Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2010, Az. VIII R 38/08

8. Senat | REWIS RS 2010, 5631

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Gegenstand

Wirksamkeit einer Klage mit eingescannter Unterschrift - Anforderungen an die Schriftform bei der Klageerhebung


Leitsatz

Eine mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten durch Telefax eingelegte Klage entspricht jedenfalls dann den Schriftformanforderungen des § 64 Abs. 1 FGO, wenn sie von dem Bevollmächtigten an einen Dritten mit der tatsächlich ausgeführten Weisung gemailt wird, sie auszudrucken und per Telefax an das Gericht zu senden .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 1991 und 1992, mit denen insbesondere seine vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterworfen wurden. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das [X.] mit [X.] vom 17. bzw. 18. Oktober 2006 als unbegründet zurück, nachdem es die angefochtenen Einkommensteuerbescheide zuvor unter Ansatz niedrigerer Einkünfte aus Kapitalvermögen geändert hatte.

2

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben und nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Klageschrift durch seinen früheren Berater erstellt, per Mail an einen Mitarbeiter des Beraters mit der eingescannten Unterschrift des Beraters übermittelt, von dem Mitarbeiter ausgedruckt und sodann per Fax --innerhalb der Klagefrist-- an das Gericht übersandt wurde.

3

Das [X.] wies die Klage als unzulässig ab, weil die per Fax übermittelte Klageschrift wegen der nur eingescannten Unterschrift des früheren Beraters nicht über die nach § 64 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) erforderliche Schriftform verfüge.

4

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 64 [X.]O.

5

Zu Unrecht habe das [X.] die mit eingescannter Unterschrift erhobene Klage als nicht formgerecht angesehen, nachdem der [X.] ([X.]) mit seiner Entscheidung vom 5. April 2000 [X.] 1/98 (Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 2000, 1089) entschieden habe, bestimmende Schriftsätze könnten [X.] durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden. Auch diese Form erfülle den Zweck des Schriftlichkeitsgebots, hinreichend sicher den Inhalt der Erklärung und die Person des Erklärenden auszuweisen. Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronischen Schriftsatzes sei nämlich nicht --wie der [X.] ausdrücklich ausgeführt habe-- eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im [X.] des Absenders vorhandene Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde.

6

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Es trägt vor, dass die Entscheidung des [X.] zur Übersendung bestimmender Schriftsätze per Computerfax ergangen sei und nach dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 10. Oktober 2006 [X.] ([X.], 481) auf die Übertragung solcher Schriftsätze durch "normales" Fax nicht übertragen werden könne. Das [X.] ([X.]) habe die Verfassungsbeschwerde gegen die [X.]-Entscheidung mit Beschluss vom 18. April 2007  1 BvR 110/07 (juris) nicht angenommen. Auch der [X.] ([X.]) habe mit Beschluss vom 10. Juli 2002 [X.] ([X.]/NV 2002, 1597) an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift bei Klageerhebung durch Telefax festgehalten.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [[X.].] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [[X.].]O).

Zu Unrecht hat das [[X.].] die fristgerecht bei Gericht eingegangene Klage mit der Begründung als unzulässig angesehen, sie weise eine nur eingescannte Unterschrift des früheren Klägervertreters auf.

1. Nach § 64 Abs. 1 [[X.].]O ist den formellen Anforderungen an eine finanzgerichtliche Klage genügt, wenn sie bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben wird.

a) Nach ständiger Rechtsprechung soll die Schriftform gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung und die erklärende Person hinreichend zuverlässig festgestellt werden können. Des Weiteren soll das aus dem Schriftformerfordernis abgeleitete Gebot einer Unterschrift des Erklärenden sicherstellen, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern mit Wissen und Wollen des Erklärenden an das Gericht gesandt wurde (vgl. [[X.].], Beschluss vom 30. April 1979 [[X.].] 1/78, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1980, 172; [[X.].]-Urteil vom 29. August 1969 [[X.].]/68, [[X.].], 226, [[X.].] 1970, 89; Beschluss des Großen Senats des [[X.].] vom 5. November 1973 [[X.].], [[X.].]E 111, 278, [[X.].] 1974, 242; [[X.].]-Urteil vom 17. Dezember 1998 [[X.].], [[X.].]/NV 1999, 967; [[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2002, 1597).

