Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. VIa ZB 6/23

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 964

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Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluss des 35. Zivilsenats des [X.] vom 15. Februar 2023 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] hinsichtlich der [X.], zu [X.] und zu [X.] als unzulässig verworfen worden ist. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2022 hinsichtlich des [X.] als unbegründet zurückgewiesen wird.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert beträgt bis 35.000 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger wendet sich gegen die Verwerfung seiner Berufung.

2

Er erwarb im November 2017 ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug mit Dieselmotor. Das [X.] hat seine auf die Behauptung unzulässiger Abschalteinrichtungen gestützte Klage abgewiesen. Mit der dagegen gerichteten Berufung hat der Kläger zuletzt die Zahlung von 32.304,65 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu I), die Zahlung von [X.] in Höhe von 4.419,65 € (Berufungsantrag zu II), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu [X.]) und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu [X.]) beantragt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] als unzulässig verworfen, weil sich die Berufungsbegründung nicht mit den tragenden Gründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandersetze. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

3

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).

4

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Berufung sei nicht ordnungsgemäß begründet, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO muss sie konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Darlegung, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger als unzutreffend bekämpft und welche rechtlichen oder tatsächlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen zwar nicht; auch ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen, ein anderes Verfahren betreffenden Textbausteinen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 21. Juli 2020 - [X.]/19, NJW-RR 2020, 1187 Rn. 10 f.; Beschluss vom 16. Januar 2023 - [X.], juris Rn. 8; Beschluss vom 22. Mai 2023 - [X.], juris Rn. 5, jeweils mwN).

6

b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des [X.].

7

aa) Das [X.] hat die Klageabweisung darauf gestützt, der Kläger könne nicht nachweisen, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis von unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht erworben hätte. Der Erfahrungssatz, ein Fahrzeugkäufer werde bei Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb absehen, sei durch das spätere widersprüchliche Verhalten des [X.] erschüttert. Dieser habe einerseits keinen Gebrauch von dem verbrieften Rückgaberecht gemacht, das ihm für den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schlussrate eingeräumt worden sei, andererseits habe er wenig später klageweise die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs begehrt.

8

bb) Mit dieser Argumentation des [X.]s setzt sich die Berufungsbegründung des [X.] auseinander. Zwar hebt das Berufungsgericht zutreffend darauf ab, dass der Kläger die gebotene konkrete Auseinandersetzung mit der Begründung des [X.]s nicht durch die Wiederholung hierauf nicht näher eingehenden erstinstanzlichen Vortrags ersetzen konnte. Indem die Berufungsbegründung aber auf Seite 3 f. ([X.] 157 f.) auf die Ausgangsentscheidung Bezug nimmt und sodann Ausführungen zu den Kaufmotiven des [X.] (mögen diese auch Klagevortrag wiederholen) Erwägungen zur Unbeachtlichkeit der (Nicht-)Ausübung eines verbrieften Rückgaberechts nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegenüberstellt, wendet sie sich erkennbar gegen die vorgenannte Würdigung des [X.]s. Das genügt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO.

9

3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der [X.], zu [X.] und zu [X.] aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Entscheidung sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 577 Abs. 3 ZPO. Letzteres ist indes hinsichtlich des [X.] der Fall, mit dem der Kläger [X.] im Sinne von § 849 BGB begehrt, die ihm aus Rechtsgründen nicht zustehen (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2020 - [X.], [X.]Z 226, 322 Rn. 19; Urteil vom 6. Juli 2021 - [X.] 1146/20, [X.], 1510 Rn. 11; Urteil vom 25. Oktober 2022 - [X.] 1034/20, [X.], 199 Rn. 5, jeweils mwN). Da die Sache hinsichtlich des [X.] zur Endentscheidung reif ist, erfordert die [X.] insoweit eine Sachentscheidung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Juli 2017 - [X.], [X.], 1614 Rn. 21; Beschluss vom 18. Dezember 2018 - [X.], [X.], 204 Rn. 17). Soweit die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wird, wird dieses im weiteren Verfahren insbesondere die Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 ([X.], [X.]Z 237, 245) sowie betreffend die Würdigung des verbrieften Rückgaberechts die Urteile des Senats vom 11. April 2022 ([X.], juris Rn. 8) und vom 23. Oktober 2023 ([X.], [X.], 2232 Rn. 14) zu berücksichtigen haben.

[X.]     

      

Krüger     

      

Götz   

      

Rensen     

      

Katzenstein     

      

Meta

VIa ZB 6/23

13.02.2024

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 15. Februar 2023, Az: 35 U 4439/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. VIa ZB 6/23 (REWIS RS 2024, 964)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 964

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Referenzen
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Zitiert

XI ZB 16/18

IX ZB 73/16

VI ZR 1034/20

VI ZR 1146/20

VI ZR 354/19

VI ZB 68/19

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