Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2015, Az. I ZR 243/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 900

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:240316BIZR243.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 243/14
Verkündet am

24. März 2016

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Bio-Gewürze
Verordnung ([X.]) Nr. 834/2007 Art. 28 Abs. 2
Dem Gerichtshof der [X.] wird zur Auslegung des Art.
28 Abs.
2 der Verordnung ([X.]) Nr.
834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von [X.]/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
2092/91 folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Liegt ein im Sinne von Art.
28 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr.

k-Verkaufspersonal dem Endverbraucher die Erzeugnisse ohne [X.], dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeiti-ger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Endverbrauchers erfolgt?
[X.], Beschluss vom 24. März 2016 -
I ZR 243/14 -
OLG [X.] am Main

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 10.
Dezember
2015
durch die
Richter Prof. Dr.
Koch, Prof. Dr.
Schaffert,
Dr.
Kirchhoff,
[X.] und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:

[X.]
Das Verfahren wird ausgesetzt.

I[X.]
Dem Gerichtshof der [X.] wird
zur Auslegung des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr.
834/2007 des [X.] vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produk-tion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen [X.]n und zur Aufhebung der Verordnung ([X.]) Nr.
2092/91 ([X.]. Nr.
L 189 vom 20. Juli 2007, [X.]) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Liegt
ein im Sinne von Art.
28 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr.
834/2007 bereits vor, wenn der Unternehmer oder sein Verkaufspersonal dem [X.] die Erzeugnisse ohne Zwischenschaltung eines voraus, dass der Verkauf am Ort der Lagerung der Erzeugnisse unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder [X.] und des Endverbrauchers erfolgt?
-
3
-
Gründe:
A. Die
Beklagte
betreibt einen Internetversandhandel für Kamin-
und Grillbedarf. Zu ihrem Sortiment gehören verschiedene Gewürzmischungen, die sie im
Dezember
2012 unter der
Bezeichnung Bio-Gewürze

zum Verkauf an-bot. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte nicht dem Kontrollsystem gemäß Art.
27 der Verordnung ([X.]) Nr.
834/2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnis-sen (nachfolgend: Verordnung Nr.
834/2007) unterstellt. Mit einem als Abmah-nung

bezeichneten Schreiben vom 28. Dezember 2012
beanstandete die kla-gende Wettbewerbszentrale dieses Angebot
als Verstoß gegen Art.
28 Abs.
1 der Verordnung
Nr.
834/2007. Sie forderte die Beklagte zur Abgabe einer [X.] Unterlassungserklärung auf. Die
Beklagte kam dieser Aufforderung nach.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die Erstattung eines Teils der ihr durch die Abmahnung entstandenen
Aufwendungen in Höhe von 219,35

nebst Zinsen geltend.
Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen. Das
Berufungsgericht hat der Klage stattgegeben
(OLG [X.]
am Main, [X.], 308 = [X.], 115).
Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision
verfolgt die
Beklagte
ihren Antrag auf Abweisung der
Klage
weiter. Die
Klägerin
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art.
267 Abs.
1 Buchst.
b 1
2
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4
-
4
-
und Abs.
3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] einzuholen.
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen,
die Klägerin könne gemäß §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG den Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Auf-wendungen ersetzt verlangen, weil die Abmahnung berechtigt gewesen sei.
Der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß §
8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr.
11
UWG begründet gewesen. Die Beklagte habe durch das Anbieten ihrer Bio-Gewürze

gegen
Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 verstoßen, weil ihr Unternehmen nicht wie erforderlich dem Kontrollsystem dieser Verordnung unterstellt gewesen sei. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine Marktverhaltensregelung im [X.] von § 4 Nr.
11 UWG. Der Verstoß gegen diese Regelung
habe die
Verbrau-cherinteressen im Sinne von §
3 Abs.
1 UWG
spürbar beeinträchtigt.
I[X.] Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Beklagte die von ihr angebotenen Bio-Gewürze

als Internetversandhändlerin im Sinne von Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 direkt