b) Dieses [[X.].] ist gewahrt, wenn ein Rechtsbehelf oder ein anderer sog. bestimmender Schriftsatz nach Maßgabe des § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Rechtsbehelfsführer bzw. Verfasser oder seinem jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten ([[X.].]-Urteil vom 18. Mai 1972 [[X.].]/71, [[X.].]E 106, 7, [[X.].] 1972, 771) eigenhändig --handschriftlich-- unterschrieben (vgl. [[X.].]-Urteile in [[X.].], 226, [[X.].] 1970, 89; vom 7. August 1974 II R 169/70, [[X.].]E 113, 490, [[X.].] 1975, 194; [[X.].]-Beschlüsse vom 24. Januar 1994 [[X.].]/93, [[X.].]/NV 1995, 312; vom 15. Januar 2002 [[X.].], [[X.].]/NV 2002, 669) und mit einer solchen Unterschrift vor Ablauf der Klagefrist bei Gericht vorgelegt wurde (vgl. §§ 47 Abs. 1, 116 Abs. 2, 120 Abs. 1, 129 Abs. 1 [[X.].]O; [[X.].]-Beschluss in [[X.].]/NV 2002, 1597).

c) Diese Anforderungen --auch hinsichtlich der eigenhändigen Unterschrift-- gelten grundsätzlich gleichermaßen für bestimmende Schriftsätze, die dem Gericht per Telefax übermittelt werden.

aa) Dem [[X.].] genügt allerdings bei Schriftsätzen von Behörden, Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts eine maschinenschriftliche Unterzeichnung mit handschriftlichem Beglaubigungsvermerk auch ohne Dienstsiegel (vgl. [[X.].], Beschluss in [X.], 172).

bb) Darüber hinaus bedarf es nach ständiger Rechtsprechung keiner eigenhändigen Unterschrift, wenn der jeweilige bestimmende Schriftsatz durch Telegramm, Fernschreiber, [[X.].], [[X.].] oder Bildschirmtextmitteilung übermittelt wird (vgl. § 130 Nr. 6 der Zivilprozessordnung --ZPO--; [[X.].]-Beschlüsse vom 21. Juni 1968 [[X.].]/67, [[X.].]E 92, 438, [[X.].] 1968, 589; vom 22. März 1983 VIII [[X.].]/80, [[X.].]E 138, 403, [[X.].] 1983, 579; [[X.].]-Urteil vom 3. Oktober 1986 [[X.].]/81, [[X.].]E 148, 205, [[X.].] 1987, 131).

cc) Auch die Übermittlung der Klageschrift per [[X.].] ist ohne Unterschrift wirksam, weil bei dieser Form auf der Seite des Absenders kein körperliches Schriftstück existiert. Infolgedessen genügt es für die Wirksamkeit einer derart erhobenen Klage, dass sich aus dem Schriftsatz selbst oder den Begleitumständen die Urheberschaft und der Wille, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben ([[X.].]-Beschluss vom 11. November 1997 [[X.].]/97, [[X.].]/NV 1998, 604; Schleswig-Holsteinisches [[X.].], Urteil vom 5. März 2008  2 [[X.].], Entscheidungen der Finanzgerichte --E[[X.].]-- 2009, 427; [[X.].] München, Urteil vom 26. November 2007  1 K 2342/07, juris).

Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, eine Klage durch ein elektronisches Dokument i.S. des § 52a [[X.].]O mit den dort spezialgesetzlich geregelten besonderen Anforderungen, nämlich unter Angabe des Namens des [[X.].] sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes zu erheben (s. § 52a Abs. 1 Satz 3 [[X.].]O; [[X.].]-Urteil vom 18. Oktober 2006 [[X.].], [[X.].]E 215, 47, [[X.].] 2007, 276; [[X.].] Münster, Urteil vom 23. März 2006  11 [[X.].], E[[X.].] 2006, 994; zur Notwendigkeit einer solchen qualifizierten Signatur als Wirksamkeitsvoraussetzung elektronischer bestimmender Schriftsätze nach --dem § 52a [[X.].]O entsprechenden-- § 130a ZPO s. [X.] vom 14. Januar 2010 VII ZB 112/08, [[X.].], 460).

dd) Wird die Klage --wie im [[X.].] per Telefax erhoben, muss sie allerdings grundsätzlich eigenhändig unterschrieben sein ([[X.].]-Urteile vom 28. November 1995 [[X.].]/95, [[X.].]E 179, 5, [[X.].] 1996, 105; vom 16. Februar 2005 [[X.].]/00, [[X.].]/NV 2005, 1120; [[X.].]-Beschlüsse vom 26. März 1991 [[X.].]/90, [[X.].]E 163, 510, [[X.].] 1991, 463; vom 12. April 1996 [[X.].], [[X.].]/NV 1996, 824; vom 19. Mai 2000 VIII B 13/00, [[X.].]/NV 2000, 1358; in [[X.].]/NV 2002, 1597; [X.] vom 11. Oktober 1989 [[X.].], [[X.].] 1989, 1820). Das Fehlen der Unterschrift ist indessen unschädlich, wenn das Telefaxformblatt unterschrieben ist, mit der Klageschrift eine Einheit bildet, die Person des Absenders vollständig bezeichnet und kein Zweifel daran besteht, dass die Kopiervorlage ordnungsgemäß eigenhändig unterzeichnet wurde ([[X.].]-Beschluss vom 31. März 2000 [[X.].]/99, [[X.].]/NV 2000, 1224).

d) Ob das danach für bestimmende Schriftsätze grundsätzlich bestehende Gebot "eigenhändiger Unterschrift" auch durch eine eingescannte Unterschrift --wie im [[X.].] gewahrt wird, wird nicht einheitlich beurteilt.

aa) Für die vergleichbare Form der Unterschrift durch Verwendung eines Faksimilestempels hat die ältere [[X.].]-Rechtsprechung grundsätzlich die Wirksamkeit der Erklärungen verneint ([[X.].]-Urteile in [[X.].], 226, [[X.].] 1970, 89; in [[X.].]E 113, 490, [[X.].] 1975, 194; ebenso [[X.].] --BAG--, Urteil vom 5. August 2009  10 [[X.].], [[X.].], 3596; vgl. aber [[X.].]-Urteil vom 19. September 1974 [[X.].], [[X.].]E 113, 416, [[X.].] 1975, 199 zur Wirksamkeit einer Klageschrift in Form eines Matrizenabzugs und damit nur auf der Matrize im Original enthaltenen Unterschrift).

bb) Nach der zu einer Klageerhebung durch [[X.].] ergangenen Entscheidung des [[X.].] erfüllt eine eingescannte Unterschrift dagegen das Schriftformerfordernis (vgl. [[X.].], Beschluss in [[X.].], 1089). Sie erfüllt nämlich gleichermaßen den schon in der früheren Rechtsprechung des [[X.].] bezeichneten ausschließlichen Zweck des Schriftlichkeitsgebots, zuverlässig den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung feststellen zu können ([[X.].], Beschluss in [X.], 172; vgl. hierzu auch die Entscheidungen des [[X.].] in [[X.].]E 138, 403, [[X.].] 1983, 579, und vom 13. Dezember 1984 IV R 274/83, [[X.].]E 143, 198, [[X.].] 1985, 367).

