Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2003, Az. IV ZR 74/02

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2421

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:9. Juli 2003HeinekampJustizobersekretärals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________[X.] § 7 I (2) a; [X.] § 5; BGB § 305c Abs. 2Die in der Gliedertaxe (§ 7 I (2) a [X.]) enthaltene Wendung "... Funktionsunfä-higkeit ... einer Hand im Handgelenk ..." ist unklar (§§ 5 [X.], 305c Abs. 2 BGB).[X.], Urteil vom 9. Juli 2003 - [X.]/02 - [X.] [X.] hat durch den [X.], [X.], die [X.] und [X.] und [X.] auf die mündliche [X.] vom 9. Juli 2003für Recht erkannt:Die Revision der [X.] gegen das Urteil [X.] des [X.] wird auf ihre Kosten zurückgewie-sen.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt von der [X.], bei der er eine private Un-fallversicherung unterhält, eine höhere Invaliditätsentschädigung als be-reits bezahlt. Die Parteien streiten um die richtige Bemessung des [X.] und hierbei insbesondere darum, wie der in den [X.] enthaltene Begriff der "Funktionsunfähigkeit [X.] im Handgelenk" auszulegen ist.Der Kläger erlitt durch einen Unfall einen Trümmerbruch der [X.] des linken Armes, mit Gelenkflächenbeteiligung und Schädigung derdistalen Handwurzelknochen. Wegen fortdauernder Schmerzen mußteeine künstliche Versteifung des Handgelenks vorgenommen werden.- 3 -Einzelne Funktionen der Hand wie Tasten, Fühlen, Bewegen und [X.] der Finger sind erhalten geblieben, so daß die Hand fürden Kläger nicht vollständig nutzlos, sondern weiterhin teilweise ge-brauchsfähig ist.In der sogenannten Gliedertaxe der dem Versicherungsvertragzugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (§ 7 [X.]) a und b [X.]) heißt es hierzu [X.]) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der [X.].a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nach-weises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oderFunktionsunfähigkeiteines Armes im [X.] Armes bis oberhalb des [X.] unterhalb des [X.] im Handgelenk55 Prozent.eines [X.] anderen Fingers 5 Prozent...eines Fußes im [X.]) Bei [X.] oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieserKörperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil [X.] nach a) [X.] Kläger meint, der Grad seiner Invalidität sei nach der Funkti-onsbeeinträchtigung seiner Hand und des Handgelenks zu bemessen,die mindestens 80% betrage, so daß sein Invaliditätsgrad mit (80% von55% =) 44% anzusetzen sei. Auf dieser Basis steht ihm unstreitig eine- 4 -Entschädigung von 216.480 DM zu, von der nach Abzug des von der [X.] bereits geleisteten Betrages noch die mit der Klage geltend ge-machten 126.720 DM offenstehen. Die Beklagte vertritt demgegenüberden Standpunkt, daß es auf die Funktionsbeeinträchtigung des ganzenArmes ankomme, die 2/5 betrage. Dementsprechend hat die Beklagteauf der Basis eines Invaliditätsgrades von (2/5 von 70% =) 28% abge-rechnet und gezahlt.Das [X.] hat auf die Funktionsbeeinträchtigung des [X.] und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hatdas Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der begehrten [X.] mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen verur-teilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung desklageabweisenden landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht die verlangteweitere Invaliditätsentschädigung zu.[X.] Das Berufungsgericht hat zunächst ausgeführt, daß es nicht aufdie Funktionsbeeinträchtigung des Armes ankomme. Wegen des [X.] und generellen Maßstabs der Gliedertaxe, die feste Invaliditäts-grade für die in ihr benannten Glieder bestimme, dürfe bei [X.] des [X.] im Handgelenk der [X.] nicht unter Rückgriff auf die Auswirkungen auf das Restglied ge-- 5 -ringer angesetzt werden. Des weiteren hat das Berufungsgericht wegendes seiner Ansicht nach eindeutigen Wortlauts des Begriffs "Funktions-unfähigkeit der Hand im Handgelenk" angenommen, daß es auf dieFunktionsunfähigkeit der Hand gerade im Handgelenk und nicht auf dieFunktionsunfähigkeit des [X.] ankomme. Bei einer kom-pletten Versteifung des Handgelenks, wie sie beim Kläger vorliege, [X.] deshalb unerheblich, ob das [X.] noch vorhanden undfunktionsfähig sei.I[X.] Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprü-fung im Ergebnis stand.1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungs-gericht die Ausstrahlungen der Funktionsbeeinträchtigung der Hand [X.] auf den ganzen Arm für unbeachtlich erklärt und deshalbnicht den Armwert angewandt (vgl. Senatsurteile vom 30. Mai 1990- IV ZR 143/89 - [X.], 964 unter 2 a; vom 17. Oktober 1990- IV ZR 178/89 - [X.], 57 unter 3 b; vom 23. Januar 1991 - IV [X.]/91 - [X.], 413; vom 17. Januar 2001 - [X.], 360 unter 2 a).2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht ent-schieden, daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" vorliegt,wenn nur das Handgelenk funktionsunfähig ist. Dies ergibt sich aus [X.] der §§ 5 [X.], 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel beider Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des [X.] 6 -a) Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedin-gungen und unterliegen daher dem [X.] bzw. den §§ 305 ff. [X.] der [X.]) [X.] würde nicht eingreifen, wenn, wie das Be-rufungsgericht meint, die Klausel eindeutig und damit gar nicht ausle-gungsbedürftig wäre (vgl. [X.]/[X.], [X.]. § 305cRdn. 18; [X.], Urteil vom 20. Oktober 1992 - [X.] - NJW 1993,657 unter [X.]). Die in der Gliedertaxe gebrauchte Wendung "als feste In-validitätsgrade gelten ... bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit einer ...Hand im Handgelenk 55%" ist indessen nicht eindeutig. Der [X.] zwar einerseits auf einen im Handgelenk lokalisierten Verlust, einedort lokalisierte Funktionsunfähigkeit hin, er läßt aber wegen der Gleich-stellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit dennoch Zweifel zu, ob [X.] die Funktionsunfähigkeit nicht auch auf die Hand bis zum Handgelenkankommen [X.]) Die demnach erforderliche Auslegung vermag diese Zweifelnicht zu beheben. Es sind vielmehr die Voraussetzungen der [X.] gegeben: Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die [X.] dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Wür-digung zu ermittelnden Sinnes und Zwecks objektiv mehrdeutig ist. [X.] kann auch nicht beseitigt werden, und es bleiben nachAusschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden minde-stens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar ([X.]Z 112, 65,68 f.).- 7 -(1) Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie eindurchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung,aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinn-zusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnis-möglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtli-che Spezialkenntnisse an ([X.]Z 123, 83, 85). Es ist nicht maßgeblich,was sich der Verwender der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorgestellthat. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versiche-rungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außerBetracht zu bleiben ([X.], Urteil vom 17. Mai 2000 - [X.] -VersR 2000, 1090 unter 2 a).(2) Die vom Berufungsgericht erwogene Auslegung ist möglich.Die Wortwahl "Hand im Handgelenk" kann den [X.], der die Bedeutung der Formulierung "im Gelenk" zu [X.], zu einem Verständnis führen, daß auf die Funktionsunfähigkeitdes Gelenks selbst und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilglie-des Hand abzustellen ist. In diesem Verständnis kann sich der Versiche-rungsnehmer insbesondere dadurch bestätigt sehen, daß die [X.] eines Gliedes - so des Armes - auch mit Wendungen be-schreibt wie "eines Armes bis" (oberhalb des Ellbogengelenks - unter-halb des Ellbogengelenks); Entsprechendes gilt für Teilbereiche des [X.]