an Endverbraucher verkauft hat.
1. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten setzt nach §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG voraus, dass der mit der Abmahnung erhobene Unterlassungsanspruch zum Zeitpunkt der Abmahnung bestanden hat (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 24.
Juli 2014
I
ZR
119/13, [X.], 393 Rn.
13 = [X.], 450
Der neue [X.], mwN). Für die Be-urteilung des Rechtsstreits sind daher die Bestimmungen des [X.] in ihrer zum Zeitpunkt der Abmahnung am 28. [X.] geltenden Fassung (UWG aF) und nicht in ihrer ab dem 10. De-5
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5
-
zember 2015 geltenden Fassung durch das [X.] zur Änderung des [X.] ([X.] I,
S. 2158) maßgeblich.
2. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 stellt eine nach § 4 Nr.
11 UWG aF un-lautere und nach § 3 Abs. 1 UWG aF unzulässige geschäftliche Handlung dar.
a) Nach Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 ist jeder Unternehmer, der Erzeugnisse im Sinne des Art.
1 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 erzeugt, aufbereitet, lagert, aus einem Drittland einführt oder in Verkehr bringt, verpflichtet, vor einem Inverkehrbringen von [X.] Erzeugnissen als ökologisch/biologische Erzeugnisse oder als Umstel-lungserzeugnisse sein Unternehmen dem Kontrollsystem nach Art.
27 der [X.] Nr.
834/2007 zu unterstellen.
b) Die Vorschrift des Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verord-nung Nr.
834/2007 ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr.
11 UWG
aF. Sie ist auch dazu bestimmt, das Marktverhalten der Unternehmer im Interesse der Verbraucher zu regeln. Die Verpflichtung zur Unterstellung unter ein Kontrollsystem dient der Kontrolle der Einhaltung der durch die Verordnung geschaffenen Verpflichtungen (vgl. Art.
27 Abs.
1 der Verordnung Nr.
834/2007). Diese Verpflichtungen sollen unter anderem gewährleisten, dass die von der Verordnung erfassten ökologischen/biologischen Erzeugnisse der menschlichen Gesundheit nicht abträglich sind (vgl. Art.
3 Buchst. c der Verord-nung Nr.
834/2007).
Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 dient damit auch dem Schutz der Gesundheit der Verbraucher.
c) Ein Verstoß gegen Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verord-nung Nr.
834/2007 ist geeignet, die Interessen von [X.] im Sinne von 8
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§ 3 Abs. 1 UWG aF spürbar zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Verstöße gegen [X.], die den Schutz der Gesundheit der Verbraucher bezwecken, ohne weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG aF spürbar zu beeinträchtigen ([X.], Urteil vom 8. Januar 2015 -
I [X.], [X.], 916 Rn. 16 = [X.], 1095 -
Abgabe ohne Rezept, mwN). Bei Art.
28 Abs.
1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 handelt es sich um eine solche Marktverhaltensregelung.
d) Der Verfolgung eines Verstoßes gegen Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007 als unlautere geschäftliche Handlung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere [X.] die Vorschriften der Mitgliedst[X.]ten über unlautere [X.] von Unternehmen gegenüber [X.] vollständig har-monisiert (Art.
3 Abs. 1, Art.
4 der Richtlinie 2005/29/[X.]). Die Richtlinie lässt nach ihrem Art.
3 Abs. 3 die Rechtsvorschriften der Union
oder der Mitglied-st[X.]ten in Bezug auf die Gesundheits-
und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Art.
28 Abs.
1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007
ist eine solche Rechtsvorschrift.
3. Die Beklagte hat die in Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der [X.] Nr.
834/2007 geregelte Pflicht, ihr Unternehmen
einem Kontrollsystem nach Art.
27 der Verordnung zu unterstellen, nicht erfüllt.
a) Die Beklagte war nach Art.
28 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der [X.] Nr.
834/2007 verpflichtet, sich einem Kontrollsystem nach Art.
27 der Verordnung zu unterstellen.
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7
-

[X.]) Die Beklagte ist
für die Einhaltung der Vorschriften der Verordnung in ihrem Betrieb verantwortlich und damit gemäß Art.
2 Buchst. d der Verordnung Nr.
834/2007 Unternehmer im Sinne der Verordnung.

