Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2010, Az. 3 StR 519/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 10576

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 519/09 vom 12. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 12. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Juni 2009 mit den Feststellungen auf-gehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an ei-ne andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen "Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB in Tatein-heit mit Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung gemäß § 232 Abs. 4 Ziffer 1 StGB und in Tateinheit mit Zuhälterei sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und Vergewaltigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Entscheidung im Adhäsionsverfahren getrof-fen. Die hiergegen gerichtete Revision rügt mit Erfolg die fehlerhafte [X.] von Beweisanträgen. 1 Nach den Feststellungen des [X.] brachte der Angeklagte die damals 20jährige Nebenklägerin mit Schlägen und der Drohung, sie ansonsten den [X.] zu übergeben, zur Aufnahme der Prostitution. Er bestimmte sodann Zeit, Ort und Ausmaß der Tätigkeit. In einem Fall erzwang er den [X.] - 3 - verkehr mit dem Opfer, bei anderer Gelegenheit schlug und trat er die Neben-klägerin und würgte sie bis zur einsetzenden Bewusstlosigkeit. Der Angeklagte hat die Vorwürfe lediglich in seinem letzten Wort [X.] bestritten, im Übrigen hat er zu ihnen geschwiegen. Das [X.] hat sich seine Überzeugung "insbesondere" aufgrund "der glaubhaften Aussage der Nebenklägerin" verschafft. 3 Das Urteil muss aufgehoben werden, weil das [X.] mehrere Be-weisanträge mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt hat und der [X.] nicht ausschließen kann, dass das Urteil auf diesen Fehlern beruht. 4 1. Die Verteidigung hatte die Vernehmung eines Arztes und seiner Ehe-frau als Zeugen zu der Tatsache beantragt, dass die Nebenklägerin zumindest im [X.]/Frühherbst 2007 keinerlei sichtbare Verletzungen an den Armen, Schultern oder im Gesichtsbereich hatte. Sie hatte dazu ausgeführt, die Neben-klägerin und der Angeklagte hätten in diesem Zeitraum im [X.] in deren Anwesenheit gearbeitet und bei Tätigkeiten im Garten auch nur spärliche Kleidung getragen. Hintergrund des Antrags war die Behauptung der Nebenklä-gerin, vom Angeklagten im Jahr 2007 häufig geschlagen worden zu sein und am ganzen Körper Hämatome davongetragen zu haben. Das [X.] hat den Antrag abgelehnt, "da die Vernehmung der Zeugen völlig ungeeignet" sei, "die Angaben der Nebenklägerin zu durch Einwirkung des Angeklagten erlitte-nen Hämatomen zu widerlegen. Selbst wenn die Zeugen bei der Nebenklägerin keine Hämatome bemerkt haben sollten, wäre das nicht einmal ein Indiz dafür, dass tatsächlich keine vorhanden waren." 5 - 4 - Dies findet in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO keine Stütze. Die Ablehnung ei-nes Beweisantrags wegen Ungeeignetheit der Beweiserhebung ist dort nicht vorgesehen. Sollte das [X.] gemeint haben, die benannten Beweismittel seien ungeeignet, wäre auch dies hier rechtsfehlerhaft. Zwar kann ein Beweis-begehren, das sich auf ein völlig ungeeignetes Beweismittel stützt, nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abgelehnt werden. Dabei muss es sich aber um ein Be-weismittel handeln, dessen Inanspruchnahme von vornherein gänzlich [X.] wäre, so dass sich die Erhebung des Beweises in einer reinen Förm-lichkeit erschöpfen müsste (vgl. [X.], 338, 339). Der ablehnende Be-schluss bedarf einer Begründung, die ohne jede Verkürzung oder sinnverfeh-lende Interpretation der Beweisthematik alle tatsächlichen Umstände dartun muss, aus denen das Gericht auf die völlige Wertlosigkeit des angebotenen Beweismittels schließt. Hieran fehlt es. Für die völlige Ungeeignetheit der be-nannten Zeugen ist auch sonst nichts erkennbar. 