Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2012, Az. 3 StR 321/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9542

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
321/11
vom
2. Februar 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Abgabe von Betäubungsmitteln u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 19.
Januar 2012 in der Sitzung am 2. Februar 2012, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender [X.] am Bundesgerichtshof
[X.],

die [X.] am Bundesgerichtshof
von Lienen,
[X.],
[X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. Menges

als beisitzende [X.],

St[X.]tsanwalt

als Vertreter der [X.],

Justizangestellte

-
in der Verhandlung -,
Justizamtsinspektor

-
bei der Verkündung -

als Urkundsbeamte
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revisionen des Angeklagten und der St[X.]tsanwalt-schaft wird das Urteil des [X.] vom 15.
Februar 2011 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.
Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das vorbezeichne-te Urteil darüber hinaus mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist mit Ausnahme des Freispruchs zu den Fällen unter [X.] der Urteilsgründe (Fälle 940 bis 942 der Anklageschrift).
Im Umfang der Aufhebung wird die
Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die dem Angeklagten durch die Revision der St[X.]tsanwalt-schaft entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird [X.].

Von Rechts wegen

-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Abgabe von Betäubungs-mitteln in 49 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Vom Vorwurf des Verschreibens von Betäubungsmitteln in 829 Fällen und vom Vor-wurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen hat es den Ange-klagten freigesprochen. Weiter hat es das Vorliegen einer rechtsst[X.]tswidrigen Verfahrensverzögerung festgestellt und für den Fall, dass die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werde, angeordnet, dass zwei Monate der Gesamt-freiheitsstrafe für vollstreckt gelten. Es hat dem Angeklagten untersagt, für die Dauer von drei Jahren Substitutionsbehandlungen durchzuführen. Die zuun-gunsten des Angeklagten eingelegte, vom [X.] vertretene Revision der St[X.]tsanwaltschaft, mit der sie das Verfahren beanstandet und die allgemeine Sachrüge erhebt, ist zum
überwiegenden Teil begründet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachbeschwerde Erfolg.

A.

I. Mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage [X.] die St[X.]tsanwaltschaft dem Angeklagten, der über eine Erlaubnis zum [X.] mit Betäubungsmitteln nicht verfügt, zur Last gelegt, in der [X.] von Januar 2004 bis Mai 2006 in 110 Fällen (Fälle 830 bis 939 der Anklageschrift) [X.] unerlaubt abgegeben zu haben, indem er in seiner Eigenschaft als mit der Substitution [X.] befasster Arzt für Patienten bestimmtes Methadon oder Levomethadon ("[X.]") an Dritte mit dem Auftrag übergeben habe, es den an der Substitutionsbehandlung [X.] auszuhändigen. Weiter hatte sie dem Angeklagten vorgeworfen, in diesem 1
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Tatzeitraum in 829 Fällen (Fälle 1 bis 829 der Anklageschrift) Betäubungsmittel entgegen den Vorgaben des [X.]es verschrieben zu haben, da die Substitutionsbehandlung des Angeklagten, in deren Rahmen die [X.] vorgenommen worden seien, den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprochen habe, und in drei Fällen (Fälle
940 bis 942 der Anklage-schrift) mit Betäubungsmitteln gehandelt zu haben, indem er einem Patienten Methadon gegen Zahlung eines Entgelts überlassen habe. Im Übrigen hatte sie gemäß §
154 Abs.
1 [X.] von der Verfolgung weiterer, nicht angeklagter Taten abgesehen bzw. gemäß §
154a Abs.
1 [X.] die Strafverfolgung auf die [X.]en Gesetzesverletzungen beschränkt.

