Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. 2 StR 48/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 12544

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 48/15

vom
16. April
2015
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubs u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16.
April 2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 26.
September 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
-
im Fall
B.I. der Urteilsgründe,
-
im [X.] und
-
soweit das [X.] eine rechtsstaatswidrige Verfahrensver-zögerung festgestellt, von einer darüber hinausgehenden Kom-pensation aber abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren 1
-
3
-
und acht Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des An-geklagten
gegen dieses Urteil
hat in dem aus dem [X.] ersichtlichen
Umfang Erfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Annahme einer tateinheitlich verwirklichten gefährlichen Körper-verletzung im Fall
B.I. der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
a)
Nach den Feststellungen des [X.]s drangen der Angeklagte und sein Mittäter gegen zwei
Uhr nachts in die Wohnung der zur Tatzeit 65jährigen Geschädigten ein. Sie weckten sie, indem sie ihren Hals in ein Kis-sen drückten. Anschließend fesselten sie ihre Hände, verklebten ihren Mund und zerrten sie ins Wohnzimmer. Während der Mittäter nun die Wohnung durchsuchte, passte der Angeklagte auf die Geschädigte auf, die um einen Arzt eine Zigarette, was der Angeklagte ihr gewährte. Als der Mittäter der [X.] eine Schere an den Hals hielt, um das Versteck des Safes in Erfahrung zu bringen, und sie dabei leicht verletzte, schlug der Angeklagte dessen Arm weg. Er wollte nicht, dass die Geschädigte mit einer Schere verletzt wird. [X.] fragte er erneut nach dem Versteck und drohte, ihre Finger abzu-schneiden. Im weiteren Verlauf drohte er der Geschädigten mit dem Tod, [X.] er einen Finger an ihren Kopf drückte, um den Eindruck zu erwecken, er verfüge über eine Pistole. Die Geschädigte gab daraufhin das Versteck preis. Nachdem die Täter Geld und Schmuck im Wert von über 30.000
Euro an sich genommen hatten, fesselten
sie
die Geschädigte an einen Tisch, zerstörten das Telefon und schlossen die Wohnung von außen ab. Der
Geschädigten gelang es später,
sich zu befreien und um 6.40
Uhr die Polizei zu verständigen. Durch die Tat erlitt sie einen Schock, der in der Folgezeit zu einer stressbedingten 2
3
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4
-

