Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2015, Az. AK 3/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13349

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

AK 3 bis 7/15
vom
26.
März 2015
in dem Strafverfahren
gegen

1.

2.

3.

4.

5.

wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im

Ausland
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie der
Angeschuldigten
und ihrer
Verteidiger am 26. März 2015 gemäß §§

121, 122 StPO beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesge-richt [X.]
übertragen.

Gründe:
I.
Die Angeschuldigten befinden sich ununterbrochen in Untersuchungshaft
wie folgt: die Angeschuldigten A.

sowie Ab.

W.

und N.

aufgrund der Haftbefehle des Ermittlungsrichters des [X.] vom 6. September 2014 seit diesem Tage; die Angeschuldigten
Abd.

W.

und

T.

aufgrund der Haftbefehle des Ermitt-lungsrichters des [X.] vom 17. September 2014 seit dem 20.
September 2014. Gegenstand der Haftbefehle gegen alle Angeschuldigten ist der Vorwurf, sich als Mitglied an der terroristischen [X.] beteiligt zu haben (§
129a Abs. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB). Den [X.] A.

sowie Ab.

W.

und N.

wird [X.] hinaus vorgeworfen, tateinheitlich eine schwere staatsgefährdende [X.] vorbereitet zu haben (§ 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 2, 1
-
3
-
Abs. 4 Satz 1 StGB). Der [X.] hat gegen die Angeschuldigten und den weiteren -
sich nicht in Haft befindenden -
Angeschuldigten D.

unter dem 4. März 2015 Anklage zu dem Oberlandesgericht [X.]

erhoben.

II.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor. Der Senat stützt seine Entscheidung allein auf die den Angeschuldigten in den Haftbefehlen vorgeworfene Beteiligung an [X.] im Ausland. Im Einzelnen:
1. Den Angeschuldigten liegt im Sinne eines dringenden Tatverdachts Folgendes zur Last:
Die 2006 aus dem extremistischen Flügel der [X.] (Union of Islamic Courts -
Union Islamischer Gerichtshöfe) hervorgegangene Organisation
[X.], die viele Anhänger der islamistischen Gruppierung Al-Ittihad
Al-Islamiya an sich binden konnte, propagiert den "[X.]"
als einen Befreiungs-kampf gegen "Imperialisten"
und "[X.] Kreuzfahrer". Ihre primären Ziele sind die Vertreibung der in [X.] stationierten Truppen der [X.] ([X.]), der Sturz der von dieser gestützten somalischen Regie-rung, die Errichtung eines Kalifats in [X.] und die dortige Einführung der Scharia. Schon 2009 hatte der frühere Führer von [X.], [X.], die Kämpfer von [X.] zum weiteren "[X.]"
aufgerufen und [X.] als einen Schauplatz des Kampfes zwischen dem Islam und den "internationalen Kreuzfahrern"
bezeichnet. Seit Februar 2012 ist die Gruppierung Bestandteil des Netzwerks von [X.]. Sie hat eine global-jihadistische Ausrichtung. Zur 2
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-
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-
Erreichung ihrer Ziele kämpft die Vereinigung zum einen militärisch gegen Truppen benachbarter [X.] und [X.]verbände, die versuchen, die soma-lische Regierung zu stabilisieren. Zum anderen begeht sie regelmäßig Überfälle sowie Entführungen und verübt Anschläge sowie Selbstmordattentate innerhalb und außerhalb [X.]s, darunter den Sprengstoffanschlag in [X.] ([X.]) im Juli 2010, bei dem mehr als 70 Menschen getötet und zahlreiche Personen, darunter ein [X.], verwundet wurden. Im Jahre 2013 bekannte sich die Vereinigung u.a. zu einem Überfall auf ein Einkaufszentrum in [X.] ([X.]), bei dem mehr als 60 Besucher sowie Sicherheitskräfte starben. Auch im Jahre 2014 wurden bei von ihr zu verantwortenden Anschlägen mehr als 100 Personen getötet. Die [X.] ist wie andere islamistische Vereinigun-gen hierarchisch aufgebaut. Der an der Spitze stehende Emir Mahad Umar
Abdalkarim wird von einem Vertreter, einem Pressesprecher sowie einem Kon-sultativrat (Shura) unterstützt; darunter bestehen verschiedene Komitees mit unterschiedlichen Zuständigkeitsbereichen. Die Organisation betreibt eine Me-dienstelle und -
jedenfalls zeitweise -
einen lokalen Fernsehsender.
Die Angeschuldigten, die sämtlich [X.] Staatsangehörige sind, [X.] sich im Jahre 2012, nach [X.] zu reisen und sich dort der [X.] anzuschließen. Sie identifizierten sich mit der Ideologie, den Zielen und Handlungen der Organisation. Für den Fall, dass sie bei ihrem Einsatz für die Vereinigung sterben würden, fertigten sie Abschiedsbriefe oder ließen [X.] aufnehmen.
Im April bzw. Mai 2012 reisten die Angeschuldigten A.

W.

und N.

nach [X.];
im Oktober 2012 folgten ihnen die Angeschuldig-ten Ab.

sowie Abd.

W.

und T.

. Die Angeschuldigten begaben sich in ein "[X.]"
der [X.] in [X.]/[X.], wo sie auf ihre körperliche und ideologische Eignung für die Aufnahme in die Organi-5
6
-
5
-
sation geprüft wurden. Anfang des Jahres 2013 legten zunächst die Ange-schuldigten Abd.

