Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2006, Az. 2 StR 349/06

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 1521

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[X.] vom 4. Oktober 2006 in der Strafsache gegen wegen Totschlags - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 4. Oktober 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts Limburg a.d. Lahn vom 3. April 2006 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das [X.] Urteil wird als unbegründet verworfen. Gründe: 1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags - unter An-nahme eines minder schweren Falls - zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision ist aus den von der [X.] in ihrer Zuschrift an den [X.] vom 14. August 2006 zutreffend dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Auch der Strafausspruch weist im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. 1 - 3 - 2. Die [X.] hat hingegen keinen Bestand. 2 Das [X.] hat mit dem Sachverständigen angenommen, der An-geklagte weise eine "emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ ([X.]: [X.])" auf, die "Krankheitswert" besitze ([X.]). Diese Stö-rung hat danach zu einem Zustand dauerhaft erheblicher Verminderung der Steuerungsfähigkeit geführt. Der Angeklagte, der die zunehmende Selbständig-keit seiner Ehefrau nicht ertragen konnte und sich gedemütigt und entmachtet fühlte ([X.]), begann nach den Feststellungen des [X.]s in diesem störungsbedingten Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit mit [X.] auf seine Frau einzustechen. Sodann geriet er in einen "Blut-rausch" und tötete sie mit 37 Messerstichen bei voll erhaltener [X.], jedoch nunmehr möglicherweise im Zustand vollständig aufgehobener Steuerungsfähigkeit ([X.]). Vor der Tat hatte er sich tagelang in [X.] der Familienwohnung aufgehalten; er hatte am Familienleben nicht mehr teilgenommen ([X.], seiner Frau und den Kindern verboten, die [X.] zu verlassen, und sämtliche Fotografien des [X.] bis zur Un-kenntlichkeit in Kleinteile zerrissen und zerschnitten ([X.]). Unmittelbarer Auslöser der Tat war nach den Urteilsfeststellungen, dass die Ehefrau des [X.] diesem vorhielt, er sei [X.]" ([X.]), und ihn ver-höhnte, als er mit zwei langen Küchenmessern das Schlafzimmer betrat, in dem sie sich aufhielt ([X.]). Die Voraussetzungen eines die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden Affekts im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung sind im Urteil, obgleich dies nahe gelegen hätte, nicht erörtert; unerwähnt bleibt auch, aus welchem Grund der Angeklagte nach Beginn der Tat in einen "Blut-rausch" verfallen sein soll und in welchem Zusammenhang dieser Zustand mit der festgestellten Persönlichkeitsstörung stehen könnte. 3 - 4 - Es mangelt hier schon an der hinreichenden Feststellung einer die Un-terbringung rechtfertigenden psychischen Störung im Sinne eines "Zustands" (§ 63 StGB). Das bloße Vorliegen der Voraussetzungen von Diagnosekriterien eines der gängigen [X.] reicht hierfür ebenso wenig aus wie für die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. BGHSt 37, 397, 401; [X.], 176 f.; 1997, 383; [X.]surteil vom 27. August 2003 - 2 StR 267/03; [X.]/[X.] 53. Aufl. § 20 Rdn. 7, § 63 Rdn. 7 f. m.w.N.). Es bleibt auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen daher hier letztlich unklar, welcher dauerhafte "Zustand" im Sinne von § 63 StGB ge-geben sein soll (vgl. auch [X.], 365, 369; [X.], 390). Die vom [X.] zitierten Diagnosekriterien des [X.] reichen für sich allein zur Feststellung nicht aus; der - überdies missverständliche - Hinweis auf den "Krankheitswert" der Störung lässt deren konkrete Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten offen. Festgestellte Eigenschaften des Angeklagten wie Stim-mungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Fremdbe-schuldigungen und Streitereien und Impulsivität sind als überaus verbreitete Persönlichkeitsakzentuierungen an sich weder geeignet, eine Person in einen Zustand dauerhaft erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen, noch rechtfertigt ihr Vorliegen die Annahme eines Zustands, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gebietet. 4 Auf dieser unsicheren Grundlage hat auch die vom [X.] ange-nommene Gefährlichkeitsprognose keinen Bestand. Die Annahme, es seien "weitere Konfliktsituationen bereits angelegt", und es könne, weil in der Zukunft Konflikte des Angeklagten mit Pflegepersonen oder Sorgerechtsinhabern seiner Kinder oder "der Justiz" zu erwarten seien, zu mit der [X.] vergleichbaren Gewalttaten kommen ([X.] f.), findet in den bisherigen Feststellungen [X.] hinreichende Grundlage. Sie lässt schon eine Erörterung der tatspezifischen Konflikt- und Affektlage vermissen; die Annahme, der Angeklagte könne auf-5 - 5 - grund von Konflikten mit dem Jugendamt oder der Justiz in einen ähnlichen Zu-stand wie denjenigen geraten, der zur vorliegenden Tat führte, erscheint nach den bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht naheliegend. Hieran ändert auch nichts, dass der Sachverständige eine "tiefe Strukturstörung" des Angeklagten diagnostiziert und einen langwierigen therapeutischen Prozess mit "zahlreichen Rückfällen" prognostiziert hat. Das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung rechtfertigt für sich allein nicht die - möglicherweise le-benslange - Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (vgl. auch [X.], 232; [X.]/[X.] 63 Rdn. 15 m.w.N.). 3. Über die [X.] ist daher neu zu entscheiden. Der [X.] kann ausschließen, dass rechtsfehlerfreie Feststellungen zur Annahme voll-ständiger Aufhebung der Schuldfähigkeit bei der [X.] geführt hätten und dass sich der fehlerhafte rechtliche Ausgangspunkt der [X.] bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. 6 [X.]

Meta

2 StR 349/06

04.10.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2006, Az. 2 StR 349/06 (REWIS RS 2006, 1521)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1521

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4 StR 387/15

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