durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (im Einzelnen: [X.] 25. August 2010 - 10 [X.]/09 - Rn. 17 ff., [X.]E 135, 239). Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] - Rn. 16; 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 12).

a) Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] - Rn. 18; 19. Januar 2011 - 10 [X.] - Rn. 15; 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 27). Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Orts der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 [X.] vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 [X.] gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll.

b) Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 [X.]. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der [X.] gemäß § 106 Satz 1 [X.], § 315 Abs. 3 [X.] ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] - Rn. 19).

2. Die Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin ergibt, dass ihr Einsatzort nicht vertraglich festgelegt ist.

a) Das [X.] ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, auf die die Vorschriften des § 305 ff. [X.] zur Anwendung kommen. Die Parteien sind dieser angesichts des Erscheinungsbildes des Arbeitsvertrags sich aufdrängenden Annahme nicht entgegengetreten. Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung ([X.] 24. Oktober 2007 - 10 [X.] - Rn. 15, [X.]E 124, 259).

b) Der Arbeitsvertrag enthält keine Festlegung des [X.]. Geregelt ist unter § 17 des Arbeitsvertrags als [X.], dass „Einsatzort … [X.]“ ist. Andererseits steht es dem Arbeitgeber nach § 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags frei, den Einsatzort „nach den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen festzulegen“. Jedenfalls in der Zusammenschau beider Regelungen ist hinreichend klargestellt, dass die Bestimmung des Einsatzorts im Vertrag lediglich die damalige (erstmalige) Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort darstellt. Daran konnte für die Beteiligten kein Zweifel bestehen, zumal die Klägerin später von [X.] nach [X.] wechselte.

aa) Die Regelung in § 3 Abs. 8 [X.], nach der der Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten an einen anderen dienstlichen Wohnsitz versetzt werden kann, beschreibt den Umfang des Weisungsrechts, der ausdrücklich auch die Arbeitsleistung an anderen Orten einschließt.

(1) Die [X.] ist unstreitig keine Betriebsvereinbarung iSd. Betriebsverfassungsgesetzes. Sie gilt demnach nicht aufgrund von § 77 Abs. 4 BetrVG.

(2) Bei der [X.] handelt es sich um vom Arbeitgeber ohne kollektivrechtliche Grundlage mit Vertretern der Belegschaft verabredete Allgemeine Arbeitsbedingungen. Sie gelten nur dann, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags ihre Geltung wirksam vereinbart haben.

(3) Letzteres ist hier der Fall. [X.] haben die Parteien die Geltung der [X.] ausdrücklich vereinbart.

(4) Die damit gegebene Bezugnahme auf die [X.] ([X.]) als solche ist nicht nach § 305 ff. [X.] zu beanstanden.

(5) Die in Bezug genommene Klausel ist hinreichend eindeutig, transparent und angemessen. Sie knüpft die Ausübung des Weisungsrechts in Bezug auf den Arbeitsort an betriebliche Erfordernisse und enthält damit jedenfalls nicht weniger strenge Voraussetzungen als das Gesetz.

bb) Zusätzlich ist die Versetzungsbefugnis durch § 4 Abs. 6 Buchst. a [X.] Nr. 2, der ebenfalls eine Versetzungsmöglichkeit bei betrieblichen Erfordernissen vorsieht, gegeben. Der Wortlaut der Regelung ist nahezu identisch mit § 3 Abs. 8 BV Nr. 1.

c) Etwas anderes ergibt sich nicht aus den im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten. Nach § 20 [X.] iVm. § 5 Abs. 1 der [X.] zur Betriebsordnung für Luftfahrtgerät (2. DV [X.]) bzw. nach Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des [X.]. [X.] 1.1090 der Verordnung ([X.]) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 ([X.][X.] L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts die Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt.

d) Die Arbeitspflicht der Klägerin hat sich nicht dadurch auf den bisherigen Einsatzort räumlich konkretisiert, dass die Klägerin zuletzt im Wesentlichen von dort aus tätig gewesen ist. Eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung haben die Parteien nicht - insbesondere auch nicht stillschweigend - getroffen.

aa) Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass [X.] sich, ohne dass darüber ausdrückliche Erklärungen ausgetauscht werden, nach längerer [X.] auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN). Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren [X.]raum schafft aber regelmäßig keinen Vertrauenstatbestand dahin gehend, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht in Zukunft keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - aaO).

bb) Derartige besondere Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie sind auch ansonsten nicht ersichtlich. Allein die lange Verweildauer am letzten Einsatzort lässt keinen Rückschluss darauf zu, die Parteien hätten - in Abänderung ihres Vertrags - nunmehr den bisherigen Ort zum vertraglich vereinbarten Arbeitsort bestimmt. Zu Recht weist das [X.] darauf hin, dass sich Gegenteiliges nicht aus § 4 Abs. 6 [X.] Nr. 2 ergibt. Das Rückkehrrecht nach dessen Buchst. b sagt nichts darüber aus, ob die vorangegangene Bestimmung des Einsatzorts auf einer Vertragsänderung oder der Ausübung des Weisungsrechts beruhte.