W.

und T.

den Treueeid auf [X.] der [X.] ab und absolvierten im [X.] ein viermonatiges Trainingslager. Dabei wurden sie zur Teilnahme an Kampfhandlungen und zum Umgang mit Waffen ausgebildet. Danach versahen sie etwa fünf Monate lang einen parami-litärischen Dienst in einem Verteidigungsposten für die Organisation. Die Pres-sestelle der [X.] drehte von ihrem Einsatz ein [X.], das im [X.] veröffentlicht wurde. Nach krankheitsbedingter Verzögerung legten auch die Angeschuldigten A.

sowie Ab.

W.

und N.

den Treueeid ab und begannen Mitte des Jahres 2013 ihre Ausbildung für den bewaffneten Kampf in einem Trainingslager. Nach deren Abschluss trafen sich alle fünf Angeschuldigten wieder. Zu Beginn des Jahres 2014 versahen die [X.] A.

sowie Ab.

W.

und N.

für etwa vier Monate einen paramilitärischen Dienst als Kämpfer an der Front in der [X.] [X.]. Nach etwa einem Monat stieß der Angeschuldigte Abd.

W.

zu ihnen. Der Angeschuldigte T.

war von Januar bis Mai 2014 als Kämpfer in einem Verteidigungsposten in der Nähe von [X.] tätig.
Da die Realität nicht ihren Vorstellungen entsprach, entschlossen sich [X.] fünf Angeschuldigten im Juli 2014, die [X.] und [X.] zu verlassen. Sie reisten nach [X.] und dort
zunächst nach [X.]. Von [X.] aus [X.] sich die Angeschuldigten A.

sowie Ab.

W.

und N.

am 6. September 2014 nach [X.], wo sie festgenom-men wurden. Die Angeschuldigten Abd.

W.

und T.

wurden am 29. August 2014 in [X.] festgenommen.
2. Der dringende Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO bezüglich der [X.] ergibt sich insbesondere aus den in meh-reren Auswerteberichten des [X.] -
zuletzt im September 7
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-
6
-
2014
-
zusammengefassten Erkenntnissen sowie dem Gutachten des Sachver-ständigen Dr. S.

vom 27. Juni 2013. Zu den Handlungen der Ange-schuldigten haben sich die Angeschuldigten Abd.

W.

und T.

in mehreren Vernehmungen umfangreich im Sinne des vorstehenden Sachver-halts eingelassen. Ihre Angaben werden bestätigt durch nachrichtendienstliche Erkenntnisse, Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung, die Be-kundungen mehrerer Zeugen sowie das Ergebnis der Auswertung zahlreicher Asservate. Darunter befinden sich etwa Videodateien, welche die Angeschul-digten bei verschiedenen Verrichtungen, zum Beispiel dem Umgang mit Waf-fen, während ihrer Tätigkeiten für die [X.] zeigen. Hinsichtlich der weite-ren Einzelheiten wird auf die ausführlichen Darlegungen in den Haftbefehlen sowie der Anklageschrift Bezug genommen.
3. Daher ist eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass die [X.] sich wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristi-schen Vereinigung im Ausland nach § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, § 129a Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben.
Das [X.] hat die gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur Verfolgung von Straftaten, die im Zusammenhang mit der [X.] stehen, erteilt, soweit [X.] Staatsangehörige Täter oder Opfer sind.
Angesichts des dringenden Tatverdachts in dem aufgezeigten Umfang kann im Rahmen dieser Haftprüfung offen bleiben,
ob die Angeschuldigten
A.

sowie Ab.

W.

und N.

-
wie ihnen in den
Haftbe-fehlen
vorgeworfen wird -
mit hoher Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 StGB erfüllt haben und 9
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-
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-
wie gegebenenfalls das Konkurrenzverhältnis zwischen dieser Strafvorschrift und den §§ 129a, 129b StGB zu beurteilen wäre.
4. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO), wie dies in den Haftbefehlen zutreffend dargelegt worden ist, sowie der Haft-grund der [X.] (§ 112 Abs. 3 StPO). Die von den Angeschuldig-ten zu erwartende Strafe übt einen hohen Fluchtanreiz aus. Ausreichend trag-fähige [X.] oder berufliche Bindungen im Inland, die geeignet sind, diesem Anreiz maßgeblich entgegen zu wirken, bestehen nicht. Es ist deshalb zu er-warten, dass die Angeschuldigten, in Freiheit belassen, sich dem Verfahren entziehen würden. Der Zweck
der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).
5. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersu-chungshaft über sechs Monate hinaus gemäß § 121 Abs. 1 StPO liegen vor. Das Verfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden. Nach der Festnahme der Angeschuldigten waren u.a. zahlreiche [X.] umfangreich auszuwerten. Dies betrifft vor allem eine Viel-zahl von elektronischen Datenträgern. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse waren mit den Einlassungen der Angeschuldigten Abd.

W.

und T.

abzugleichen. Der [X.] hat gleichwohl bereits [X.] erhoben.
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6. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft
steht zu dem gegen die Angeschuldigten erhobenen Tatvorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland, der diese Entscheidung trägt, und der hierfür zu erwartenden Strafe nicht außer Verhältnis (§ 112 Abs. 1 Satz
2 StPO).
VRiBGH Becker befindet

Schäfer

Spaniol
sich im Urlaub und ist
deshalb gehindert zu
unterschreiben.

Schäfer

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Meta

AK 3/15

26.03.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2015, Az. AK 3/15 (REWIS RS 2015, 13349)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13349

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