Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. XII ZB 186/17

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 3711

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[X.]:[X.]:BGH:2017:181017BXIIZB186.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 186/17

vom

18. Oktober 2017

in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1896 Abs. 1a
Wird die Betreuung eines Volljährigen gegen dessen Willen angeordnet, so muss festgestellt werden, dass
dem an einer psychischen Erkrankung leiden-den Betroffenen die Fähigkeit fehlt, einen freien Willen zu bilden.
Die [X.] müssen durch ein [X.] belegt sein (im [X.] an Senatsbeschluss vom 16.
März 2016

XII
ZB
455/15

FamRZ 2016, 970).
BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017 -
XII ZB 186/17 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 18.
Oktober 2017
durch
den Vorsitzenden [X.] Dose und die [X.] Prof.
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu
2 wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 31.
März 2017
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten
Behandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfah-rens, an das [X.]
zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Der
66jährige Betroffene leidet an einer Parkinsonerkrankung mit hirnor-ganischer Beeinträchtigung, wegen derer er
seine
Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann.
Am 5.
Oktober 2013 hatte er seinem [X.], dem Beteilig-ten zu
2, Vorsorgevollmacht mit umfassender Vertretungsbefugnis erteilt.
Mitte 2014 schenkte er dem Beteiligten zu
2
einen Geldbetrag von 120.000

mit der
Zwecksetzung, aus diesen Mitteln ein Haus zu erwerben, welches
nach Mög-lichkeit vom Betroffenen bewohnt werden solle. Der Beteiligte zu
2 erwarb [X.] eine Eigentumswohnung, in die der Betroffene einzog.
1
-
3
-
Das Amtsgericht hat Anfang 2017 eine
Betreuung für den
Aufgaben-
kreis der
Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung sowie Rechts-/Antrags-
und Behördenangelegenheiten eingerichtet und den
Beteilig-ten
zu
1
als Berufsbetreuer
bestellt.
Dagegen hat auch der Beteiligte zu
2
Beschwerde eingelegt, die
das [X.] zurückgewiesen
hat. Hiergegen richtet sich dessen
Rechtsbe-schwerde.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
1. [X.] ist gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1
FamFG statthaft. Die Beschwerdeberechtigung des Beteiligten
zu
2 folgt aus
§
303 Abs.
2 Nr.
1 FamFG
(vgl. Senatsbeschluss vom 25.
Januar 2017

XII
ZB
438/16

FamRZ 2017, 552
Rn.
9
ff.).
2. [X.] hat auch in der Sache Erfolg.
a) Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Die Anordnung der Betreuung sei trotz bestehender Vorsorgevollmacht gemäß §
1896 Abs.
2 Satz
2 BGB erforderlich. Es lägen gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Beteiligte zu
2 die Vorsorgevollmacht nicht zum Wohle des Betroffenen eingesetzt habe.
Die erfolgte Schenkung stelle bereits objektiv einen hohen Betrag dar. Die Annahme eines derart hohen Geldbetrags durch den Beteiligten zu
2 stelle sich angesichts der gesundheitlichen Situation des Betroffenen als nicht an dessen Wohl orientierte Entscheidung dar. Ange-2
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4
5
6
7
-
4
-
sichts der schwerwiegenden Erkrankung des Betroffenen sei schon zum Zeit-punkt der Entscheidung nicht gesichert gewesen,
wie lange dieser in der Lage sein würde, in einem Privathaus zu leben. Für die künftige Unterbringung des Betroffenen in einem Pflegeheim würden erhebliche finanzielle Mittel [X.], die dem Betroffenen aufgrund der erfolgten Schenkung fehlten. Auch
fehle es an jeder rechtlichen Absicherung des Betroffenen hinsichtlich der mit seinem Vermögen erworbenen Immobilie; die Eintragung eines Wohnrechts oder Nieß-brauchs zugunsten des Betroffenen sei nicht erfolgt.
Aufgrund dessen trage der Betroffene auch das Insolvenz-
und Todesfallrisiko des Beteiligten zu
2.
b)
Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) [X.] rügt, dass der Betroffene ausweislich des landgerichtlichen Anhörungsprotokolls mit der Betreuung nicht einverstanden sei. Da sich dem angefochtenen Beschluss keine hinreichenden Feststellungen hierzu entnehmen lassen, ist [X.] davon auszugehen, dass die Einrichtung der Betreuung gegen den Willen des Betroffenen erfolgt ist.
bb) Nach §
1896 Abs.
1a BGB darf
aber
gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene der Ein-richtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Be-treuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestim-mung fähig ist. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestim-mung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbe-schluss vom 16.
März 2016

XII
ZB
455/15

FamRZ 2016, 970
Rn.
6
f. mwN).
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9
10
-
5
-
Das Gutachten muss Art und Ausmaß der Erkrankung und deren Auswirkung auf die Fähigkeit zur freien Willensbildung im Einzelnen anhand der Vorge-schichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen. Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Februar 2017

XII
ZB
510/16

FamRZ 2017, 648 Rn.
15 mwN).
cc)
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht ge-recht, denn er enthält keinerlei
Feststellungen zur Fähigkeit des Betroffenen, seinen Willen frei zu bilden. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben.
3. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da er die noch erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Bei seiner erneuten Befassung wird das [X.] zu berücksichti-gen haben, dass sich tragfähige Feststellungen zur Fähigkeit des Betroffenen, einen freien Willen zu bilden, nicht ohne Weiteres dem vorliegenden Sachver-ständigengutachten entnehmen
lassen.
Zwar ist in dem eingeholten Gutachten mitgeteilt, dass bei dem
Betroffenen eine Fähigkeit zur freien
Willensbildung nicht vorhanden
sei. Dieses ist jedoch nicht näher begründet und steht im
Wi-derspruch zu der seitens des Gutachters vorgenommenen diagnostischen Ein-ordnung, wonach
hinsichtlich des kognitiven Leistungsvermögens keine ab-schließende Einschätzung zur Frage einer zwischenzeitlichen Verschlechterung im Vergleich zur Voruntersuchung durch den Sachverständigen im Jahr 2012 möglich
sei, da eine weitere Untersuchung, zu der der Betroffene nicht ange-11
12
13
-
6
-
troffen worden sei, nicht habe erfolgen können. Das
im Jahr 2012 erstattete
Gutachten gelangte
indessen noch zu dem Ergebnis, dass die freie Willensbil-dung bei
dem Betroffenen nicht eingeschränkt sei,
und dass eine krankheitsbe-dingte Willensbeeinträchtigung nicht festgestellt werden könne.
b) Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu
2 seine Vollmacht entge-gen dem Wohle des Betroffenen eingesetzt habe, könnten aus dem vom Land-gericht
als
interessenwidrig beurteilten
Schenkungsgeschäft allenfalls
dann hergeleitet werden, wenn dieses unter Gebrauchmachen von der [X.] abgeschlossen oder vollzogen worden ist. Entsprechende Feststellungen sind indessen bisher nicht getroffen;
vielmehr hat der Betroffene
in seiner
mündlichen Anhörung bestätigt, die Geldsumme für den angegebenen Zweck selbst zur Verfügung gestellt zu haben.
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-
7
-
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.01.2017 -
46 XVII P 119/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.03.2017 -
5 [X.]/17 -

15

Meta

XII ZB 186/17

18.10.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2017, Az. XII ZB 186/17 (REWIS RS 2017, 3711)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3711

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XII ZB 186/17

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