Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2020, Az. 6 StR 34/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1669

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Gegenstand

Begünstigung: Anforderungen an die Absicht zur Sicherung der Tatvorteile


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. September 2019

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass in den Fällen II.1, 9, 11 und 16 die tateinheitliche Verurteilung wegen Begünstigung entfällt,

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Begünstigung in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit leichtfertiger Geldwäsche, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und gegen die Angeklagte als Gesamtschuldnerin die Einziehung des Wertes der [X.] in Höhe von 106.880 € angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s eröffnete die Angeklagte in der [X.] von September 2018 bis März 2019 auf Geheiß des Mitangeklagten [X.]vier Girokonten. Auf diesen gingen die von dem Mitangeklagten durch gewerbsmäßigen Betrug erzielten [X.] in Höhe von insgesamt 106.880 € ein, die er abhob bzw. durch die Angeklagte abheben ließ, soweit die Guthaben nicht zuvor von der Staatsanwaltschaft gepfändet worden waren. Wenngleich der Mitangeklagte die Eröffnung der Konten von der Angeklagten unter einem Vorwand verlangt hatte, nahm sie billigend in Kauf, dass die Konten der Überweisung von aus Straftaten stammenden Erträgen dienen sollten.

3

2. Die Verfahrensrüge bleibt aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 27. Februar 2020 genannten Gründen ohne Erfolg.

4

3. Jedoch ist das Urteil auf die Sachrüge hin teilweise aufzuheben.

5

a) In den die Angeklagte betreffenden Fällen kann die Verurteilung wegen Begünstigung aus sachlich-rechtlichen Gründen nicht bestehen bleiben. Hierzu hat der [X.] ausgeführt:

„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das [X.] zu der Überzeugung gelangt, dass die Angeklagte (lediglich) billigend in Kauf nahm, dem Mitangeklagten [X.]durch die fortdauernde [X.] die Vorteile aus den Taten zu sichern. Erkannt habe die Angeklagte dies - so das [X.] ausdrücklich - letztlich nicht, was sich damit erklären lasse, dass sie im Hinblick auf ihre „strukturelle Unterlegenheit“ gegenüber dem Angeklagten [X.](ihre) Augen mehr oder minder bewusst davor verschlossen hatte ([X.], vorletzter Absatz).

Damit jedoch ist der subjektive Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt. Schon das Wissens-Element des bedingten Vorsatzes erscheint nach [X.], vorletzter Absatz fraglich. Darauf kommt es indes nicht an, denn entgegen der Rechtsauffassung des [X.]s und der Revisionsbegründung ([X.], zweiter Absatz) muss der [X.] gemäß § 257 Abs. 1, 2. Halbsatz StGB die „Absicht“ haben, dem Vortäter die Vorteile der Tat gegen ein Entziehen zugunsten des Verletzten oder sonst Berechtigten zu sichern.

Hierunter ist nach herrschender Meinung der zielgerichtete Wille (dolus directus 1. Grades) zu verstehen. Das bedeutet, dem Täter muss es darauf ankommen, im Interesse des Vortäters die Wiederherstellung des gesetzmäßigen, durch die Vortat beeinträchtigten Zustandes zu verhindern oder zu erschweren ([X.]St 4, 107, 108).

Allein das Bewusstsein der Angeklagten und die billigende Inkaufnahme der Beutesicherung als notwendige Konsequenz der „Kontenleihe“ ([X.], vorletzter Absatz) reicht hierfür nicht aus (vgl. [X.], Beschluss vom 01.09.1999 - 1 [X.], [X.], 31).“

6

Dem schließt sich der [X.] an. Da hiernach die Voraussetzungen der Begünstigung in den genannten Fällen nicht vorliegen und dazu ergänzende Feststellungen im Fall der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache nicht zu erwarten sind, ändert der [X.] den Schuldspruch insoweit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1963 - 3 StR 34/63, [X.], 210, 212; [X.], 8. Aufl., § 354 Rn. 15).

7

b) Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen Begünstigung zieht die Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe nach sich, weil die [X.] die Einzelstrafen dem Strafrahmen des § 257 StGB entnommen hat und der [X.] nicht ausschließen kann, dass das [X.] bei Anwendung des milderen Strafrahmens von § 261 Abs. 5 StGB niedrigere Strafen festgesetzt hätte.

8

c) Keinen Bestand hat schließlich die Einziehungsentscheidung. Die Wertersatzeinziehung kommt im Grundsatz nach § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1, § 261 Abs. 7 Satz 1 StGB in Betracht. Denn die Angeklagte war trotz einer mit dem Mitangeklagten getroffenen Abrede darüber, wem die Guthaben zustehen, im Verhältnis zur Bank alleinige Inhaberin der Guthabenforderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2009 - 1 Ws 169/09, [X.], 279, 280).

9

Dazu hat der [X.] ausgeführt:

„Indes ist die Einziehung nach § 74 Abs. 2 StGB bzw. hier die Wertersatzeinziehung gem. § 74c StGB eine Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. Für die Anordnung gilt zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach § 74f StGB (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 74 Rn. 22 mwN).

Eine solche Ermessensentscheidung hat das [X.] nicht getroffen.

Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere die signifikante intellektuelle Unterlegenheit der Angeklagten, das Fehlen jeglicher Lesekompetenz ([X.]) und die Tatsache, dass die leseunkundige Angeklagte aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten und emotionalen Abhängigkeit den dominierenden Forderungen des Mitangeklagten wenig entgegen zu setzen hatte und schlicht seinem Willen gehorchte, sowie den Umstand, dass sie selbst keinen finanziellen Vorteil aus den Taten erlangt hat ([X.] erster Absatz), kann nicht im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null angenommen werden, dass die Kammer, wäre sie sich ihres Ermessens bewusst gewesen, dieselbe Einziehungsentscheidung getroffen hätte.“

Dem schließt sich der [X.] ebenfalls an.

Sander     

        

Schneider     

        

Feilcke

        

Tiemann     

        

Fritsche     

        

Meta

6 StR 34/20

07.04.2020

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lüneburg, 4. September 2019, Az: 111 KLs 9/19

§ 257 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.04.2020, Az. 6 StR 34/20 (REWIS RS 2020, 1669)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1669

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 93/23

6 StR 260/23

2 StR 1/21

3 StR 21/21

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