Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2013, Az. XII ZB 106/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4560

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 106/10

vom

3. Juli 2013

in der Familiensache

-
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-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 3.
Juli 2013 durch den
Vor-sitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 7.
Familiensenats in [X.] des [X.] vom 18.
Januar 2010 aufgehoben.
Der Klägerin wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 13.
Juli 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert:
3.500

Gründe:
I.
Das die Klage auf nachehelichen Unterhalt abweisende Urteil des [X.] ist der Klägerin am 13.
August 2009 zugestellt worden. Mit am Montag, dem 14.
September 2009, beim
[X.] eingegangenem
Schriftsatz hat die Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfah-rens beantragt. Dem Schriftsatz war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin beigefügt, in der der Abschnitt
G 1
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"Sonstige Vermögenswerte, Lebensversicherunvollständig
ausgefüllt war.
Das [X.] hat den Antrag auf Bewilligung von [X.] mit der Begründung zurückgewiesen, die Formularerklärung erlaube keine abschließende Beurteilung, ob die Klägerin außer Stande sei, die Pro-zesskosten aus eigenen Mitteln aufzubringen. Mit Rücksicht darauf fehle es an der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Denn Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne mangels schuldloser, nämlich auf Hilfsbedürftigkeit beruhender Versäumung der Berufungsfrist nicht bewilligt werden, so dass die Berufung zu verwerfen sein werde. Der Beschluss wurde der Klägerin am 9.
Oktober 2009 zugestellt.
Mit am 13.
Oktober 2009 eingegangenem Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des [X.] hat sie vorgetragen, sie habe nicht damit rechnen müssen, dass ihr wegen der [X.] Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen Prozesskostenhilfe versagt werde. In der in erster Instanz vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse habe sie in der betreffenden Rubrik ebenfalls [X.] Angaben gemacht; gleichwohl sei ihr vom Amtsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Die Klägerin hat die Berufung innerhalb der verlängerten Berufungsbe-gründungsfrist begründet.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Zur Begründung hat es
im Wesentlichen ausge-führt: Die Klägerin habe erkennen können, die Voraussetzungen für die [X.] nicht hinreichend dargetan zu haben. Dass das 2
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Amtsgericht die hinsichtlich der Vermögensverhältnisse gebotene Aufklärung unterlassen habe, habe nicht den Schluss rechtfertigen können, das [X.] werde in zweiter Instanz in gleicher Weise verfahrensfehler-haft behandelt. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin hierauf habe ange-sichts der lückenhaften Angaben nicht bestanden. Die Lücke habe auch nicht ohne weiteres auf andere Weise, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, [X.] werden können. Vielmehr ergäben sich aus den vorgelegten Konto-auszügen Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin Lebensversicherungen unter-halten habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne deshalb nicht bewil-ligt werden, weshalb die Berufung zu verwerfen sei.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.
Auf das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor [X.] Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25.
November 2009 -
XII ZR 8/08
-
FamRZ 2010, 192 Rn.
5).
1. Die nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO iVm §§
522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Ent-scheidung des [X.] ist gemäß §
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, denn die [X.] Entscheidung verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
Das [X.] hat der Klägerin zu Unrecht die fristgerecht bean-tragte (§§
234 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2, 236 Abs.
2 Satz
2
ZPO) Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist versagt.
a) Zwar ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass der am 14.
September 2009 eingegangene Schriftsatz, mit dem die Klägerin die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt hat, nicht bereits als Berufungs-schrift aufgefasst werden kann. Denn der Schriftsatz ist als Prozesskostenhilfe-gesuch
bezeichnet und beschränkt sich auch auf das entsprechende Begehren. Die Berufungsfrist ist deshalb nicht gewahrt worden.
b) Nach der Rechtsprechung des [X.], auch des Senats, ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist [X.] beantragt hat, bis
zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftiger-weise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereich-ten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch ent-schieden werden kann (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23.
Februar 2005
-
XII
ZB 71/00 -
FamRZ 2005, 789;
vom 20.
Februar 2008 -
XII
ZB 83/07
-
FamRZ 2008, 868 und vom 13.
Februar 2008 -
XII ZB 151/07
-
FamRZ 2008, 871). Das war hier der Fall.

