Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2013, Az. 4 StR 374/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 250

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 374/13

vom
17. Dezember
2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen Betrugs u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 17.
Dezember 2013 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
Februar 2013 mit den Feststellungen auf-gehoben, bezüglich des Angeklagten [X.]

, soweit er verur-
teilt wurde.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlich begange-nen Betruges in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, den Angeklagten J.

zudem wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Ar-
beitsentgelt in zwölf Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und sechs Monaten (Angeklagter [X.]

) bzw. vier Jahren und sechs Monaten
(Angeklagter J.

) verurteilt; im Übrigen wurde der Angeklagte [X.]

freigesprochen. Mit den Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung for-mellen und materiellen Rechts. Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
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-
I.
Die Revisionen der Angeklagten dringen mit gleichlautenden Verfahrens-rügen, mit denen sie jeweils die rechtsfehlerhafte Ablehnung von drei [X.] geltend machen, zu dem unter II.
A der Urteilsgründe geschilderten [X.] durch.
1.
Den beiden [X.] liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:
Das [X.] hat drei Beweisanträge der Angeklagten wegen (tat-sächlicher) Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Mit diesen hatten sie die Verneh-mung von zwei Notariatsangestellten und eines Angestellten eines Autohauses zum Beweis der Tatsache begehrt, dass im Jahr 2006 Personen
mit den

Namen [X.]

, [X.]

M.

bzw. F.

G.

jeweils unter Vorlage eines
[X.] Personalausweises

in deren Notariaten
bzw. in dessen

Autohaus gewesen seien
und notarielle Kaufverträge über ein Grundstück [X.] bzw. einen [X.] erworben hätten.
Zur Begründung der Be-weisanträge hatten sie ausgeführt, dass die Zeugen bekunden würden, die ihnen gegenüber aufgetretene Person mit dem Namen [X.]

, [X.]

M.

bzw. F.

G.

sei nicht der Angeklagte [X.]

und darüber hinaus iden-
tisch mit der Person gewesen, welche auf den in diesem Verfahren gegen-ständlichen gefälschten [X.] Personalausweisen abgebildet sei.
Das [X.] hat die

zulässigen

Beweisanträge mit der [X.] abgelehnt, die von den Angeklagten aus den [X.] gezogenen Schlussfolgerungen seien nicht nachvollziehbar, zwingend daher erst recht nicht. Denn es sei nicht ersichtlich, welchen Zusammenhang mit der [X.] es haben soll, wenn unbekannte Dritte außerhalb der hier verhandelten 2
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Lebenssachverhalte unter Verwendung gefälschter [X.] Personal-ausweise im Geschäftsleben aufgetreten
sein sollen; auch erschließe sich nicht, welche Rückschlüsse das auf die hier verhandelten Straftaten haben soll.
2.
Die Ablehnung der Beweisanträge begegnet durchgreifenden Beden-ken.
a)
Zwar ist der Ansatz zutreffend, dass eine Hilfstatsache in tatsächlicher Hinsicht (auch) dann bedeutungslos ist, wenn nicht erkennbar ist, warum die Beweisbehauptung den behaupteten Schluss zulässt, wenn also letztlich ein Zusammenhang zwischen der Beweisbehauptung einerseits und dem An-klagevorwurf andererseits fehlt (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
Februar 2013

1
StR
553/12, NStZ
2013, 352, 353; LR-Becker, 26.
Aufl., §
244 Rn.
220 Fn.
1134 mwN). Allgemein-abstrakte Grundsätze darüber, in welcher Bezie-hung die [X.] zu dem Verfahrensgegenstand stehen muss, wenn sie für seine Beurteilung Bedeutung haben soll, lassen sich kaum aufstellen. Im [X.] kommt es darauf an, ob im konkreten Fall nach allgemeiner

oder jeden-falls richterlicher

Erfahrung der aufgezeigte Zusammenhang erkennbar ohne Weiteres sicher zu verneinen ist ([X.], aaO; vgl. [X.]/[X.], Der
Beweisantrag im Strafprozess, 6.
Aufl., S.
451).
b)
Gründe, aus denen sich eine solche Bedeutungslosigkeit hier ergibt, legt das [X.] nicht dar; es teilt vielmehr lediglich seine Wertung fehlen-der Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen und fehlender Erkennbarkeit des Zusammenhangs mit der Urteilsfindung mit. In einem Beschluss, durch den ein Beweisantrag als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos abgelehnt wird, sind die hierfür maßgeblichen Erwägungen aber zumindest in ihrem [X.] konk-6
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5
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ret darzulegen, um dem Antragsteller zu ermöglichen, sein weiteres Prozess-verhalten entsprechend einzurichten (st. Rspr.; [X.], aaO mwN). [X.] hat der [X.], dem im Übrigen eine eigene Beweiswürdigung verwehrt ist, nicht darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls wie hier die Annahme einer solchen Bedeutungslosigkeit zu begründen wäre.
c)
Die Gründe für die Bedeutungslosigkeit verstehen sich auch weder von selbst, noch ist offensichtlich, dass der Nachweis der [X.] für die Angeklagten nichts erbracht hätte.
aa)
Das [X.] verkennt bereits, dass das Auftreten weiterer
Per-sonen
im Geschäftsverkehr unter Verwendung von Personalien, die auch der Angeklagte [X.]