[X.] Das [X.] hat nach Einstellung des Verfahrens gemäß §
154 Abs.
2 [X.] in neun Fällen den Angeklagten in 49 Fällen (Fälle A.IV.3 der Ur-teilsgründe) der Abgabe von Betäubungsmitteln ([X.] mit einem Anteil von 1% [X.]) schuldig gesprochen. Dabei hat es [X.] Fälle einer Herausgabe von Methadon zugunsten des Angeklagten zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst, da es nicht habe ausschließen können, dass die Gaben aus einer einheitlichen größeren Lieferung einer [X.] gestammt hätten. In einem Teil der Fälle hat es die zusätzliche oder neu-erliche Mitgabe von Methadon verneint, in einem Fall hat es sich nicht von einer Tatbeteiligung des Angeklagten zu überzeugen vermocht. Insoweit hat es [X.] seiner konkurrenzrechtlichen Bewertung -
tateinheitliche statt, wie [X.] und zur Grundlage des [X.] gemacht, tatmehrheitliche Begehung -
von einem Teilfreispruch abgesehen. Von einem gewerbsmäßigen Handeln des Angeklagten ist es nicht ausgegangen, weil für [X.] nicht lei-tend gewesen sei, sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.

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6
-
In den Fällen 1 bis 829 der Anklageschrift (Fälle C.I. der Urteilsgründe) hat es den Angeklagten freigesprochen und hierzu ausgeführt, eine Strafbarkeit wegen einer Verschreibung von Betäubungsmitteln im Zuge einer ärztlichen Substitutionsbehandlung komme nur dann in Betracht, wenn der Arzt [X.] entweder einem nicht-opiatabhängigen Patienten verschreibe oder dies mit der Zielsetzung einer intravenösen Anwendung oder in Kenntnis nach-folgender körperlicher Beeinträchtigungen oder in dem Wissen um eine ander-weitige Substitutionsbehandlung tue; diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt gewesen. Es hat weiter angenommen, dem Angeklagten, einem appro-bierten niedergelassenen Arzt, der im Jahr 2000 einen insgesamt fünfzigstün-digen Lehrgang zu den betäubungsmittelrechtlichen Vorgaben einer Substituti-onsbehandlung absolviert habe, habe jedenfalls der erforderliche Vorsatz ge-fehlt, sofern eine Verschreibung engeren Voraussetzungen als den vom [X.] angenommenen unterlegen habe.

In den Fällen 940 bis 942 der Anklageschrift (Fälle [X.] der [X.]) ist es zu einem Freispruch gelangt, weil es nicht die Überzeugung gewon-nen hat, Zahlungen des Patienten an den Angeklagten hätten in [X.] mit der Überlassung von Betäubungsmitteln gestanden.

B.

I. Die Revision der St[X.]tsanwaltschaft, mit der der gesamte [X.] zur Überprüfung des Senats steht, ist mit der allgemeinen Sachrüge überwiegend erfolgreich. Die nach §
301 [X.] zugunsten des Angeklagten ge-botene Überprüfung hat Rechtsfehler auch zu seinem Nachteil ergeben, soweit er verurteilt worden ist. Auf die von der St[X.]tsanwaltschaft erhobenen Verfah-rensrügen kommt es nicht an.
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1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Abgabe von [X.] in 49 Fällen, bei der das [X.] im Ausgangspunkt zutreffend die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Juni 2008 -
2
StR
577/07, [X.]St
52, 271, 273 f.; Beschluss vom 28.
Juli 2009 -
3
StR
44/09, [X.]R BtMG §
13 Abs.
1 Abgabe
1) zugrunde ge-legt hat, hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die getroffenen Feststellungen ergeben keine hinreichende Grundlage für die konkurrenzrechtliche Bewertung des [X.], in den Fällen
1 bis 3, 5, 6, 8, 10 bis 12, 14, 16 bis 23, 27 bis 32, 34 bis 36, 38 und 47 bis 49 unter A.IV.3 der Urteilsgründe sei von einer tateinheitlichen statt von einer durchgän-gig tatmehrheitlichen Begehungsweise auszugehen.

[X.]) Sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in ei-nem Akt erworbenen Betäubungsmittel beziehen, sind als eine Tat anzusehen, wenn bereits der Erwerb der Betäubungsmittel, die zum Zweck der Weitergabe beschafft werden, den Tatbestand einer Variante des §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 BtMG in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllt; denn in diesem Fall bilden die aus dem einheitlich bezogenen Betäubungsmittelvorrat vorgenommenen Weiterga-ben von Einzelmengen lediglich unselbständige Teilakte ein und desselben strafbaren Güterumsatzes im Sinne einer strafrechtlichen Bewertungseinheit (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Juli 1997 -
4
StR
222/97, [X.]R BtMG §
29 Bewer-tungseinheit
15).
Ist der Erwerb des Betäubungsmittelvorrats dagegen für sich nicht strafbewehrt und greift eine Strafnorm des [X.]es erst mit der Weitergabe hieraus entnommener Teilmengen ein, fehlt es an einem die [X.] zu einer Bewertungseinheit verbindenden einheitlichen Gü-terumsatz.
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8
-

