Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2014, Az. 2 StR 354/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5271

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 354/13
vom
27. Mai 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des
Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Mai 2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Januar 2013 aufgehoben
a)
in den Fällen [X.] der Urteilsgründe (Fälle 45 bis 75 der Anklageschrift) mit den zugehörigen Feststellungen,
b)
im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.] (Fälle 91 bis 93 der Anklageschrift) und [X.] bis 9. der Urteilsgründe sowie
c)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.
3.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 705 Fällen und wegen unerlaubter Abgabe von Betäu-bungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren in 31 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verur-teilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es [X.], dass für den Fall des Widerrufs der Bewährung drei Monate als voll-streckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s war der Angeklagte als Substitutionsarzt tätig und verfügte über eine Sonderbedarfszulassung der [X.] von 100 Substitutionspatienten. [X.] substituierte der Angeklagte jedoch etwa 400 Patienten. Im
Zeitraum zwischen Juli 2006 und Februar 2009 überließ der Angeklagte neun Patienten in 705 Fällen Methadon und [X.] in unterschiedlicher Menge zur eigen-verantwortlichen Verwendung und händigte ihnen die für mehrere Tage vordo-sierten [X.] zur freien Verfügung aus (Fälle [X.] [Fälle 91 bis 93 der Anklageschrift] und [X.] bis 9. der Urteilsgründe). In den Fällen [X.] der Urteilsgründe (Fälle 45 bis 75 der Anklageschrift) überließ er der im Tatzeitraum siebzehnjährigen

V.

in 31 Fällen jeweils 40 mg Metha-don zur unmittelbaren Einnahme in der Praxis.
2. Das [X.] hat in der Mitgabe der vordosierten Substitutionsmit-tel eine unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln gesehen. Es sei zwar nicht 1
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-Home-dizinisch nicht indiziert gewesen seien ([X.]); der Angeklagte sei aber nicht befugt gewesen, die [X.] an seine [X.] abzugeben, da er nicht im Besitz einer Erlaubnis gemäß § 3 BtMG ge-wesen sei und auch die Ausnahmeregelung des § 13 BtMG nicht eingreife. In den Fällen [X.] der Urteilsgründe (Fälle 45 bis 75 der Anklageschrift) hat die [X.] den Angeklagten wegen unerlaubter Abgabe
von [X.]
als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren verurteilt, da der Angeklagte die Substitutionsbehandlung ohne Einverständnis der Eltern durch-geführt habe.
II.
1. Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zur Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen [X.] (Fälle 45 bis 75 der Anklageschrift), der [X.] in den Fällen [X.] (Fälle 91 bis 93 der Anklageschrift) und [X.] bis 9. der Urteilsgründe und zur Aufhebung des Gesamtstrafenaus-spruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
a) Soweit das [X.] den Angeklagten in den Fällen [X.] der Ur-teilsgründe (Fälle 45 bis 75 der Anklageschrift) wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahren an eine Person unter 18 Jahren in 31 Fällen verurteilt hat (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG), hält der Schuldspruch revi-sionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die [X.] nicht an die Patientin V.

abgegeben; vielmehr nahm diese das Methadon unmit-4
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telbar in der Praxis ein. Sie erhielt daher lediglich die Konsummöglichkeit, [X.] an den Betäubungsmitteln aber keine eigene Verfügungsgewalt. Darin liegt ein Überlassen zum unmittelbaren Gebrauch (vgl. [X.] in Kör-ner/[X.]/[X.], BtMG, 7. Aufl., § 29 Teil 15 Rn.
100 f.).
Das [X.] hätte daher Feststellungen treffen müssen, ob die Über-lassung der Betäubungsmittel den Vorgaben des § 13 Abs. 1 BtMG iVm §
5 [X.] entsprach, die in ihrem Zusammenspiel die materiellen Voraussetzun-gen einer erlaubten ärztlichen Substitutionsbehandlung normieren (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2014 -
1 [X.], [X.], 147). Entsprechen-de Feststellungen enthalten die Urteilsgründe indes nicht. Ihnen ist [X.] nicht zu entnehmen, ob die Substitutionsbehandlung aus den in § 5 Abs.
2 [X.] genannten Gründen unzulässig war (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 28.
Januar 2014 -
1 [X.], aaO).
Die Erwägung des [X.]s, der Angeklagte habe den Straftatbe-stand des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfüllt, da er gewusst (vgl. [X.]) bzw. zumindest damit gerechnet habe (vgl. [X.]), dass die Substitutionsbehand-lung ohne Zustimmung der Eltern der Patientin erfolgt sei, trägt den Schuld-spruch nicht. Das Fehlen einer
Zustimmung der Erziehungsberechtigten ist kein Tatbestandsmerkmal des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG und mit Blick auf den Zweck der §§ 29 ff. BtMG, den illegalen Umgang mit Betäubungsmitteln möglichst wir-kungsvoll zu bekämpfen (vgl. [X.] in Körner/[X.]/[X.], aaO, § 29 Teil 1 Rn. 1), für die Frage der Strafbarkeit ohne Bedeutung.
b) Soweit das [X.] den Angeklagten in den Fällen [X.] (Fälle 91 bis 93 der Anklageschrift) und [X.] bis 9. der Urteilsgründe wegen uner-laubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 705 Fällen verurteilt hat, ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei; jedoch sind die Einzelstrafen aufzuheben.
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aa) [X.] der vordosierten [X.] durch den Angeklag-ten stellt eine gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG tatbestandsmäßige Abga-be von Betäubungsmitteln dar. Eine Abgabe ist gegeben, wenn es dem [X.] -
wie hier -
freigestellt wird, über die Betäubungsmittel zu verfügen und er an den Betäubungsmitteln Besitz erlangt (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Sep-tember 1998 -
1 [X.]).
Die Abgabe war auch unerlaubt. Der Angeklagte, der nicht über eine Er-laubnis gemäß § 3 BtMG verfügte (vgl. [X.]), war als Arzt nicht generell von der Erlaubnispflicht befreit. Auch ein Substitutionsarzt macht sich daher strafbar, wenn er sich -
wie hier -
nicht an die Voraussetzungen der §
13 BtMG, §
5 [X.] hält (vgl. Senatsurteil vom 4.
Juni 2008 -
2 StR 577/07, [X.]St 52, 271, 273; [X.], Urteil vom 2.
Februar 2012 -
3 [X.], [X.], 337, 338).

