Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. 1 StR 543/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3152

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 543/00vom20. März 2001in der Strafsachegegenwegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln u.a.- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. März2001, an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. Wahl,[X.],[X.],[X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Juli 2000 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, davon indrei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nichtgeringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechsMonaten verurteilt und den Verfall eines Geldbetrages von 108.000 DM ange-ordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er ein Prozeßhindernis geltendmacht und die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat [X.].Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hatkeinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der [X.] nur die Rüge des Beschwerdeführers, das [X.] habe, ohne ihnzuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen, durch vorläufige Teileinstellung [X.] ausgeschiedene Taten bei der Beweiswürdigung zu seinen Lastenverwertet.- 4 -1. [X.] bezieht sich auf folgende Vorgänge:Die - ohne Änderungen zugelassene - Anklage legte dem Beschwerde-führer zur Last, in 56 Fällen ein Verbrechen des unerlaubten Handeltreibensmit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit uner-laubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begangen zuhaben, und zwar von 1987 bis 1992 in 52 Fällen - Gesamtmenge ca. 11.600Kilogramm Haschisch - und von 1993 bis 1997 in vier Fällen - Gesamtmenge160 Kilogramm Haschisch -. In der vom 28. Juni 2000 bis 21. Juli 2000 [X.] Hauptverhandlung hat das [X.] zu allen 56 Fällen umfassend- insbesondere durch Vernehmung des [X.] - [X.] erhoben. Am 21. Juli 2000 hat es auf Antrag der Staatsanwaltschaft, zudem die Verteidigung keine Erklärung abgab, bezüglich der ersten 52 Fälle [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Unmittelbar daraufist die Beweisaufnahme geschlossen worden. Einen Hinweis darauf, daß [X.] den der vorläufigen Einstellung zugrundeliegenden Verfahrensstoff beider Beweiswürdigung zu verwerten gedenke, verzeichnet die [X.] nicht.Das [X.] hat die Verurteilung des Angeklagten wegen der vierverbliebenen Taten im wesentlichen mit den Angaben des [X.]. Seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen hat esauch auf Teile des der vorläufigen Einstellung zugrundeliegenden Verfahrens-stoffs gestützt.2. [X.] dringt nicht durch.In der Rechtsprechung des [X.] ist dem Grundsatz nachanerkannt, daß durch vorläufige Einstellung des Verfahrens ausgeschiedene- 5 -Taten - selbst wenn sie prozeßordnungsgemäß festgestellt worden sind - auchbei der Beweiswürdigung nur dann zu Lasten des Angeklagten verwertet wer-den dürfen, wenn dieser zuvor auf die Möglichkeit einer solchen Verwertunghingewiesen worden ist (vgl. [X.]St 31, 302, 303; [X.]R StPO § 154 Abs. 2Hinweispflicht 1, 2 [= NJW 1996, 2585, 2586] und 3). Der Grund hierfür liegtdarin, daß die Verfahrenseinstellung regelmäßig einen Vertrauenstatbestandbegründet. Eine faire Verfahrensgestaltung, aber auch der Gesichtspunkt desrechtlichen Gehörs gebieten es dann in der Regel, einen Hinweis zu erteilen,wenn der Tatrichter solchen Verfahrensstoff doch zu berücksichtigen gedenkt.Dieser Grundsatz gilt indessen nicht ausnahmslos. Ein [X.] ist dann entbehrlich, wenn ein Vertrauenstatbestand nach dem [X.] Hauptverhandlung nicht geschaffen werden konnte ([X.] NJW 1985, 1479;NStZ 1987, 133, 134; bei [X.] NStZ 1992, 225; NStZ 1994, 195; NJW 1996,2585, 2586; vgl. auch [X.] NStZ 1995, 76), mag in solchen Fällenein ausdrücklicher Hinweis auch zweckmäßig sein. Ein Vertrauen des Ange-klagten kann nur dort verletzt sein, wo es zuvor geschaffen worden ist, wo alsoder Angeklagte durch den Beschluß nach § 154 StPO in eine Lage versetztworden ist, die sein Verteidigungshandeln beeinflußt hat und bei verständigerEinschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte.Hier konnte das ersichtlich nicht der Fall sein: Das [X.] hat anmehreren Hauptverhandlungstagen zu allen 56 angeklagten [X.] erhoben. Die vorläufige Teileinstellung hinsichtlich der ersten - im [X.] erheblich gewichtigeren - 52 Fälle ist erst erfolgt, als die Beweisauf-nahme abgeschlossen war. Die Beweisaufnahme gestaltete sich für alle 56Fälle identisch, indem der [X.], auf dessen Bekun-dungen es entscheidend ankam, die Tatvorwürfe durchgehend bestätigt hat. Zu- 6 -der Teileinstellung hat sich das [X.] nicht entschlossen, weil es hin-sichtlich der hiervon betroffenen Fälle Zweifel an der Glaubwürdigkeit [X.] L. hatte, sondern weil es hier den Bekundungen des [X.] konkrete Anhaltspunkte bezüglich der genauen Tatmodalitäten entnehmenkonnte als bei den vier verbliebenen - zeitlich jüngeren - Fällen. Dies war auchder Verteidigung bewußt, die selbst hinsichtlich aller angeklagten Fälle [X.] unzureichenden Konkretisierung der Tatvorwürfe ausging und deshalbeine Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO beantragt hat. [X.] des [X.]s setzte erkennbar voraus, daß es hinsichtlichder noch abzuurteilenden Fälle verurteilungsgeneigt war. Hier konnte - wie derZusammenhang der Urteilsgründe ohne weiteres ergibt - eine Verurteilung [X.] nur erfolgen, wenn das [X.] den [X.] für [X.] erachten würde. In dieser besonderen Verfahrenssituation konnte [X.] nicht darauf vertrauen, das [X.] werde die Glaubwürdig-keit dieses Zeugen auf der gleichsam selektiven schmalen Tatsachengrundla-ge des noch verbliebenen Verfahrensgegenstands beurteilen. Für die [X.] der Bekundungen des Zeugen [X.]bedurfte es - auchfür den Angeklagten unübersehbar - einer Bewertung des Gesamtgeschehenseinschließlich des Zustandekommens und der weiteren Entwicklung [X.] zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen. [X.] sich aus denjenigen Sachverhalten, die dem ausgeschiedenen Verfah-rensstoff zugrundelagen, Anhaltspunkte ergeben hätten, die [X.] [X.] in Zweifel zu ziehen, war der Tatrichter im Blick auf [X.] und das Gebot einer lückenlosen Beweiswürdigung gehal-ten, diese nicht außer acht zu lassen; die Verteidigung hatte ihrerseits unver-ändert allen Anlaß, hierauf zurückzugreifen, wenn sie der Auffassung war, derZeuge [X.]sei unglaubwürdig und deshalb könne auch in den [X.] -noch zur Aburteilung stehenden Fällen eine Verurteilung auf seine Aussagenicht gestützt werden. Angesichts dieser besonderen Umstände, unter denendie Verfahrensbeschränkung erfolgt ist, konnte ein Vertrauen auf Nichtverwer-tung des ausgeschiedenen Verfahrensstoffs nicht erwachsen.[X.] [X.] Kolz [X.]

Meta

1 StR 543/00

20.03.2001

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.03.2001, Az. 1 StR 543/00 (REWIS RS 2001, 3152)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3152

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