Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 1047

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 31. Oktober 2006 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 14; [X.] [X.] Nr. 2400 a) Es ist nicht unbillig, wenn ein Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bei einem durch-schnittlichen Verkehrsunfall eine Geschäftsgebühr von 1,3 bestimmt. b) Zur Frage, wann eine Geschäftsgebühr von 1,3 unbillig sein kann. [X.], Urteil vom 31. Oktober 2006 - [X.] - [X.] AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Oktober 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], den [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.]s [X.] vom 17. November 2005 wird [X.]. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der aus abgetretenem Recht seines Mandanten klagende Rechtsanwalt und der beklagte Haftpflichtversicherer streiten über die Höhe der dem Kläger aus § 14 [X.] i. V. m. Nr. 2400 [X.] zustehenden Geschäftsgebühr in einer [X.], bei der das Fahrzeug seines Mandanten von einer Versiche-rungsnehmerin der Beklagten beim Rückwärtsfahren beschädigt worden war. Nach der Schadensregulierung durch die Beklagte rechnete der Kläger seine Gebühren nach einem Wert von 1.137,56 • ab, wobei er eine Gebühr von 1,3 nach §§ 13, 14 [X.], Nr. 2400 der Anlage 1 [X.] nebst der Pauschale nach Nr. 7002 der Anlage 1 [X.] (zuzüglich der Mehrwertsteuer), insgesamt 1 - 3 - 151,38 •, in Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich lediglich einen Betrag von 94,56 •, wobei sie von einer Geschäftsgebühr von 0,8 ausging. Nachdem der Kläger den offen stehenden Restbetrag von 56,82 • unter Frist-setzung nachgefordert und hierüber einen Mahnbescheid erwirkt hatte, leistete die Beklagte eine weitere Zahlung in Höhe von 23,76 •, wobei sie eine Ge-schäftsgebühr von 1,0 zugrunde legte. Den Restbetrag macht der Kläger mit seiner vorliegenden Klage geltend. Das Amtsgericht hat der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben und im Übrigen festgestellt, dass die Hauptsache wegen eines Betrages von 23,76 • teilweise erledigt ist. Auf die zugelassene Berufung der Beklagten hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und - über die Feststellung der teilweisen Erledigung hinaus - die Klage im Übrigen [X.]. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. 2 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne keine höhere als die ein-fache Gebühr verlangen. Die Ermessensausübung des Rechtsanwalts sei zwar bindend, wenn ihm keine Ermessensfehler unterlaufen seien, wobei ihm ein Spielraum von etwa 20% zuzubilligen sei. Der Ansicht des [X.], dass sich aus dem Zusatz der Nr. 2400 [X.] ergebe, dass in [X.] grund-sätzlich 1,3 Gebühren gefordert werden könnten, könne jedoch nicht gefolgt werden. § 14 [X.] stelle nicht auf bestimmte Rechtsgebiete ab, sondern [X.] eine Bestimmung der Gebühr unter Berücksichtigung des konkreten [X.] - 4 - falles. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten ergäben sich hier keine vom [X.] abweichenden Kriterien, allenfalls sei zu berücksichtigen, dass der gel-tend gemachte Schadensbetrag eher niedrig als hoch einzustufen sei. Deshalb seien bei der Ermessensausübung des Anwalts der Umfang und die Schwierig-keit seiner Tätigkeit maßgeblich heranzuziehen. Nach dem eigenen Vorbringen des [X.] sei die Schadensregulierung einfach gewesen und habe keinen besonderen Umfang gehabt. Die Tätigkeit des [X.] habe sich darin [X.], dass er das nicht schwer einzuordnende Unfallgeschehen angehört und die selbstverständlichen Folgen daraus gezogen habe. Im Streitfall hätten sich zum [X.] überhaupt keine rechtlichen Probleme ergeben, weil sowohl vom Unfallablauf (Rückwärtsfahren) als auch wegen der Bestätigung durch die Beklagte die volle Haftung des Unfallgegners festgestanden habe. Dass dem Mandanten deshalb der volle Reparaturnettobetrag und die Erstat-tung der Sachverständigenkosten sowie eine angemessene Auslagenpauscha-le hätten gewährt werden müssen, habe auch keiner schwierigen rechtlichen Beurteilung bedurft, was sowohl das [X.] mit kaum mehr als einer Seite als auch die problemlose, zeitnahe Regulierung durch die Beklagte zeige. I[X.] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält im Ergebnis [X.] Nachprüfung stand. Unter den vom Berufungsgericht festgestellten beson-deren Umständen des vorliegenden Falles ist die Zuerkennung einer lediglich einfachen Geschäftsgebühr im Rahmen des § 14 [X.] i. V. m. Nr. 2400 des 4 - 5 - [X.] der Anlage 1 zu diesem Gesetz aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 5 1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr im Sinne der Nr. 2400 [X.] (ab 1. Juli 2006 wortgleich Nr. 2300) der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Ver-mögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getrof-fene Bestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 [X.] nicht verbindlich, wenn sie un-billig ist, wobei ihm nach allgemeiner Meinung auch im Anwendungsbereich des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20% zusteht (vgl. [X.] in [X.]/von [X.]/[X.]/[X.]-Rabe, [X.], 17. Aufl. 2006, § 14 Rn. 12 m. w. N.). Die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass dieser Spielraum im Streitfall überschritten worden ist, begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken. a) Nach den nunmehr einschlägigen Bestimmungen des [X.] ist die Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts als Rahmen-gebühr mit einem Gebührenrahmen zwischen 0,5 bis 2,5 ausgestaltet. Eine Gebühr über 1,3 kann allerdings wegen des Nachsatzes in Nr. 2400 [X.] (ab 1. Juli 2006 wortgleich Nr. 2300) nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfang-reich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen ist (vgl. Ge-rold/[X.]/von [X.]/[X.]/[X.]-Rabe, [X.], 17. Aufl., Nr. 2300, 2301 [X.], [X.]; [X.] in: [X.] zum [X.], Nr. 2400 [X.], [X.]. 4.2.2.2.2; [X.], [X.], 417, 419; [X.], NJW 2004, 1420, 1421; [X.], [X.], 262; [X.], [X.], 1477, 1479). 6 - 6 - b) Welche Geschäftsgebühr bei der Abwicklung eines "durchschnittli-chen" bzw. "normalen" Verkehrsunfalls gerechtfertigt ist, ist umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine angemessene Gebühr hierfür sei bei einem Gebührenrahmen zwischen 0,5 und 1,3 zwischen 0,8 und 1,0 anzusiedeln (vgl. die Nachweise bei [X.], [X.], 1477, 1478 [X.]. 3) ein anderer Teil erachtet eine 1,3 Geschäftsgebühr für gerechtfertigt (vgl. [X.] und [X.], [X.] 2006, 189 sowie die Nachweise bei [X.], aaO, S. 1477 [X.]. 2). 7 Der letztgenannten Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Sie entspricht der Vorstellung des Gesetzgebers, dass in durchschnittlichen Fällen die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr darstellt und ähnliche Funktionen erfüllt wie die 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (amtliche Begründung, BT-Drucks. 15/1971 S. 206 f.) und steht in Einklang mit der Bestimmung, dass bei überdurchschnittlichen, weil umfangreichen oder schwierigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts eine Geschäftsgebühr über 1,3 ge-rechtfertigt ist. 8 2. Dies bedeutet aber auch, dass bei unterdurchschnittlichen Fällen die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 1,3 unbillig sein kann. Einen solchen Fall hat das Berufungsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler bejaht. 