bb) Ob schon der Erwerb der [X.] den Straftatbestand des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG erfüllte, lässt sich den Feststellungen des [X.]s nicht entnehmen, weil die Urteilsgründe über den Hinweis, sie hätten aus dem Bestand einer Apotheke gestammt, keine weitere Aufklärung darüber geben, auf welche Weise der Angeklagte an die [X.] gelangte. Feststellungen zu einem Erwerb nach §
4 Abs.
1 Nr.
3 Buchst.
a BtMG fehlen. Insbesondere
zu den Voraussetzungen der §
2 Abs.
3, §
5 Abs.
5 Satz
2, Abs.
7 Satz
2 [X.] bzw. zu einem Erwerb zu gesetzlich zulässigen Zwecken und nicht schon mit dem Ziel einer Abgabe entgegen betäubungsmittelrechtli-cher Vorschriften ist den Urteilsgründen hinreichendes nicht zu entnehmen. Deshalb kommt eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat in entspre-chender Anwendung des §
354 Abs.
1 [X.] nicht in Betracht. Vielmehr wird der neue Tatrichter die angeklagten Taten trotz der Beschränkung der Strafver-folgung auf die Abgabe von Betäubungsmitteln unter dem Aspekt der tateinheit-lichen (§
264 [X.]) Mitverwirklichung weiterer Varianten des §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 BtMG zu untersuchen und danach das Konkurrenzverhältnis zu bestimmen haben; denn die Verfahrensbeschränkung nach §
154a Abs.
1 [X.] hat auf die konkurrenzrechtliche Bewertung keinen Einfluss (vgl. [X.], Beschluss vom 6.
September 1988 -
1
StR
481/88, [X.]R [X.] §
154a Klam-merwirkung
1).

b) [X.] hat das [X.] in diesem [X.] darüber hinaus zulasten des Angeklagten von einem Teilfreispruch abgesehen, soweit es sich nicht von einer Täterschaft des Angeklagten hat überzeugen können. Sämtliche Fälle der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln waren als tat-mehrheitlich begangen (§
53 StGB) angeklagt; dem ist das [X.] im Er-öffnungsbeschluss gefolgt. Es hätte deshalb, um den Eröffnungsbeschluss zu 10
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-
9
-
erschöpfen, ohne Rücksicht auf die dem Urteil zugrunde gelegte konkurrenz-rechtliche Bewertung den Angeklagten teilweise freisprechen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 24.
September 1998 -
4
StR
272/98, [X.]St 44, 196, 202; [X.] vom 30.
Mai 2008 -
2
StR
174/08, [X.], 287; Beschluss vom 3.
Juni 2008 -
3
StR
163/08, [X.], 316; [X.], [X.], 54.
Aufl., §
260 Rn.
13).

c) Der Senat hebt den gesamten Schuldspruch samt der zugehörigen Feststellungen (§
353 Abs.
2 [X.]) auf, um dem neuen Tatrichter in [X.] der eng verwobenen Tatvorwürfe eine umfassende Beurteilung zu er-möglichen. Damit entfällt der gesamte Rechtsfolgenausspruch.

2. Weiter unterliegt das Urteil samt den insoweit getroffenen Feststellun-gen (§
353 Abs.
2 [X.], vgl. [X.], [X.]O, §
353 Rn.
15a) der [X.], soweit das [X.] den Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln in den Fällen unter C.I. der Urteilsgründe (Fälle
1 bis 829 der Anklageschrift) freigesprochen hat; denn es hat hierzu [X.] eines rechtsfehlerhaften [X.] nur unzureichende Fest-stellungen getroffen.

