Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.01.2013, Az. 8 B 50/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 8941

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Gegenstand

Zum gemeindlichen Einvernehmen nach § 36 BauGB, wenn die Gemeinde Baugenehmigungsbehörde ist


Gründe

1

Der Kläger ist Stadtrat der [X.] und Mitglied des [X.]. Am 23. September 2009 beschloss der Gemeinderat eine neugefasste Hauptsatzung, die unter anderem die Zuständigkeit des [X.] als beschließenden Ausschuss für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 [X.] nicht mehr vorsieht, stattdessen eine Information über laufende Baugenehmigungsverfahren bei für die Stadt- und Ortschaftsentwicklung besonders bedeutsamen Verfahren zur Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit ausreichen lässt. Die Feststellungsklage des [X.], dass sein Ausschluss und seine Nichtbeteiligung bei Entscheidungen nach §§ 31, 33 bis 35 [X.] durch den Beklagten sein Recht als Stadtrat verletze, blieb in den Vorinstanzen erfolglos.

2

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam und klärungsbedürftig:

"Ist es mit Art. 3 [X.] vereinbar, dass nach §§ 24 Abs. 1 Satz 2 vorletzter Halbsatz, 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] BW in der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs dem Gemeinderat in Gemeinden, die untere [X.] sind, keine (Mit-)Entscheidungsrechte im Bereich von § 36 [X.] zukommen, jedoch in Gemeinden, die keine unteren [X.] sind, der Gemeinderat über das Einvernehmen nach § 36 [X.] zu entscheiden hat?,

Ist es mit Art. 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] vereinbar, dass nach §§ 24 Abs. 1 Satz 2 vorletzter Halbsatz, 44 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] BW in der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs dem Gemeinderat in Gemeinden, die untere [X.] sind, keine (Mit-)Entscheidungsrechte im Bereich von § 36 [X.] zukommen?"

3

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit den üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung ohne Weiteres beantworten lässt (Beschluss vom 21. Dezember 1994 - BVerwG 4 [X.] - [X.] 406.401 § 8a BNatSchG Nr. 2 = NVwZ 1995, 601 f.). Überdies müsste die gestellte Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren auch entscheidungserheblich sein. Das ist vorliegend mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht der Fall.

4

Die Auslegung von § 24 Abs. 1 Satz 2 vorletzter Halbsatz, § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 [X.] BW durch den Verwaltungsgerichtshof wäre in einem Revisionsverfahren schon deshalb nicht an Art. 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu messen, weil die gemeindliche Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] in ihrer Ausgestaltung der gemeindlichen Planungshoheit den Gemeinden und Gemeindeverbänden zusteht, nicht jedoch den kommunalen Organen. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 [X.] gewährleistet den Gemeinden im Sinne einer institutionellen Garantie das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen [X.] im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln, so dass hieraus keine eigenständige Rechtsposition für kommunale Organe abgeleitet werden kann ([X.], Beschluss vom 27. November 1978 - 2 BvR 165/75 - [X.]E 50, 50 f; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 17).

5

Hinsichtlich der Frage, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht durch den Verwaltungsgerichtshof mit Art. 3 Abs. 1 [X.] vereinbar ist, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Die Frage ist in der Rechtsprechung des [X.] dahin geklärt, dass Art. 3 Abs. 1 [X.] keine Gleichbehandlung für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens gemäß § 36 [X.] durch das zuständige Organ auch für den Fall gebietet, dass die betreffende Gemeinde zugleich untere Baurechtsbehörde ist.

6

Nach der Rechtsprechung des [X.] rechtfertigt der Gedanke der Gleichbehandlung keine Befugnis der Gemeinde, die zugleich Baugenehmigungsbehörde ist, sich auf § 36 Abs. 1 [X.] zu berufen. Die in § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgesehene Mitwirkung der Gemeinde dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Dieses Schutzes bedarf die mit der Baugenehmigungsbehörde identische Gemeinde nicht; denn sie kann den Zweck des Einvernehmens selbst erfüllen (Söfker, in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 36 Rn. 15). § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist auf das Verhältnis der Gemeinde zu der Baugenehmigungsbehörde eines anderen Rechtsträgers zugeschnitten. Die Gefahr, dass der zuständige Rechtsträger ein Bauvorhaben über den Kopf der Gemeinde hinweg genehmigt, besteht nicht. Zwar ist vorstellbar, dass dann, wenn innerhalb der Gemeinde für die Erteilung der Baugenehmigung und die Erklärung des Einvernehmens verschiedene Organe (Behörden) zuständig sind, bei Wegfall des förmlichen Einvernehmens eine Koordination unterbleibt und die Planungshoheit dadurch zu kurz kommt. Es ist aber Sache der Gemeinde selbst oder des Landesgesetzgebers, durch kommunalverfassungsrechtliche Regelungen dafür zu sorgen, dass die Belange der Planungshoheit hinreichend gewahrt bleiben. Aus Sicht des Bundesgesetzgebers bestand keine Veranlassung für die Einführung eines gesonderten Verfahrens zur internen Abstimmung zwischen verschiedenen Organen der Gemeinde; das Bundesrecht enthält insoweit auch keine verfassungsrechtlichen Vorgaben (Urteil vom 19. August 2004 - BVerwG 4 C 16.03 - BVerwGE 121, 339 <343> = [X.] 406.11 § 36 [X.] Nr. 57 S. 12 m.w.N.). Der mit der Baugenehmigungsbehörde identischen Gemeinde wird durch den Ausschluss des § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] zwar eine verfahrensrechtliche Position in vorprozessualen behördlichen Genehmigungsverfahren vorenthalten. Daraus erwächst ihr jedoch kein rechtlich relevanter Nachteil, weil ihr die Befugnis, sich gegenüber der Widerspruchsbehörde auf den Schutz der materiell-rechtlichen Planungshoheit zu berufen, nicht abgeschnitten wird (Urteil vom 19. August 2004 a.a.[X.] bzw. S. 13 m.w.N.).

Meta

8 B 50/12

17.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 9. März 2012, Az: 1 S 3326/11, Urteil

§ 36 Abs 1 S 1 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.01.2013, Az. 8 B 50/12 (REWIS RS 2013, 8941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8941

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Referenzen
Wird zitiert von

3 L 184/15

M 9 K 16.1541

M 9 K 16.1542

15 ZB 13.2377

15 ZB 13.2378

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