e) Die Auffassung, es handele sich bei der Maßnahme der Beklagten deshalb um eine nur durch Änderungskündigung durchsetzbare Vertragsänderung, weil die Versetzung mit einem beträchtlichen Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sowie in weitere maßgebliche Interessen der Klägerin verbunden sei, greift nicht durch.

aa) Mit der Versetzung greift die Beklagte nicht in das vom Vertrag festgelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ein. Die Dauer der Arbeitszeit hat sich ebenso wenig geändert wie die Höhe der für die Arbeit zu leistenden Vergütung. Geändert hat sich zu einem gewissen Teil die von der Klägerin während der Arbeitszeit zu erbringende Tätigkeit. Sie besteht im Wesentlichen nur noch aus der an Bord verbrachten [X.]. Einen Anspruch, die Arbeitszeit nicht mit der Arbeit an Bord zu verbringen, hat die Klägerin nicht. Sie muss jetzt erheblich höhere Reisekosten für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsort tragen. Dies erhöht die mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen, verringert jedoch nicht die vertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung.

bb) Auch die weiteren Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens der Klägerin führen nicht dazu, dass die Ausübung des Weisungsrechts allein um deswillen die rechtliche Qualität einer Vertragsänderung aufwiese. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die Erhöhung der finanziellen Belastungen, bei der [X.] im Rahmen der Prüfung, ob die Beklagte bei der Versetzung billiges Ermessen gewahrt hat, zu berücksichtigen.

II. Die Auffassung des [X.], es habe bei der hier gegebenen Sachlage einer umfassenden [X.] nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] in Bezug auf die Versetzung nicht bedurft, ist unzutreffend. Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

1. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 [X.], § 315 Abs. 1 [X.] verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein - hier freilich auf betriebliche Gründe beschränkter - nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem [X.] mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 [X.] die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. [X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 28; [X.] 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, [X.]Z 174, 48).

2. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.]) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie [X.] Lebensverhältnisse wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 40; 21. Juli 2009 - 9 [X.]/08 - Rn. 22; bereits auch: 28. November 1989 - 3 [X.] - zu II 1 a der Gründe, [X.]E 63, 267).

a) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Das unternehmerische Konzept ist zwar nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Wohl aber kann die Abwägung mit den Belangen des Arbeitnehmers ergeben, dass ein Konzept auch unter Verzicht auf die Versetzung durchsetzbar war.

b) Die gegenteilige Auffassung des [X.] findet im Gesetz keine Stütze; § 106 [X.] verlangt eine umfassende und offene Abwägung aller in Betracht kommenden Belange ([X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 28 ff.). Die unternehmerische Entscheidung ist dabei ein wichtiger, aber nicht der alleinige, sondern regelmäßig nur einer unter mehreren [X.]. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, zB auch verfassungsrechtlich geschützte Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (vgl. [X.]/Tillmanns Stand 1. März 2013 [X.] § 106 Rn. 52 mit zahlreichen Nachweisen). Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt ([X.] 13. Juni 2012 - 10 [X.] - Rn. 31). Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt ([X.] 26. September 2012 - 10 [X.] - Rn. 37).

3. Eine [X.] Auswahl wie im Fall des § 1 Abs. 3 [X.] findet nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen [X.] ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 Satz 1 [X.], § 315 [X.] bei einer Versetzung abgeleitet werden (vgl. [X.] 17. August 2011 - 10 [X.] - Rn. 22, 25).

III. Bei Anwendung dieser Maßgaben steht noch nicht fest, ob die Versetzung der Klägerin billigem Ermessen entspricht.

1. Zutreffend ist die Würdigung des [X.], dass auf Seiten der Beklagten die unternehmerische Entscheidung zur Neuordnung der Stationierung der Flugbegleiter zu berücksichtigen ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Neuordnung war auch keiner Kontrolle zu unterziehen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Neuordnung sei etwa nur vorgeschoben, um lästig gewordene Vertragspflichten abzuschütteln. Anzeichen für Missbräuchlichkeit der Reorganisation als solcher sind nicht erkennbar. Angesichts des Umstands, dass die Beklagte seit dem Juni 2010 ihre Flugumläufe nahezu ausschließlich von [X.] und [X.] beginnen ließ, ist die Entscheidung, dort auch die Flugbegleiter zu stationieren, naheliegend. Auch die von der Beklagten vorgelegten Aufstellungen über die Auslastung des Personals mit Flugarbeitszeit zeigen, dass die getroffenen Entscheidungen einleuchtend sind. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte nicht aus jeder einzelnen Versetzung finanziellen Nutzen zieht. Einer durch viele Einzelmaßnahmen umgesetzten Neuordnung kann die Plausibilität nicht mit der Begründung abgesprochen werden, einer oder mehrere Teilakte seien für sich genommen nicht gewinnbringend. Für die Beurteilung der unternehmerischen Entscheidung ist vielmehr ihr Gesamtkonzept maßgeblich. Die Entscheidung ist ersichtlich nicht etwa nur für einen kurzen [X.]raum oder unter dem Vorbehalt alsbaldiger Änderung getroffen worden. Vielmehr zeugen die umfangreichen Reorganisationen der Beklagten von dem anhaltend, ernsthaft und nachdrücklich verfolgten Bestreben, ihre Tätigkeit auf die beiden Orte [X.] und [X.] zu konzentrieren. Auch der Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan sowie insbesondere die Zusage, bis zum [X.] keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, zeigen, dass die Entscheidung der Beklagten auf langfristigen Überlegungen und Berechnungen beruht.

