Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2005, Az. IX ZB 208/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 499

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[X.][X.] vom 1. Dezember 2005 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 Einstweilige Anordnungen nach § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO haben nicht den Charakter einer einstweiligen Verfügung. Das Rechtsmittelgericht ist dar-auf beschränkt, Anordnungen in Bezug auf die Wirkungen der angefochtenen Entscheidung zu treffen. [X.] §§ 7, 21 Abs. 2 [X.] auch dann nicht zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen befugt, wenn es in der Hauptsache mit einer Rechtsbeschwerde gegen die vom Beschwerdegericht bestätigte Zurückweisung eines Insolvenzantrags befasst ist. [X.], [X.]uss vom 1. Dezember 2005 - [X.] 208/05 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.] am 1. Dezember 2005 beschlossen: Der Antrag des weiteren Beteiligten auf Anordnung von Siche-rungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 [X.] wird zurückgewiesen. Gründe: [X.] Der weitere Beteiligte ist mit Verfügung der [X.] ([X.]) vom 13. August 2004 zum Abwickler über unerlaubt betriebene [X.] bei der V.

mbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) bestellt. Am 29. April 2005 bean-tragte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Das Insolvenzgericht hat den Antrag als unzulässig zurückgewie-sen, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Treuhandkommanditistin diese nach § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB ausgeschieden und die Schuldnerin [X.] voll beendet und erloschen sei. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das [X.] am 22. Juli 2005 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der weitere Beteiligte einen Eröffnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft ge-1 - 3 - macht habe. Gegen diesen [X.]uss hat dieser Rechtsbeschwerde eingelegt, die er im Einzelnen begründet hat. Mit an das Rechtsbeschwerdegericht gerichtetem Schriftsatz seiner Ver-fahrensbevollmächigten vom 14. November 2005 hat der weitere Beteiligte an-geregt, Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 und 3 [X.] anzuord-nen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Schuldnerin durch Versäum-nisurteil des [X.]s Darmstadt vom 8. September 2005 zur Zahlung von 33.495 • zuzüglich Zinsen verurteilt worden sei und der Einzelrichter in der Ein-spruchsverhandlung vom 3. November 2005 den rechtlichen Hinweis erteilt ha-be, dass das Versäumnisurteil voraussichtlich aufrechtzuerhalten sei. Die dorti-ge Klägerin, die [X.], habe erklärt, von Vollstreckungsmaß-nahmen nicht absehen zu wollen. 2 I[X.] Der Antrag des weiteren Beteiligten ist als unzulässig zurückzuweisen, weil der Senat als Rechtsbeschwerdegericht für die erstmalige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 [X.] funktionell nicht zuständig ist. 3 1. Nach §§ 4, 7 [X.] in Verbindung mit § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 1 und 3 ZPO kann das Rechtsbeschwerdegericht vor der Entscheidung eine einstweili-ge Anordnung erlassen, insbesondere die Vollziehung der angefochtenen Ent-scheidung aussetzen. 