Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. IX ZR 37/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15741

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:110118UIXZR37.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 37/17

Verkündet am:

11. Januar 2018

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 61
Die Haftung des Insolvenzverwalters für Sekundäransprüche des Vertragspartners der Insolvenzmasse kann regelmäßig nicht auf Schadensersatzansprüche erstreckt werden, deren Ursache nicht in der Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse begründet ist.

[X.], Urteil vom 11. Januar 2018 -
IX ZR 37/17 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
11. Januar
2018
durch [X.] [X.],
die Richterin [X.], den
Richter Prof. Dr. [X.], die Richterin Möhring
und den Richter Meyberg

für Recht erkannt:

Auf die Revision
des Beklagten
wird
das Urteil des
1. Zivilsenats
des Hanseatischen Oberlandesgerichts [X.] vom 3. Februar 2017 in der Fassung der [X.] vom 6. Februar 2017 und 10. April 2017
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte
ist Verwalter in dem am 1. Juni
2007
eröffneten Insolvenz-verfahren über das Vermögen der
N.

GmbH
(nachfolgend: Schuldnerin), deren Geschäft
der Export von Rindern aus der [X.] in Nicht-[X.]-Staaten
gewesen
war. Nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte der [X.] den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin
mit
Zustimmung
der Gläubigerver-sammlung
fort. Mit [X.] die
Schuldnerin
bei [X.] in den [X.] ansässigen Gesellschaft ein Schiff
1
-
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-

für zwei Transporte von jeweils 3.500 Rindern.
Auf diesen Vertrag leistete die Schuldnerin am 19. Mai 2010 vereinbarungsgemäß eine Vorauszahlung von 500.000 US-$.
Nach Abschluss des [X.] schlossen die Schuldne-rin und die Klägerin am 20. Mai 2010 einen Beförderungsvertrag, in dem sich die Schuldnerin verpflichtete, im Oktober 2010 1.434 Rinder
aus den [X.] Staaten
in einen Hafen
am Schwarzen Meer
in der Russischen Föderation gegen Zahlung von 1.778.160 US-$ zu transportieren.
Auf den Beförderungs-vertrag leistete die Klägerin am 18. Mai 2010 eine Vorauszahlung in Höhe von 711.119,65 US-$ und am 13. August 2010 eine weitere Vorauszahlung in Höhe von 533.448 US-$.

Im
[X.] an eine E-Mail
der Schuldnerin
vom 22. Juni 2010
kam es zu Differenzen zwischen der Schuldnerin und der Klägerin wegen der [X.] vereinbarten [X.]. Die Schuldnerin verlangte von der Klä-gerin
eine
Freistellung von der Haftung für Transportschäden. Nachdem die Klägerin sich in dem nachfolgenden Schriftwechsel geweigert
hatte, eine ent-sprechende Erklärung abzugeben, lehnte die Schuldnerin die Durchführung des Transportes ab. Die Klägerin kündigte daraufhin am 29. September 2010 den Vertrag mit der Schuldnerin. Diese weigerte sich,
die Kündigung anzuerkennen,
und erstattete
die geleisteten Anzahlungen nicht zurück.

Aufgrund einer Schiedsklausel im Beförderungsvertrag ließ die Klägerin
in der Folgezeit
ein Schiedsverfahren vor einem Schiedsgericht in [X.] durchführen, in dem sie die Schuldnerin auf Schadensersatz wegen Nichterfül-lung in Anspruch nahm. In diesem Verfahren stellte das Schiedsgericht mit Spruch vom 25. Juli 2011 zunächst fest, dass die Schuldnerin die Hälfte des zu tragen habe. Hierauf zeigte der Beklagte am 28. Juli 2011 gegenüber dem 2
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Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an. Mit Schiedsspruch vom 30. [X.] stellte das
Schiedsgericht weiter fest, dass die Weigerung der Schuldnerin, den Transport ohne die Freistellungserklärung durchzuführen,
un-berechtigt gewesen sei. In dem Spruch verpflichtete es die Schuldnerin zur Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 734.517,31
US-$ zuzüglich Zinsen
und
zur Freistellung der Klägerin von [X.] einer Expo-Trade Pty Ltd.
in Höhe von 2.882.884 US-$. Ferner belas-tete es die Schuldnerin mit den
Kosten des Schiedsverfahrens in Höhe von