9 a) Danach rief der Mandant den Kläger am Unfalltag, dem 2. August 2004, an und berichtete vom Unfallgeschehen. Dabei wurde ihm telefonisch der Rat erteilt, einen Sachverständigen einzuschalten, was der Mandant auch tat. Mit Schreiben vom 3. August 2004 bestätigte die Beklagte unaufgefordert ge-genüber dem Mandanten "nach ihrem jetzigen Kenntnisstand" ihre Eintritts-pflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden an dessen Fahrzeug. Nachdem 10 - 7 - der Mandant mit dieser Bestätigung am 6. August 2004 beim Kläger erschienen war und dort ausführlich das Unfallgeschehen geschildert hatte, fertigte der Kläger noch am selben Tag ein [X.] von etwas über einer Seite mit einer Schadensersatzforderung in Höhe von insgesamt 1.137,56 •, die den vom Sachverständigen ermittelten Nettobetrag für die Reparatur, dessen Kos-ten und eine Auslagenpauschale beinhaltete. Noch im August 2004 beglich die Beklagte die Forderung bis auf eine Kürzung der Auslagenpauschale um 5 •. Danach erschien der Mandant noch einmal beim Kläger und erkundigte sich, warum er nur den Nettobetrag und nicht den Bruttobetrag für die Reparatur er-setzt bekommen habe. b) Auf der Grundlage dieser Feststellungen, die das Berufungsgericht dem eigenen Vorbringen des [X.] entnommen hat, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger für seine Tätigkeit nicht mehr als die von der Beklagten gezahlte Geschäftsgebühr von 1,0 zustehe, aus [X.] Sicht nicht zu beanstanden. 11 Insbesondere kann sich der Kläger - entgegen der Auffassung der Revi-sion - nicht darauf stützen, dass die Abwicklung von Verkehrsunfällen "regel-mäßig" umfangreiche Vorarbeiten erfordere, denn § 14 Abs. 1 [X.] stellt bei der Bestimmung der Rahmengebühren durch den Rechtsanwalt auf die Um-stände des Einzelfalles ab, so dass es darauf ankommt, ob tatsächlich umfang-reiche Vorarbeiten angefallen sind. 12 Zwar kann aus einer schnellen und problemlosen Schadensregulierung durch den Haftpflichtversicherer des Schädigers nicht stets der Rückschluss gezogen werden, dass die anwaltliche Tätigkeit unterdurchschnittlich gewesen sei. Eine derartige Regulierung kann vielmehr im Einzelfall auf einer vorherigen und womöglich umfangreichen Klärung der Sach- und Rechtslage durch den 13 - 8 - Rechtsanwalt beruhen. In solchen Fällen widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 14 [X.], wenn der Haftpflichtversicherer es durch eine schnelle Regulie-rung in der Hand hätte, dem Rechtsanwalt die Bestimmung einer angemesse-nen Vergütung für bereits erbrachte Tätigkeiten zu versagen. 14 Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedoch nicht dargetan, dass er tat-sächlich entsprechende Vorarbeiten erbracht hat. Das Schreiben der Beklagten vom 3. August 2004, nach ihrem jetzigen Kenntnisstand könne sie ihre Eintritts-pflicht hinsichtlich der unfallbedingten Schäden an dem Fahrzeug des Geschä-digten bestätigen, mag zwar ein Formularschreiben ohne Schuldanerkenntnis im Rechtssinne gewesen sein. Es zielte jedoch - worauf die [X.] zutreffend hinweist - erkennbar darauf ab, den Schadensfall einfach und ohne großen Aufwand abzuwickeln. Demzufolge hat es auch der Kläger nicht für erforderlich erachtet, in seinem daraufhin verfassten [X.] vom 6. August 2004 eingehende Ausführungen zur Unfallsituation und zur Rechtslage zu machen, wie die Revision sie nunmehr nachholt. Vielmehr hat er ersichtlich zunächst einmal abgewartet, ob die Beklagte entsprechend ihrer An-kündigung den zwischenzeitlich vom Sachverständigen ermittelten [X.] an dem Fahrzeug seines Mandanten ohne weiteres ersetzen würde, wie es - 9 - sodann auch geschehen ist. Schließlich hätte der Kläger die nachträgliche [X.] des Mandanten hinsichtlich der Umsatzsteuer [X.] worauf das Berufungsge-richt mit Recht abgehoben hat [X.] durch einen einfachen Hinweis auf die (neue) Gesetzeslage (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB) beantworten können. [X.]

Wellner [X.]

[X.]

Zoll Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 11.03.2005 - 35 C 66/05 - [X.], Entscheidung vom 17.11.2005 - 9 S 101/05 -

Meta

VI ZR 261/05

31.10.2006

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.10.2006, Az. VI ZR 261/05 (REWIS RS 2006, 1047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 1047

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