4 a) Sinn und Zweck der Regelung ist es, dem Rechtsmittelgericht nach dessen pflichtgemäßem Ermessen die Möglichkeit zu eröffnen, die von den im 5 - 4 - Instanzenzug vorausgegangenen Entscheidungen ausgehenden Wirkungen für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens zu hemmen. [X.]) Durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Rechtsmit-telgericht verhindern, dass die angegriffene, noch nicht rechtskräftige Entschei-dung Wirkungen entfaltet, die durch eine von dem Rechtsmittelgericht später zu treffende ersetzende Sachentscheidung nicht mehr beseitigt werden könnten. Die Funktion des § 570 Abs. 3 ZPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 575 Abs. 5 ZPO) entspricht daher in [X.] derjenigen des § 707 ZPO. Diese Bestimmung schützt in ihrem Anwendungsbereich den Vollstreckungsschuldner vor irreparablen Fakten, wenn der Bestand des die Zwangsvollstreckung recht-fertigenden Titels zweifelhaft ist oder zweifelhaft wird (vgl. [X.]/[X.], 2. Aufl. § 707 Rn. 1; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 707 Rn. 1; [X.], ZPO 22. Aufl. § 707 Rn. 1). Beide Vorschriften haben gemeinsam, dass sie die Möglichkeit zum Aufschub einer angeordneten richterlichen Maßnahme eröffnen, weil ein gegen diese gerichteter Rechtsbehelf keinen Suspensiveffekt entfaltet und die Vollziehung bzw. die Vollstreckung nicht hindert (vgl. [X.], [X.]O § 707 Rn. 1). 6 Die Vorschrift des § 570 Abs. 3 ZPO eröffnet dem [X.] aber nur die Möglichkeit, einstweilige Anordnungen in Bezug auf die Vollzie-hung der angefochtenen Entscheidung zu treffen (vgl. Musielak/Ball, [X.]O § 570 Rn. 1). Hiermit korrespondiert die zeitliche Begrenzung der angeordneten [X.]. Sie treten nach allgemein vertretener Auffassung mit der Entschei-dung über die Beschwerde außer [X.] (vgl. Musielak/Ball, [X.]O § 570 Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 570 Rn. 5). Insbesondere sind Anordnungen nach § 570 Abs. 3, § 575 Abs. 5 ZPO keine einstweiligen Verfügungen (vgl. [X.], ZPO 21. Aufl. § 572 Rn. 5). 7 - 5 - [X.]) Die bislang zu § 570 Abs. 3, § 575 Abs. 5 ZPO ergangene Recht-sprechung des [X.] hat sich - soweit ersichtlich - in diesem Rahmen gehalten (vgl. [X.], [X.]. v. 25. Juli 1989 - [X.] 39/89, [X.]R ZPO § 572 Abs. 3 a.F. Einstweilige Anordnung 1; [X.]. v. 27. August 1993 - [X.], [X.]R ZPO § 572 Abs. 3 a.F. Einstweilige Anordnung 2). Dies gilt auch für die Entscheidung des [X.] vom 21. März 2002 ([X.] 48/02, [X.], 827, 828). Dort hat es der Senat als möglichen Gegenstand einer einstweiligen Anordnung dritter Instanz angesehen, die Vollziehung der Ent-scheidung erster Instanz in einem Fall auszusetzen, in dem die sofortige Be-schwerde des [X.] erfolglos geblieben war. Auch eine solche einstweilige Anordnung zielt darauf ab, die von den vorausgegangenen Entscheidungen ausgehenden rechtlichen Wirkungen bis zum Abschluss des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu hemmen. Soweit in der Literatur dem Erstbe-schwerdegericht und dem Rechtsbeschwerdegericht nach §§ 575, 570 Abs. 3 ZPO die Befugnis eingeräumt wird, sonstige einstweilige Anordnungen zu tref-fen (vgl. Musielak, ZPO 4. Aufl. § 570 Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO § 575 Rn. 6; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 575 Rn. 10), ist dies ebenfalls in dem Sinne zu verstehen, dass diese sich auf die Wirkungen der im Instanzenzug vorausge-gangenen Entscheidungen beziehen müssen. Dies wird durch die in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele verdeutlicht. Wird dem Beschwerderich-ter die Regelungsbefugnis zugewiesen, die Vollziehung der vorausgegangenen Entscheidung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen oder die Voll-ziehung nur gegen Sicherheitsleistung einzustellen, schließt das an die [X.] über die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen (§§ 708 f, 711 ZPO) an und soll verhindern, dass der Schuldner hinsichtlich des Vollstreckungs-schutzes schlechter gestellt wird, als er bei einer entsprechenden Entscheidung durch Urteil stände (vgl. [X.], [X.]. v. 27. August 1993, [X.]O). 