Übernahme der der Klägerin entstande-

Mit der gegen den Beklagten persönlich gerichteten Klage hat die
Kläge-rin den Beklagten auf Ersatz der im Schiedsverfahren ausgeurteilten Beträge in Anspruch genommen. Die zunächst hauptsächlich auf § 60 Abs. 1 [X.] sowie §
826 BGB und nur hilfsweise auf § 61 [X.] gestützte Klage ist im ersten Rechtszug erfolglos geblieben.
Auf die Berufung
der Klägerin hat das [X.] den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 3.389.720,96 US-$ und . Mit seiner vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte
sein Klageabweisungsbegeh-ren
weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

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I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem
Kläger stehe ein auf § 61
Satz
1 [X.] gestützter Schadensersatzanspruch zu. Mit dem Abschluss des zwischen der Schuldnerin und der Klägerin am 20. Mai 2010 abgeschlossenen Vertrages
habe der Beklagte die Verpflichtung begründet, 1.434 Rinder aus
den [X.] in die [X.] zu transportieren. Dies stelle eine Massever-bindlichkeit dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 [X.]); der Insolvenzverwalter müsse nicht zwingend eine Geldschuld begründen. § 61 [X.] diene allgemein
dem Zweck, das bei einem Vertragsschluss mit einem insolventen Vertragspartner gegen-über einem normalen Geschäftsabschluss erhöhte Risiko auszugleichen. Die Masse habe ihre aus dem Vertrag resultierende Verbindlichkeit nicht erfüllt, weil sie
den Transport nicht durchgeführt habe. Auch ihrer Verpflichtung zum [X.] wegen Nichterfüllung sei sie nicht nachgekommen. Stattdessen ha-be der Beklagte Masseunzulänglichkeit angezeigt. Damit stehe fest, dass die Klägerin einen Ausfallschaden erlitten habe.

Der Beklagte habe den ihm obliegenden Entlastungsbeweis, den er ent-weder durch den Nachweis führen könne, dass objektiv von einer voraussicht-lich ausreichenden Masse auszugehen oder für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass dies nicht der Fall sein würde, nicht geführt. Die vom Beklagten vorge-legte Kalkulation belege nicht, dass der Beklagte zu der Annahme berechtigt gewesen sei, die gegenüber der Klägerin eingegangene Transportverpflichtung erfüllen zu können. Der Vortrag des Beklagten, in der Lage gewesen zu sein, den Vertrag
gewinnbringend durchzuführen, wenn es ihm gelungen wäre, die von vornherein geplante Beiladung weiterer Rinder anderer Auftraggeber zu realisieren, sei unerheblich.