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Zwar kann ein Rechtsmittelführer nur dann davon ausgehen, die wirt-schaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe [X.] zu haben, wenn er sich rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist auf dem hierfür von §
117 ZPO vorgeschriebenen und von ihm vollständig ausge-füllten Vordruck über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse er-klärt hat. Dabei dürfen die Anforderungen an die
Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil sonst der Zweck der [X.], dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, verfehlt würde. So kann die [X.], auch wenn der Vordruck ein-zelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Vo-raussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 20.
Februar 2008 -
XII
ZB 83/07
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FamRZ 2008, 868, 869 und vom 13.
Februar 2008 -
XII
ZB 151/07
-
FamRZ 2008, 871). Das kommt in Betracht, wenn dem Rechtmittelführer bereits in der Vorinstanz
-
aufgrund eines ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Vordrucks
-
Pro-zesskostenhilfe gewährt worden war und eine nunmehr im Vordruck vorhande-ne Lücke im Zusammenhang mit dem [X.]vortrag nicht den Schluss nahe legt, die wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] hätten sich zwischenzeitlich in einer für die Gewährung von Prozesskostenhilfe erheblichen Weise geändert
(Senatsbeschluss vom 23.
Februar 2000 -
XII
ZB 221/99
-
NJW-RR 2000, 1387).
c)
Letzteres ist hier allerdings nicht
der Fall. Die Klägerin hat vielmehr sowohl in erster als auch in zweiter Instanz eine Formularerklärung vorgelegt, die eine Lücke aufwies.
Gleichwohl konnte sie darauf vertrauen, ihre Hilfsbe-dürftigkeit hinreichend dargetan zu haben.
Nach der Rechtsprechung des [X.] kann ein
Rechtsmit-telkläger, dem für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt worden 13
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war, bei im Wesentlichen gleichen
Angaben zu den Vermögensverhältnissen erwarten, dass auch das Gericht des zweiten [X.] ihn als bedürftig im Sinne des §
115 ZPO ansieht. Die [X.] braucht dann nicht damit zu rechnen, dass das Rechtsmittelgericht strengere Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit stellt (BGH Beschluss vom 15.
Dezember 1983 -
IX
ZB
152/83
-
VersR 1984, 192 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 25.
Februar 1987 -
IVb
ZB 157/86
-
FamRZ 1987, 1018). Unter diesen Umständen kann sie erwarten, dass sie auf eine abweichende Beurteilung hingewiesen und ihr Gelegenheit gege-ben wird, ergänzend zu der vom zweitinstanzlichen Gericht beanstandeten [X.] in ihrer Formularerklärung vorzutragen.
Auf einen entsprechenden Hinweis hätte die Klägerin die im Rahmen des [X.] nachgeholten Angaben
vorgetragen.
Diese stehen einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Die Klägerin leistet Zahlungen auf eine [X.] und auf eine weitere Lebensversicherung (Rückkaufswert zum 1.
März
2010: 1.524

-Rente hat nach §
115 Abs.
3 ZPO iVm §
90 Abs.
2 Nr.
2 [X.] unberücksichtigt zu bleiben. Der Wert der Lebensversicherung übersteigt zusammen mit dem Sparguthaben der Klägerin (1.020

29.
Aufl. §
115 Rn.
57)
nicht. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin sich für be-dürftig halten durfte.
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3. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Hinsichtlich der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand kann der Senat selbst abschließend entscheiden, weil dies allein eine rechtliche Bewer-tung erfordert. Da die Berufungsfrist unverschuldet versäumt wurde, ist
Wieder-einsetzung zu gewähren.
Dose

[X.]

Günter

RiBGH Dr. Nedden-Boeger

ist erkrankt und kann deswegen

nicht unterschreiben.

Dose

Botur
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 13.07.2009 -
541 F 966/09 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 18.01.2010 -
7 UF 73/09 -

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Meta

XII ZB 106/10

03.07.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2013, Az. XII ZB 106/10 (REWIS RS 2013, 4560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4560

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 106/10

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