cc) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des [[X.].], deren Grundlage durch die Regelungen in den §§ 52a [[X.].]O, 130a ZPO nicht berührt wird, weil die damit geschaffenen Sondervorschriften für den elektronischen Rechtsverkehr unabhängig neben die Vorschriften zur Schriftform getreten sind (vgl. [[X.].] in [[X.].], 3596; [X.] vom 15. Juli 2008 [[X.].], [[X.].], 2649), hat die Rechtsprechung

- die Einlegung eines Rechtsbehelfs per E-Mail mit eingescannter Unterschrift ([[X.].] für das [[X.].], Urteile vom 13. September 2007 L 9 SO 24/06, juris; vom 26. April 2007 L 9 SO 25/06, juris; Beschluss vom 26. Oktober 2009 L 19 B 301/09 [[X.].], juris) oder

- den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs in derselben Form ([[X.].], Urteil vom 9. August 2005  5 Sa 363/04, juris) sowie

- die Einlegung eines Rechtsbehelfs ([X.] in [[X.].], 2649; [[X.].], Urteil vom 10. August 2004  1 [[X.].]/03, juris; [[X.].], Urteil vom 14. November 2005 [[X.].] U 30/05, juris)

für formwirksam erachtet.

2. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung ist entgegen der Vorinstanz auch für den Streitfall von einer formwirksamen Klageerhebung innerhalb der Klagefrist auszugehen.

Die Auffassung der Vorinstanz, das Schriftformerfordernis nach § 64 [[X.].]O sei im Streitfall durch den per Telefax übersandten Schriftsatz mit eingescannter Unterschrift nicht gewahrt, teilt der Senat nicht.

Geht man nämlich von der Richtigkeit des unter Beweis gestellten und vom [[X.].] nicht in Zweifel gezogenen [[X.].] aus, dass der frühere Berater des [[X.].] den [[X.].] mit der eingescannten Unterschrift gefertigt und einem seiner Mitarbeiter zur (tatsächlich erfolgten) Übersendung an das Gericht übermittelt hat, erfüllt die innerhalb der Klagefrist bei Gericht per Fax eingegangene Klageschrift mit der eingescannten Unterschrift des früheren Klägervertreters das Schriftformerfordernis nach § 64 [[X.].]O.

a) Es muss nämlich nach dem ausschließlichen Zweck des Schriftlichkeitsgebots, zuverlässig den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung feststellen zu können (Beschluss des [[X.].] in [X.], 172), schon dann als die Schriftform wahrend angesehen werden, wenn der abgegebenen Prozesserklärung --wie hier-- nach den Gesamtumständen aus der maßgeblichen Sicht des Gerichts deren Inhalt sowie der Erklärende und dessen unbedingter [[X.].] zu entnehmen sind. Ein darüber hinausgehender Zweck kommt dem Schriftformerfordernis ebenso wie anderen Verfahrensvorschriften nämlich nicht zu. Insbesondere soll es ebenso wie andere Verfahrensvorschriften nur die einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern (Beschluss des [[X.].] in [[X.].], 1089).

b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die erforderliche Feststellung, ob und wann eine Klage mit welchem Inhalt und von wem --unbedingt-- eingelegt worden ist, ist ebenso wie für andere Sachurteilsvoraussetzungen der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, im Streitfall mithin der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. [[X.].]-Urteile vom 23. April 1985 [[X.].]/80, [[X.].]/NV 1987, 304: "... in jeder Lage des Verfahrens --auch vom [[X.].] zu überprüfen"; vom 14. Mai 1987 [[X.].]/82, [[X.].]/NV 1988, 96; vom 17. Oktober 1990 [[X.].], [[X.].]E 162, 534, [[X.].] 1991, 242). In diesem Zeitpunkt ist ggf. zur Feststellung der Sachurteilsvoraussetzungen --auch hinsichtlich der "Schriftlichkeit einer Klageerhebung"-- im Zweifelsfall durch das erkennende Gericht Beweis zu erheben (vgl. [[X.].]-Urteil vom 29. April 1993 [[X.].], [[X.].]E 171, 1, [[X.].] 1993, 720).