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Unerheblich
sei auch, dass die Durchführung des Transports an dem Rücktritt der Klägerin gescheitert sei, den diese im [X.] an die Auseinan-dersetzung mit der Schuldnerin wegen der verweigerten Haftungsfreistellung erklärt habe. § 61 [X.] erfasse entgegen der Rechtsprechung des [X.] auch Sekundäransprüche, die ihren Grund gerade in der Masseinsuf-fizienz hätten, wie dies etwa der Fall sei, wenn der Gläubiger mangels ausrei-chender Finanzmittel
der Masse
vom Vertrag zurücktrete. Eine Ausweitung der Haftung sei auch geboten, wenn der Insolvenzverwalter die Erbringung der ge-schuldeten Leistung ernsthaft und endgültig verweigere, weil ihm ausreichende Finanzmittel fehlten. [X.] man § 61 [X.] in diesen Fällen für unanwendbar, könnte sich der Insolvenzverwalter durch einen Vertragsbruch ohne weiteres seiner Verpflichtung entledigen und den Zweck der Vorschrift vereiteln. Diese Auffassung stehe in Einklang mit der Rechtsprechung zur Haftung von Gesell-schaftsorganen wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht. Auch diese wolle Neugläubiger davor
schützen, Verträge mit insolvenzreifen Gesellschaften zu schließen.
Der Beklagte müsse sich die unberechtigte Weigerung der Schuld-nerin zurechnen lassen, den Transport ohne die geforderte Versicherung durchzuführen.
Ungeachtet der Weigerung der Klägerin bei Vertragsschluss, eine Ladungsversicherung bei der Schuldnerin in Auftrag zu geben, habe der Schuldnerin die Berechtigung gefehlt, den Transport ohne eine Freistellung zu verweigern. Damit habe sie den Rücktritt der Klägerin ausgelöst. Dies rechtfer-tige es, den Beklagten persönlich für jeglichen Sekundärschaden
ohne Begren-zung auf das Erfüllungsinteresse
haften zu lassen. Auf die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Anspruchsgrundlagen komme es nicht an.

8
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7
-

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung
nicht
stand. Das Ur-teil kann keinen Bestand haben, weil das Berufungsgericht bei seiner Entschei-dung zu
Unrecht davon ausgegangen ist, § 61 [X.]
erfasse
auch Sekundäran-sprüche, die aufgrund einer nicht auf der Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse beruhenden Rücktrittserklärung des Vertragspartners der Insolvenzmasse kraft Gesetzes entstehen.

1. § 61 [X.] regelt ausschließlich die Haftung des Insolvenzverwalters für die pflichtwidrige Begründung von Masseverbindlichkeiten. Die Vorschrift
legt keine insolvenzspezifischen Pflichten für die [X.] nach Begründung einer Verbindlichkeit fest. Aus ihr ist kein Anspruch auf Ersatz eines Schadens herzu-leiten, der auf erst später eingetretenen Gründen beruht ([X.], Urteil vom 6.
Mai 2004 -
IX ZR 48/03, [X.]Z 159, 104, 108 ff mwN). Der Verwalter hat deshalb den
von
ihm gemäß § 61 Satz 2 [X.] zu führenden Entlastungsbeweis auch nur dahin zu führen, dass er sich entlasten kann, zum [X.]punkt der [X.] einen aus seiner damaligen Sicht auf [X.] Anknüpfungstatsachen beruhenden und sorgfältig erwogenen [X.] erstellt zu haben, der eine Erfüllung der fälligen Masseverbindlichkeit erwarten lässt.
Die Darlegung und der Beweis für eine von seiner Liquiditäts-planung abweichende Entwicklung obliegt ihm nicht ([X.], Urteil vom 17. [X.] 2004 -
IX ZR 185/03, Z[X.] 2005, 205, 206 f). Pflichten zum Schutz der [X.] für die [X.] nach Begründung der Masseverbindlichkeiten er-geben sich aus anderen Normen des Insolvenzrechts. Sie folgen insbesondere aus §§ 53 ff [X.] i.V.m. § 60 [X.]. Eine Sondernorm
hinsichtlich des Schutzes von Vertragspartnern
enthält die Insolvenzordnung insoweit nicht ([X.], Urteil 9
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8
-

vom 6. Mai 2004, aaO
S. 110 f). Nicht von §
61 [X.] erfasst werden
Sekun-däransprüche, auf die sich die besondere Pflicht des Insolvenzverwalters, sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, nicht bezieht ([X.], Beschluss vom 25. September 2008 -
IX ZR 235/07, Z[X.] 2008;
1206 Rn. 5). Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, dem Vertragspartner der Masse mehr Rechte zuzusprechen als ihm außerhalb einer Insolvenz zustän-den.
§ 61 [X.] dient nicht dem Zweck, dem Vertragspartner der [X.] einen zweiten
Schuldner zu verschaffen, den er bei einer Geschäftsbezie-hung
außerhalb eines Vertragsschlusses mit einem Insolvenzverwalter nicht hat.

2. Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten für die von der Klägerin geltend gemachten
und durch den Schiedsspruch ihr gegenüber der Schuldnerin zugesprochenen
Schadenser-satzansprüche aus § 323 Abs. 1, §§ 325, 280 BGB nicht annehmen dürfen. De-ren Ursache liegt nicht in der Begründung des Anspruchs der Klägerin auf Be-förderung der
Rinder aus den [X.] in die [X.] und der späteren Unzulänglichkeit der Insolvenzmasse,
die Mittel für
diesen Transport aufzubringen. Die Entstehung der Schadensersatzansprüche, die von §
61 [X.] nicht erfasst werden,
beruht vielmehr auf dem
im [X.] an die Auseinandersetzung der Vertragsparteien über eine Haftungsfreistellung der Schuldnerin erklärten Rücktritt der Klägerin.

a) Allerdings scheitert der Anspruch nicht daran, dass die Masse keinen Geldbetrag, sondern eine Transportleistung schuldete. Zwar meint die Revision, ein Schadensersatzanspruch aus §
61 [X.] sei für Fälle der vorliegenden Art ausgeschlossen, weil die Vorschrift nur dann gelte, wenn es um eine aus der 11
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-
9
-

Insolvenzmasse zu erbringende Geldschuld gehe. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift komme eine Anwendung auf sonstige durch den Insolvenzverwalter eingegangene Leistungspflichten nicht in Betracht. Das erhöhte Risiko, das der Vertragspartner eines insolventen Unternehmens eingehe,
bestehe gerade da-rin, dass in der Vermögensmasse dieses Unternehmens typischerweise nur eingeschränkt Geldmittel vorhanden seien. Dies sei der prägende Unterschied zu einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen, der sich nur auf die Erfüllbar-keit
von Geldschulden auswirke.

Eine den Ausführungen der Revision folgende Einschränkung des [X.] des § 61 [X.] ergibt sich aus dem Gesetz nicht.
Sie kann dem Wortlaut der Vorschrift, der auf durch Rechtshandlungen des [X.] begründete Verbindlichkeiten verweist und damit im Grundsatz alle vom Verwalter gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 [X.]
durch Rechtsgeschäft be-gründeten sonstigen Masseverbindlichkeiten umfasst, nicht entnommen wer-den.
Soweit ersichtlich wird eine derartige Einschränkung des [X.] der Vorschrift
auch nirgends
vertreten. Aus der Entstehungsgeschichte, die auf die besonderen Risiken von [X.] mit der Insolvenzmasse Bezug nimmt (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 72), kann eine entspre-chende Beschränkung ebenfalls nicht abgeleitet
werden. Die Regelung soll den Vertragspartner davor schützen, dass schon bei Vertragsschluss
die Nichter-füllbarkeit einer vom Insolvenzverwalter übernommenen Leistungspflicht man-gels ausreichender
finanzieller
Mittel
voraussehbar ist. Bei dieser [X.] muss es sich nicht notwendig um eine Geldschuld handeln.
Gegenstand kann auch die Verpflichtung der Insolvenzmasse sein, dem anderen Teil [X.] Rechte zu verschaffen oder bestimmte Sachen zu liefern (vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2008 -
IX ZR 235/07, Z[X.] 2008, 1206).
In Be-tracht kommt etwa
auch
die Verpflichtung der Insolvenzmasse, eine [X.]
-
10
-

tung zu erbringen, die ihr letztlich nicht möglich ist, weil ihr
die Mittel fehlen, um die zur Erfüllung der Verbindlichkeit der Masse erforderlichen
Leistungen
Dritter
zu bezahlen.
Ist insoweit bei Vertragsschluss voraussehbar, dass der [X.] unter Einbeziehung der Gegenleistung zu einem bestimmten [X.]punkt nicht mehr über die erforderlichen Mittel verfügt, um den [X.] herbeizuführen, muss er von dem Abschluss des Vertrages Abstand [X.]. Andernfalls kann er
nach
§
61 Satz 2 [X.] den ihm obliegenden [X.] nicht führen und haftet dem Vertragspartner der Insolvenzmasse auf Ersatz des negativen Interesses (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004, aaO
S.
117 ff; vom 13.
Februar 2014 -
IX ZR 313/12, Z[X.] 2014, 710 Rn. 17 mwN).