a) Ein im Rahmen der Substitutionsbehandlung von Betäubungsmittel-abhängigen tätiger Arzt verstößt gegen §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a BtMG, wenn er als [X.] verwendete Betäubungsmittel der in An-lage
III zum [X.] bezeichneten Art entgegen
§
13 Abs.
1 BtMG verschreibt ([X.], Urteil vom 4.
Juni 2008 -
2
StR
577/07, [X.]St
52, 271, 273). Nach §
13 Abs.
1 BtMG dürfen die in Anlage
III zum Betäubungsmit-telgesetz bezeichneten Betäubungsmittel von Ärzten nur dann verschrieben werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist.
12
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-

Eine Substitutionsbehandlung ist nach §
13 Abs.
1 Satz
2 BtMG nur als ultima ratio zulässig (vgl. [X.], MedR
2009, 211, 214). Eine Verschreibung von Betäubungsmitteln ohne Indikationsstellung und
ohne Prüfung von Be-handlungsalternativen ist unbegründet und nach §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a BtMG strafbar (Körner/[X.], BtMG, 7.
Aufl.,
§
29 Teil
15 Rn.
14 a.E.), weil sie nicht gewährleistet, dass gegebenenfalls andere und damit vor-rangige Behandlungsmethoden zur Anwendung kommen.

b) Gleiches gilt, wenn der Substitutionsbehandlung eine unzureichende ärztliche Kontrolle zugrunde liegt (Körner/[X.], [X.]O, §
29 Teil
15 Rn.
21 a.E.), wobei §
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
5 [X.] der Umfang der erforderlichen [X.] Begleitung und damit die innerhalb der §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a, §
13 BtMG verbindliche Richtschnur der sorgfältigen Substitutions-behandlung zu entnehmen ist (Körner/[X.], [X.]O, §
29 Teil
15 Rn.
41
a.E.).

Einer Strafbarkeit nach §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a BtMG wegen einer unzureichenden ärztlichen Begleitung der Substitutionsbehandlung steht nicht entgegen, dass eine Verschreibung unter Missachtung des §
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
5 [X.] nicht nach §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
14 BtMG, §
16 Nr.
2 Buchst.
a [X.] bestraft werden kann. §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
14 BtMG in [X.] mit der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung sanktioniert [X.] gegen formelle Voraussetzungen der Substitutionsbehandlung. Materielle Zuwiderhandlungen, zu denen es gehört, wenn der Arzt [X.] ver-schreibt, obwohl er sich nicht fortlaufend in Übereinstimmung mit der Subsidia-ritätsregel des §
13 Abs.
1 Satz
2 BtMG über die Fortschritte der Behandlung unterrichtet, sind nach §
29 Abs.
1
Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a BtMG strafbar, ohne 15
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11
-
dass §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
14 BtMG Sperrwirkung entfaltet ([X.], MedR
2009, 211, 215; aA von
Glahn, ZAP Fach
21, S.
213, 215
f.).

c) Diese Maßgaben einer zulässigen Substitutionsbehandlung sind aus den §§
29, 13 BtMG, §
5 [X.] ohne weiteres ersichtlich, so dass für den Arzt als Adressaten der Strafnorm -
den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspre-chend (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
Mai 1991 -
3
StR
8/91, [X.]St
37, 383, 384 f.; [X.], MedR
2009, 211, 215) -
klar erkennbar ist, unter welchen
Voraussetzungen er sich durch das Verschreiben eines zur ärztlichen Medikati-on zugelassenen [X.]s strafbar macht.