c) Auf dieser Grundlage ist dann, wenn die Klageschrift entsprechend dem unter Beweis gestellten, aber vom Gericht ersichtlich nicht für beweisbedürftig gehaltenen Vortrag des [[X.].] tatsächlich

- durch den früheren Berater erstellt,

- von dessen Mitarbeiter ausgedruckt und sodann

- weisungsgemäß per Fax --innerhalb der Klagefrist-- an das Gericht übersandt wurde,

die Rechtsauffassung der Vorinstanz, nur wegen der eingescannten Unterschrift sei die Klage nicht formgerecht eingelegt worden, mit der [[X.].]-Rechtsprechung zu § 64 [[X.].]O unvereinbar.

aa) Danach kann dem Zweck des § 64 Abs. 1 [[X.].]O auch auf andere Weise entsprochen werden als durch eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden Schriftstückes durch den Verfasser (s. hierzu auch die [[X.].]-Urteile vom 18. Mai 1972 [[X.].], [[X.].]E 106, 4, und vom 27. Juli 1977 [[X.].]/75, [[X.].]E 123, 286, [[X.].] 1978, 11). So kann sich selbst aus einem nicht unterschriebenen bestimmenden Schriftsatz in Verbindung mit weiteren Unterlagen oder Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben (ständige Rechtsprechung des [[X.].], vgl. Urteile vom 17. Oktober 1968 [[X.].] 112.65, BVerwGE 30, 274; vom 7. November 1973 [[X.].] 124.73, [[X.].] 1974, 174, und vom 20. April 1977 [[X.].] 26.75, Verwaltungsrechtsprechung 29, 764; zusammenfassend Beschluss vom 26. Juni 1980  7 B 160.79, juris). Dementsprechend hat auch der [[X.].] eine nur maschinenschriftlich unterschriebene Klageschrift wegen der auf den Streitfall bezogenen Klagebegründung und beigefügter Vorkorrespondenz in Verbindung mit dem Briefkopf des Einsenders nach den Gesamtumständen als [[X.].] des § 64 Abs. 1 [[X.].]O angesehen ([[X.].]-Urteil in [[X.].]E 148, 205, [[X.].] 1987, 131). Danach kann gleichermaßen in finanzgerichtlichen Verfahren dem Zweck des § 64 Abs. 1 [[X.].]O in anderer Weise als mit der eigenhändigen Unterzeichnung bestimmender Schriftsätze durch den Verfasser entsprochen werden, wenn feststeht, dass das Schriftstück keinen Entwurf betrifft, sondern dem Gericht mit Wissen und Wollen des Berechtigten zugeleitet worden ist ([[X.].]-Beschluss vom 17. August 2009 [[X.].]/09, [[X.].]/NV 2009, 2000 unter Bezugnahme auf [[X.].]-Beschluss vom 31. März 2000 [[X.].]/99, [[X.].]/NV 2000, 1224, m.w.N.).

bb) Nach diesen Grundsätzen kann im Streitfall die Wirksamkeit der Klageerhebung nicht verneint werden, weil sie zum einen den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person ausweist und zum anderen ihre Absendung aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erklärten Umstände ersichtlich auf dem unbedingten Willen des früheren Klägervertreters beruhte (zu diesen Anforderungen s. Beschluss des [[X.].] in [X.], 172). Denn die hier gegebene unstreitige Übersendung des [[X.].]es durch einen [[X.].] (Übersendung über den [[X.].] des [X.] Büros durch einen Mitarbeiter des früheren Bevollmächtigten des [[X.].]) auf Weisung des [[X.].] lässt ebenso wie die persönlich veranlasste Übersendung einer maschinenschriftlich unterschriebenen Klage (wie in der [[X.].]-Entscheidung in [[X.].]E 148, 205, [[X.].] 1987, 131) oder wie der Eingang eines mit eingescannter Unterschrift versehenen [[X.].]es (Entscheidung des [[X.].] in [[X.].], 1089) ersichtlich keine Zweifel daran, dass die Klage mit Wissen und Wollen des (vertretenen) [[X.].] erhoben worden ist.

cc) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die Grundsätze der Entscheidung des [[X.].] (in [[X.].], 1089) zur Formwirksamkeit bestimmender Schriftsätze mit eingescannter Unterschrift unabhängig von dem jeweils gewählten Übersendungsweg (Briefpost, Telefax etc.) oder aber nur für sog. [[X.].]e gelten.