b) Von einer Verletzung der Pflicht des Verwalters, die bei der Erfüllung der übernommenen Verbindlichkeiten anfallenden Ausgaben und Einnahmen in seine Liquiditätsprognose einzubeziehen, kann auf der Grundlage des revisi-onsrechtlich maßgeblichen Sachverhalts
jedoch
nicht ausgegangen werden. Auf die Führung des [X.] durch den Verwalter
nach § 61 Satz
2 [X.]
kommt es nicht an, weil
das
finanzielle Unvermögen der Insol-venzmasse
-
der Beklagte hatte zum [X.]punkt der Rücktrittserklärung noch nicht einmal Masseunzulänglichkeit angezeigt
-, den Beförderungsvertrag zu erfüllen, für die Rücktrittserklärung
nicht ursächlich geworden ist.
Aufgrund des Rücktritts der Klägerin
infolge des Streits der Parteien über die Haftungsfreistel-lungserklärung liegt eine Vertragsstörung vor, die allgemeiner Natur ist
und in jeder anderen Vertragsbeziehung außerhalb eines Vertragsschlusses mit dem Insolvenzverwalter auch auftreten kann.

aa) Die besondere Pflicht des Insolvenzverwalters, sich zu vergewissern, ob er bei normalem Geschäftsablauf zur Erfüllung der von ihm begründeten Forderungen mit Mitteln der Masse in der Lage sein wird, bezieht sich auf die 14
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11
-

primären [X.] und nicht auf [X.] ([X.], [X.] vom 25. September 2008 -
IX ZR 235/07, Z[X.] 2008, 1206 Rn. 5).
Die Haftung soll das gegenüber einem normalen Geschäftsabschluss erhöhte [X.] ausgleichen, das der Vertragsabschluss durch einen insolventen Partner mit sich bringt ([X.], Urteil vom 6. Mai 2004, aaO
S. 110). Nicht eingreifen soll sie dagegen,
wenn sich
ein von der Insolvenz unabhängiges, dem "normalen Ge-schäftsabschluss" anhaftendes Risiko verwirklicht,
welches
genauso bestanden
hätte, wenn die Klägerin den Kaufvertrag mit einem wirtschaftlich gesunden Partner abgeschlossen hätte
(vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2008, aaO Rn. 4).
Die durch § 61 Satz 1 [X.] sanktionierte besondere Pflicht des Verwalters passt nach
ihrem
Sinn und Zweck nicht auf Sekundäransprüche. Insoweit ist es nicht gerechtfertigt, dem Vertragspartner der Masse mehr Rech-te zuzusprechen als ihm außerhalb einer Insolvenz zuständen
([X.], Beschluss vom 25. September 2008, aaO Rn. 5). So kann es dem Insolvenzverwalter bei-spielsweise nicht als zum Schadensersatz nach § 61 Satz 1 [X.] verpflichtende Handlung angelastet werden, wenn er eine Speziessache verkauft hat, die nicht zur Insolvenzmasse gehört
(vgl. [X.], Beschluss vom 25. September 2008, aaO; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 61 Rn. 19; von
Olshausen, [X.], 237, 238 f).