Gemäß §
13 Abs.
1 BtMG darf der Arzt Betäubungsmittel lediglich ver-schreiben, verabreichen oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch überlassen. Die Abgabe von Betäubungsmitteln ist dagegen -
von dem [X.] des zum Tatzeitpunkt nicht geltenden und hier nicht einschlägigen
§
13 Abs.
1a BtMG abgesehen
-
nur im Rahmen des Betriebs einer öffentlichen Apotheke erlaubt (§
4 Abs.
1 Nr.
1, § 13 Abs.
2 BtMG). Dementsprechend lässt auch die auf der Grundlage des § 13 Abs. 3 BtMG erlassene Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, die in §
5 [X.] die Voraussetzungen für eine ärztliche Substitutionsbehandlung normiert, eine Abgabe von [X.] durch den Arzt nicht zu.
Die Abgabe der [X.] war dem Angeklagten auch nicht in entsprechender Anwendung des §
13 Abs.
2 [X.] erlaubt (offen gelassen von [X.], Beschluss vom 28.
Juli 2009 -
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StR 44/09, [X.]R BtMG §
13 Abs.
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Abgabe 1). Die Voraussetzungen einer Analogie liegen nicht vor. Die Regelung des § 13 Abs. 2 BtMG, die eine Abgabe
von Betäubungsmitteln im Rahmen
einer ärztlichen Behandlung nicht
vorsieht, beruht auf einer bewussten Ent-scheidung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 8/3551, [X.] f.). Sie soll die Si-cherheit des [X.] gewährleisten und dazu beitragen,
Missbräuche zu verhindern (vgl. Weber, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 1477; [X.], [X.], 38, 39). Die Abgabe von Betäubungsmitteln durch einen Arzt ist [X.] auch dann strafbar, wenn sie im Rahmen einer Substitutionsbehandlung erfolgt (vgl. Hügel/Junge/Lander/[X.], [X.] Betäubungsmittelrecht, 8.
Aufl., § 5 [X.] Rn. 12.1; [X.], [X.], 211, 213; [X.], aaO; Weber, aaO Rn. 1476 f.).
bb) Dagegen hat der Strafausspruch in den Fällen [X.] (Fälle 91 bis 93 der Anklageschrift) und [X.] bis 9. der Urteilsgründe keinen Bestand.
Das [X.] hat im Rahmen der Strafzumessung nicht erkennbar [X.], dass der Unrechtsgehalt der Taten erheblich verringert war, da die

§
5 Abs. 1 [X.]) begangen wurden. Erfolgt die Abgabe von [X.] im Rahmen einer Substitutionsbehandlung, stellt dies jedenfalls dann einen bestimmenden Strafmilderungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO dar, wenn -
wie hier (vgl. [X.])
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feststeht oder nicht auszuschließen ist, dass die Behandlung medizinisch indiziert war (vgl. auch [X.], Beschluss vom 28.
September 1994 -
4 [X.], 85, 86; Urteil vom 5.
Dezember 2002 -
3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200). Dies führt zur Aufhebung aller Einzelstrafen. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, können die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben.

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c) Infolge der Aufhebung der Einzelstrafen entfällt zugleich die Grundlage für den [X.].
3. Die aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ge-troffene Kompensationsentscheidung wird von den aufgezeigten [X.] nicht berührt und kann daher bestehen bleiben.
Fischer
Ri[X.] Prof. Dr. Schmitt

Krehl

ist aus tatsächlichen Gründen

an der Unterschrift gehindert.

Fischer

Eschelbach Zeng
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Meta

2 StR 354/13

27.05.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.05.2014, Az. 2 StR 354/13 (REWIS RS 2014, 5271)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5271

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