bb) Die Beklagte
hat dadurch, dass sie im Dezember 2012 Gewürze zum Verkauf angeboten hat, Erzeugnisse im Sinne des Art.
1 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 in Verkehr gebracht.
(1) Zu den Erzeugnissen im Sinne des Art.
1 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007
zählen gemäß Art.
1 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. b dieser Verord-nung verarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als [X.] -
also zur Aufnahme durch Menschen (Art.
2 Buchst. j der Verord-nung Nr.
834/2007 in Verbindung mit Art.
2 Abs. 1 der Verordnung
([X.])
Nr.
178/2002
zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts,
zur Errichtung der [X.] und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit) -
bestimmt sind. Bei den von der [X.] angebotenen Gewürzen handelt es sich um solche Erzeugnisse. Sie sind dazu bestimmt,
nach dem Zusetzen zu einer Mahlzeit von Menschen aufgenommen zu werden.
(2) Für ein Inverkehrbringen reicht
das Bereithalten von Lebensmitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf aus (Art.
2 Buchst. j der Verordnung Nr.
834/2007 in Verbindung mit Art.
3 Nr.
8 der Verordnung ([X.])
Nr.
178/2002). Die Beklagte hat die Gewürze danach dadurch in Verkehr gebracht, dass sie diese im Dezember 2012 zum Verkauf angeboten hat.
[X.]) Die Beklagte hat die Gewürze als ökologische/biologische Erzeugnis-se angeboten. Sie hat die Gewürze
durch die Verwendung der Bezeichnung Bio-

als Erzeugnisse gekennzeichnet, die aus ökologischer/biologischer Pro-15
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-
8
-
duktion stammen (vgl. Art.
2 Buchst. c, Art.
23 Abs. 1 der Verordnung Nr.
834/2007).
b) Die Beklagte hatte ihr Unternehmen zum Zeitpunkt des im Streitfall maßgeblichen Verkaufsangebots im Dezember 2012 nicht dem Kontrollsystem nach Art.
27 der Verordnung Nr.
834/2007 unterstellt. Die
Einhaltung der [X.] gemäß der Verordnung (Art.
27 Abs. 1 der Verordnung Nr.
834/2007) wurde
im Unternehmen der
[X.] erst am 24. Januar 2013 kontrolliert. Die Kontrollstelle hat ihre Bescheinigung (Art.
29 Abs. 1 der Verord-nung Nr.
834/2007)
mit Wirkung vom 28. Februar 2013 ausgestellt.
4. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es darauf an, ob die Beklagte gemäß § 3 Abs. 2 [X.]
von dem Einhalten der Pflichten nach Art.
28 Abs. 1 der Verordnung Nr.
834/2007 freigestellt war, weil sie die Bio-Gewürze

im Sinne von Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 direkt

an Endver-braucher verkauft hat.
a)
Gemäß § 3 Abs. 2 [X.] sind Unternehmer, die Erzeugnisse im Sinne von Art.
1 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 als ökologische/biologische [X.] oder [X.] direkt an den Endverbraucher oder
-nutzer abgeben, vom Einhalten der Pflichten nach Art.
28 Abs. 1 der Verord-nung Nr.
834/2007 freigestellt, soweit sie diese Erzeugnisse nicht selbst erzeu-gen oder erzeugen lassen, aufbereiten oder aufbereiten lassen, an einem ande-ren Ort als einem Ort in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder lagern lassen oder aus einem Drittland einführen oder einführen lassen.
b) Eine Anwendung dieses Befreiungstatbestands scheidet nicht schon deshalb aus, weil die Beklagte die von ihr angebotenen Erzeugnisse selbst er-zeugt oder erzeugen lässt, aufbereitet oder aufbereiten lässt, an einem anderen 20
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Ort als einem Ort in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagert oder lagern lässt oder aus einem Drittland einführt oder einführen lässt. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es daher
darauf an, ob die Beklagte ihre Erzeugnisse im Sinne des § 3 Abs. 2 [X.] direkt