[X.]) Diese
Rechtsprechung ist im Schrifttum auf einhellige Zustimmung gestoßen (vgl.
Graf-Schlicker/[X.], [X.], 4. Aufl., §
61 Rn. 18; HmbKomm-[X.]/Weitzmann, 6. Aufl., § 61 Rn. 3;
Laws in [X.]/[X.], Handbuch der Insolvenzverwalterhaftung, Teil 4 Rn. 78 ff; [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 61 Rn. 7; HK-[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 61 Rn. 4; [X.] in Kübler/Prütting/
Bork, [X.], 2009, § 61 Rn. 4d;
MünchKomm-[X.]/[X.], aaO;
[X.]/
Uhländer/[X.], [X.], § 61 Rn. 11; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., §
61 Rn.
15; [X.], Z[X.] 2011, 1713, 1719; von
Olshausen, aaO). [X.]
-
12
-

kungen werden von Teilen der Literatur
nur dann gemacht, wenn es darum geht, dass
Warenlieferanten den Rücktritt
vom Vertrag
erklären und Schadens-ersatzansprüche aus §§ 325, 323, 281 BGB erheben, weil der Insolvenzverwal-ter gelieferte Vorbehaltsware nicht bezahlt oder hinsichtlich bestellter Ware die Abnahme verweigert (vgl. [X.], [X.], 502 ff; zustimmend HK-[X.]/
[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; MünchKomm-[X.]/[X.], aaO). In diesen Fällen sei es sachgerecht und mit dem gesetzgeberischen Zweck des §
61 [X.] in Einklang stehend, dass der Verwalter persönlich haften müsse, weil er bei seiner Liquiditätsplanung gravierende Fehler gemacht habe ([X.], aaO S. 505). Es sei nicht hinzunehmen, dass der Verwalter sich problemlos
des Primäranspruchs entledigen könne, ohne die Haftung aus § 61 [X.] fürchten zu müssen ([X.], aaO S. 504; [X.]/[X.], aaO). Ferner wird erwogen, die Haftung
auch
dann eingreifen zu lassen, wenn der Verwalter vorsätzlich die Erfüllung des Primäranspruchs ablehnt
und
damit einen Schadensersatzan-spruch auslöst
(vgl. [X.], aaO m. Fn. 21). Abseits dieser Ausnahmefälle gilt aber der Grundsatz, dass eine Haftung für Sekundäransprüche nicht in Betracht kommt, weil deren Entstehung bei Eingehung der Masseverbindlichkeit nicht absehbar und nicht kalkulierbar ist
und damit die vom Gesetzgeber gewollte Erleichterung der Betriebsfortführung mit unübersehbaren Risiken behaftet werden würde (vgl. [X.]/Uhländer/[X.], aaO).
Eine Haftung für jedes Risiko des Scheiterns eines Vertrages mit der Insolvenzmasse wäre durch den Zweck, die Bereitschaft zur Kreditgewährung an die Masse zu fördern (vgl. [X.]/
[X.], [X.], § 61 Rn. 15), indem der Verwalter persönlich für die Erfüllbar-keit der von ihm begründeten Masseverbindlichkeiten einsteht, sofern dies schon bei deren Eingehung erkennbar ist (vgl. Laws in [X.]/[X.], aaO Rn.
81), nicht mehr gedeckt. Sie würde vielmehr die vom Gesetzgeber nicht gewollte Konsequenz haben, dass der Verwalter auch für die allgemeinen ver-traglichen Risiken einstehen muss, die im "Normalfall"
jeder Vertragspartner zu -
13
-

tragen hat
(Laws, aaO).
Eine Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren wäre dann -
dies zeigt der Streitfall, in dem das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt hat, der weit über das positive Interesse hinausgeht (zur Beschränkung auf das negative Interesse und zu einer mögli-chen Begrenzung
durch das positive Interesse über den Schutzzweck des §
61 [X.] [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 -
IX ZR 48/03, [X.]Z 159, 104, 117 ff; vom 13. Februar 2014 -
IX ZR 313/12, Z[X.] 2014, 710 Rn. 17;
Laws in [X.]/
[X.], aaO Rn. 314 ff; [X.]/[X.], Rn. 7, 11)
-
nahezu unkalkulierbar. Der Verwalter müsste persönlich für jegliche Leistungsstörungen einstehen, so dass ihm kaum etwas anderes übrig bliebe, als von einer Betriebsfortführung Abstand zu nehmen.