. Wenn einerseits mit der Wendung "bis" ausdrücklich [X.] beschrieben werden, deutet im Gegensatz dazu die Wendung"im" auf eine Lokalisierung der Funktionsunfähigkeit gerade im [X.] hin. Liegt also vollständige Funktionsunfähigkeit des Handgelenksdurch dessen Versteifung vor, kann der Versicherungsnehmer die [X.] -dertaxe dahin verstehen, daß allein deshalb ein Invaliditätsgrad von 55%zugrunde zu legen ist. Selbst wenn trotz der Funktionsunfähigkeit [X.] die Hand selbst noch teilweise funktionsfähig gebliebensein sollte, muß das den Versicherungsnehmer nicht notwendig zu eineranderen Einschätzung führen. Denn er darf auch berücksichtigen, daß [X.] § 7 I (2) a [X.] einleitend heißt: "Als feste Invaliditätsgrade gelten- unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren [X.] ...". Zwar erkennt der Versicherungsnehmer auch, daß der [X.] im Handgelenk der Funktionsunfähigkeit im Gelenk beiverbleibender Teilfunktionsfähigkeit der Hand in seinen Auswirkungennicht gleichstehen muß, gleichwohl aber der gleiche Invaliditätsgrad- also eine gleich hohe Entschädigung - in Betracht kommt. Der [X.] kann das auf die mit der Gliedertaxe vorgenommenepauschalisierende Bewertung des Invaliditätsgrades zurückführen, derenversicherungswirtschaftliche oder medizinische Rechtfertigung sich [X.] nicht erschließt. Das gilt auch und gerade mit Blick auf [X.] von Verlust und Funktionsunfähigkeit von Gliedern oderGliedteilbereichen.(3) Auf der anderen Seite ist aber auch eine Auslegung dahinmöglich, daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" ihrerseitsdie Funktionsunfähigkeit der restlichen Hand voraussetzt (vgl. Knapp-mann, [X.], 430, 431).Das kann dem Versicherungsnehmer der Aufbau der Gliedertaxenahelegen. Die Gliedertaxe sieht Abstufungen des [X.] etwa des Armes - vor, nachdem der Invaliditätsgrad mit der [X.] in der Gliedertaxe festgelegten Teilbereiche ansteigt. Diese [X.] -fung trägt - dem Versicherungsnehmer erkennbar - den zunehmendenAuswirkungen des jeweiligen Teilgliedverlustes oder der Teilgliedfunkti-onsunfähigkeit auf die generelle Arbeitsfähigkeit des Menschen Rech-nung. Liefert aber die Rumpfnähe des [X.] den Bewertungsmaß-stab, läßt sich die Wendung "Hand im Handgelenk" auch dahin verste-hen, daß mit ihr - wie mit der Abgrenzung "bis zum" - nur die Grenze ei-nes [X.] beschrieben wird, es also bei der Funktionsunfä-higkeit auf die Hand insgesamt ankommt. Für ein solches Verständniskann auch die [X.] von Verlust und Funktionsunfähigkeit [X.] im Handgelenk sprechen. Sie läßt jedenfalls den Schluß zu,daß der Versicherer hier Sachverhalte gleichbehandeln wollte, die sichaus seiner Sicht hinsichtlich des versicherten Risikos gleichen.(4) Beide Auslegungen sind vertretbar. Die sich aus der mehrdeu-tigen Formulierung "Hand im Handgelenk" ergebenden Zweifel lassensich aus der Sicht des um Verständnis bemühten [X.] überwinden. Diese Auslegungszweifel gehen gemäß §§ 5 [X.],305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders; es ist deshalb von der fürden Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung auszugehen.Soweit sich aus dem (nicht begründeten) [X.] vom 2. Oktober 2002 - [X.]/01 - etwas anderes ergibt,hält der Senat daran nicht [X.] 10 -(5) Im vorliegenden Fall ist demgemäß bei der Bemessung der [X.] allein darauf abzustellen, daß sein Handgelenkfunktionsunfähig ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweistsich danach als im Ergebnis zutreffend.[X.] Richter am [X.] Ambrosius [X.] ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. [X.] [X.] [X.]

Meta

IV ZR 74/02

09.07.2003

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2003, Az. IV ZR 74/02 (REWIS RS 2003, 2421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2421

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