2. Das [X.] hat es aber - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - unterlassen, die von der Beklagten ins Feld geführten betrieblichen Interessen mit den von der Klägerin benannten Belangen abzuwägen. Die Klägerin hat ua. vorgetragen, durch die Versetzung werde sie als alleinerziehende Mutter finanziell stark belastet. Die Versetzung verursache zusätzliche Aufwendungen von 500,00 Euro im Monat, was bei einer monatlichen Nettovergütung von 1.100,00 Euro unzumutbar sei. Außerdem entstehe für sie ein erheblicher zusätzlicher [X.]aufwand.

3. Ob die von der Klägerin vorgebrachten Belange das betriebliche Interesse der Beklagten überwiegen, kann der [X.] nicht entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

a) Zwar ist eine abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts dann geboten, wenn die maßgeblichen Tatsachen feststehen und nur eine bestimmte Entscheidung dem Maßstab der Billigkeit entspricht ([X.] 13. April 2010 - 9 [X.] - Rn. 39; 15. September 2009 - 9 [X.] - Rn. 29 mwN). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

b) Das [X.] hat keine Feststellungen zu den von der Klägerin benannten zeitlichen und finanziellen Belastungen getroffen. Das Gesetz verlangt, wie ausgeführt, eine umfassende und offene Abwägung der wechselseitigen Interessen im Einzelfall. Die Durchsetzung des unternehmerischen Konzepts hat dabei erhebliche Bedeutung. Ins Gewicht fallen wird auch, dass dem Beruf einer Flugbegleiterin eine gewisse Volatilität von vornherein innewohnt und die Erwartung der [X.]n und finanziellen Vorzüge eines gleichbleibenden, wohnungsnahen [X.] und unveränderter Arbeitszeiten vom Vertragszweck nicht gedeckt ist. Auch dieser Gesichtspunkt steht jedoch nicht für sich allein, sondern ist mit entgegenstehenden Belangen der Klägerin offen abzuwägen. Jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Beklagte an dem unternehmerischen Konzept festhalten könnte und doch ohne merkbaren finanziellen oder organisatorischen Aufwand einen Einsatz der Klägerin von ihrem bisherigen Einsatzort aus beibehalten könnte. Dies zeigt ua. die Härtefallregelung im Sozialplan.

IV. Die Versetzung ist nicht nach § 117 Abs. 2, § 99 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat die [X.] Kabine am 24. März 2011 unterrichtet. Inwiefern die Unterrichtung nicht ausreichend gewesen sein soll, ist nicht erkennbar. Der angegebene Versetzungsgrund war die Reduzierung der Einsatzorte auf zwei. Damit war nicht ausgeschlossen, dass übergangsweise noch einzelne Umläufe von anderen Einsatzorten aus stattfanden. Insbesondere sieht die im Interessenausgleich vorgesehene Härtefallregelung eine zeitliche Übergangsphase für die Versetzungen ausdrücklich vor. All dies ändert nichts an der für die Versetzung maßgeblichen Grundentscheidung. Dass die Beklagte ihr bekannte und wesentliche Umstände gegenüber der [X.] Kabine verschwiegen hätte, ist nicht ersichtlich. Die Personalvertretung hat auch keine Nachfragen angebracht. Nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG gilt ihre Zustimmung als erteilt.

B. Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Schürmann    

        

    R. Bicknase    

                 

Meta

10 AZR 539/12

28.08.2013

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 13. September 2011, Az: 7 Ca 2178/11, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.08.2013, Az. 10 AZR 539/12 (REWIS RS 2013, 3170)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3170


Verfahrensgang

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Az. 10 AZR 539/12

Bundesarbeitsgericht, 10 AZR 539/12, 28.08.2013.


Az. 7 Ca 2178/11

Arbeitsgericht Düsseldorf, 7 Ca 2178/11, 13.09.2011.


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