d) Zu den gesetzlichen Voraussetzungen ordnungsgemäßer Verschrei-bungen fehlen hinreichende Feststellungen. Das [X.] hat sich lediglich mit der Ermittlung des für die Erfüllung der Verschreibungsvoraussetzungen im Rahmen einer Substitutionsbehandlung nach §
5 Abs.
2 Satz
1 Nr. 1, 2 und 4 Buchst.
c [X.] gemäß §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.]
maßgebenden Standes der medizinischen Wissenschaft befasst und sich weitestgehend auf die Prüfung beschränkt, ob dieser vom Angeklagten gewahrt wurde. Ob die in §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.] aufgezählten sonstigen rechtlichen Voraussetzungen einer zu-lässigen Verschreibung zu Substitutionszwecken erfüllt wurden, hat es dagegen nicht oder nur unzureichend in den Blick genommen. Insbesondere der Frage der Eingangs-
und fortlaufender Kontrolluntersuchungen (§
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
5 [X.]) durch den Angeklagten und der Erstellung eines auf das Errei-chen einer Betäubungsmittelabstinenz zielenden Behandlungskonzepts als Vo-raussetzungen einer betäubungsmittelrechtlich unbedenklichen Verschreibung von [X.]n ist es nicht weiter nachgegangen. Eine regelmäßige oder gar wöchentliche Konsultation des Angeklagten hat es nicht festgestellt, sondern festgehalten, ein "direkter [X.]" habe hauptsächlich 18
19
-
12
-
stattgefunden, "wenn der Patient ein konkretes Anliegen, z.B. körperliche Be-schwerden und/oder den Wunsch nach Änderung der Dosierung", gehabt ha-be. Regelmäßiger, vom Angeklagten
initiierter Konsultationen hätte es indessen bedurft, um eine Verschreibung von [X.]n in Einklang mit §
13 BtMG zu bringen. "[A]ußerhalb einer förmlichen Untersuchungssituation, z.B. am Tresen", "im Vorbeigehen" oder über den Mobilfunkanschluss geführte Ge-spräche des Angeklagten mit Patienten, bei denen eine körperliche Untersu-chung oder eine Unterredung unter vier Augen nicht stattfand und entspre-chend der Fortschritt der Substitutionstherapie und die weiter unabdingbare Verschreibung von [X.]n nicht überprüft werden konnten, waren entgegen der Auffassung des [X.] nicht geeignet, den gesetzlichen, insoweit einer abweichenden Bewertung aufgrund sachverständiger Beweiser-hebung zu alternativen Behandlungsansätzen nicht zugänglichen Anforderun-gen Genüge zu tun.

e) Das [X.] hat darüber hinaus ein vorsätzliches -
im Gegensatz zu einem bloß fahrlässigen und damit im Gegenschluss nach §
29 Abs.
4 BtMG nicht strafbaren -
Handeln des Angeklagten aufgrund unzureichender Feststel-lungen verneint. Der das [X.] entgegen §
13 BtMG verschrei-bende Arzt handelt vorsätzlich, wenn er zumindest billigend in Kauf nimmt, dass seine Verschreibung nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht und Verschreibungen von Betäubungsmitteln ohne Untersuchung oder ohne medi-zinische Indikation bzw. ohne ausreichende Kontrolle einen ärztlichen Kunst-fehler darstellen (Körner/[X.], [X.]O, §
29 Teil
15 Rn.
47). Mit der Frage dies-bezüglicher (Er-)Kenntnisse des Angeklagten hat sich das [X.] nicht hinreichend befasst. Es hat allein aufgrund des Umstands
erhebliche Zweifel am subjektiven Tatbestand des §
29 Abs.
1 Satz
1 Nr.
6 Buchst.
a BtMG ge-hegt, dass es bei der Ermittlung des allgemein anerkannten Stands der [X.]
-
13
-
nischen Wissenschaft nach §
5 Abs.
2 Satz
2 [X.] in der Hauptverhandlung erhebliche [X.] aufgewandt und divergierende Auffassungen ermittelt hat. Der Stand der medizinischen Wissenschaft spielt indessen für die rechtliche Vo-raussetzung hinreichender Untersuchungen als Maßgabe einer zulässigen Substitutionsbehandlung keine Rolle. Das [X.] hätte daher der Frage nachgehen müssen, ob der Angeklagte im Zuge des von ihm im Jahr
2000 ab-solvierten Lehrgangs -
den Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns im [X.]en [X.]raum begründend -
über die gesetzlichen Voraussetzungen einer Substitutionsbehandlung unterrichtet worden war.