unter Vorlage gefälschter [X.] Ausweise ver-
wendet haben soll, den

zumindest nicht fernliegenden

Schluss zulässt, [X.] Personen hätten
die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten begangen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Personen

wie behauptet

im Tatzeit-raum in derselben Region gehandelt und dabei ebenfalls [X.] Per-sonalpapiere verwendet haben sollen.
bb)
Die Beweiswürdigung des [X.] weist zwar in Bezug auf die Täterschaft des Angeklagten [X.]

für sich einen sachlich-rechtlichen Man-
gel nicht auf. Eine erdrückende Beweissituation ist gleichwohl nicht gegeben, die die Darlegung der Gründe für die Bedeutungslosigkeit ausnahmsweise hätte entbehrlich machen können. Denn die Überzeugung des [X.] von der Täterschaft des sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache einlassenden Angeklagten ergibt sich lediglich aus einer Gesamtschau mehrerer Indizien, die jedes für sich allein betrachtet jedoch für eine sichere Überzeugungsbildung nicht ausreichten (UA S.
17).
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Da eine Bestätigung der unter Beweis gestellten Tatsachen auch nicht ohne Weiteres mit dem bisherigen Beweisergebnis vereinbar war und mögli-cherweise zu einer anderen Gewichtung weiterer Beweismittel geführt hätte, kann der [X.] nicht sicher ausschließen, dass die Verurteilung des Angeklag-ten [X.]

auf der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht.
Gleiches gilt bezüglich des Angeklagten J.

in Anbetracht des Um-
standes, dass die Angeklagten nach den Feststellungen in sämtlichen Fällen aufgrund gemeinsamen, mehraktigen Tatplans mittäterschaftlich vorgegangen sind.
II.
Die Revision des Angeklagten J.

führt auf die allgemeine Sachrüge
auch zur Aufhebung der Verurteilung in dem unter II.
B der Urteilsgründe ge-schilderten [X.]. Der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreu-ens von Arbeitsentgelt in zwölf Fällen steht möglicherweise ein Verfahrenshin-dernis entgegen.
1.
Der Angeklagte erfüllte im Zeitraum von Juli bis September 2006 in zwölf Fällen nicht die ihm als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der
A.

GmbH mögliche und zumutbare Verpflichtung, Arbeitneh-
merbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung an die zuständigen Einzugsstellen abzuführen. Im Folgenden verkaufte er die [X.] zum 12.
Oktober 2006 an den Angeklagten [X.]

und dieser wurde
zum Geschäftsführer bestellt.
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2.
Nach diesen Feststellungen könnten die Taten zum Zeitpunkt der An-klageerhebung bereits verjährt gewesen sein.
Ist der Angeklagte durch den im Oktober 2006 erfolgten Verkauf als Ge-schäftsführer der [X.] ausgeschieden, erlosch seine Beitragspflicht und die Taten waren beendet (vgl. Fischer, StGB, 61.
Aufl., §
266a Rn.
18a). Dann wäre die Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß
§
78 Abs.
3 Nr.
4 StGB bereits zum Zeitpunkt der Anklageerhebung am 4.
Januar 2012 abgelaufen gewesen. Dem am 7.
Januar 2007 erlassenen richterlichen Durchsuchungsbeschluss kam eine Unterbrechungswirkung gemäß §
78c Abs.
1 Nr.
4 StGB nicht zu, weil der [X.] der Strafverfolgungsbehörden sich erkennbar allein auf die unter II.
A der Urteilsgründe dargestellten Taten beschränkte.
Der [X.] kann den Eintritt der Verjährung nicht abschließend selbst überprüfen. Obgleich nach den Feststellungen eine weitere Geschäftstätigkeit der [X.] unterblieb, war der Angeklagte J.

vor dem Hintergrund
der festgestellten engen Kooperation mit dem Angeklagten [X.]