cc) Der [X.] muss die Frage, ob § 61 Satz 1 [X.] erwei-ternd auf Sekundäransprüche anzuwenden ist, die darauf beruhen, dass der Verwalter gelieferte Vorbehaltsware nicht bezahlt oder hinsichtlich bestellter Ware die Abnahme verweigert, im Streitfall nicht entscheiden. Auch die Frage einer vorsätzlichen Vertragsverletzung stellt sich nicht. Das Berufungsgericht
hat den im Schrifttum diskutierten Sonderfall des [X.] der Kündigungs-erklärung des Lieferanten durch Nichtzahlung oder Abnahmeverweigerung er-weiternd auf sämtliche Vertragsstörungen erstreckt, die im Rahmen der [X.] eines Vertrages zwischen der Insolvenzmasse und einem Dritten auftreten können. Feststellungen, die zu dem Schluss führen könnten, der Beklagte habe den Streit um die Versicherung der Ladung nur provoziert, um damit die Rück-trittserklärung der Klägerin herauszufordern, weil er zur Erfüllung seiner vertrag-lichen Pflichten nicht in der Lage war, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
Das Berufungsgericht hat damit unter Abweichung von der Rechtsprechung des Senats, nach der § 61 [X.] auf Sekundäransprüche
nicht
anzuwenden ist, den Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich
ausgeweitet. Nach seiner unzutref-17
-
14
-

fenden Auffassung soll sich der Verwalter auch dann von einer Fehleinschät-zung der Erfüllbarkeit des Vertrages bei Fälligkeit entlasten müssen, wenn die Durchführung des Vertrages nicht an der Unzulänglichkeit der Masse, sondern an anderen Umständen, die in jeder normalen Vertragsbeziehung auch auftre-ten können, scheitert.
Den Insolvenzverwalter träfe damit eine Art Garantiehaf-tung für die Durchführung von Verträgen mit der Insolvenzmasse.
Diese Aus-dehnung der Haftung auf alle Arten von
Sekundäransprüchen würde die Be-triebsfortführung im Insolvenzverfahren erheblich beeinträchtigen. Sie ist mit den Absichten des Gesetzgebers bei Schaffung des § 61 [X.] (vgl. BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 72) und der Rechtsprechung des Senats ([X.], Beschluss vom 25. September 2008 -
IX ZR 235/07, Z[X.]
2008, 1206) nicht zu vereinba-ren.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist
deshalb
aufzuheben.

III.

Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil eine endgültige Entscheidung durch den [X.]
nicht möglich ist. Nach dem bisherigen Sach-
und Streitstand könnte es angezeigt erscheinen, die an-deren in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen vorrangig in den Blick zu nehmen.
Der Einzelrichter wird auch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen
des § 526 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vorliegen (vgl. [X.]/
[X.], 5. Aufl., § 526 Rn. 22). Der Senat weist im Übrigen
vorsorglich für das weitere Verfahren darauf hin, dass dem Insolvenzverwalter bei der [X.], zu welchem [X.]punkt er Masseunzulänglichkeit anzeigt, ein weiter Hand-lungs-
und Ermessensspielraum zusteht, dessen Einhaltung das Gericht des

18
-
15
-

Haftungsprozesses allerdings umfassend nachprüfen kann (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juli 2017 -
IX [X.], Z[X.] 2017, 1784 Rn. 24 f
mwN).

Kayser
[X.]
[X.]

Möhring
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.03.2014 -
325 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 03.02.2017 -
1 [X.] -

Meta

IX ZR 37/17

11.01.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. IX ZR 37/17 (REWIS RS 2018, 15741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15741

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