6 Sofern das [X.] zuletzt den Ablehnungsgrund der Bedeutungslo-sigkeit der [X.] vor Augen gehabt haben sollte, hielte die Entschei-dung ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Tatrichter darf eine Tatsache nur dann als (aus tatsächlichen Gründen) bedeutungslos ansehen, wenn zwischen ihr und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzu-sammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres [X.] die Entscheidung nicht beeinflussen kann, weil sie nur mögliche, nicht aber zwingende Schlüsse zulässt, und das Gericht den möglichen Schluss nicht ziehen will. Dies ist vom Tatrichter in freier Be-weiswürdigung auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses zu beur-teilen. Allerdings darf das Gericht dabei die unter Beweis gestellte Tatsache nicht in Zweifel ziehen oder Abstriche an ihr vornehmen; es hat diese vielmehr so, als sei sie voll erwiesen, seiner antizipierenden Würdigung zu Grunde zu 7 - 5 - legen ([X.], 288 m. w. N.). Danach hätte das [X.] der in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsache den Charakter eines den Angeklagten entlastenden Indizes nicht schlechthin absprechen dürfen, sondern darlegen müssen, aus welchen Gründen es in Ansehung des bisherigen [X.] seiner bisherigen Überzeugung (von der Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin) beizumessen ver-mochte. Auch hieran fehlt es. 2. Mit demselben Ziel hatte die Verteidigung die [X.] eines Polizeibeamten beantragt zum Beweis der Tatsache, dass die Nebenklägerin auch in dessen Haushalt im [X.] 2007 zusammen mit dem Angeklagten gearbeitet hatte und dem Zeugen trotz luftiger Kleidung keine Ver-letzungsspuren an der Nebenklägerin aufgefallen waren. Diesen Antrag hat das [X.] abgelehnt, "da das Beweismittel völlig ungeeignet ist, die Angaben der Nebenklägerin zu widerlegen" und sich im Übrigen auf die Ablehnung des vorigen Beweisantrags (vorstehend 1.) bezogen. Auch diese Entscheidung ist aus den vorgenannten Gründen rechtfehlerhaft. 8 3. Auf der fehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge beruht das [X.]. Hierzu im Einzelnen: 9 Ein Urteil beruht schon dann auf einem Rechtsfehler, wenn es als mög-lich erscheint oder wenn nicht auszuschließen ist, dass es ohne den [X.] anders ausgefallen wäre. An dem [X.] fehlt es nur, wenn die [X.], dass der Verstoß das Urteil beeinflusst hat, ausgeschlossen oder rein theoretisch ist ([X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 337 Rdn. 255). Die Entscheidung über das [X.] hängt - insbesondere bei Verstößen gegen 10 - 6 - das Verfahrensrecht - stark von den Umständen des Einzelfalls ab ([X.] aaO Rdn. 257). Bei mit fehlerhafter Begründung abgelehnten Beweisanträgen kann ein [X.] des Urteils in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden, wenn die [X.] mit anderer Begründung zu Recht hätten abgelehnt werden können und die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten hierdurch nicht berührt wurden ([X.] in [X.]. § 337 Rdn. 38 m. w. N.). Insbesondere im Zusammen-hang mit Hilfstatsachen des Beweises, also mit Tatsachen, die einen zwingen-den oder möglichen Schluss auf den Beweiswert eines Beweismittels zulassen, kann sich für das Revisionsgericht die Überzeugung ergeben, dass der Tatrich-ter den Beweisantrag auch mit der Begründung der tatsächlichen Bedeutungs-losigkeit der [X.] hätte zurückweisen und der Angeklagte sich in Kenntnis einer solchen Ablehnung nicht weitergehend hätte verteidigen können. Hierfür ist die gesamte Beweissituation, wie sie sich aus dem Urteil darstellt, ebenso von Bedeutung wie die Art und Anzahl der gestellten Beweisanträge. 11 Vorliegend hat sich der Angeklagte mit einer Vielzahl von Beweisanträ-gen verteidigt. Soweit dabei Tatsachen unter Beweis gestellt wurden, handelte es sich überwiegend um solche, die der Widerlegung einzelner, mit dem [X.] nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehender Bekundungen der Nebenklägerin oder allgemein der Weckung von Zweifeln an deren Glaubwür-digkeit dienen sollten. Die Revision rügt über die beiden vorgenannten Fälle hinaus die Ablehnung weiterer Beweisanträge als rechtsfehlerhaft. Auch inso-weit weisen die Entscheidungen des [X.] Mängel auf, die den Gene-ralbundesanwalt veranlasst haben, in seinem Antrag, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen, jeweils umfangreich darzulegen, dass ein [X.] des Urteils auf dem einzelnen Rechtsfehler ausgeschlossen werden könne. 12 - 7 - Was bei isolierter Betrachtung der Beweisanträge und ihrer Behandlung durch die Strafkammer möglicherweise zu einer solchen Überzeugung des [X.] hätte führen können, ist dem [X.] vorliegend aufgrund einer [X.] aller Umstände nicht möglich. Die Sache muss deshalb erneut verhandelt werden. 13 VRiBGH [X.] ist wegen [X.] von [X.] ist we-gen Urlaubs an der Unterschrifts- Urlaubs an der Unterschrifts- leistung verhindert. leistung verhindert.

[X.][X.] [X.]

Meta

3 StR 519/09

12.01.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.01.2010, Az. 3 StR 519/09 (REWIS RS 2010, 10576)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10576

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3 StR 519/09

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