(1) Aus der Sicht des Senats kann eine solche Beschränkung auf [[X.].]e nicht allein aus dem Umstand gefolgert werden, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem [[X.].] ein solches [[X.].] war. Vielmehr spricht die Begründung des [[X.].] eher für die Anwendung der Entscheidungsgrundsätze auf alle Formen der Übersendung bestimmender Schriftsätze. So betrifft der in der Entscheidung als maßgeblich angesehene Gesichtspunkt, dass es für die Schriftformerfordernisse und insbesondere die Entbehrlichkeit eigenhändiger Unterschrift nur auf den bei Gericht als Empfänger sichtbar werdenden Schriftsatz ankommt, gleichermaßen Schriftsätze, die wie im Streitfall per Telefax übermittelt wurden.

Des Weiteren hat der [[X.].] seinen Beschluss ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine frühere --nicht zu einem [[X.].]-- ergangene Entscheidung in [X.], 172 begründet. Der damit verbundene Hinweis auf den ausschließlichen Zweck des Schriftformerfordernisses, Inhalt, Urheber und [[X.].] sicher feststellen zu können und auf die hinreichende Erfüllung dieses Zwecks durch eine nur eingescannte Unterschrift rechtfertigen ersichtlich keine Differenzierung zwischen den Wegen, auf denen das jeweilige Dokument mit der eingescannten Unterschrift übermittelt wird (so auch [X.] in [[X.].], 2649; zur wechselseitigen Unabhängigkeit der Schriftformerfordernisse für Klagen in elektronischer Form nach § 52a [[X.].]O einerseits sowie in schriftlicher Form nach § 64 [[X.].]O andererseits s. oben unter II.1.d cc).

(2) Gleichwohl muss der Senat diese Frage hier offenlassen, weil sie im Streitfall aus den unter [X.] dargestellten Gründen nicht entscheidungserheblich ist und im Übrigen die gegenteilige Auffassung des [X.] im Beschluss vom 10. Oktober 2006 [X.]I ZB 40/05 --NJW 2006, 3784-- (verfassungsrechtlich vom [X.] durch Nichtannahmebeschluss vom 18. April 2007  1 BvR 110/07, NJW 2007, 3117 unbeanstandet) eine erneute Anrufung des [[X.].] erforderlich machen könnte. Im Streitfall bedeutet die Entscheidung des erkennenden Senats jedenfalls deshalb keine Abweichung vom Beschluss des [X.] in NJW 2006, 3784, weil Gegenstand des [X.]-Verfahrens eine Klageschrift war, bei der die per Fax übersandte Fassung eine Unterschrift aufwies, die nicht nur eingescannt worden war, sondern zudem einen anderen Namen als die später im Original übersandte [X.] aufwies und schon deshalb erhebliche Zweifel an einer Übersendung "mit Wissen und Wollen" des Verfassers begründen musste.

3. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb --entsprechend dem Antrag des [[X.].]-- zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [[X.].] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [[X.].]O).

Das [[X.].] hat bisher aufgrund seiner abweichenden Auffassung zur Unzulässigkeit der Klage die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht geprüft. Dies hat es nunmehr nachzuholen.

Meta

VIII R 38/08

22.06.2010

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 5. März 2008, Az: 2 K 202/06, Urteil

§ 64 FGO, § 126 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 22.06.2010, Az. VIII R 38/08 (REWIS RS 2010, 5631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5631

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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