3. Die Revision der St[X.]tsanwaltschaft ist dagegen unbegründet, soweit sie sich gegen den Freispruch in den Fällen unter [X.] der Urteilsgründe (Fäl-le
940 bis 942 der Anklageschrift) richtet.

a) Das [X.]
ist für sich genommen rechtsfehlerfrei davon [X.], der Angeklagte könne in diesen drei Fällen nicht des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig gesprochen werden, weil ihm ein eigennütziges Verhalten als Voraussetzung eines täterschaftlichen Handeltreibens mit [X.]n (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Juni 1986 -
5
StR
153/86, [X.]St 34, 124, 126; Beschluss vom 28.
Juli 2009 -
3
StR
44/09, [X.]R BtMG §
13 Abs.
1 Abgabe
1; Beschluss vom 18.
Januar 2011 -
3
StR
479/10, juris; st. Rspr.) nicht nachweisbar sei. Es hat in einer den Anforderungen des §
267 Abs.
5 [X.] genügenden Weise dargelegt, es habe Zahlungen zugunsten des Angeklagten Zug um Zug gegen die Übergabe von Methadon nicht festgestellt.

b) Dass das [X.] die angeklagten Taten nicht (auch) unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln gewertet hat, führt nicht zum Erfolg der Revision der St[X.]tsanwaltschaft.
21
22
23
-
14
-

Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich gehalten, die angeklagte Tat unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen. Dieser Kognitionspflicht dürfen aber keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entge-genstehen. Wird die Strafverfolgung wie hier durch die St[X.]tsanwaltschaft vor Anklageerhebung nach §
154a Abs.
1 [X.] auf eine Gesetzesverletzung
-
konkret das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln -
beschränkt, so können, wie
sich aus der Notwendigkeit einer formellen Wiedereinbeziehung nach §
154a Abs.
3 Satz
1 [X.] ergibt, zunächst ausgeschiedene Gesetzesverlet-zungen nur dann Gegenstand einer Verurteilung sein, wenn die Entscheidung über die Beschränkung zuvor rückgängig gemacht wird. Da es sich hierbei um einen Verfahrensvorgang handelt, kann die unterbliebene Wiedereinbeziehung als [X.] nur mit einer den Anforderungen des §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] entsprechenden, von der St[X.]tsanwaltschaft indessen nicht erho-benen Verfahrensbeschwerde gerügt werden. Die Beanstandung einer Verlet-zung materiellen Rechts genügt nicht (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Dezember 1995
-
4
StR
370/95, [X.]R [X.] §
154a Abs.
3 Wiedereinbeziehung
3; [X.], [X.]O, §
264 Rn.
12 a.E.).

Der Senat ist an der daher gebotenen teilweisen Verwerfung der [X.] der St[X.]tsanwaltschaft nicht durch das Urteil des 1.
Strafsenats vom 18.
Juli 1995 (1
StR
320/95, [X.], 540) gehindert. Denn soweit dort die Ansicht vertreten wird, das Unterlassen einer Wiedereinbeziehung ausgeschiedener Gesetzesverletzungen könne mit der Sachrüge geltend gemacht werden, [X.] es sich nicht um eine die Entscheidung tragende Erwägung (vgl. [X.], [X.] vom 27.
Mai 1963 -
GSSt
2/62, [X.]St 19, 7, 9; [X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
132 Rn.
20). In dem genannten Fall unterlag der Freispruch (auch) der Aufhebung, weil das [X.] den festgestellten Sachverhalt unter wei-24
25
-
15
-
teren rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen unterlassen hatte, die von der Beschränkung nach §
154a [X.] nicht erfasst waren. Das Urteil des 2.
Strafsenats vom 19.
Februar 1997 (2
StR
561/96, [X.]R [X.] §
154a Abs.
3 Wiedereinbeziehung
4) lässt die Beachtlichkeit eines Verstoßes gegen §
154a Abs.
3 [X.] auf die allgemeine Sachrüge ausdrücklich dahinstehen.

[X.] Die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung in den Fällen unter A.IV.3 der Urteilsgründe ist mit der Sachbeschwerde aus den oben [X.] Gründen gerechtfertigt. Auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht mehr an.

I[X.] Mit der Aufhebung und Zurückverweisung nach §
354 Abs.
2 [X.] entfällt die Kostenentscheidung des [X.]. Die Kostenbeschwerde des Angeklagten (§
464 Abs.
3 [X.]) ist damit gegenstandslos ([X.], [X.]O, §
464 Rn.
20).

[X.]

von [X.]Schäfer

[X.] Menges
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Meta

3 StR 321/11

02.02.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.02.2012, Az. 3 StR 321/11 (REWIS RS 2012, 9542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9542

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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