8 - 6 - b) Das Ziel des weiteren Beteiligten ist jedoch ein anderes. Eine Ent-scheidung, um dessen Hemmung er ersuchen könnte, ist bislang nicht ergan-gen. Sein Begehren ist darauf gerichtet, vorläufigen Rechtsschutz durch die erstmalige Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu erlangen. Derartige Maßnahmen sind von § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO nicht gedeckt. 9 2. Die Befugnis des [X.] zum Erlass der begehr-ten vorläufigen Regelung folgt auch nicht unmittelbar aus § 21 Abs. 2 [X.]. Ob bei Eintritt des - zu unterstellenden - Sicherungsbedürfnisses eine Rechtsbe-schwerde anhängig ist, die mit der befürchteten nachteiligen Veränderung der Vermögenslage der Schuldnerin im Zusammenhang steht, ist unerheblich. 10 a) Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 [X.] stellt eine tatrichterliche Entscheidung des Insolvenzgerichts oder des an seine Stelle tretenden Gerichts der ersten Beschwerde dar. Das Insolvenzgericht prüft von Amts wegen aufgrund eines jeden Einzelfalls, ob und gegebenenfalls [X.] Sicherungsmaßnahmen zu treffen sind, um eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag zu verhindern. Liegt eine Gefährdung in diesem Sinne vor, hat das Insolvenzgericht die erforderlichen und geeigneten Sicherungs-maßnahmen zu ergreifen und kann diese, wenn sie nicht mehr nötig oder zweckmäßig erscheinen, jederzeit mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder abändern (§ 25 Abs. 1 [X.]; vgl. Kirchhof in HK-[X.], 3. Aufl. § 21 Rn. 41). Das Insolvenzgericht wählt das gebotene Sicherungsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen aus, ohne an Anträge gebunden zu sein; dabei hat es den [X.] im engeren Sinne zu beachten (vgl. Kirchhof in HK-[X.], [X.]O § 21 Rn. 9). 11 - 7 - Demgegenüber ist das Rechtsbeschwerdegericht Rechtsnachprüfungs-instanz. Es trifft - ebenso wie das Revisionsgericht - Entscheidungen auf der Grundlage des in den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalts (§ 559 Abs. 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO). In Bezug auf die Sache selbst können in der [X.] neue Tatsachen und Beweise grundsätzlich nicht vorgebracht werden (vgl. [X.] 156, 165, 167 ff). 12 b) Diese Aufgabenverteilung zwischen Insolvenzgericht und Rechtsbe-schwerdegericht gilt auch im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 2 [X.], so dass der [X.] - ebenso wie bei anderen Entscheidungen des [X.] - nur nachprüfend tätig werden kann. Seine Zuständigkeit im Instanzenzug ist darauf beschränkt, die Anordnung oder die Ablehnung von Sicherungsmaßnahmen, soweit diese anfechtbar und ihm im Rechtsmittelzug zur Entscheidung angefallen sind, auf Rechtsfehler zu überprüfen (§ 576 Abs. 1 ZPO). Eine Zuständigkeit zur erstmaligen Anordnung entsprechender Siche-rungsmaßnahmen besteht dagegen nicht. 13 c) Hieraus ergibt sich für den Antragsteller keine Rechtsschutzlücke, die es von [X.] wegen angezeigt erscheinen ließe, in die durch das Rechtsmittelsystem der Zivilprozessordnung vorgegebene [X.] einzugreifen. Stellt sich nach Erlass der letzten tatrichterlichen Entschei-dung im Insolvenzeröffnungsverfahren ein Sachverhalt heraus, nach dem [X.] - 8 - cherungsmaßnahmen in Betracht zu ziehen sind, hat das Insolvenzgericht et-waige Maßnahmen nach § 21 Abs. 2 [X.] von Amts wegen oder auf Antrag eines der Beteiligten zu prüfen und gegebenenfalls anzuordnen. [X.] Ganter [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 26.05.2005 - 67a [X.][X.], Entscheidung vom 22.07.2005 - 326 [X.]/05 -

Meta

IX ZB 208/05

01.12.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2005, Az. IX ZB 208/05 (REWIS RS 2005, 499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 499

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