-heart-i-ches Syndrom, das potentiell lebensgefährlich ist.
b)
[X.] ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte gefährlichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
4 und 5
StGB schuldig gemacht habe. Die Verletzung mit der Schere hat sie ihm nicht zugerechnet. Der Angeklagte habe aber erkannt und billigend in Kauf genommen, dass die Geschädigte aufgrund der schreckauslösenden Vorgehensweise gesundheit-lichen Schaden erleiden könnte.
Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den Feststellungen ist zwar belegt, dass die durch die Tat bedingte psychische Beeinträchtigung die Geschädigte in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand versetzte, womit der
objektive Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt ist (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Januar 2001 -
1
StR
480/00; Urteil vom 26.
November 1985 -
1
StR
393/85, [X.], 166). Auch soweit das [X.] zur [X.] im Ansatz davon ausgegangen ist, dass es allgemeiner Lebenserfahrung entspreche, dass massive Stresssituatio-nen und panikauslösende Ereignisse, gerade zur Nachtzeit und bei älteren Per-sonen, zu schweren gesundheitlichen Schäden führen können, gibt es dagegen nichts zu erinnern.
Hinsichtlich der subjektiven Seite ist es aber auch erforderlich, dass der Angeklagte eine körperliche Beeinträchtigung der Geschädigten billigend in Kauf genommen hat; andernfalls käme nur eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 26.
November 1985 -
1
StR
393/85, [X.], 4
5
6
-
5
-
166). Dieses voluntative Element wird indes nicht tragfähig bzw. nur mit unzu-lässigen Erwägungen
begründet.
Zur Begründung hat die [X.] unter anderem darauf abgestellt, der Angeklagte habe zu keiner [X.] zum Ausdruck gebracht, dass er mit den gesundheitlichen Folgen nicht
gerechnet oder gedacht habe, es
werde schon gut gehen; wenn er darüber nachgedacht hätte, hätte er dies -
wie andere ent-lastende Momente
-
auch geltend gemacht.
Dass der Angeklagte sich hierzu nicht geäußert hat, durfte die [X.] indes nicht zu seinem Nachteil werten. Zwar dürfen grundsätzlich auch aus einem Teilschweigen nachteilige Schlüsse für einen Angeklagten gezogen werden. Dies gilt aber nur dann, wenn nach den Umständen Angaben zu die-sem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des [X.] ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Dezember 2010 -
4
StR
508/10, NStZ-RR 2011, 118 mwN). Es besteht [X.] kein Anhalt dafür, dass sich der Angeklagte im Sinne einer zusammenhän-genden Schilderung veranlasst gesehen haben musste, auch Angaben dazu zu machen, was er im Hinblick auf den Eintritt möglicher gesundheitlicher
Folgen für die Geschädigte gedacht hat. Den Urteilsgründen ist auch nicht zu entneh-men, dass er danach gefragt worden ist.
Ungeachtet dessen lässt die Beweiswürdigung, die der Annahme zu-grunde liegt, der Angeklagte habe eine schwere Gesundheitsschädigung billi-gend in Kauf genommen, die Erörterung dagegen sprechender Umstände ver-missen. So wollte der Angeklagte nicht, dass die Geschädigte mit der Schere verletzt wird und
er
schlug dem Mittäter gegen den das Werkzeug führenden 7
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6
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Arm.
Zudem reichte er der Geschädigten im Verlauf der Tat unter teilweiser Entfernung des [X.] ein Glas Wasser und ermöglichte
ihr, eine Zigarette zu rauchen, was sie offensichtlich entspannte.
c)
Da der [X.] nicht ausschließen kann, dass noch ergänzende Fest-stellungen möglich sind, ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere [X.] zurückzuverweisen. Von der Aufhebung erfasst sind auch die für sich genommen rechtfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen besonders schweren Raubs sowie der [X.].
2.
Erfasst wird zudem die Kompensationsentscheidung
des Landge-richts.
a)
[X.] hat es bei der ausdrücklichen Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von einem Jahr und sechs Mona-ten bewenden lassen und eine weiter gehende Kompensation des Konven-r-n-geklagten nicht nur belastet habe. Vielmehr habe er die [X.] für sich nutzen können, um seinem Leben eine Wende zu geben, was ganz maßgeblich dazu beigetragen habe, dass die Tat im Fall
B.I. als minder schwerer Fall habe ein-geordnet werden können. Vor dem Hintergrund, dass sich die lange [X.] der [X.] der Verfahrensverzögerung zur [X.] des Angeklagten aus.

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11
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-
7
-
Damit aber hat die [X.] bei ihrer Kompensationsentscheidung an einen Umstand angeknüpft, der mit Aufhebung der Verurteilung im Fall
B.I.
entfallen ist. Dies entzieht der getroffenen Entscheidung die Grundlage.
b)
Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass das Absehen der [X.] von einer über die Feststellung hinausgehenden Kompensation, auch für sich genommen,
rechtlichen Bedenken begegnet.
Zwar lassen sich allgemeine Kriterien für die Festlegung einer für erfor-derlich erachteten Kompensation nicht aufstellen. Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles, wie der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der [X.] sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch ist im Auge zu be-halten, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die damit verbundenen Be-lastungen des
Angeklagten stets bereits strafmildernd im Rahmen der Strafzu-messung zu berücksichtigen sind. In diesem Punkt der Rechtsfolgenbestim-mung geht es daher nur mehr um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Verzögerung ([X.], Beschluss vom 17.
Januar 2008
-
GSSt
1/07,
[X.]St 52, 124
Rn.
56
mwN; Beschluss vom 9.
Oktober 2008
-
1
StR
238/08,
StV 2008, 633, 634; Beschluss vom 16.
Juni 2009
-
3
StR
173/09, [X.]R StGB §
46 Abs.
2 Verfahrensverzögerung
20), d.h. einer weitergehenden Kompensation bedarf es insoweit, als der Angeklagte gerade durch die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung belastet war (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
Oktober 2008 -
2
StR
467/07, [X.], 287; [X.], [X.] vom 5.
August 2009 -
1
StR
363/09, [X.], 339; [X.], [X.] vom 2.
September 2010 -
2
StR
297/10; [X.], Beschluss vom 15.
April 2009 -
3
StR
128/09, [X.], 248).
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8
-
Eine Auseinandersetzung mit den danach maßgeblichen Umständen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Der Umstand, dass sich die lange [X.], gerade die [X.] einer Verfahrensverzögerung aus-zugleichen.
Vorsitzender Richter am [X.] Prof. Dr.
Fischer
ist an der Unterschriftsleis-tung gehindert.
Krehl
Krehl
Eschelbach
Ott
Zeng

16

Meta

2 StR 48/15

16.04.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. 2 StR 48/15 (REWIS RS 2015, 12544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12544

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