an Endverbraucher abgegeben hat. Ist dies der Fall, musste sie ihr Unternehmen nicht dem Kontrollsystem unterstel-len.
c) § 3 Abs. 2 [X.] beruht auf Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 und ist daher in Übereinstimmung mit dieser Regelung auszulegen. Gemäß Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 können die Mitgliedst[X.]ten [X.], die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder -nutzer verkaufen, von der Anwendung des Artikels 28 dieser Verordnung befreien, sofern die
[X.] die Erzeugnisse nicht selbst erzeugen, aufbereiten oder an einem an-deren Ort als in Verbindung mit der Verkaufsstelle lagern oder solche Erzeug-nisse nicht aus einem Drittland einführen oder
solche Tätigkeit auch nicht von [X.] ausüben lassen.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher davon ab, ob die Beklagte ihre Erzeugnisse im Sinne des Art.
28 Abs. 2 der Verord-nung Nr.
834/2007 direkt

an Endverbraucher verkauft hat.
Es ist ungeklärt, was unter einem direkten

Verkauf an den Endverbraucher zu verstehen ist.
[X.])
Das Berufungsgericht hat angenommen, ein direkter

Verkauf liege nur vor, wenn der Verkauf am Ort der Lagerung des Erzeugnisses unter gleich-zeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Verbrauchers erfolge. Nach dieser Auslegung fiele der
von der [X.] betriebene Online-Handel ebenso wie andere Formen des Versandhandels mit
ökologischen/biologischen Erzeugnissen
nicht unter den Befreiungstatbestand des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007.

24
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-
bb) Allein anhand des Wortlauts
des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 lässt sich die Frage nicht beantworten. Der Wortlaut dieser Be-stimmung lässt zwar die Auslegung des Berufungsgerichts zu. Er kann aber auch dahin verstanden werden, dass ein direkter

Verkauf bereits vorliegt, wenn -
wie im Streitfall -
in den Verkauf durch den Unternehmer an den [X.] kein
Dritter wie etwa ein Zwischenhändler
eingeschaltet ist.
[X.]) Aus dem Zweck des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/
2007 ergeben
sich nach Ansicht des Senats keine eindeutigen Hinweise für die Auslegung.
(1) Die Regelung des Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/
2007 beruht nach Erwägungsgrund 32 dieser Verordnung auf folgender Erwä-gung:
In einigen Fällen
könnte es
als unverhältnismäßig erscheinen, die Melde-
und Kontrollvorschriften auf bestimmte Arten von Einzelhandelsunternehmern wie etwa
auf solche
anzuwenden, die Erzeugnisse direkt an Endverbraucher oder nutzer verkaufen. Es ist daher angebracht,
den Mitgliedst[X.]ten zu erlauben, solche Unternehmer von diesen Anforderungen auszunehmen. Um jedoch Be-trug zu verhindern, sollte die Ausnahmeregelung nicht für diejenigen Einzelhan-delsunternehmer gelten, die ökologische/biologische Erzeugnisse erzeugen, aufbereiten oder an einem anderen Ort als der Verkaufsstelle lagern, aus einem Drittland einführen oder die vorgenannten Tätigkeiten an Dritte vergeben ha-ben.
(2) Das Berufungsgericht hat diesem Erwägungsgrund zutreffend ent-nommen, dass der Zweck der
Regelung darin besteht, aus Gründen der [X.] Ausnahmen von den Melde-
und Kontrollpflichten zuzulassen. Es hat angenommen, diese Pflichten seien unter Berücksichtigung des damit bezweckten Verbraucherschutzes unverhältnismäßig, wenn der Verbraucher selbst erkennen könne, ob die Erzeugnisse im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung behandelt würden, die für alle Stufen der ökologischen/[X.] Produktion, der Aufbereitung und des Vertriebs vorgeschrieben seien. 27
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-
11
-
Diese Voraussetzung sei hinsichtlich der Abwicklung des Erwerbsvorgangs nur bei Unternehmen erfüllt, bei denen der Verbraucher den Abgabevorgang per-sönlich überschauen und kontrollieren könne. Unter einem direkten