mögli-
cherweise auch nach dem Verkauf der von ihm gegründeten [X.] wei-ter als faktischer Geschäftsführer tätig, so dass die Taten zu einem späteren Zeitpunkt beendet worden
sein können. Dies festzustellen ist Aufgabe des Tatrichters.
III.
Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils und [X.] an das [X.] in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen
Umfang. Für die neue Verhandlung der Sache weist der [X.] auf Folgendes hin:
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1.
Die Ausführungen des [X.] zu den jeweiligen tatbestand-lichen Vermögensschäden in den unter II.
A der Urteilsgründe dargestellten [X.] lassen jedenfalls die Annahme eines zu hohen Schadensumfangs besor-gen. Die Darlegungen zur Unwirksamkeit der [X.] sowie zur fehlenden Werthaltigkeit der Grundschulden sind lückenhaft.
a)
Es fehlen konkrete
Feststellungen zumindest zur Ausgestaltung der jeweiligen Grundschuldbestellungen einschließlich eventueller Erleichterungen der Durchsetzung der Grundpfandrechte und zum Inhalt der maßgeblichen Grundbücher.
b)
Daneben geht das [X.] zwar zutreffend davon aus, dass ein Grundstückskaufvertrag und die Einigung über den Eintritt des [X.] nach §
873 [X.] unwirksam sind, sofern ein Scheingeschäft im Sinne des
§
117 [X.] vorliegt. Obgleich in diesem Fall die Eintragung der Rechts-änderung das Grundbuch unrichtig macht ([X.]/[X.], [X.], 73.
Aufl., §
873 Rn.
1), führt dieses Scheingeschäft indessen nicht notwendig zur [X.] einer später unter Mitwirkung eines Nichtberechtigten erfolgten Eintra-gung einer Grundschuld in das Grundbuch.
aa)
Denn die für die Wirksamkeit einer rechtsgeschäftlichen Verfügung eines Nichtberechtigten
nach §
185 Abs.
1 [X.] erforderliche Zustimmung des Berechtigten kann nach §
182 Abs.
1 [X.] sowohl dem einen als auch dem an-deren Teil des an dem
Rechtsgeschäft Beteiligten
gegenüber erklärt werden. Diese Willenserklärung kann zwar unter der Voraussetzung eines [X.] im Sinne des §
117 [X.] nichtig sein. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht hinreichend zu entnehmen, ob der Angeklagte J.

die Zustimmung zu
den Grundschuldbestellungen ausschließlich dem Angeklagten [X.]

oder
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auch den hinsichtlich der [X.] nicht informierten Grundpfandrechts-gläubigern gegenüber erklärte.
bb)
Zudem wird nach §
892 [X.] die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuches zugunsten des gutgläubigen Erwerbers fingiert, d.h. das einge-tragene Recht gilt mit dem eingetragenen Gegenstand und Inhalt und der [X.] Berechtigte gilt als wahrer Berechtigter ([X.]/[X.], aaO, §
892 Rn.
1, 13
f.). Trifft folglich ein [X.], der jedoch im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist, bezüglich des Grundstücks eine rechtsge-schäftliche Verfügung, kommt gutgläubiger Erwerb nach §
892 [X.] in Betracht. Die Eintragung ins Grundbuch und der gute Glaube ersetzen das fehlende Recht des [X.]. Dies gilt entgegen der Ansicht des [X.] auch zugunsten des [X.] einer Grundschuld.
c)
Schließlich erweist sich die Wertung des [X.], die eingetrage-nen Grundschulden seien nicht werthaltig, weil ihre Verwertung nicht mit [X.] zeitlichen und finanziellen Aufwand realisierbar sei, ohne dass der Schuldner dies verhindern könne, als nicht tragfähig begründet.
Die diesbezüglichen Ausführungen, die Zustellungen seien im Rahmen des [X.] wegen der Verwendung von Personalien nicht existierender Personen bei gleichzeitiger Unkenntnis der Gläubiger von den tatsächlichen Kontaktdaten des Schuldners nicht möglich gewesen, sind nicht ohne Weiteres mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass die [X.] in den Fällen
II.
A
1., II.
A
3. und II.
A
5. der Urteilsgründe [X.] erzielten, weil zu diesem Zeitpunkt die falsche Identität des Kreditnehmers noch nicht bekannt war (vgl. UA S.
31). Es hätte daher näherer Darlegungen zu dem zeitlichen und finanziellen Aufwand der Verwertungen bzw. deren Schei-24
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tern bedurft, um die fehlende Werthaltigkeit der Grundschulden hinreichend zu belegen.
2.
Das [X.] hat die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Ver-fahrensverzögerung hinsichtlich der Angeklagten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Ihre hierauf abzielenden Revisionsbegründungen zeigen einen Rechtsfehler nicht auf.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin
27

Meta

4 StR 374/13

17.12.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.12.2013, Az. 4 StR 374/13 (REWIS RS 2013, 250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 250

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Strafbefreiender Rücktritt beim versuchten Betrug


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