Verkauf im Sinne von Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 sei daher ein Verkauf am Ort der Lagerung unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals und des Verbrauchers zu verstehen.
(3) Die Revision macht geltend, der Verordnungsgeber habe den [X.] entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nur gegen das Risiko einer Veränderung der von der Verordnung erfassten Produkte vor dem Verkauf an den Endverbraucher, nicht aber gegen etwaige Risiken bei der Durchführung des Verkaufs und insbesondere beim Transport der verkauften Ware vom Ein-zelhandelsunternehmen zum Verbraucher schützen wollen. Dem kann nach Auffassung des Senats nicht zugestimmt werden. Die Tätigkeiten der [X.] sollen auf allen Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Ver-triebs ökologischer/biologischer Erzeugnisse dem Kontrollsystem des Art.
27 der Verordnung Nr.
834/2007 unterliegen, um sicherzustellen, dass die [X.]/biologischen Erzeugnisse im Einklang mit den Anforderungen erzeugt werden, die der gemeinschaftsrechtliche Rahmen für die ökologische/biolo-gische Produktion vorschreibt
(Erwägungsgrund 31 der Verordnung Nr.
834/2007). Zu den Stufen der Produktion, der Aufbereitung und des Ver-triebs

zählt auch die Beförderung des ökologischen/biologischen Erzeugnisses (Art.
2 Buchst. b der Verordnung Nr.
834/2007).
(4) Für die Beurteilung des Berufungsgerichts könnte angeführt werden, dass die Besonderheiten des Fernabsatzes möglicherweise ein besonderes Bedürfnis an der Unterstellung unter ein Kontrollsystem begründen, das für je-des Erzeugnis die Rückverfolgbarkeit auf allen Stufen der Produktion, der [X.] und des Vertriebs erlaubt, um insbesondere den [X.] die 30
31
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Gewähr dafür zu bieten, dass die ökologischen/biologischen Erzeugnisse in Übereinstimmung mit den Anforderungen der Verordnung hergestellt worden sind (Art. 27 Abs. 13
der Verordnung Nr. 834/2007).
(5) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts könnte sprechen, dass nicht ersichtlich
ist, dass
der Verbraucher bei einem Verkauf am Ort der Lage-rung unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers
oder seines Verkaufs-personals
feststellen kann, ob die als ökologische/biologische Erzeugnisse an-gebotenen Erzeugnisse im Einklang mit den Anforderungen erzeugt worden sind, die der unionsrechtliche Rahmen für die ökologische/biologische Produkti-on vorschreibt (Erwägungsgrund 31). Dabei ist zu berücksichtigen, dass [X.], die selbst erzeugte Erzeugnisse direkt an Endverbraucher verkaufen, keiner Kontrolle durch den Verbraucher bedürfen, da sie von dem Kontrollsys-tem nach Art.
27 der Verordnung Nr.
834/2007 nicht gemäß Art.
28 Abs. 2 der Verordnung Nr.
834/2007 freigestellt werden können. Es ist nicht zu erkennen, dass der Verbraucher, der von einem Unternehmer Erzeugnisse erwirbt, die dieser nicht selbst erzeugt
hat, bei einem Verkauf am Ort der Lagerung unter gleichzeitiger Anwesenheit des Unternehmers oder seines Verkaufspersonals
kontrollieren kann, ob
diese Erzeugnisse im Einklang mit den Anforderungen der Verordnung erzeugt worden sind. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass der Verbraucher bei einem Erwerb der Erzeugnisse im stationären Einzelhandel insoweit bessere Kontrollmöglichkeiten hat als bei einem Erwerb über den Ver-sandhandel.
(6) Möglicherweise besteht der Sinn
des Wortes direkt

daher allein
dar-in, den unmittelbaren Verkauf an Endverbraucher
vom mittelbaren Verkauf an Endverbraucher unter Zwischenschaltung eines [X.] abzugrenzen. Danach läge insbesondere
beim Verkauf eines Erzeugnisses an einen Einzelhändler (vgl. Art.
3 Nr.
2 der Verordnung [[X.]] Nr.
178/2002), der dieses Erzeugnis an 32
33
-
13
-
den Endverbraucher (vgl. Art.
3 Nr.
18 der Verordnung [[X.]] Nr.
178/2002) [X.] Endverbraucher vor. Dagegen wäre
beim unmittelbaren Verkauf eines Erzeugnisses durch den Versandhändler an den Endverbraucher verbraucher
gegeben.

Koch
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.09.2013 -
2 O 161/13 -

OLG [X.] in [X.], Entscheidung vom 30.09.2014 -
14 [X.] -

Meta

I ZR 243/14

10.12.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2015, Az. I ZR 243/14 (REWIS RS 2015, 900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 900

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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